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Spitfire Audio Appassionata Strings Test

Spitfire Audio, Sample-Hauslieferant unzähliger Film- und Werbemusiker, hat mit Appassionata Strings wieder eine Library herausgebracht, genauer gesagt ein Virtual Instrument. Dieses Mal lautet die Parole: nur eine Instrumentengruppe (Streicher) und nur eine Artikulation (Legato).

Spitfire Audio Appassionata Strings Test

Das klingt schon beinahe wagemutig: Was genau hat Spitfire Revolutionäres anzubieten, dass sie sich trauen, sich bei einem kompletten Instrument auf nur eine Artikulation zu beschränken? Um diese Frage zu beantworten, haben wir uns die Appassionata Strings einmal genauer angesehen.

Details

Das GUI und seine Fenster

Die Entscheidung, die Appassionata Strings als eigenes Virtual Instrument und nicht als Kontakt Library herauszubringen, macht sich schon am GUI positiv bemerkbar: Es ist groß, es enthält nicht zu viele Informationen und ist infolgedessen übersichtlich.

Die obere unveränderliche Hälfte enthält neben einem schmalen Menü mit Basiseinstellungen und -informationen (Memory, MIDI Channel, Tune, Pan etc.) auch zwei Fader für Expression und Dynamics und einen großen Knob, der sich mit bis zu fünf verschiedenen Effekten belegen lässt. Die untere Bildschirmhälfte teilt sich variabel in drei Sektionen auf: Artikulationen, Mixer und FX.

Artikulationen

Extrapunkte für Humor gibt es schon mal wegen der Artikulationen. Denn neben zwei Legatos gibt es weitere fünf, die mit Legato nicht viel zu tun haben. Neben ‚Sustain‘ finden sich dort noch drei Hairpin-Artikulationen verschiedener Geschwindigkeiten und Dynamiken (Hairpin = leichtes An- und Abschwellen des Tons) und etwas, das auf den Namen ‚Glancing Attack‘ hört. Bei allen vieren handelt es sich im Endeffekt um Portamentos. Es wirkt ein bisschen so, als sei Spitfire während der Produktion aufgefallen, dass Legato allein dann doch nicht ganz abendfüllend ist.

Angenehm groß, angenehm übersichtlich; das GUI der Appassionata Strings

Mixer und FX

Der Mixer stellt elf verschiedene Signale zur Verfügung. Bei vieren davon handelt es sich um kuratierte Mixe, beim Rest um verschiedene Mikros – von Close bis Ambience ist alles dabei. Damit sollte man sich alles basteln können, was man so braucht. Die FX-Sektion bietet fünf Effekte bzw. Tools: Reverb, Release, Tighntess (Attack), Legato Offset und Noise Floor

Die Mikrofone der Appasionata String
Fotostrecke: 2 Bilder Mixe und Mikros; ein Teil der Signalauswahl der Appassionata Strings

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Praxis

Angebot und Performance

Wie bereits festgestellt, handelt es sich bei den Appassionata Strings um ein Ensemble von ungefährer Kammerorchestergröße. Das bedeutet: acht erste Violinen, sechs zweite, sechs Violen, sechs Celli und vier Bässe. 

Um die Performance des Legato, insbesondere in schnellen Passagen, zu beurteilen, sollte man sich kurz klarmachen, worin das prinzipielle Problem besteht, wenn man versucht, bestimmte Legato-Effekte mit Samples hinzukriegen. Im Orchester spielen mehrere Menschen eine Stimme, das heißt, die erste Violine wird von bis zu 16 Menschen gespielt. Die setzen alle leicht verschieden an, spielen alle leicht unterschiedlich, haben nicht genau dieselbe Dynamik etc. Diese Unterschiede machen sich vor allem beim Übergang von einem Ton zum nächsten bemerkbar.

Audio Samples
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Violine I; Legato Violine 1; Sustain Violine II Hairpin Short Viola; Legato Slurred Cello; Hairpin Medium Cello; Hairpin Long Bowchange Bass; Glancing Attack

Dass echte Streicher schwebend klingen, hat viel mit diesen menschlich-ungenauen Übergängen zu tun. Bei Samples hingegen, die 16 Musiker ersetzen, sind Start- und Endpunkt, Überraschung, exakt gleich. Da ändert auch die Tatsache, dass diese Samples aus Tönen bestehen, nichts daran. Und das ist der Grund, warum gesampelte Streicher oft so klingen, als klebten sie am Boden fest, statt frei in der Luft zu schweben. Darum fällt dieser Effekt auch gerade in schnellen Passagen stärker auf als in langsam-statischen.

Er macht sich z.B. auch besonders bei Legatos bemerkbar, die zwischen zwei Tönen pendeln, das klingt mit Samples für gewöhnlich immer komplett grauenhaft. Auch schnelle Bewegungen, die mit echten Instrumenten etwas leicht Wirbelnd-Verwaschenes bekommen (vgl. Hedwig’s Theme von John Williams), sind natürlicherweise deutlich hörbar. Diesen Effekt kann man mit Samples nicht überzeugend herstellen, jedenfalls kenne ich kein gutes Beispiel dafür. 

Moderate und schnelle Bewegungen

Und das gilt leider auch – und damit wären wir wieder beim Thema – für die Appassionata Strings. Solange die Bewegung moderat ist, hört man ein sehr schönes Legato, keine Frage. Bei schnelleren Bewegungen kann man dem Realismus zuarbeiten, indem man am Legato-Offset herumschraubt und die Stimmen doppelt, denn zum Glück entspricht die aufgenommene Besetzung ja eher dem Rahmen eines Kammerorchesters. Richtig überzeugend wird es aber trotzdem nicht.

Dafür hätte Spitfire einen Weg finden müssen, die Einzelstimmen innerhalb eines Tones individuell ineinander übergehen zu lassen. Falls das überhaupt technisch machbar ist, wäre der Rechen- und Sampleaufwand vermutlich gigantisch. Und ich habe auch nicht ernsthaft damit gerechnet, dass Spitfire einen Weg gefunden hat, die Realität derart überzeugend zu übersetzen. Gehofft habe ich insgeheim aber doch ein bisschen darauf, denn wenn man schon ein Instrument herausbringt, das sich nur mit der Problemartikulation Legato beschäftigt, sollte es auch ein paar der gängigen Probleme lösen – aber leider nicht bei den Appassionata Strings.

Neben dieser Generalkritik auch ein Generallob: Rein klanglich sind alle Signale wie immer allererste Spitfire-Sahne. Die Portamento-Varianten klingen übrigens nicht nur, sondern funktionieren auch rundum sehr gut. Und da es davon insgesamt vier Stück gibt und sie sich mittels Tightness auch fein an die Attack anpassen lassen, hätte es für meine Begriffe mehr Sinn gemacht, die Appassionatas als Portamento-Flaggschiff vom Stapel zu lassen – mit zwei Legato-Patches als Zugabe statt umgekehrt.

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Fazit

Klanglich sind Spitfire Audios Appassionata Strings, wie ungefähr alles bei Spitfire, grundsolide, um nicht zu sagen sehr gut. Das Problem ist eher das Grundkonzept. Die Artikulationen klingen nicht so anders, als dass es unbedingt diese Library braucht. Sie fällt definitiv mehr in den Bereich „nice to have“ als „must have“. Beeindrucken wäre es dagegen gewesen, wenn Spitfire die oben angesprochenen Probleme der Natürlichkeit gelöst hätte, die immer dann entstehen, wenn man versucht, die Legato-Realität in Samples zu übersetzen. Dass es ihnen nicht gelungen ist, kann man ihnen nicht weiter verübeln. Und trotzdem führt es mich zu der Frage: Wozu genau dann dieses VST?

Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • Sensationeller Klang
  • Elf mischbare Signale
Contra
  • Nichts wesentlich Neues für dann doch ein bisschen viel Geld
Artikelbild
Spitfire Audio Appassionata Strings Test

Featurtes

  • 11 Mikrofonsignale
  • Streichorchester in Kammerbesetzung
  • 7 Artikulationen
  • Preis: 249 Euro (Straßenpreis am 12.4.2022)
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