Vor kurzem brachte Kurzweil das Stagepiano SP 2 X auf den Markt und erntete damit bei Presse und Publikum gleichermaßen Beifall. Einen der Vorgänger des so goutierten Pianos behielt die amerikanische Traditionsfirma allerdings weiterhin im Programm. Das SP 88X, eine Art Tastatur gewordenes Kurzweil MicroPiano. Das hat zwar inzwischen acht Jahre auf dem Buckel, trotzt im Kurzweil Katalog aber fröhlich den Wogen des technischen Fortschritts. Was damals gut war, muss heute eben nicht schlecht sein. Oder? Dieser Test soll klären, ob man das Kurzweil SP 88X mittlerweile getrost dem schmelzenden Packeis anvertrauen kann, oder ob es sich gegenn aktuelle Geräte behaupten kann.
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DETAILS
Als Erstes fällt bei der 24kg-Maschine auf, dass sowohl Pitchbend- als auch Modulationsrad fehlen. Die werden das doch nicht vergessen haben? Nein, nur ersetzt haben sie’s durch zwei stylische Ribboncontroller. Das sieht erstmal gut aus. Ob es praktisch ist, wird sich zeigen. Daneben gibt es äußerlich keine Überraschungen. Einzig eine kleine, auf das Gehäuse gedruckte Liste mit MIDI-Programmnummern oberhalb der Tastatur sieht man selten. Ansonsten ist das Design extrem minimalistisch gehalten: Ein Volumenregler, 16 Taster zur direkten Soundanwahl, ein sehr kleines LED-Display und nur vier Knöpfe für diverse Menueinstellungen. Von direktem Zugriff auf Menü-Unterpunkte kann hier also sicher nicht die Rede sein.
Auf den gewichteten 88 Tasten kann mit maximal 32-facher Polyphonie gespielt werden – mehr gibt die Leistung nicht her. Die Verbindung mit der Aussenwelt erfolgt beim Kurzweil per MIDI-Duo (In und Out) und zwei unsymmetrischen Klinkenbuchsen. Dass der Kopfhörerausgang ebenfalls auf der Rückseite zu finden ist, ist nicht nur für Kurzweil typisch: Fast alle Hersteller ignorieren bei der Wahl des Ortes aus unerfindlichen Gründen die Praktikabilität. Immerhin wird heute jedes Stagepiano aus guten Gründen von den Kritikern in der Luft zerrissen, das sich wie das SP88 noch mit externem Netzteil und Winz-Anschluss auf den Markt traut.
WAS HAT DAS TEIL ALS MIDI-CONTROLLER DRAUF?
Die Tastatur ist einfach splitbar. Beide Hälften lassen sich unterschiedlichen MIDI-Kanälen und Sounds zuordnen. Die gewünschten Zuordnungen können dann auf den 16 Soundbuttons abgelegt werden, wobei jede Taste zweifach belegbar ist. Natürlich lassen sich auch die beiden Ribbon-Controller auf der linken Seite der Tastatur MIDImäßig ins Spiel bringen und zur Ansteuerung diverser Parameter verwenden. Dabei wird allerdings deutlich, dass normale Sticks oder Wheels als Controller praktischer zu handhaben gewesen wären. Wenn es schnell gehen muss, ist so ein „Finger-Pitchbend“ recht ungenau und schwierig zu kontrollieren. Außerdem erweist sich in der gesamten Belegungsprozedur, in der immer wieder Werte zwischen 0 und 128 angewählt werden müssen, die Bedienung per Plus- und Minus-Tasten als ziemlich mühsam.
Die Masterkeyboard-Features des SP 88 sind folglich gute Hausmannskost. Wer allerdings sein Keyboard live oder im Studio eher als Steuerzentrale sieht, die mehr können soll, als nur auf Knopfdruck den Sound zu wechseln, sollte sich anderweitig umschauen. Außer der beiden gewöhnungsbedürftigen Ribboncontroller sind keine Dreh- oder Schieberegler in Sicht mit denen sich beispielsweise Filterverläufe oder Effekteinschleifungen realisieren ließen. Da ist man heutzutage natürlich Komfortableres gewohnt.
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PRAXIS
Entscheidendes Merkmal eines Stagepianos ist natürlich die Tastatur, die hier völlig in Ordnung geht. Zwar besteht auch mit geschlossenen Augen (und Ohren) nicht die Gefahr, sich an einem echten Flügel zu wähnen. Doch an den etwas zu weichen Anschlag gewöhnt man sich schnell. Außerdem hat man fünf Velocity-Kurven zur Auswahl, um die Anschlagsempfindlichkeit der eigenen Spielweise anzupassen.
Die 32 internen Sounds lassen sich in akustische Pianos, E-Pianos, Orgeln und Streicher, sowie verschiedene Überlagerungen dieser Klänge unterteilen. Kein Clavinet, kein Cembalo, kein Basssound! Stattdessen hat man die Wahlmöglichkeit zwischen “beat tuned” und “ensemble tuned” Pianos, also einem schwebungsfreien, in sich gestimmten Klavier und einer gleichmäßigen Stimmung, die sich stets auf eine Ausgangsfrequenz (nämlich a=440Hz) bezieht. Tja, der Unterschied ist kaum zu hören und eine Sensation ist eine wählbare Klavierstimmung heutzutage auch nicht mehr.
Und wie hört sich das Klavier nun an? So wie ein gesampeltes Piano im Jahre 2000 eben klang. Zwar nah dran am Klavier, aber mit kritischen Ohren doch klar von einem solchen zu unterscheiden. Bei heutigen Piano-Emulationen ist ein Unterschied im besten Fall tatsächlich nicht mehr auszumachen. Das neue neue SP 2X aus eigenem Hause ist da ein gutes Beispiel.
Doch den Klaviersound des 88X könnte man nur wohlwollend als “90er Jahre flavoured” bezeichnen. Man könnte aber auch sagen, er ist veraltet. Auch die diversen Rhodes-Sounds klingen alle eher nach den 80ern als nach aktueller Funkyness. Einzig die Streicherklänge sind toll und brauchen sich auch heutzutage nicht zu verstecken. Als Effekte lassen sich den Klängen übrigens jeweils Chorus und Hall, letzterer in achtfacher Abwandlung, beimischen. Die Effektvariation ist damit zwar minimal, aber immerhin brauchbar.
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FAZIT Warum Kurzweil das SP 88X weiterhin im Programm hat und neben das anwendungsähnliche SP 2 X stellt, ist mir nicht klar. Die Funktionen als Masterkeyboard sind recht rudimentär, jedoch ist die Verwendung als Stagepiano durchaus möglich – auf Grund der guten Tastatur und trotz des eher mäßigen Klaviersounds. In Profihänden hat es jedoch definitiv nichts zu suchen. Das SP 88 ist kein schlechtes Stagepiano, nur entspricht es nicht mehr dem heutigen Standard, der inzwischen sogar zu einem günstigen Preis zu haben ist. Im Nordpolarmeer muss kein SP88 X versenkt werden, aber in die Annalen der Geschichte wird es sicher auch nicht eingehen.
Unser Fazit:
2,5 / 5
Pro
günstiger Preis
gute Streichersounds
ordentliche Tastatur
Contra
rudimentäre MIDI-Controller Funktionen
recht uncoole 80er- und 90er-Klavier- und E-Pianosounds
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