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Gear-Chat und Interview mit Andra Day

Andra Days Debut Album „Cheers To The Fall“ (Warner) ist gerade in Deutschland veröffentlicht worden, nachdem es in Amerika bereits eine Grammy-Nominierung für das beste R&B Album erhalten hat. Andra Day hat in der Kirche gesungen, an der San Diego School of Creative and Performing Arts Gesang studiert, mehrere, viel geklickte, bemerkenswerte Coverversionen auf Youtube veröffentlicht, ist von Steve Wonder entdeckt worden, war bei den Oscars und hat schon für Michelle Obama und mit Ellie Goulding performt.

Foto: Myriam Santos / Warner Music
Foto: Myriam Santos / Warner Music

Während ihrer gerade laufenden Europatour hat sie ein Gastspiel im Berliner Club Bi Nuu und ich bekomme die Chance, sie für einen Gear-Chat und zu anderen Gesangsthemen zu befragen. Andra Day ist am Telefon unglaublich sympathisch. Sie ist smart, intelligent, witzig und mit ganzem Herzen bei der Sache. 

Viele Instrumentalisten lieben es über Equipment zu reden. Über Effektboards, Preamps, neue Instrumente und Verstärker. Sänger mögen so etwas oft nicht. Wie sieht es mit Dir aus? Magst Du „Gear Talk“?

Ich genieße es mehr über Equipment zu lernen. Da gibt es eine ganze Menge, was mir meine Band beibringt. Ich erfahre viel über die Mikrophone durch die ich singe, die Verstärker die wir benutzen und was gute Lautsprecher sind. Es macht Spaß, das zu lernen, aber ich würde jetzt nicht sagen, dass ich darin super erfahren bin.

Hast Du ein Lieblingsmikrophon? Live? Im Studio?

Ja, ich mag das U47 von Neumann. Und Telefunken Mikrofone.

Ja die sind ganz phantastisch. Meinst Du die alten aus den Dreißiger oder Vierziger Jahren?




Ja.



Und welches hast Du während der Aufnahmen zu „Cheers To The Fall“ benutzt?

Ich hab durch das Telefunken (sie weiß nicht welches es war) gesungen. Mein Baby, mein absoluter Favorit.

Ich bin auch ganz verliebt in diese Mikrofone. Ich verstehe das gut. Hast Du ein Lieblingsmikrofon das Du auf der Bühne benutzt?

Ja, das ist ein Mikro vonEartrumpet. Es ist ein handgemachtes Mikrofon. Ich habe gerade den Namen vergessen (es ist das Modell Edwina), aber ich liebe dieses Mikro. Es sieht wie ein altes Vintage Ansager Mikro aus dem Radio aus. Es ist verdammt cool.

Hast Du mit Deinen Produzenten und Toningenieuren an einem speziellen Vocalsound für Deine CD gearbeitet? Habt ihr verschiedene Mikros ausprobiert?



Wir hatten eine Aufnahmekette, durch die mein Gesang lief. Ich bin eine Pedantin wenn es um meinen Gesangssound geht. Ich mag es nicht, wenn viel mit dem Gesang gemacht wird. Ich mag nicht, wenn sie zu viel Gain geben, ich mag nicht zu viel Kompression auf der Stimme. Ich mag es nicht, wenn meine Stimme zu sehr EQ-ed wird. So war sogar der Hall den wir benutzt haben nur ein großer Basis Hall. Es war Reverb 1 in Protools. Ich mag es so pur wie möglich, so dass alles in Deinem Hals und dem Grip Deiner Stimme liegt. Ich will nicht, dass mein Gesang clippt, aber ich will es so pur wie möglich.


Und wenn Du so arbeitest; benutzt Du dann Mikrotechnik?


Ja mache ich. Aber Du solltest sowieso generell als Performer oder Performerin Mikrotechnik (sie spricht von „Microphone Ettiquette“) lernen. So dass Du zurückgehst wenn Du zu laut singst, aber nicht so viel, dass Du die Wucht Deiner Stimme im tiefen Brustgesang verlierst. Und Du kommst näher ans Mikro um die ganzen Details Deiner Kopfstimme abzubilden. Und Du drehst Deinen Kopf sanft ein bisschen nach links oder rechts für die Explosivlaute. Die meisten Mikros haben einen Poppschutz um diese Dinge zu vermeiden. Die „P“s und „B“s. Du musst Deinen Kopf nur ein bisschen drehen, um sie auszumerzen.


Also hast Du Deinen Körper bewegt als Du im Studio gesungen hast?


Ja.

Einige Toningenieure mögen das nicht. Sie wollen dass man ganz gerade steht und am Ort bleibt.



Ich denke manche wollen das. Aber wir wollten bei den Aufnahmen, dass meine Stimme so natürlich wie möglich ist. Meine Produzenten (Adrian Gurvitz & Raphael Saadiq) wollten ganz sicher gehen dass der Sound alles einfängt und für mich stimmt. Denn dann klingt es auch gut. Und dass ich im Studio einfach nur performen kann und mich nicht um diese Dinge sorgen muss.


Foto: Myriam Santos / Warner Music
Foto: Myriam Santos / Warner Music

Letzten Monat habe ich einen Artikel über Lampenfieber geschrieben. Kennst Du Lampenfieber?



Ich hatte früher Lampenfieber. Es war erschreckend. Jetzt kommt die Nervosität von Zeit zu Zeit hoch, aber meistens ist sie weg oder kommt zufälig. Kurz bevor ich auf die Bühne gehe, oder erst nach dem dritten Lied. Aber das Lampenfieber verflüchtigt sich, da sich meine Idee von einem Erfolg etwas geändert hat. Also kann es einen Abend geben, wo ich es gesanglich nicht geschafft habe alles in das Mikro zu geben, aber das ist nicht das Ende der Welt. Solange ich mich gut fühle wenn ich von der Bühne komme und dem Publikum alles gegeben habe was ich an dem Abend hatte, dann bin ich damit glücklich. Und die Nervosität geht mit dieser Einstellung weg. Das fühlt sich an wie: Ich bin aus einem bestimmten Grund hier.


Also hilft Routine?



Es gibt einen Grund warum ich hier bin. Ich muss nicht alles beweisen. Ich muss nur ehrlich sein. Ich muss verletzlich sein. Ich muss alles was ich habe geben und das hilft.

Wie beruhigst Du Dich bevor Du auf die Bühne gehst? Hast Du da eine bestimmte Art Dich vorzubereiten?



Ja, habe ich. Habe ich ganz bestimmt. Ich konzentriere mich auf meine Band, das Ziel und was ich dafür tun muss. Ich bin ein spiritueller Mensch. Ich wärme meine Stimme auf, aber um vor einer Show ganz ruhig zu werden, bete ich immer zusammen mit meiner Band. So wissen wir, dass wir nicht nur dazu da sind gut zu singen und zu spielen, sondern um Menschen zu ermutigen. Wenn die Stimme auch mal nicht gut klingt, so werden sich die Menschen doch ermutigt fühlen. Dann haben wir unseren Job gemacht. Und das kickt den Fokus davon weg einen guten Job machen zu wollen. Denn es geht mehr darum zu verbinden und ehrlich zu sein. 


Großartig. Wie bereitest Du Deine Stimme auf eine lange Tour vor?



Ich versuche so viel Ruhe wie möglich zu bekommen. Und ich glaube je mehr Du singst , desto besser geht es. Ich mache Gesangsübungen. Ich wärme mich vor einer Show auf und nach der Show mache ich ein Gesangs Cool Down. Ab und zu, wenn ich die Chance dazu bekomme, sitze ich gerne im Dampf. Ich drehe meine Dusche auf und mache Gesangsübungen im warmen feuchten Dampf der Dusche. Und ich trinke nur warme Getränke. Kein Wasser oder andere Getränke mit Eis drin. Ich versuche Tee zu trinken und Wasser mit Zimmertemperatur.


Und jetzt erzähle ich Dir das eine, ultimative Ding, was ganz großartig für die Stimme ist und was ich viel öfter machen sollte: Trainieren. Ich sollte wirklich öfter ins Sportstudio gehen und trainieren.



Wir lachen beide laut.


Es hat definitiv einen Wirkung auf die Stimme, oder?

Es wirkt! Ich muss ehrlich sein. Es hat eine immense, großartige Wirkung auf die Stimme und die Atmung, weißt Du. Ich mag es sehr auf dem Sofa zu sitzen und zu essen und ich weiß das ich davon wegkommen muss.



Wir lachen wieder laut.

Foto: Myriam Santos / Warner Music
Foto: Myriam Santos / Warner Music

Was hältst Du von Casting Shows wie American Idol? Casting Shows sind in Deutschland sehr populär. Viele jungen Sänger und Sängerinnen denken: Erst lerne ich etwas singen, dann schreib ich ein paar Songs, und dann geh ich in eine Casting Show und werde berühmt und ein großer Star.


Richtig. Ich denke, es hat für eine handvoll Leute funktioniert, denen es möglich war früh in das System zu gelangen. Ich hab gehört das Du in Shows wie „The Voice“ sehr, sehr gute Sänger hören kannst. Aber ganz ehrlich. Ich hab’s mir nie wirklich angesehen. 


War es für Dich in der Vergangenheit eine Option in eine Casting Show zu gehen?



Als ich sehr jung war haben mir die Leute gesagt, dass ich es bei American Idol versuchen soll, aber ich wollte das wirklich nicht. Ich bin jetzt ehrlich. Ich wollte nicht dass es sofort passiert  Aber ich wollte es versuchen und so habe ich gesagt: Fein, ich gehe zu den Auditions und checke es aus und so weiter.


Also, es war das verrückteste Ding überhaupt. Ich habe dort mehrmals vorgesungen und sie haben mich nicht genommen. Aber die Produzenten der Show und viele andere Leute sind hinterher auf mich zugekommen und haben mir gesagt, dass sie meine Stimme lieben und gerne mit mir arbeiten würden. Und ich erinnere mich noch an diesen Moment, als ich dachte: Ok, also ist das hier jetzt ’ne Reality Show? Was? Ich war so verwirrt.

Aber ich denke für einige Leute ist das eine verdammt gute Plattform, gerade wenn Du keine anderen Ressourcen oder Netzwerke als Basis hast. Ich habe es vorgezogen, es auf die ganz traditionelle Art zu anzugehen. Aber bei Leuten wie zum Beispiel Kelly Clarkson ist es wunderbar gelaufen. Sie ist so unglaublich und ich freue mich, dass sie in die Show gekommen ist und dass das Publikum sie so gut angenommen hat. Aber ich denke auch, dass für einige der Kandidaten der Gedanke hilft, sich daran zu erinnern, dass das eine TV Show und eine Bewertung ist. Also sollte man, wenn man so eine Plattform bekommt, ganz sicher stellen, dass man noch andere Dinge am Start hat, die einem helfen bekannt zu werden.


Und wäre das Dein Rat an alle jungen Sänger und Sängerinnen die gerade starten? Oder, wie sollten sich junge Sänger promoten?

Zu allererst möchte ich sagen, dass ich niemals einen Ratschlag an junge Leute geben würde ohne – und das ist jetzt meinem spirituellen Background zu schulden – ohne ihnen zu sagen, dass sie ganz viel dafür beten sollen. Denn Du musst viel beten, um durch diesen Schlamassel durchzukommen. Hahaha. Aber ich denke auch, das man keine Angst vor den Dingen haben darf, die einen wirklich interessieren. Man darf keine Angst vor der Zeit haben, die es braucht diese Dinge zu entwickeln. Also nimm Dir die Zeit. Musik zu schreiben. Richtig texten zu lernen. Zu lernen alle Dinge auszuformulieren. Und dann geh raus und finde es. Wenn Du Live spielst fängst Du an die Dinge zusammenzufügen. Geh los und finde Produzenten. Entweder über Empfehlungen oder check das Netz. Schließe dich mit verschiedenen Produzenten zusammen und arbeite mit ihnen.

Wenn Du gewillt bist nach draußen zu gehen und zu netzwerken, dann wirst Du noch so viel mehr finden. Es ist aber ein Prozess, der viel Zeit benötigt.

Es braucht Zeit. Ja!

Hab keine Angst vor der Zeit. Zeit ist das, was Dir hilft Dich als Person und Künstlerin zu entwickeln. Also ist Zeit eine gute Sache.


Das ist ein großartiger letzter Satz. Vielen Dank! Ich wünsche Dir viel Erfolg und eine tolle, ausverkaufte Show im Bi Nuu.



Vielen, vielen Dank. Es hat wirklich Spaß gemacht.


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