Royer R-122 MKII Test

Wenn David Royer ein neues Ribbon-Mikro auf den Markt wirft, dann müssen wir von bonedo unbedingt einen Test durchführen.

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„Royer Labs R-122 MKII“ lautet der Name dieses brandheißen Kandidaten, und so habe ich schon mit den Hufen gescharrt, um das aktive Bändchen endlich in der Hand zu halten und in der Praxis Erfahrungen damit zu sammeln.
Wer Bändchenmikrofone kennt, der kennt auch Royer. Oder sollte es zumindest. Das kalifornische Unternehmen zählt zu den edelsten Herstellern dieser Spezialform der dynamischen Mikrofone, gemeinsam mit Coles und AEA beackern Royer ein Feld, auf welchem noch Shure, Beyerdynamic, Blue, Cloud, Audio-Technica, Rode und nur wenige weitere Markenhersteller zu finden sind. 

Details

Stab mit Flügeln

Typisch für Royer-Mikrofone ist eine simple Formgebung, die sich an technischen und akustischen Notwendigkeiten orientiert. So ist das R-122 MKII wie die meisten anderen Royers ein einfacher Tubus von knapp 2,5 cm Durchmesser und gut 20 cm Länge, in dessen Fuß die XLR-Buchse eingelassen ist und welcher im oberen Bereich auf der Länge des „Bändchenmotors“ als Gitter ausgefräst ist. Keine Spielerei, sondern sinnvoll ist die Trennungsunterstützung im Off-Axis-Bereich des Achtermikros, also bei 90° und 270°. Diese kleinen Flügelchen zur Vergrößerung des Schallumwegs findet man auch bei manchen Royer-Kopien. 

Fotostrecke: 5 Bilder Eine simple Zylinderform bildet die Grundlage des Bändchenmikros.

Air-Band-Boost

Den -3dB-Punkt durchläuft das 122er schon bei 15 kHz, allerdings gibt es im Air-Band einen erneuten Boost, wenn auch einen leichten. Im Verlauf bis dorthin zeigt sich das aktive Royer in den unteren Mitten und im Oberbass etwas schwächer, in den Mitten und Hochmitten leicht erhöht. Natürlich weiß der Nahbesprechungseffekt bei einem Ribbon den Bass gehörig anzuheben, wenn sich die Schallquelle nah am Mikrofon befindet. Keine Überraschung ist die konstante Richtwirkung, die durch die schmale Bauform sicher unterstützt wird. Dass das Mikrofon so klein sein kann, ist auch der Verwendung von Neodym-Magneten geschuldet, die bei geringer Baugröße dennoch stark genug sein können, im 2,5 Mikron dünnen Bändchen eine ausreichende Spannung zu induzieren.

Fotostrecke: 3 Bilder Kommt mit Pad und HPF: MKII des R-122

Variantenreichtum

Wer sich unter den vielen ähnlich wirkenden Royers der 100er-Serie nicht zurechtfindet, dem möchte ich kurz auf die Sprünge helfen: Das R-121 ist die passive Variante, das R-101 ist benannt nach dem „Einstiegslevel“ 101 und stellt das preiswerteste Royer dar. Das 122V gehört der seltenen Gattung der Röhren-Bändchenmikrofone an. Befindet sich hinter der Zahl ein „L“ und ist das Royer-Logo rot, so handelt es sich um Live-Versionen. Durch das dann dickere Bändchen sind diese Mikrofone robuster und haben einen höheren Grenzschalldruckpegel.

Praxis

Unwürdige Mikrofonklemme

Die dem Royer Labs R-122 MKII beigefügte Mikrofonklemme funktioniert. Sie klemmt das Mikrofon. Das war es auch schon an positiven Nachrichten über dieses Ding. Ehrlich: Ein edles amerikanisches Bändchenmikrofon muss mit einer derartigen Halterung Vorlieb nehmen? Nun, Halterungen zählen nicht zu den Kernkompetenzen von Royer, auch die elastischen Halterungen sind eher schwacher Standard. Man ist gut beraten, sich ein Rycote-Modell zuzulegen, das den Metalltubus ordentlich festklemmt, aber wirklich wünschen würde ich mir eine würdigere Lösung, eventuell mit Innengewinde im Fuß, wie man es von vielen Großmembranern her kennt. Nun ja. 

Fotostrecke: 3 Bilder Die mitgelieferte Klemme…

Frischzellenkur?

Mein kleiner Groll verfliegt aber, nachdem ich mit einigen Signalen die kleine Aluminiummembran gekitzelt habe und mir von Lautsprechern und Kopfhörern bestätigen lasse, wie genial dieses Mikrofon klingt. Typisch für ein Royer ist es verdammt schnell und kann die für diesen Empfänger- und Wandlertyp wesenhafte Wärme und Sämigkeit mit enormer Transparenz verbinden. Dies gelingt ausschließlich den hochwertigen Ribbons der bekannten Markenhersteller. Akustikgitarren werden fein und wohlig aufgezeichnet, es ist tatsächlich sehr schwer, einen beißenden oder spitzen Sound zu erzielen. Natürlich: Im Nahbereich gilt es, vorsichtig zu sein, um Überbassung zu vermeiden, doch erlaubt es gerade das 122 MKII, ein paar Zentimeter näher zu rücken, da auf der anderen Seite des Spektrums der Boost in den absoluten Höhen wartet. Es gibt ihn nicht nur auf dem Papier, er ist sofort zu hören und ist mit verantwortlich für den frischen, offenen Klangcharakter des Royer. Ist es in den Tiefen dennoch zu viel, ist das HPF definitiv zu empfehlen. Bis man sich davon überzeugen kann, wie unmanipulativ es das Klangbild verändert, muss man jedoch – so zumindest in meinem Falle – ein wenig hin- und herrennen, um einen Kugelschreiber, einen Uhrmacherschraubendreher oder eine Büroklammer ausfindig zu machen, mit welcher sich der versenkte Schalter betätigen lässt. Sicher, ich mag auch keine Schieberegler, die sich schon im Luftzug der Klimaanlage von selber zu bewegen drohen, aber so dermaßen kompliziert mag ich es dann auch nicht.

Vocals? Wo sind Vocals?

Das Royer R-122 MKII ist ein „Instrumentenmikrofon“, so zumindest der Eindruck, der entsteht, wenn man sich auf der Webseite unter „Applications“ umsieht. Gesang fehlt. Voice-Over und Chöre sind angegeben, aber ich bin wirklich begeistert von der Eignung als Studio-Gesangsmikrofon. Man sollte sicher nicht den Fehler machen, allzu nah zu mikrofonieren, aber das gelingt deutlich besser als bei vielen anderen Mikrofonen. Es positioniert sich klanglich zwischen beliebten Tauchspulenmikrofonen wie dem Shure SM7B, ist aber detaillierter, klarer und dementsprechend weniger verzeihend. Die Auflösung und Höhendarstellung kommt sogar Kleinmembran-Kondensern recht nah, ohne dass man Gefahr läuft, ein zu „kantiges“ und „eckiges“ Klangbild zu erhalten. 

Audio Samples
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Royer R-122 MKII, 10 cm Royer R-122 MKII, 25 cm Royer R-122 MKII, 55 cm Royer R-122 MKII, 25 cm, 45 Grad Royer R-122 MKII, 10 cm, Filter Royer R-122 MKII, 25 cm, Filter Coles 4038, 25 cm Mojave Audio MA-201FET, 25 cm Electro-Voice RE20, 25 cm

Muss es aktiv sein?

Sicher, viele Eigenschaften des 122 MKII sind auf die Tatsache zurückzuführen, dass in das Mikrofon eine Verstärkerschaltung integriert ist. Das ist zweifelsohne praktisch, doch bin ich persönlich kein ausgewiesener Freund davon. Ich mag es sehr, mit dem Preamp größere Einflussmöglichkeiten zu haben. Will oder muss ich doch zusätzlich vor dem eigentlichen Preamp verstärken, helfen mir die Triton FetHeads, das sind kleine Barrels, die ihren festen 20dB-Hub mit der Phantomspeisung des Mikrofon-Vorverstärkers bewerkstelligen. Auch RJ Cloud baut mit seinem Cloud Lifter vergleichbare Geräte, darunter sogar eines mit variabler Impedanz! Aber gut, wer wie ich die passive Lösung bevorzugt, wird im Royer-Portfolio ja auch fündig.

Fazit

Das Royer Labs R-122 MKII ist ein aktives Bändchenmikrofon, welches einen sanften, sämigen Sound liefert, was typisch für Ribbons ist. Typisch für Royers ist der offene, beschwingt-luftige Klangcharakter, der nicht nur vielen Instrumenten, sondern auch Stimmen sehr gut tut. Darüber hinaus ist das 122 mit netten Zusätzen und Eigenschaften ausgestattet, die man üblicherweise nicht an und in Bändchenmikros findet: Es gibt ein Pad, ein Hochpassfilter, das Rauschen ist moderat, gleichzeitig ist das Mikrofon ausreichend pegelfest. Gut, die Klemme gefällt nicht, aber insgesamt steht der Aufgabe als charaktervoller Allrounder im Studio nichts im Wege! 

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • offene Klang, dennoch typische Bändchencharakteristik
  • Pegelfestigkeit
  • Rauscharmut
Contra
  • Mikrofonhalter
Artikelbild
Royer R-122 MKII Test
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FEATURES UND SPEZIFIKATIONEN

  • Empfängerprinzip: Druckgradientenempfänger
  • Richtcharakteristik: Acht
  • Wandlerprinzip: dynamisch (Bändchen)
  • Frequenzgang: 30 Hz – 15 kHz (ca. +/-3 dB)
  • Übertragungsfaktor: 15,8 mV/Pa
  • THD+N: 18 dB(A)
  • maximaler Schalldruckpegel: 135 dB SPL (bei 30 Hz)
  • Ausgang: XLR
  • Schaltfunktionen: Hochpassfilter (6dB/oct bei 100 Hz) und Pad (15 dB)
  • Preis: € 2259,– (UVP)
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