Neulich an einem Sonntagabend in einer Imbißstube in Hamburg habe ich folgende Konversation aufgeschnappt: “Joo, nech, mein Ingo, ich muss dia ma was saagn. Jetz ma so rein unter Freundä: Wusstest Du, dass die bei die Instrumentenbauers so Spechte angestellt haben? Jaa, echt! Die haun’ so Dellen in die Trommeln rein, damit der Klang so rächtich perlt! Das is ne Weltidee!”
Aha, soso. Ihr verfügt hoffentlich alle über ausreichend Lebenserfahrung, um Leuten kein Wort zu glauben, die allabendlich mit Bademantel und Bierpulle in den Currywurst-Tempel gehen. Wäre Jimmy DeGrasso – der Namenspate für das auffällige Instrument – anwesend gewesen, hätte er gut daran getan, diesem Unsinn mit “Halt die Klappe, ich hab’ Feierabend” frühzeitig ein Ende zu setzen. DeGrasso steht schließlich nicht “im Baumarkt an der Säge”, sondern sitzt hinter dem Kit diverser Gitarren-Bands. Dass die Custom-Snare perlt (oder zumindest “pearlt”), liegt aber durchaus im Rahmen der Möglichkeiten. Dennoch will ich mich nun aus der imaginären Welt des deutschen Qualitätsfernsehens entfernen und mich dem real existierenden Schlaginstrument von Pearl zwischen meinen Knien widmen.
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Details
Ganz eindeutig und auf den ersten Blick erkennbar: Die Pearl Jimmy DeGrasso ist kein aus beliebigen Komponenten zusammengestecktes Instrument, denn hier hat alles die gleiche Optik. Und mit “alles” meine ich “alles”: Kessel, Hoops, Strainer, Butt-End, ja selbst der mitgelieferte Stimmschlüssel glänzen im edlen Goldton. Das nenne ich mal konsequentes Design! Allerdings kann ich mir vorstellen, dass der Verlust genau dieses Schlüssels enorme posttraumatische Belastungsstörungen anschieben kann – einfach “nachkaufen” ist nicht, da bin ich mir ziemlich sicher. Doch dieser Artikel ist ein Snaretest, kein Stimmschlüsseltest, daher zuerst ein Blick auf den Kessel.
Der “Specht” hat hier in Gestalt eines Hammers Beulen in den Messingkessel geschlagen, was natürlich nicht zum Aggressionsabbau des Personals einer Trommelfabrik dient, sondern ganz einfach klangliche Gründe hat: Gehämmerte Kessel klingen im Vergleich zu ungehämmerten meist ein wenig kürzer, dichter und etwas trockener und verfügen über eine komplexere Obertonstruktur. Der 5,5” tiefe Kessel besteht aus Messing, und weist eine Wandstärke von einem Millimeter auf. Pearls beliebte “Super Hoop II”-Flansch-Spannreifen kommen in entsprechender Optik auf der DeGrasso zum Einsatz und drücken mit Hilfe von zehn Spannschrauben pro Seite die Remo-Felle (Ambassador und Ambassador Snare) auf die Kesselfalzen. Wie üblich bei Metallkesselsnares gibt es kein Snarebed. SR-017G heißt die einfache Abhebung, die hier Verwendung findet und mir –bis auf die funkelnde Oberfläche – auch bereits von anderen Pearl-Snares bekannt ist. Der 20-spiralige Teppich kommt ebenfalls mit “goldigem” Design daher. Unter den einteiligen Böckchen läuft die “Nase”, eine sanfte Einkerbung in der Mitte des Kessels, welche im Prinzip ähnliche Aufgaben erfüllt wie die Hämmerung.
Vielleicht noch ein paar Worte zum Namensgeber: Jimmy DeGrasso hat mit Alice Cooper (u.a. aktuelle “Werbeikone” der deutschen Fernsehlandschaft), Suicidal Tendencies und Black-Sabbath- und Reality-TV-Veteran Ozzy gespielt und den (erfolgreichen!) Versuch unternommen, gegen Dave Mustaines sägende E-Gitarre bei Megadeth anzuprügeln. Ihr seht: Der Herr schwingt bei ziemlich großen Namen die Stöcke.
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Praxis
Gold, Gold, Gold! Naja, derartig viel “Bling Bling” muss man schon mögen. Ich fühle mich zwar ein wenig an den Schmuckgeschmack russischer Neureicher erinnert, bin aber trotzdem froh, dass die Snare recht einheitlich wirkt. Sie ist mit einigem Abstand betrachtet sogar optisch ruhiger für das Auge als etwa eine Black-Sparkle-Snare mit goldenen Böckchen, Woodhoops und Chrom-Strainer. Insofern ist das Design stimmig gewählt, zumal es, bedingt durch die Beulen, kaum eine glatte Fläche an diesem Instrument gibt, auf der sich das Auge “ausruhen” könnte. Aber Aussehen hin oder her: Darauf herumzimmern will man doch schließlich! Daher bin ich äußerst gespannt, ob mich hier eher ein akustisches Goldstück oder die Beulenpest in Tonnenform erwartet.
Ab auf den Snareständer und los. In hoher Stimmung zeigt sich, wie ausgewogen das Instrument klingt. Der Messingkessel erzeugt einen deutlichen Ping, der jedoch nicht aufdringlich ist und wie bei manch anderer Snare sofort den Wunsch entstehen lässt, zum Equalizer zu greifen. Charakter ja, aber keiner, der einen ungefragt anspringt – gut! Messing klingt bei weitem nicht so scharf, schneidend und höhenreich wie Stahl, Außerdem sind Hämmerung und Kesselnase goldrichtig, denn ohne sie würde die Trommel sicher wesentlich flacher und eindimensionaler rüberkommen. Andersherum driftet die DeGrasso nie in verwaschenen Sound ab, sondern ermöglicht durchgängig ein artikuliertes Spiel in allen Dynamikstufen und auf allen Fellpositionen. Dabei hinterlassen die sanften, aber ausreichend vorhandenen Höhen, die breiten Mitten und das gut proportionierte Bassfundament zu jeder Zeit ein wirklich stimmiges Bild. Feinchen! Hammerschläge und Nase sorgen zudem für einen leicht trockenen Sound, für den ich einen Vergleich anführen möchte, der zugegebenermaßen auf den ersten Blick etwas an den Haaren herbeigezogen wirken könnte: Champagner! Prickelnd und lebendig, aber gleichzeitig ein wenig “ernst” und “fein” –“perlend” eben! Das Zeitverhalten des Instruments ist meiner Meinung nach perfekt, denn der Attack ist weder zu lasch noch zu schneidend. Es gibt einen wahrnehmbaren “Hold” auch nach leisen Schlägen, sodass der Tontechniker nicht sofort die Spitzen abfangen muss. Das Signal ist so schon dick genug, wirkt aber auch niemals unnatürlich oder “vorkomprimiert”. Die Releasephase ist auch bei tiefer Stimmung –wieder einmal aufgrund der Kesselbeschaffenheit–kurz, dicht und homogen: Hier dengelt nichts noch eine Sekunde nach dem Schlag herum, sodass gezielte Stimm- und Dämpftricks eigentlich nicht benötigt werden.
In mittleren Stimmungen fühlt sich die Snare offensichtlich auch zu Hause. Gute Ergebnisse erzielt man besonders dann, wenn das Resonanzfell nicht zu lasch gestimmt wird. Selbst in wirklich unterirdisch tiefer Stimmung (bei einem Rebound wie eine Schüssel Sauerkraut) erhält man dann klanglich wirklich hervorragende Ergebnisse. Also: Die Snare hat einen nutzbaren Stimmumfang vom Keller bis zum Dach. Rimshots ballern genau so, wie man es von einer Snare für diese Musikrichtung erwartet. Allerdings sollte man bei ausgiebiger Nutzung dieser Spielweise überlegen, ob nicht irgendeine Art von Verstimmsicherung installiert werden sollte. Ich kenne zumindest Instrumente, die eine derartige Bearbeitung etwas gelassener hinnehmen als die DeGrasso und deren Stimmung auch mal zwei Songs in Folge ohne Retuning überlebt.
Wenn ihr mit “gespitzten Ohren” die Files gehört habt, ist euch vielleicht aufgefallen, dass der Teppich an manchen Stellen etwas unruhig klingt. Es war in manchen Stimmungen schlicht nicht möglich, diese Bewegung ausreichend einzudämmen. Kessel und Spannreifen sind jedoch absolut rund und plan, die Falz hervorragend gearbeitet, sodass als Schuldige nur Resonanzfell und Teppich infrage kommen –und das lässt sich verschmerzen.
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Der Pommesbudenphilosoph aus dem Intro hat recht: Die Pearl “perlt” tatsächlich richtig ordentlich. Mal ernsthaft: Die Pearl Jimmy DeGrasso Signature ist nicht nur optisch ein gelungenes Instrument. Der Grundcharakter weist keinerlei nervige Extreme auf, ist aber auch nie langweilig. Gehämmertes Messing in diesen Kesseldimensionen ist eben – wenn es von der Verarbeitung so gut ist wie bei dieser Trommel – eine äußerst stimmige Kombination. Sehr gut ist, dass die Snare in unterschiedlichen Stimmungen ohne viel Aufwand hervorragend reagiert und hochwertig klingt. Der einzige Wermutstropfen ist, dass es beim Testinstrument eine “Tuning-Issue” auf der Unterseite gab, die sich jedoch mit dem Austausch des Fells beheben ließe. Gute Instrumente kosten gutes Geld, daher ist diese Signature natürlich nicht gerade als “Schnäppchen” zu bezeichnen.
Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
in jeder Stimmung ausgewogener Klang
angenehmer, unaufdringlicher Grundcharakter mit gut steuerbarem Ping
großer Stimmumfang
hohe Sensibilität
Contra
Kontrollierbarkeit der Teppichschwingung bei der Testsnare
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