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Kurzweil SP3X Test

Der US-amerikanische Erfinder und Visionär Raymond Kurzweil entwickelte in den 70er Jahren Technologien für elektronische Texterkennung und Maschinen, die Blinden das Lesen ermöglichten! Erst im folgenden Jahrzehnt begann er mit dem Bau von Musikinstrumenten, und zwar aus gutem Grund. Kein Geringerer als Stevie Wonder hatte ihn davon überzeugt, ein elektronisches Instrument zu bauen, das akustische Instrumente naturgetreu reproduzieren kann. Der K250 von 1984 war der erste digitale Synthesizer, der komplett auf Sample-Technologie basierte. Die Firma Kurzweil Music Systems Inc. war geboren und die realistische Wiedergabe von Pianos ist auch heute noch ihr wichtigstes Aushängeschild. Nicht zuletzt kann die “Kurzweil Triple Strike Piano“ -Technologie, die um die Jahrtausendwende auf den Markt kam, schon heute als legendär angesehen werden.

Mit dem Kurzweil SP3X geht es in diesem Test um den jüngsten Spross in der Kategorie Stagepiano. Es wurde ganz klar für den Live-Einsatz konzipiert und bietet dem Keyboarder vor allem auf der Bühne unter anderem eine umfangreiche und hochwertige Piano- und E-Piano-Library. Schon das Vorgängermodell SP2X fiel sehr positiv auf, und wir sind umso mehr gespannt, ob der Nachfolger noch etwas zuzusetzen hat oder ob die „3“ doch mehr für kosmetische Eingriffe steht.

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Kurzweil SP3X
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Details

Fast komplett in Metall gekleidet, macht das Kurzweil SP3X einen sehr robusten, fast wuchtigen Eindruck. Das merkt man auch am Gewicht, denn 22 Kilo sind wahrhaftig kein Pappenstil. Dazu kommt seine auffällig türkis-metallische Farbgebung, die es eher dem extrovertierten Tastateur zuordnet, wozu auch die Formgebung der Seitenteile gehört, die ein wenig an ein Requisit aus der Starwars-Saga erinnert. 

Display, Knöpfe & Räder
Auf seiner übersichtlichen Bedienoberfläche ist, im Vergleich zum Vorgängermodell, ein doch sehr viel informativeres LCD Display platziert. Es kann maximal 2×20 Zeichen darstellen, ermöglicht somit das Speichern und Aufsuchen von Klängen per Namen (und Nummer) und zeigt Parameterwerte und Keyboardzonen an.
Auch sind sämtliche Knöpfe gut beleuchtet, sodass man selbst auf der dunkelsten Bühne nicht die Orientierung verlieren sollte. Links von der Tastatur befinden sich noch ein Pitch-Bend- und ein Modulation-Wheel. Ein großer, gut greifbarer Volume-Fader und vier zuweisbare Controller runden das Armaturenbrett ab.

Fotostrecke: 3 Bilder Das neue LCD Display

Anschlüsse
Da es sich hier um ein Stagepiano handelt, gibt es natürlich keine eingebauten Speaker. Stattdessen befinden sich auf der Rückseite sämtliche gängigen Anschlüsse. Ganz außen sitzt der Power-Schalter, gefolgt von der Anschlussbuchse für das 9V-Netzteil, dem Stereokopfhörerausgang und Left- und Right-Audio-Out, alles im 6,3mm Klinken-Standardformat. Daneben befinden sich zwei Pedal-Eingänge, einer für das Sustainpedal und einer für ein Modulationspedal, beispielsweise Leslie slow/fast, und dazu der USB-Port und die MIDI-Dreiergruppe. Den dazugehörigen USB-Driver muss man sich allerdings erst herunterladen.
Hier ist der Link: http://www.kurzweilmusicsystem.com/download.html

Fotostrecke: 3 Bilder Rückseitige Anschlussmöglichkeiten

Tastatur
Die gewichtete Tastatur mit Hammermechanik umfasst 88 Tasten und spielt sich sehr gut. Sie bietet im Unterschied zum Vorgängermodell SP2X neben Anschlagsdynamik auch Aftertouch: beste Voraussetzungen, die 512 verschiedenen Sounds anzusteuern.

Fotostrecke: 2 Bilder Die schwergewichtete Tastatur mit Hammermechanik

Polyphonie und Drumloops
Das SP3X schafft dabei eine maximal 64-stimmige Polyphonie. Ausgerüstet mit zwei exzellenten Effektblöcken bleiben hier eigentlich keine Wünsche offen. Nur die 60 Drumloops fallen etwas aus dem Rahmen. Sie klingen zwar gut, wirken allerdings ein wenig starr. 16 MIDI-Setups lassen im 16-fach Multimode bis zu vierfache Splits oder Layer inklusive Drumloops zu.

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Praxis

Hat man das Gerät aufgebaut, braucht man erst einmal eine Viertelstunde, um sich auf der Bedienoberfläche zurechtzufinden. Da man die Anzahl der Knöpfe und Regler wohl möglichst gering halten wollte, mussten viele doppelt, dreifach und sogar fünffach belegt werden. Das ist optisch zwar ein Pluspunkt, verschlechtert aber die Übersicht.
Die schon erwähnte stabile Metallhülle ist sehr sauber verarbeitet und schön in einzelne Bediengruppen aufgeteilt. Lediglich die etwas billig wirkenden Controller aus grauem Plastik wollen sich nicht so ganz in das ansonsten edel wirkende Gesamtbild einfügen. Hier wären für meinen Geschmack Chrom- oder wenigstens Metallknöpfe passender gewesen. Auch wirken sie sehr wackelig und wenig stabil.

Scan externer Geräte
Ein wenig nervig ist auch, dass beispielsweise ein nachträglich angeschlossenes Sustainpedal erst nach erneutem An-und Ausschalten erkannt wird. Beim Anschalten scannt das Gerät nämlich sämtliche Anschlüsse auf Belegung.

Übersichtlichkeit
Hat man sich erst einmal einen Überblick verschafft, stellt man fest, dass entgegen dem ersten Eindruck doch alles gar nicht so kompliziert ist. Rechts des Displays wählt man den Sound, das Drumpattern oder den Effekt aus. Die jeweilige Farbe, in welcher der Knopf leuchtet, zeigt die Soundbank oder den Modus an, in dem man sich gerade befindet. Das wird zusätzlich auch im Display mitgeteilt.

Transpose, Velocity, Split, Zones und mehr …
Die untere rechte Tasterleiste ist für das Setup vorgesehen. Hier können unter anderem die Anschlagsstärke, das Tuning (+/- 100 Cent) und verschiedene Drum-Maps eingestellt werden. Außerdem bietet sie die Möglichkeit zum Transponieren und zum Ändern der Key- und Velocity-Range. Sehr praktisch für den Live-Einsatz ist die „PANIC“ Funktion, die bei gleichzeitigem Drücken der Key- und Velocity-Range-Tasten sämtliche hängenden Midi-Noten sofort beendet. Links neben dem Display finden wir zwei kleine Tasterleisten zum Einstellen der jeweiligen Sound-Modi Main, Layer oder Split oder der zu bearbeitenden Effekte. Durch gleichzeitiges Drücken der Layer und Split-Tasten lässt sich der Splitpunkt variabel einstellen. Die vier daneben liegenden Controller sind durch einen Knob Mode-Button auf drei verschiedene Arten nutzbar: als Midi-Controller, Zone-Volume und als Effektintensitäts- beziehungsweise Tempocontroller.

KRZWL_SP3X_Draufsicht

Akustische Pianos
Nach dem Anschalten wird standesgemäß ein Grandpiano aufgetischt. Meine Bedenken gegenüber Klaviersounds aus Lautsprechern werden prompt beiseite gewischt. Was sich mir hier auftut, ist überraschend positiv, vor allem in dieser Preisklasse.

Audio Samples
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Grand Piano Nr.1 Warm Piano Nr.3 Mono Grand Ragtime Piano Piano + Strings

Der Klavierklang ist kräftig, brillant, aber nicht zu spitz. Außerdem wurde darauf geachtet, nicht nur den ersten Anschlag aufzunehmen und das Ausklingen dann zu loopen, wie es bei anderen großen und bekannten Marken die Regel ist, sondern ewig lange Samples zu verwenden. Auch die Dynamik ist außergewöhnlich vielfältig. Dieser Klavierklang lebt! Wer nicht gerade einen Konzertflügel braucht, sondern irgendein Piano, der hat noch weitere 14 (!) davon zur Auswahl. Hier hat man wirklich das Gefühl, das jedes einzelne Piano seine Berechtigung hat, und nicht nur, weil es zum Standard gehört. Hier wurde sehr viel Arbeit investiert, und es hat sich gelohnt.

Audio Samples
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Dual Clavi Big Red Wurli Serious Classic (Rhodes) Organ

E-Pianos und Orgel
Weiter geht es mit einem großen Angebot an E-Pianos, die in ihrer Soundqualität nicht an das Grandpiano heranreichen, aber immer noch völlig akzeptabel klingen. Als Besitzer eines „echten“ Wurlis bin ich bei digitalen Abbildungen natürlich immer besonders kritisch. Aber dieser Sound geht im tiefen und mittleren Tastaturbereich absolut in Ordnung, nur in den höheren Lagen höre ich dann doch „Nullen und Einsen“ (siehe Audiobeispiel). Aber das ist sicherlich auch eine Frage des Geschmacks.
Die Organ-Section klingt zwar sehr gut, wäre mir aber aufgrund fehlender Zugriegel-Controller in der Handhabung zu unflexibel, um meiner „richtigen“ Orgel Konkurrenz zu machen. Wer aber in erster Linie ein Instrument mit Piano- und E-Pianoklängen benötigt und nur ab und zu einen Orgelsound, der ist hier richtig. Auf der Bühne und im Studio lassen sich diese Sounds auf jeden Fall alle gut einsetzen.

Audio Samples
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Soft Strings Cello Celesta

Weitere Klänge
Um die Beschreibung der insgesamt 512 Klänge komplett zu machen, sind noch Unmengen von Brass, Bässen, Strings, Drums sowie eine Auswahl an Doo-wop-/Jazz- und Scat-Vocals zu nennen. Das SP3X kann sogar mit einigen ziemlich analog klingenden Lead-Synths aufwarten!
Besonders zu erwähnen sind auch noch die orchestralen Werksounds, die im Layer-Modus sehr geschmackvoll beispielsweise zwei verschiedene Streichersounds und eine Gruppe Hörner übereinanderlegen. Jeder dieser Klänge ist mit den ZoneVolume-Controllern einzeln in der Lautstärke regelbar und lädt dazu ein, sich in Soundtrack-Improvisationen zu verlieren.

Audio Samples
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Erst trocken – dann mit Delay Hall und Tremolo Chorus

Effekte
Ergänzt wird die umfangreiche Soundausstattung noch von einem Dual High-End Effektblock mit 2x 64 Effekten. Das Vorgängermodell SP2X bot hier nur die hälfte. Der Effektblock des SP3X hat es wirklich in sich: Sämtliche gängige FX wie zum Beispiel Reverb, Delay, Tremolo, Flanger, Phaser, Compressor, Overdrive und andere sind hier vertreten. Das Tolle ist nicht allein die Vielfalt, sondern auch die vielen Kombinations-Möglichkeiten. Und das alles in einer beeindruckenden Soundqualität!

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FAZIT

Das SP3X hat einiges mehr zu bieten als sein Vorgänger: verbesserte Klänge, insbesondere im Bereich der akustischen Pianos, und mit 512 Patches auch insgesamt eine größere Klangauswahl. Darüberhinaus 128 Effekte (doppelt so viele wie das SP2X), Aftertouch, ein neues LCD-Display mit 2×20 Zeichen und natürlich ein neuer „fancy dress“, den eine schillernde Persönlichkeit halt eben trägt – um den Bogen zum Anfang dieses Testberichts zu spannen.

Mich hat vor allem die Soundvielfalt und -qualität beeindruckt und der FX-Block mit 128 kombinierbaren Effekten ist eine glatte Eins mit Sternchen. Das Instrument bietet jedem, vom klassischen Pianisten, Komponisten, Pop-Keyboarder bis zum Durchschnitts-Klavierspieler das passende Werkzeug – Kurzweil-typisch bei den Pianos mehr als bei anderen Instrumenten. Trotzdem weiß das Gerät auch auf anderen Gebieten zu gefallen. Bei der Bedienoberfläche ist die Übersicht leider dem Design untergeordnet. Man findet sich allerdings nach einer gewissen Eingewöhnungsphase dann doch ganz gut zurecht. Und gerade deshalb wurmt es mich, dass Kurzweil dem Gerät keine schöneren Controller-Knöpfe mitgegeben hat. So wäre das Design wirklich bis ins kleinste Detail gelungen. Insgesamt jedoch finde ich die Optik des SP3X wirklich ansprechend. Sie bringt frischen Wind in das ewige schwarz/grau/anthrazit im Digitalpiano-Wald. Das alles macht das SP3X zu einem absoluten Stage-Studio-Home-Allrounder und zu einem würdigen Nachfolger des erfolgreichen SP2X. Die unverbindliche Preisempfehlung von 1664,- Euro geht auf jeden Fall in Ordnung, denn das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt einfach.

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • Soundqualität und -vielfalt
  • Gute gewichtete 88er Tastatur
  • Gute, zahlreiche Effekte
  • Design und Verarbeitung
Contra
  • Controller-Knöpfe wirken im sonst hochwertigen Gesamtbild etwas günstig
Artikelbild
Kurzweil SP3X Test
Für 1.199,00€ bei
Kurzweil SP3X
Kurzweil SP3X
Technische Daten
  • • 88 gewichtete hammertastatur mit Velocity und Aftertouch
  • • 64-stimmige Polyphonie
  • • 512 Programme
  • • LCD Display mit 2×20 Zeichen
  • • 60 Rhythmus Patterns inkl. Metronom
  • • 16 User Setups
  • • Dual Effekt Prozessor mit 128 Effekten
  • • 1 Master Volume Fader
  • • 4 frei zuweisbare Knobs
  • • Expressionpedal Eingang
  • • Pitch-und Modulationwheel
  • • Zwei symmetrische 6,3mm Klinkenausgänge, 6,3mm Stereokopfhörerausgang auf der Frontseite, Midi In/Out/Thru, USB-Port für MIDI Datenübertragung vom/zum PC
  • • Mitgeliefertes Sustainpedal
  • • Maße: 1412 x 337,5 x 126mm
  • • 22kg
  • • Preis: 1664,- Euro UVP
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