Neural DSP Archetype: Gojira Test

Die Prog-Metalband Gojira ist in Insiderkreisen natürlich schon längst kein unbeschriebenes Blatt mehr und daher würdigt die finnische Softwarecompany Neural DSP die Grammy-gekürten Franzosen mit einem eigenen Gitarrenplugin für die Freunde der etwas härteren Gangart. 

Neural_Gojira_Test


Wie alle Neural-Produkte der Archetype-Serie entstand auch das Gojira-Plugin in enger Zusammenarbeit mit einem Künstler, in diesem Fall war das Joe Duplantier, dem Kopf der Band. Der Aufbau erinnert von seiner Grundstruktur her ebenfalls an vertraute Neural-Produkte, wie etwa an das Cory Wong-, Plini-, Nolly- oder das Abasi-Plugin – die Software kommt nämlich mit einer spezialisierten Auswahl an drei Ampmodellen, individuellen Effekten und mit einer Cabinetsimulation auf IR-Basis daher.
Der Websitetext rühmt das Plugin mit dem Satz “The heaviest Plugin in the universe” und wir wollen natürlich einerseits ergründen, ob das zutrifft, und andererseits gern wissen, was Archetype:Gojira neben Highgain-Brettern noch alles zu leisten vermag. 

Details

Konzept

Das Gojira-Plugin ist eine Software, die drei Gitarrenampmodelle virtuell nachbildet und diese mit einer großen Vielfalt an Cabsimulationen auf Basis von Impulsantworten (IRs) bestücken lässt. Außerdem mit im Paket ist eine spezielle Auswahl an Effekten, die teilweise auf Basis von analogen oder digitalen Gitarrenpedalen entworfen wurden. Das Gojira-Plugin kann sowohl als Stand-alone  oder als Plugin für Mac OS und Windows im VST/AU/AAX-Standard eingesetzt werden.

GUI Übersicht

Für die Installation des Gojira-Plugins wird nur eine Internetverbindung und ein iLok Account benötigt. Die Installation und die Aktivierung läuft wie am Schnürchen und nach kurzer Zeit ist man auch schon startklar.

Das GUI mit Header, Rack und Browser
Das GUI mit Header, Rack und Browser

Das GUI zeigt sich natürlich ganz metal-stilecht in dunklen, düsteren Farbtönen wie Schwarz, Grau und Braun, wirkt dabei aber ansprechend und vor allem cool designt, zumal man sogar das Glühen der Röhren in den Topteilen grafisch schön aufgearbeitet hat. Die attraktive Oberfläche lässt sich über ein kleines Icon in der rechten unteren Fensterecke in drei Stufen skalieren.
In der oberen Zeile präsentiert sich der Header, der die Effektkette inklusive aller Module anzeigt. Diese können durch einen Rechtsklick an- und ausgeschaltet werden, während ein Klick auf die linke Maustaste die User auch zu den Settings des jeweiligen Moduls bringt, das dann wie gewünscht eingestellt werden kann. 
Unterhalb des Headers zeigen sich die Potis für das  In- und Outputlevel mit einer Meteranzeige für das korrekte Pegeln. Auch ein stufenlos einstellbares Noise Gate sowie die Möglichkeit, das Oversampling von Low zu High umzuschalten, ist hier gegeben. Außerdem hat man hier die Option, den Input auf Mono- oder Stereobetrieb zu switchen. Die Organisation der Presets findet ebenfalls in der rechten Zeile statt. Hier können Voreinstellungen abgespeichert, gelöscht und importiert werden und ein Browser hilft beim Suchen konkreter Presets. Begibt man sich in das Presetmenü, findet man eine ordentlich gegliederte Baumstruktur, die zu Factory-, Artist-, Gojira- und Userpresets führen. Neben den Signature-Sounds haben sich hier auch die Gitarristen von Bands wie Haken, Polaris oder Bleed from Within die Ehre gegeben, ihre Favoriten zu programmieren und den Usern zur Verfügung zu stellen. Die Presetvielfalt ist immens und selbst an die Tieftonfraktion für Bass oder achtsaitige Gitarren wurde gedacht. 
Die Amp- bzw. Effektmodule sind im GUI mittig angeordnet und werden weiter unten genauer besprochen. Links in der unteren Zeile befindet sich ein Icon, das zum MIDI-Mapping und zum kalibrierbaren Stimmgerät führt. Setzt man Gojira im Stand-alone-Modus ein, gesellen sich noch das Icon für die Audiosettings sowie eine Tempofunktion hinzu, die wahlweise via Tapbutton eingeklopft werden oder händisch eingetippt werden kann. Mittig zeigen sich drei Amp- und Cab-Icons. Darüber erhält man, unabhängig davon, in welchem Modulpunkt man gerade ist, einen Schnellzugriff zu den Ampmodellen und kann diese direkt wechseln. Das Kettengliedsymbol lässt die Option zu, den Amp entweder mit Matching-Cab oder den Amp alleine auszuwählen.

Signalkette und Module

Das Gojira-Plugin verfügt über eine hinsichtlich der Reihenfolge unveränderliche virtuelle Signalkette, bestehend aus sechs übergeordneten Modulen. Die Effekt-Chain sieht dabei folgendermaßen aus: Pitch Shift -> Pre FX – >  Amp – > EQ – > Cab -> Post FX

Ampmodelle

So wie einige der Neural-Plugins kommt auch Gojira mit nur drei verschiedenen Ampmodellen daher, die hinsichtlich ihrer Gainstruktur aufsteigend angeordnet sind. 
Das Konzept besteht hier nicht darin, sämtlichen Usern zig Amps abzuliefern, sondern darin, einer eine auf das Plugin zugeschnittenen Zielgruppe eine treffende und gut modellierte Auswahl anzubieten – Klasse statt Masse sozusagen.
Das “Clean”-Modell entspricht einem Vintage-Röhrenamp, der über den Gain-Regler alle Sparten von Clean bis Mid-Gain-Rock abdeckt.  

Fotostrecke: 3 Bilder Das “Clean”-Ampmodell für unverzerrte und Crunchsounds,…

“Rust” macht im Prinzip da weiter, wo der Vorgänger aufgehört hat, und liefert crunchige Töne. Wirklich hundertprozentig clean kann dieser Amp nicht, aber im Prinzip liegt dank des extrem breiten Gainsweeps alles von Low- bis High-Gain in seinem Klangspektrum. Das erinnert mich im Grundsound ein wenig an Soldano- und Peavey-5150-Sounds.
Mit “Hot” erhält man schließlich das Gojira-Metalbrett oder, wie der Hersteller selbst schreibt: “This channel is what you’re here for.” Hier kommt noch eine Spur mehr Gain aufs Tablett und der Mittenbereich wirkt etwas aggressiver.

Cabinets

Im Cabinetmodul kann man aus drei integrierten Gitarrenboxen nun jeweils ein Modell auswählen. Daneben besteht auch die Möglichkeit, externe Cabinet Impulse Responses zu laden, was natürlich eine immense Flexibilisierung darstellt.
Die drei Boxen können nun mit zwei verschiedenen Mikrofonen abgenommen werden, die man im Panning frei platzieren oder auch im Center mischen kann. Ebenso lassen sich zwei getrennte Impulsantworten für den linken und rechten Speaker laden, allerdings fallen die Mikrofonierungsoptionen bei eigenen IRs weg.

Drei Cabinets mit jeweils sechs Mikrofonen stehen im Cabblock bereit.
Drei Cabinets mit jeweils sechs Mikrofonen stehen im Cabblock bereit.

Bei der Abnahme der Werks-Cabinets hat man die Auswahl aus sechs verschiedenen Mikrofontypen, darunter dynamische, Kondensator- oder Bändchenmodelle, die man hinsichtlich ihrer Position, Entfernung und Lautstärke frei platzieren und tweaken kann, und zwar sowohl am Mike selbst als auch an den Potis. Natürlich wird dies durch das Umschalten mehrerer hundert IRs von Adam “Nolly” Getgood im Hintergrund gewährleistet.

Effekte 

Den Anfang in der Effektkette macht ein spezielles Pitch-Modul mit zwei verschiedenen Effektpedals. Hier befindet sich mit dem “Wow” eine Art Whammy-Pedal, das drei Modi mitbringt, nämlich Blade 1 und 2 für das Heraufpitchen von einer bzw. zwei Oktaven. Außerdem gibt es hier noch das Fatso, das zusätzlich noch einen tiefere Oktave mitbringt und dank des Blendreglers sogar den reinen, tiefen Effektsound alleine stehen lassen kann. Die Bedienung dieses Effekts geschieht entweder mit einem MIDI-fähigen Expressionpedal oder via Maus, was natürlich auch in der DAW automatisiert werden kann.

Fotostrecke: 4 Bilder Der Pitchblock liefert ein Whammy Pedal und einen Octaver.

Zusätzlich wurde der Effektblock noch mit einem polyphonen Oktaver ausgestattet, der dem Originalsignal die tiefere und die Doppeloktave unabhängig voneinander hinzufügen kann. Im “Pre Effects”-Block zeigen sich nun Pedals, die man gerne vor die Vorstufe hängt, wie z.B. einen Overdrive oder ein Distortionpedal. Modulationseffekte, wie hier Phaser und Chorus, platziert man zwar häufig im Einschleifweg des Amps, doch kann das zur Intensivierung des Effekts auch durchaus vor dem Input Sinn machen.
Hinter dem Ampmodul befindet sich ein umfangreicher 9-Band-Equalizer, der jede Frequenz um 12 dB anheben oder senken kann. Im Post-FX-Block trifft man nun die zeitbasierten Effekte wie Delay und Reverb an. Das Delay wurde in Anlehnung an ein Tape-Echo gemodelt und kann hinsichtlich der Tape-Sättigung flexibel eingestellt werden. Dabei sind Tapfunktion und die automatische Synchronisation zum Songtempo ebenfalls möglich. Für Freunde des subtilen Chorus-Effekts, kann der Delay-Algorithmus mit einer Modulation im Stile des TC Electronics 2290 Delays belegt werden.
Der Reverb ist mit einem Blend Regler, sowie einem Hi- und Low-Cut ausgestattet und kann für spacige Sounds zu einem Shimmer-Reverb umgeschaltet werden.

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