Anzeige

Korg MicroStation Test

Das Konzept ist im Prinzip naheliegend und in der Biologie Garant für große Milchmengen, hohe Rennquoten oder tellerfüllende Schnitzel: Man nehme zwei erfolgreiche Individuen und paare sie miteinander. Im besten Falle trägt das Ergebnis die guten Eigenschaften beider Elternteile in sich und hat alles, was es braucht, um mindestens ebenso erfolgreich zu werden wie seine Erzeuger. Bei Korg hat man es mit Mama Workstation M3 und Papa MicroKorg versucht.

microSTATION_Oblique


Das Ergebnis ist die Microstation, eine Workstation mit elementarer Ausstattung, gefangen im Körper eines Kinderkeyboards mit Minitastatur. Damit gesellt sie sich zu Korgs P60 und M50. Nahezu konkurrenzlos ist sie jedoch in Preis und Gewicht. Unvorsichtigerweise wird die Bonsai-Workstation als Anfängerkeyboard gehandelt. Quod esset demonstrandum.*
*was zu beweisen wäre!

Anzeige

Details

Lächerliche 2,6 kg wiegt die Kleine und macht dabei dennoch einen sehr eleganten Eindruck. Das schwarze Plastikgehäuse mit glänzend schwarz-grauem Bedienfeld und die grauen Taster legen eine gewisse Seriosität an den Tag. Wenn da nur nicht diese winzigen Melodika-Tasten wären …
Aber abgesehen davon, dass sie klein sind und einen recht kurzen Anschlagsweg haben, fühlen sie sich überraschend angenehm und stabil an.

Korg_mS_6_01

Das Bedienfeld beginnt auf der linken Seite mit einem Korg-typischen Joystick, einem Volumenregler und vier Drehpotis als Realtime-Controller. Darunter befinden sich Taster zur Arpeggiatorbedienung sowie vier Stück zur Anwahl des Betriebsmodus. In der Mitte liegt das sehr kleine zweizeilige Display, links davon ist eine Liste mit Instrumentenkategorien abgedruckt. Wählt man eine davon aus, leuchtet dort eine kleine Diode auf. Unterhalb des Displays sind, neben Pfeiltasten und Category Search, die Taster zur Steuerung des Sequenzers untergebracht . Das rechte Drittel der Bedienelemente wird bestimmt durch Leuchtdioden und die dazugehörigen16 Taster, die wahlweise zur Auswahl der Sounds oder zur Spuranwahl im Sequenzer genutzt werden können.

Auf der Rückseite ist die Microstation mit dem Nötigsten ausgestattet: Damper-Pedalanschluss, MIDI In/Out, SD-Kartenschacht, USB-Port und ein Stereo-Out-Anschluss.  Ein Kopfhörerausgang findet sich in Miniklinken-Ausführung an der Vorderseite.

microSTATION_rear

Die Microstation läuft grundsätzlich in drei verschiedenen Modi: Program, Combination und  Sequencer. Im Program-Modus hat man Zugriff auf die einzelnen Sounds, die hier Programs genannt werden und von denen bis zu sechzehn als Combination miteinander verbunden werden können. Von Haus aus bietet sie 480 Programs und 256 Combinations sowie 32 User Speicherplätze. Die Programs speisen sich aus 49MB PCM-Speicher, was adäquat zur Größe des Gerätes erscheint. Zum Vergleich: In Korgs M3 sind es 640MB, in Yamahas günstigem MO6 immerhin 175MB. Ein Program besteht aus zwei Oszillatoren. Zum Schrauben stehen mit LPF, HPF, BPF und BRF (Notchfilter) jeweils zwei Filter pro Oszillator, zwei LFOs und zwei Hüllkurven zur Verfügung. 134 Effekte bietet die Microstation, davon sind pro Program fünf Inserteffekte, zwei Master- und ein Totaleffekt nutzbar. Im Combination-Mode ist die Aufteilung identisch. Mit den zwei AMS-Mixern lassen sich, zusätzlich zur freien Belegung der vier Drehpotis und anderer Modulationsquellen, jeweils zwei Quellen miteinander kombinieren und bieten so eine sehr variable Matrix. So weit die Fakten.
Der Arpeggiator wartet mit 512 Pattern auf, die alle editier- und speicherbar sind. Unter ihnen befinden sich auch einige instrumententypische Versionen wie etwa das „Strumming“ für Gitarre. Im Combination-Mode stehen sogar zwei Arpeggiatoren zur Verfügung, die man gleichzeitig auf seine Sounds loslassen kann. Die vier Drehpotis dienen dazu, die wichtigsten Parameter in Echtzeit einzustellen. Dazu gehören Gate, Velocity, Swing und Tempo. Leider zeigt das Display bei sämtlichen Bewegungen der Regler keine absoluten Werte an. Man ist also auf sein Gehör angewiesen, was die Nutzung für einige Anwendungen, bei denen es etwa auf Synchronizität ankommt, schwierig macht.
Der 16-Spur-Sequenzer bietet 16 praktische Songvorlagen beispielsweise für Reggae, Jazz oder House, in denen die 16 Spuren bereits mit genretypischen Instrumenten belegt sind. Das lädt zum direkten Losjammen ein. Solche Song-Templates lassen sich auch selbst erstellen und intern abspeichern. Die sechzehn Ziffern-Taster auf der rechten Seite dienen im Sequenzer-Modus praktischerweise gleichzeitig zum Anwählen und Muten von Spuren sowie zur manuellen Step-Eingabe von Daten („Grid“-Funktion). Außerdem gibt es die „Auto Song Setup“-Funktion, d.h., Einstellungen aus einem Program oder einer Combination können direkt in den Sequenzer kopiert werden und die Aufnahme kann losgehen. Leider können die Song-Daten nicht intern festgehalten, sondern müssen auf einer SD-Karte gespeichert werden. Allerdings sollte der Sequenzer tatsächlich nur im Notfall verwendet werden. In Zeiten von erschwinglichen Sequenzer-Programmen für den heimischen Computer erscheint das Arbeiten mit einem zweizeiligen Display unnötig mühsam. Korg bietet sogar einen PlugIn-Editor zur Einbindung der Microstation in eine DAW mit an.

Korg_mS_PlugInEditor_01

Dessen Nutzung sei hiermit empfohlen. Um eine erste Songidee festzuhalten, eignet sich der interne Sequenzer dennoch ganz gut. Neben dem gerade erwähnten PlugIn-Editor ist der Microstation ein Softwareeditor im Standalone-Betrieb beigelegt, mit dem sich sämtliche Einstellungen auch vom Rechner aus realisieren lassen.
Doch dazu mehr im Praxisteil.

Anzeige

Praxis

Sounds
Soundmäßig ist die Microstation identisch mit dem Korg PS 60. Die Klangerzeugung beruht auf der „Enhanced Definition Synthesis“, die ebenfalls in der M3 zum Einsatz kommt. Das klingt vielversprechend. Allerdings wurde, wie schon erwähnt, der PCM-Speicher auf 49MB begrenzt. Das führt dann auch bei einigen Klängen zu fehlender Tiefe und Variabilität. Bei den akustischen Pianos stehen beispielsweise nur zwei Grundsamples zur Verfügung, die dann durch EQ, Filter und Effekteinstellungen variiert werden. Dementsprechend klingen die Pianos etwas flach und nicht besonders herausragend, was bei den Minitasten allerdings nicht weiter ins Gewicht fällt.

Audio Samples
0:00
Piano

Besser sieht es da bei den E-Pianos und Orgeln aus, die aufwendiger gesampelt wurden und einen recht passablen Eindruck machen. Bei den Orgeln gefallen mir vor allem auch der Leslie, dessen Geschwindigkeit man per Joystick regelt, und die sinnvolle Belegung der vier Drehpotis mit Distortion, Vibrato und Leslie-Anteil. Nur auf den charakteristischen Percussionsound ist leider in keiner Weise zuzugreifen.

Audio Samples
0:00
Rhodes Orgel

Beim Stringsound besteht keine Verwechslungsgefahr mit einem echten Streicherensemble, als Hintergrund in einem Popkontext sind die Klänge dennoch brauchbar. Auch die Bläsersounds sind durchaus ansehnlich und in einer Livesituation in jedem Fall verwendbar.

Audio Samples
0:00
Strings Bläser

Die Synthiesounds sind reichhaltig und qualitativ hochwertig: Sehr schöne 80er-Jahre-Analogflächen und einige schneidende Leadsounds – da ist für jeden etwas dabei

Audio Samples
0:00
Arctic Vox Synthflächen Synth Leads

Der Microkorg aus eigenem Hause muss hier durch die vielfältigere Microstation Konkurrenz fürchten. Weiterhin findet man natürlich akustische und elektrische Bässe, diverse Drumsets, Xylophone, Effektsounds usw. – eben die workstationmäßige Breitbandpackung.
Die 134 Effekte klingen allesamt gut und decken sämtliche Wünsche ab: Delays, Amp Simulationen, Phaser, Kompressoren – alles mit an Bord.

Die Benutzerfreundlichkeit der Microstation hält sich in Grenzen. In Untermenüs die Sounds zu editieren ist bei einem zweizeiligen Display, gelinde gesagt, ermüdend. Doch hier kommt der Softwareeditor ins Spiel. Und die vielleicht grundsätzliche Einsicht, dass eine Arbeitsteilung zeitgemäß und vorteilhaft ist: Performen per Synthie, Editieren per Software. Denn öffnet man den Editor wird aus dem Kinderkeyboard plötzlich ein ernst zu nehmendes Soundlabor

Korg_mS_StandaloneEditor

Per Mausklick lassen sich dort bequem und anschaulich Envelopes, Effekte und LFOs editieren, in den beiden Hüllkurven malen, aber natürlich auch die Werte per Hand eingeben. Außerdem hat man vom Browser aus eine herrliche Aussicht auf die gelisteten Programs, Combinations und Effekttypen. Zusätzlich wird sogar noch ein PlugIn-Editor mitgeliefert, der die Microstation in die gängigen Hostsoftwares wie Logic, Cubase, Ableton etc. einbindet und dann 16fach multitimbral arbeitet.
Echtes Workstation-Flair eröffnet sich im Combination-Mode, in dem man bis zu 16 Sounds über- und nebeneinanderlegen kann. Für die Livesituation ein absolutes Must-have. Ebenso livetauglich sind die vier Drehpotis, die mit jeweils drei Modulationszielen belegt sind, zwischen denen mit einer Art Shifttaster umgeschaltet werden kann. Fest zugewiesen sind dabei Einstellungen für Filter und Arpeggiator. Das dritte Modulationsziel kann für jedes Program frei gewählt werden. Denkbar sind hierbei etwa Effektanteile, LFO-Geschwindigkeit oder Tiefe.

Anzeige

In puncto Bedienkomfort und Sounds ist die Microstation kein Überflieger. 49MB an Samplevorrat erlauben keine aufwändig gelayerten Klänge. Auch die Minitastatur schränkt das Betätigungsfeld der Workstation ein, von pianistischem Spielgefühl kann keine Rede sein. Aus pädagogischer Sicht sei sie daher auch nicht für Anfänger empfohlen. Und dennoch ist die Microstation ein Synthie, der der Welt bisher gefehlt hat. Unglaublich leicht, unglaublich klein, unglaublich günstig. Sie ist genau der Alleskönner, der in einem beliebigen Keyboard-Setup die Lücken füllt. Empfohlen sei sie allen Elektronikern, die hin und wieder mal einen Orgelsound brauchen, Pianisten, die vereinzelt einen Padsound einsetzen möchten, und Keyboardern, die für ein einzelnes „Pling“ am Abend kein zusätzliches Schwergewicht mitschleppen wollen. Ein praktischer Soundlieferant für den kleinen Workstation-Hunger zwischendurch.

microSTATION_top
Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • Größe/Gewicht/Preis
  • Softwareeditor
Contra
  • kleiner PCM-Speicher
  • mühsame interne Editierung
Artikelbild
Korg MicroStation Test
Für 339,00€ bei
Technische Details
  • 61 ungewichtete Minitasten
  • 120-fach polyphon
  • Presets: 480 Programs; 256 Combinations
  • Arpeggiator
  • 16-Spur Sequenzer mit bis zu 128 Songs, Song-Templates und Grid-Funktion
  • Soundeditor und PlugIn-Editor
  • Anschlüsse: Stereo-Out, MIDI In/Out, Damper-Pedal, Kopfhörerausgang, USB, SD-Kartenschacht
  • Maße: 778 x 210 x 82 (B x T x H in mm)
  • Gewicht: 2,6 kg
  • Preis: 618,- Euro UVP
Kommentieren
Profilbild von L. Levey

L. Levey sagt:

#1 - 17.08.2011 um 14:04 Uhr

0

Zu ergänzen wäre in jedem Falle, daß mit der Korg Microstation sehr wohl Soundkonstruktionen und komplette Produktionen möglich sind, die auch professionellen Ansprüchen genügen, wenn auch eher im elektronischen, poppigen, Dance-Sektor. Die Drum-Sounds bspw. sind definitiv wirklich richtig gut. Alleine die 120-fache Polyphonie läßt ja ungeahnte Klangverschmelzungen zu. Daher sollte man dies Gerät, hinreichender Sachverstand vorausgesetzt, keineswegs völlig irrtümlich als einzelne, "spaßige Soundergänzung" abwertend behandeln/betrachten. GANZ im Gegenteil!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.