Es ist kein Geheimnis, dass echte Leslies ebenso schwer zu bekommen wie zu tragen sind, dass sich aber der von ihnen erzeugte Sound ungebrochener Beliebtheit erfreut. Entsprechend divers ist die Liste der Versuche, den 1940 von Donald Leslie erfundenen Rotationslautsprecher nachzuahmen, und zwar möglichst authentisch, jedoch rückenschonender und etwas komfortabler im Handling.
Schon in analogen Zeiten vorne mit dabei war beispielsweise das Dynacord CLS 222, das einige noch heute für eine der besten und eigenständigsten Nachbildungen halten. Mitte der 90er tat sich das ebenfalls noch von vielen geschätzte Korg Toneworks G4 hervor, während heute vor allem vom Rotosphere aus dem Hause Hughes & Kettner die Rede ist, wenn über die Frage des besten Leslie-Ersatzes diskutiert wird. Vor allem aus praktischen Gründen arbeiten zudem viele Keyboarder einfach mit den Leslie-Effekten, die moderne Instrumente wie das Clavia Nord Stage oder das Roland VK-8 gleich mit an Bord haben.
Allerdings haben sich die recht komplexen physikalischen Vorgänge im Leslie (siehe Doppler-Effekt), in dem zwei Lautsprecher für den Hochtonbereich und unter 800 Hz einer für den Bass rotierend ihren Dienst versehen, als harte Simulations-Nuss herausgestellt. So kommt es, dass bisher bei keinem der Imitate rechte Zufriedenheit aufkommen wollte.
Nicht verwunderlich also, dass bestimmte Erwartungen geschürt wurden, als Guido Kirsch, einer der Erfinder und Entwickler des Access Virus, eine eigene digitale Umsetzung des Klassikers mit seiner neuen Firma Neo Instruments ankündigte. Herausgekommen ist der »Ventilator«, eine schmucke Stompbox, die sich der digitalen Nachbildung eines Leslie 122 widmet.
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Details
Der Windmacher aus Fulda besticht durch sein schlichtes, in anthrazit-orange gehaltenes Äußeres. Der eine oder andere hätte sich hier vielleicht in Verneigung vor dem Original etwas mehr Vintage gewünscht. Aber die moderne Eleganz des Ventilators ist sicherlich keine schlechte Wahl, zumal, wenn das Gerät nicht am Boden, sondern in Griffhöhe die Keyboardburg zieren soll – ein Platz, an dem man sich Gothic-Monster à la Rotosphere eher nicht vorstellen möchte.
Das Bedienungspaneel wartet zunächst mit zwei Metalltastern auf, wie man sie von Stompboxen kennt. Der rechte dient zum Umschalten zwischen langsamer und schneller Drehgeschwindigkeit des Leslies, der linke eröffnet die Vorteile eines True Bypass. Flankiert werden beide Treter von LEDs, die zum Bypass-Zustand und zu den Drehgeschwindigkeiten von Bass- und Hochtonlautsprechern ein optisches Feedback geben.
Besonders ins Auge aber fallen die fünf komplett versenkten Potis, mit deren Hilfe man einen umfangreichen und effektiven Zugriff auf verschiedene wichtige Parameter hat. So lassen sich die Gesamtgeschwindigkeit der Rotoren, die Anlaufgeschwindigkeit, die Balance zwischen Tief- und Hochtöner, die Verzerrung sowie die Distanz des Mikrofons zum Leslie komfortabel einstellen, wobei meist die mittlere Position der Regler die Standardwerte des simulierten 122ers darstellt. Während Steuerungsmöglichkeiten bezüglich der Drehgeschwindigkeit nicht so sehr verwundern, bieten die anderen Parameter überraschend nuancierte Möglichkeiten, den Sound auf physikalisch realitätsnahe Weise zu beeinflussen. Den Balance-Regler beispielsweise, der das Verhältnis zwischen der Lautstärke von Hochtönern und Basslautsprecher regelt, kann man sehr gut für EQ-Aufgaben verwenden, indem man ihn zum Beispiel in Richtung Hochtöner dreht und somit die Bassanteile des Sounds verringert – oder eben umgekehrt. Mit dem einstellbaren virtuellen Mikrofonabstand wiederum ändert sich die Amplitude der Modulation, der Hörer rückt im Grunde vom Leslie weg, was den Effekt weniger intensiv erscheinen lässt. Über den Drive-Regler mischt sich eine simulierte Röhrenzerre ein, die man beim Original dadurch erreicht, dass man dem Leslie ordentlich Pegel liefert. Fein geduckt in die Sicherheit des Aludruckgussgehäuses lassen sich die Potis gut bedienen, sind aber, besonders beim Bodeneinsatz, perfekt geschützt vor unerwünschtem Verstellen.
Anschlussseitig wird man auf der Rückseite erwartungsgemäß von einem Mono-In und Stereo-Out in Klinkenausführung begrüßt. Auf den Wunschzettel für eine 2.0 Version des Ventilator notieren wir zart mit Bleistift einen Stereo-In, der sich natürlich im modernen Keyboard-Setup noch etwas besser macht. Allerdings verrät ein Blick in einen Zusatz zur Bedienungsanleitung, dass dieser Wunsch auch heute schon erfüllbar ist: Mit ein wenig Basteleinsatz lässt sich nämlich der Mono-In in einen Stereo-In verwandeln, sodass man mithilfe eines Y-Kabels auch schicke Stereo-Pianosounds ohne Verlust durchschleifen kann. Auch jetzt schon ein echtes Plus ist eine weitere Klinke zum Anschluss eines Remote-Schalters. So lässt sich der Ventilator zusätzlich über einen Halfmoon-Schalter (wie bei einer Original-Hammond) oder externe Fußschalter bedienen. Dadurch entsteht nicht nur die Möglichkeit, die Geschwindigkeit der Rotoren ferngesteuert umzuschalten, sondern diese sogar ganz stoppen.
Die Praxistauglichkeit des Ventilator wird durch zwei Druckschalter abgerundet, die man ebenfalls auf der Rückseite findet. Mit Lo/Hi kann die Eingangsempfindlichkeit geregelt werden, sodass man bei Instrumenten mit schwachem Pegel dennoch auf eine optimale Signalstärke kommt. Wer’s allerdings übertreibt, bekommt die Quittung in Gestalt einer roten Overload-LED. Eine ziemlich feine Sache verbirgt sich schließlich hinter einem Schalter mit der Beschriftung Key/Git. Da das Original-Leslie ja nicht nur als Effekt dient, sondern eine veritable Verstärkung darstellt, hat man dem Ventilator auch eine Amp-Simulation gegönnt, die den Frequenzgang des Holzkabinetts abbildet. Für Gitarristen, die den Effekt auf ihr Stressbrett packen und das Signal noch einmal durch einen Amp schicken, hieße dies, de facto zwei Verstärker hintereinander zu haben – was in der Regel nicht gewünscht sein wird. Deshalb kann man über besagten Schalter die Amp-Simulation des Ventilator einfach ausschalten.
Bei der Verarbeitung hat Neo Instruments keine Kompromisse gemacht. Alles ist extrem robust und hochwertig. Das Ding hat man gerne in der Hand, und es dürfte selbst unter den Füßen des grobschlächtigsten Gitarristen eine gute Figur machen. Im Innern des Ventilator werkelt übrigens nach Angaben des Herstellers so viel Rechenpower wie andernorts auf die Simulation einer ganzen B3 mit Leslie verwandt wird. Was uns endlich zur entscheidenden Frage führt: Wie klingt’s denn jetzt?
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Praxis
Man könnte sich nun völlig damit begnügen, mal eine Orgel (in meinem Fall ein Clavia Nord Stage) an den Ventilator anzuschließen, ein wenig an den Einstellungen herumzuspielen und zu hören, was herauskommt. Mach ich natürlich und muss sagen: Viel! Da kommt sofort Freude auf. Der Sound lässt sich sehr vielseitig formen und begeistert direkt durch einen satten Druck. Gleich fällt auch auf, dass Hochtöner und Bass in der Simulation ganz eigenständig sind. Im Gegensatz zu den meisten Leslie-Effekten von der Stange wirkt das sehr lebendig, und man meint, vor allem die Wucht des Basslautsprechers körperlich zu spüren.
Aber die Erfahrung hat doch gezeigt, dass so manches Imitat zu überzeugen weiß, solange es nicht im direkten Vergleich gegen das Original anzutreten hat. Genau das können wir also dem Ventilator nicht ersparen. Andererseits ist natürlich auch der Vergleich zu anderen Simulationen nicht uninteressant. Sicherlich wäre ein Vergleich mit möglichst vielen anderen Vertretern der Nachahmungszunft (also z. B. Rotosphere, Roland RT-20, Electro-Harmonix Wiggler etc.) spannend, aber das sei den Kollegen von der Grundlagenforschung überlassen. Ich beschränke mich hier auf einen weiteren Kandidaten, nämlich den Leslie-Effekt des Nord Stage. Der hauseigene Effekt des Keyboards ist schließlich die handlichste Lösung. Sollte sich also herausstellen, dass dieser dem Ventilator oder gar dem Original ebenbürtig ist, wäre er ganz klar erste Wahl.
Mit wissenschaftlichem Eifer schreiten wir also zur Tat und stellen gleich fest: So leicht ist es gar nicht, einigermaßen vergleichbare Ergebnisse zu produzieren. Zunächst ist noch alles naheliegend. Auf dem Nord Stage schrauben wir einen passablen Orgel-Sound zurecht, der für alle drei Kandidaten das Ausgangsmaterial bildet. Faire Bedingungen, sollte man meinen. Der Clavia-interne Effekt wird natürlich einfach stereo aufgenommen, beim Ventilator geht es mono aus dem Nord Stage in die Box und wiederum stereo aufs Band.
Vertrackter wird es, wenn das echte 122er Kabinett ins Spiel kommt. Natürlich ist bei unserer Anordnung ein Leslie mit Line-in Pflicht (sowieso eine schöne Sache!), denn dem normalen 9-Pol-Anschluss haben wir ja nichts zu bieten. Die Hochtonspeaker des Leslie nehmen wir mit einem Royer SF24 Stereo-Mikrofon an einem Chandler TG2 Preamp auf, um die Bassbox kümmert sich ein Royer R122 an einem Earthworks 1022 (Engineer: Phil Kullmann, Raw Artistic Studio, Köln). Zwei Mics an den Hochtönern, eines für den Bass, genau das Recording-Setup, das der Simulation im Ventilator zugrunde liegt.
Allerdings zeigt sich schnell, dass die Ergebnisse schwer zu vergleichen sind, da sie sich im Frequenzspektrum zu sehr unterscheiden. Zwar liefern die Royer Mics ein extrem authentisches akustisches Abbild, aber schließlich geht es auch beim Recorden analoger Klassiker nicht primär um Flat-EQ, sondern darum, dass es fein klingt. Deshalb springen wir über den Testerschatten, binden die Hände im Rücken los und greifen ein wenig zu den EQs der SSL-Console, um zunächst dem echten Leslie zu etwas mehr Höhen zu verhelfen. Anschließend gleichen wir Nord Stage-Leslie- und Ventilator-Recording so an, dass sie frequenztechnisch dem 122er nahe kommen. Schließlich geht es bei Simulationen ja doch darum, irgendwie das Original zu erreichen.
Nun aber zu den Früchten der Arbeit. Den Anfang macht das Original:
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Leslie 122 Clean
Das ist also die Messlatte. Den schönen Schmutz, wie Raumgeräusche und Knackser der Mechanik, erwarten wir von den digitalen Kollegen natürlich nicht. Aber den Druck, die komplexen Modulationen des Sounds und das feine Stereo-Bild wünschen wir uns schon.
Hier nun die komplett Nord Stage-interne Lösung:
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Clavia Nord Stage Clean
Tja, für sich betrachtet hat die Kombi für meinen Geschmack immer einen ganz guten Job gemacht. In dieser Gegenüberstellung werden aber die Grenzen des Clavia-Effekts deutlich. Zwar liefert er bei schneller Rotorgeschwindigkeit ein passables Tremolo im Breitwand-Format. Aber besonders bei langsamer Rotation wird das Ganze doch recht flach. Vor allem die Basstrommel kommt überhaupt nicht zu ihrem Recht. Wo sich im 122er unter 800Hz richtig was regt, sind beim Clavia eher stehende Töne zu haben. Alles in allem eine brauchbare (Bühnen-)Lösung, jedoch sprichwörtlich ohne viel Tiefgang.
Und nun der Ventilator:
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Ventilator Clean
Sofort fällt auf, dass hier mehr Leben in der Bude ist. Speziell die Basstrommel wirkt nicht so hüftsteif wie beim Clavia. Es grummelt und pfeift wirklich imposant. An die akustische Komplexität des Originals reicht es für meine Begriffe nicht ganz heran. Aber hier verschafft die gute Akustik des Aufnahmeraums dem 122er auch einen klaren Vorteil. Dennoch muss man sagen: erstaunlich nah dran!
Zum Thema Raum muss man noch folgendes erwähnen: Während man im Studio gerne die Raumanteile eines Leslies aufnimmt, freut man sich im Livebetrieb über ein möglichst trockenes Signal, da jedes Quäntchen Raum an der Durchsetzungsfähigkeit der Orgel nagt. Deshalb hat sich Guido Kirsch wohl auch dazu entschieden, auf zusätzliche Raumsimulationen zu verzichten.
Zuletzt interessiere ich mich noch für die Distortion-Möglichkeiten der drei Varianten.
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Leslie 122 DistortionClavia Nord Stage DistortionVentilator Distortion
Die drei Zerren klingen doch ziemlich unterschiedlich, was es schwer macht, einen vernünftigen Vergleich zu ziehen. Auch der Grad der Verzerrung variiert. Hier setzt sich die Tendenz aus dem »cleanen« Aufeinandertreffen fort: Der Clavia-Effekt wirkt etwas dünn und plakativ, während der Ventilator neben dem Original eine gute Figur macht. Auch wenn die Zerre des 122ers etwas anders klingt, weiß doch der digitale Nachbau mit einer satten Röhren-Verzerrung zu gefallen, die dem Ganzen Biss verleiht, ohne den Sound zu Transistorstaub zerfallen zu lassen.
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Mit dem Ventilator ist Neo Instruments ein wirklich guter Leslie-Effekt gelungen. Die Verarbeitung ist phantastisch, die Bedienung geht gut von der Hand und liefert vielfältige, gute Ergebnisse. Aber das Wichtigste: Der Sound hat richtig Substanz und kann vor allem im schiebenden Mitten-Bass-Bereich sehr punkten. Vielleicht kein Grund, ein echtes 122er dafür einzumotten. Aber ganz sicher einer, sich nicht mehr mit dünneren Lösungen zufriedenzugeben.
Bisher habe ich meine B3 natürlich über 122er oder 147er gespielt. Und in kleinen Räumen und im Studio ist das auch weiter meine erste Wahl. Aber in letzter Zeit Nutzer ich den Neo Ventilator auf der Bühne. Da ich in der großen Besetzung meine Orgel mehr aus dem Monitor als aus dem Leslie höre, hat der Neo die Nase vorn: - weniger unkontrollierbarer Lärm auf der Bühne - die Kollegen können die Lautstärke des Orgelsounds selbst bestimmen - der FOH hat die Orgel jetzt unter Kontrolle - sogar für mich ist die B3 so lauter (kein Feedback mehr, keine Klangeinbußen durch Frequenz- Basteleien wg. Feedback) - der Sound ist irgendwie definierter - Distortion perfekt unter KontrolleWenn ich bei "kleinen" Gigs anstelle der B3 mit der XK-3c unterwegs bin, rettet der Neo Ventilator mir den Abend ;-)
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M Ernst sagt:
#1 - 09.01.2012 um 04:47 Uhr
Bisher habe ich meine B3 natürlich über 122er oder 147er gespielt. Und in kleinen Räumen und im Studio ist das auch weiter meine erste Wahl. Aber in letzter Zeit Nutzer ich den Neo Ventilator auf der Bühne. Da ich in der großen Besetzung meine Orgel mehr aus dem Monitor als aus dem Leslie höre, hat der Neo die Nase vorn:
- weniger unkontrollierbarer Lärm auf der Bühne
- die Kollegen können die Lautstärke des Orgelsounds selbst bestimmen
- der FOH hat die Orgel jetzt unter Kontrolle
- sogar für mich ist die B3 so lauter (kein Feedback mehr, keine Klangeinbußen durch Frequenz- Basteleien wg. Feedback)
- der Sound ist irgendwie definierter
- Distortion perfekt unter KontrolleWenn ich bei "kleinen" Gigs anstelle der B3 mit der XK-3c unterwegs bin, rettet der Neo Ventilator mir den Abend ;-)