Gemini CDJ 600 Test

Praxis

Jogging ohne Trainingsanzug
Zunächst ist festzuhalten, dass der Teller mit einem Außendurchmesser von knapp 180 Millimetern und einer Auflage von circa 165 mm schön groß geraten ist. Genug Angriffsfläche, auch für ungeübte Finger. Die geriffelte, gummierte Oberfläche ist recht griffig, die Mulden am Rand besitzen praxistaugliche Ausmaße und das Wheel kommt nach einem Schubser zügig wieder zum Stehen. Prima. Insgesamt besitzt der Teller drei Betriebsmodi, nämlich PITCH-BEND (LED aus), SEARCH (LED an) und SCRATCH (LED blinkt), die keiner näheren Erklärung bedürfen. Im Pausenmodus spult das Dial framegenau mit 1/75s im Audiomaterial – etwa um sehr akkurate Cuepunkte zu platzieren. Mit dem Jogwheel lässt sich sehr komfortabel arbeiten, gerade im Nudge-Modus ist es deutlich tighter als das Geschwistermodell CDJ210 – und hat auch keinen so schwammigen Nachlauf. Der Hersteller gibt im Übrigen ein Anlaufmoment von 0,03 Sekunden an. Auch im Scratch-Mode muss sich der Proband nicht vor der direkten Konkurrenz verstecken. Der Sound des DSP wird zwar Vinylisten und Turntablisten nicht authentisch genug klingen, doch für den Mainstream-Einsatz und gelegentliche Kratzeinlagen leistet der Chip (laut Supportanfrage ein anderes Modell als im 210er) gute Arbeit. Das ist für ein 289-Euro-Gerät insgesamt bemerkenswert. Was das Handling angeht, werden DJs, die mit CD-Playern scratchen, sicherlich auch mit der 600er-Haptik arbeiten und ihre gewohnten Techniken einsetzen können. Einzig das Auslösen eines SCRATCH-Buttons könnte Vinyl-Umsteiger zunächst stören. Hier wäre ein Jogwheel mit Button-Funktion hilfreich.

Slot-Loading Drive
Der Slot-Loading-Drive hat einen sanften, leisen Einzug und eine kleine rote LED. Sie dient als Orientierungshilfe in dunklen Umgebungen und verrät zudem, ob der Player gerade eine Scheibe im Bauch hat (LED aus). Vom Einschub eines Silberlings bis zur ersten Abspiel-Bereitschaft können bis zu 15 Sekunden vergehen, wie dies beim frisch eingetroffenen Klassiker von K7! „K7150“ der Fall war. CDJ-600 liest neben normalen Audio-CDs, CD-Rs und Wav-Dateien auch MP3-Files mit konstanter (CBR) und variabler Bitrate (VBR). Ordnerstrukturen stellen kein Hindernis dar, wobei es egal ist, ob der Anwender einen optischen Datenträger eingelegt hat oder ein USB-Gerät anstöpselt. Der Hersteller macht aktuell (1.11.2010) keine Angaben zur Größe des Anti-Shock-Puffers also habe ich den Burschen mal 48 Sekunden lang geärgert. Keine Aussetzer. Schütteltest bestanden.

Win situation! =  win situation?
Cupertino oder Redmond. Sicherlich ist das teilweise eine Glaubensfrage, aber auch eine Entscheidung des primären Einsatzzwecks. Leider ist es gerade bei CD-Playern mit USB-Port im unteren Preisdrittel oftmals so, dass sie ausschließlich FAT-, FAT32- oder NTFS-Dateisysteme lesen. Für meine Mac-formatierte HFS-Sounddisk bedeutet dies unweigerlich das Aus. Die 320-GB-Windows-Platte wurde ohne Zögern akzeptiert und in wenigen Sekunden eingelesen. Auch der USB-Stick machte keine Zicken. Möchte der DJ ausschließlich von externen Datenträgern mixen, müssen die Songs, will er absolut flexibel in der Songauswahl sein, auf beiden Medien vorliegen. Als Nächstes sollten die örtlichen mobilen Abspielgeräte überprüft werden. „Leute, leiht mir bitte mal kurz eure MP3-Player“ schallt es durchs Office und Sekunden später liegen die üblichen Verdächtigen auf dem Tisch. Die beiden Shuffle-Pods 2G/3G wurden mit den produkttypischen kryptischen Tags eingelesen, ebenso wie der iPod-Video. Telefone und Touchplayer liefen gar nicht. Auch der Samsung YEP kam nicht zum Zug. Ohnehin wird das Gros der tragbaren MP3-Jukeboxen meist nur von CD-Playern erkannt, wenn sie sich als Wechseldatenträger beim Betriebssystem anmelden. Der praktische Nutzen? Ich kenne einen kleinen Pub-Crawl-Club in Berlin-Mitte, wo der gutmütige irische DJ oftmals bereit ist, den feierwütigen Besuchern einen Plattenwunsch direkt von deren MP3-Playern zu gewähren, denn die örtlichen Abspieleinheiten können nahezu jedes Format lesen. Auch auf privaten Veranstaltungen ist es schon häufiger vorgekommen, dass der DJ einen Stick oder ein Handy mit USB-Kabel in die Hand gedrückt bekommen hat. In solchen Szenarien sollte der CDJ-600-Nutzer vor einer Zusage den Erkennungs-Test durchführen.

USB_Gemini_CDJ_600

Einsatzgebiete
Nein, wir werden den Sechshunderter nicht in den großen Clubs der Balearen und anderen vom Partyvolk belagerten Inseln finden. Hier herrscht ein Standard vor und nüchtern betrachtet wurde der Testkandidat nicht konzipiert, um diesem Paroli zu bieten. Er ist ein Player für den ambitionierten Einsteiger, bei dem die Anschaffungskosten und das Preis-/Leistungsverhältnis eine große Rolle spielen. Und da weiß der 600er schon recht gut zu überzeugen. Kneipen und Bars könnten ebenfalls gefallen am Gemini finden, auch wenn der Player weder AAC, AIFF noch OGG-Vorbis spricht. Er versteht die verbreitetsten Formate und besitzt eine gut strukturierte, leicht zugängliche Bedienoberfläche, die auch DJ-Greenhorns nicht überfordert. Als Notnagel für semiprofessionelle Anwender und Experten, die keine Lust haben, 1000 Euro in ein Profi-Ersatzgerät fürs Regal zu investieren, ist der Proband ebenfalls eine interessante Option. Und auch kleinere Diskotheken und mobile Beschaller mit begrenztem Budget können meiner Meinung nach einen Blick riskieren.

Die Kreativabteilung

Leider ist die Programmierfunktion des kleinen Bruders dem Rotstift zum Opfer gefallen. Zudem mussten auch die Effekte BRAKE und REVERSE weichen. Schade, denn so besteht die Kreativabteilung lediglich aus einem manuellen Loop. IN setzt dabei den Einsprungspunkt, OUT legt das Ende der Schleife fest. Der Audiozyklus beginnt nahtlos und unverzüglich abzuspielen. Damit der Beat im Rhythmus bleibt, benötigt es eine gehörige Portion Treffsicherheit. Sollte das Manöver misslingen, verlässt OUT den Loop mit einem weiteren Tastendruck genauso schnell, wie RELOOP ihn wieder reaktiviert.

Loopsektion_Gemini_CDJ_600
Audio Samples
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Seamless Loop

Akkurate Cuepunkte werden ganz einfach platziert, indem man im Pausenmodus an die gewünschte Stelle navigiert und dann PLAY betätigt. Bei jedem CUE-Trigger springt der Song exakt an die markierte Stelle zurück. Eines ist bei Verwendung von MP3-Musik jedoch zu beachten: Dateien mit konstanter Bitrate sind zwar unter ähnlichen Qualitätsansprüchen größer als variabel codierte, dafür aber nicht so anspruchsvoll in der Berechnung. Die kleineren VBR-Dateien sind aufwendiger zu analysieren, was zu einer Verzögerung beim Cuepunkt-Handling führen kann. Der Hersteller empfiehlt daher, Presets mit konstanter Bitrate zu verwenden.

Cue_Play_Buttons_Gemini_CDJ_600
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