Gear-Chat Sergio Vega

Der Deftones-Bassist Sergio Vega wurde 1970 in der Bronx in New York geboren. Seine Vorfahren waren aus Puerto Rico in die USA eingewandert. Überregionale Berühmtheit erlangte Vega als Bassist der Hardcore-Band Quicksand. Schon in den 1990er-Jahren erspielte er sich einen exzellenten Ruf in der Hardcore-Szene, was dazu führte, dass er 1999 erstmalig bei den Deftones als Aushilfe für den erkrankten Bassisten Chi Cheng einsprang.

(Bilder Sergio Vega: Lars Lehmann, Equipment-Bilder: Marcel Gast)
(Bilder Sergio Vega: Lars Lehmann, Equipment-Bilder: Marcel Gast)


Neben seiner Arbeit mit Quicksand und Deftones veröffentlichte Sergio Vega aber auch das Soloalbum “The Ray Martin Sessions” im Jahr 2000. Das Album – musikalisch wesentlich softer als die Musik der Bands, mit denen Vega bekannt wurde – wurde von Kritikern hoch gelobt, was ihm sogar ermöglichte, mit seinem Soloprojekt auf Tournee zu gehen.
2008 wurde Deftones-Bassist Chi Cheng bei einem schicksalsschweren Autounfall lebensgefährlich verletzt, fiel in ein jahrelanges Koma und verstarb 2013 an den Folgen des Unfalls. Seither ist Sergio Vega Bassist der Deftones, verewigte sich bislang auf den Alben “Diamond Eyes” (2010), “Koi No Yokan” (2012) und “Gore” (2016) und zeichnet auch für viele Kompositionen der Band verantwortlich.
Kennzeichnend für Vegas Bassspiel ist der wenig “bassistische” Ansatz. Der New Yorker experimentiert gerne exzessiv mit einer Vielzahl unterschiedlichen Tunings und setzt zudem ausgiebig Effekte ein. Mehr als genug Themen also für einen ausgiebigen Gear Chat mit Lars Lehmann, der sich mit Sergio Vega vor einem Deftones-Konzert in Hamburg traf.

Hi Sergio! Ich weiß nicht, ob man es dir im Vorfeld erzählt hat, aber dieses wird kein Interview wie die zahlreichen anderen, die du gibst. Ich möchte mich mit dir nämlich ausschließlich über dein Equipment unterhalten!
Das ist doch klasse; ich kenne mein Equipment ziemlich gut! (lacht)
Ausgezeichnet! Ist der Preamp und Effektprozessor Axe-FX II von Fractal Audio Systems nach wie vor ein zentraler Bestandteil deines Setups?
Ja, daran hat sich nicht viel geändert in den letzten Jahren. Außerdem durchläuft das Signal noch zwei Orange OB1-500-Topteile und wird danach in zwei 8×10-Boxen von Orange gejagt. Das effektive Nutzsignal ist ein Mix aus all diesen Komponenten.
Wofür benötigst du den Axe-FX-Sound, wenn du ohnehin die Orange-Tops benutzt? Die klingen doch auch nicht gerade übel …
Alles zusammen klingt einfach noch fetter! Der Sound der Fractal-Unit allein ist sehr crunchy und dick, während durch die Orange-Topteile sehr bissig sind, aber auch sehr warm in den Mitten.
Könnte man sagen, dass die Orange-Tops für den Oldschool-Anteil in deinem Sound verantwortlich sind?
Ach nein, soweit würde ich eigentlich nicht gehen. Es geht weniger darum, dass das eine Gerät “neu” und das andere “oldschool” klingt. Es ist wirklich eher eine Kombination, die sich im Übrigen im Laufe einer langen Zeit auf exakt diese Weise entwickelt und herauskristallisiert hat.

Fotostrecke: 4 Bilder Der Deftones-Basser hat gut Lachen: Er hat den Überblick über ein aufwendiges Rig, bei dem so mancher andere Bassist die weiße Fahne hissen müsste!

Du benutzt ja auch haufenweise Effekte aus den Axe-Fx-Teilen. Was genau kommt da zum Einsatz?
Das variiert von Song zu Song. Ich komponiere auch bereits auf diese Art: Wenn ich einen neuen Song entwickle, entsteht ganz nebenbei auch schon der Sound. In der Regel sind das viele verschiedene Sounds und Patches übereinander. Irgendwann habe ich dann exakt den Sound, den ich für das Riff oder den Song im Ohr hatte.
Das ist ja wirklich eine sehr bemerkenswerte Herangehensweise! Auch, wenn die Klänge bei jedem Song anders sind: Was wäre denn ein gutes Beispiel für verschiedene Effekte, die du übereinanderschichtest?
Für gewöhnlich beginne ich mit einem Multiband-Kompressor, der das Signal aufräumt und vor allem im Bassbereich sehr transparent macht. Mein Plektrum-Stil ist ja sehr akzentuiert, daher ist das ein wichtiger Schritt für mich. Danach geht die Reise in verschiedene Richtungen … sehr wahrscheinlich greife ich zu einem Distortion-Sound, dazu ggf. ein Phaser, Multi-Tap-Delays, Tape-Delays, Tremolos … Chorus hingegen kommt bei mir nur sehr selten zum Einsatz.
Und diese Sounds benutzt du dann für den gesamten Song? Oder auch nur für einen bestimmten Part?
Kommt immer drauf an! Manchmal für den ganzen Song, manchmal nur für einen Teil. “Diamond Eyes” ist ein gutes Beispiel: Der Song hat per se einen Phaser und einen Tremolo-Effekt, und sowohl am Anfang als auch im Mittelteil kommen zusätzlich all diese Delay-Sounds von mir. Im Refrain nehme ich dann den Delay-Anteil mithilfe eines Expression-Pedals etwas zurück, damit der Klang konkreter wird. Und den Feedback-Part erzeuge ich durch zwei Delays, die ich zeitgleich parallel betreibe.
Ah, wie eine Selbst-Oszillation?
Ja, genau! Für diese Sachen ist das Axe-Fx einfach großartig, zumal man derart kranke Sound ja gleichzeitig mithilfe eines der hervorragenden Kompressoren wunderbar im Zaum halten kann. Ohne diese Hilfe würde der Sound unkontrolliert durch alle Frequenzen wabern, aber auf diese Weise kann ich ihn wunderbar eingrenzen, sodass er nicht außer Kontrolle gerät. Zu viel Bassanteil im Delay ist z.B. echt tödlich!

Schon fast wie ein Fetisch: Sergio backstage kurz nach dem Interview mit zweien seiner Jaguar-Bässe von Fender.
Schon fast wie ein Fetisch: Sergio backstage kurz nach dem Interview mit zweien seiner Jaguar-Bässe von Fender.

Wie sieht es denn mit regulären Effektpedalen aus? Hast du zum Beispiel auch einen Big Muff mit auf deinem Board? Oder noch ein besonderes Kompressor-Pedal?
Ich habe früher viele Stompboxes gespielt, auch in Quicksand noch. Mein Setup war schon immer sehr effektbeladen – eigentlich seit meiner frühen Jugend, als ich anfing zu spielen. Tatsächlich sind die jetzigen Sounds im Fractal ein spätes Erbe dieser Zeit, weil sie digitale Nachbildungen der Effektketten sind, die ich schon früher mithilfe der Treter realisiert habe: Distortion, Phaser, Delay, noch eine zweite Verzerrung, vielleicht ein Synth-Sound, etc. Würde ich all die Sounds, die ich bei Deftones benutze, mit Bodenpedalen erzeugen, würde ich aussehen wie …
… Doug Wimbish?
Ja, zum Beispiel! (lacht)
Stehst du bassmäßig noch immer auf Jaguar-Bässe von Fender?
Absolut, ich habe etwa 30 Stück von denen!
Das klingt für mich schon fast nach einem Fetisch! Was sind die Gründe für diese Vorliebe?
Die Jaguars klingen für das, was ich mache, immer noch am besten! Wobei ich natürlich früher auch schon andere Instrumente besessen habe. Mein erster Bass war ein Rickenbacker 4001, außerdem habe ich mal Guild Pilot-Bässe gespielt, einen Fender Telecaster-Bass, einen Jazz Bass … Aber ich mag einfach den Klang der Jaguars am liebsten. Die Teile setzen sich wunderbar durch, klingen in den Höhen sehr crisp, und die Mitten setzen sich außergewöhnlich gut durch. Du weißt ja, dass ich viel komponiere. Viele Riffs entstehen auf dem Bass, und der Bass trägt daher nicht selten den gesamten Song. Daher ist es weniger so, dass ich frequenzmäßig “unter” der Band agiere, und ich lege gar nicht viel Wert darauf, dass mein Instrument naturgemäß überaus bassstark ist. Der Bass steht bei uns immer gleichberechtigt neben allen anderen Instrumenten! Wenn ich an “Bass” im Allgemeinen denke, fallen mir immer schnell die Reggaebassisten mit ihrem aberwitzig tiefen Sound ein. Das ist cool für Reggae, aber bei uns würde das nicht funktionieren!

Sechs Fender Jaguar-Bässe sind mit auf Tour - bei fünf verschiedenen Tunings ein Muss! Daneben sieht man zwei Squier Bass VI-Modelle und vier Gitarren.
Sechs Fender Jaguar-Bässe sind mit auf Tour – bei fünf verschiedenen Tunings ein Muss! Daneben sieht man zwei Squier Bass VI-Modelle und vier Gitarren.

Sehr interessant! Das erinnert mich vom Ansatz her sehr an John Entwistle von The Who, der sich ja auch immer als “Lead Bassplayer” bezeichnet hat und auch sehr gitarrenähnliche Sounds eingesetzt hat. Findest du dich da wieder?
Durchaus, wobei ich aber nicht wirklich von Entwistle inspiriert wurde. Aber die Ansätze sind sich schon nicht unähnlich – und ich finde, John war großartig!
Gibt es denn Bassisten, die dich beeinflusst haben?
Ja, sicher … viele Leute aus der Punk- und Hardcore-Szene, oder Doug Pinnick von King’s X. An ihm mag ich besonders, dass er nicht “der Bassist von irgendwem” ist. Man merkt seinem Spiel einfach an, dass er die Songs auf eigene Faust auf seinem Instrument komponiert.
Eine Vorliebe von dir ist ja auch der Bass VI, eine eine Oktave tiefer klingende E-Gitarre, die unter anderem auch schon von Jack Bruce bei Cream eingesetzt wurde.
Ja, das Teil gibt mir eine Menge Freiheiten! Deftones-Gitarrist Stephen “Stef” Carpenter spielt ja eine achtsaitige Gitarre – was bedeutet, dass er in den tiefen Lagen durchaus schon in der Range eines Basses agiert. Ich spiele ja auch normale Gitarre, und der Bass VI eröffnet mir viele neue Möglichkeiten, etwa beim Jammen, die auf dem E-Bass nicht ohne Weiteres umzusetzen sind. Ich gehe auf dem Bass VI gerne mal in die hohen Register, während Stephen auf den tiefen Strings spielt. Auf diese Weise verschwimmen die Unterschiede zwischen Bass und Gitarre noch einmal umso mehr, als dies bei uns ohnehin schon der Fall ist. Übrigens wurde fast die Hälfte des neuen Albums mit dem Bass VI eingespielt. Ich musste übrigens anfangs einige Jahre üben, damit der Sound genauso reich klingt wie der meiner Jaguars. Ein anderer schöner Nebeneffekt ist der Whammy Bar, mit dem man natürlich schöne Sachen anstellen kann. Das mag ich auch sehr. Ich habe sogar auf einigen meiner Jaguars Whammy Bars!

Fotostrecke: 3 Bilder Das erklärte “Zweitinstrument” des Deftones-Bassisten ist der Bass VI – eine Gitarre, die genau eine Oktave tiefer gestimmt wird.

Und nicht nur das: Um die Verwirrung komplett zu machen, spielst du ja auch je nach Song in verschiedenen Stimmungen!
So ist es, ich setze fünf verschiedene Tunings ein.
Wie kommt man denn auf so etwas?
Es hat sich im Laufe der Zeit einfach so entwickelt. Früher bei Quicksand haben wir noch in Drop D gespielt … 
… was ja schon fast ein “alltägliches” Tuning ist.
Exakt! Als ich dann bei Deftones einstieg, spielten sie bereits viele Songs in Drop Cis oder Drop C. Der Grund für diese verschiedenen Stimmungen ist, dass einfach jedes Tuning anders klingt und Riffs eine andere Färbung verleiht. Drop C klingt sehr dunkel und die Töne besitzen eine andere Tension; alles ist etwas “sloppy”, was ein sehr cooler Effekt sein kann. Drop Cis ist sehr heavy, aber deutlich artikulierter als C.
Ist der schnelle Wechsel zwischen verschiedenen Tunings im Set nicht mitunter verwirrend?
Nein, weil wir die Songs ja schon mit diesen Tunings entwickeln. Insofern lerne ich jeden Song einfach vom ersten Moment an in der Stimmung, in der er dann für immer gespielt wird. Für einen anderen Song greife ich dann zu einem anderen Instrument, welches in der erforderlichen Stimmung gestimmt ist. Pretty easy!

"Ich spiele schon lange nicht mehr so hart wie damals, als ich noch ein Punk-Kid war." Plektren und Gurte des Deftones-Bassisten stammen von Dunlop.
“Ich spiele schon lange nicht mehr so hart wie damals, als ich noch ein Punk-Kid war.” Plektren und Gurte des Deftones-Bassisten stammen von Dunlop.

Du fährst ja immer diesen sehr massiven Basssound …
Vielen Dank! (lacht)
Gerne! Da stellt sich mir die Frage: Wie hart ist eigentlich dein Anschlag?
Tatsächlich ist der nicht sehr hart. Ich habe mich im Laufe der Jahre sehr intensiv mit meinem Anschlag auseinandergesetzt. In der Punk- und Hardcore-Szene, aus der ich stamme, schlagen die Leute meistens zu hart an. Nicht ZU hart vielleicht, aber eben schon sehr hart! Das habe ich anfangs auch so gemacht, weil jeder so gespielt hat. Von Stephen habe ich in dieser Hinsicht sehr viel gelernt. Er hat diesen unglaublich fetten Sound, schlägt die Saiten aber nur sehr soft an. Das hat mich sehr beeinflusst. Du hast einfach mehr von allem, wenn du softer spielst: die Noten sind sauberer, du hast wesentlich mehr Headroom zur Verfügung, was wiederum die Artikulation viel, viel einfacher macht. Ich spiele schon lange nicht mehr so hart wie damals, als ich noch ein Punk-Kid war. Damals sind mir regelmäßig Saiten gerissen, was heute so gut wie gar nicht mehr vorkommt.
Wir werden alle älter und weiser, nicht wahr?
Es ist einfach viel smarter, softer anzuschlagen! Schlage mal euren Lesern folgenden Test vor: Sie mögen sich bitte vor ein Stimmgerät setzen und die Strings sehr hart anschlagen. Wenn man die Saiten so beackert, wird das Tuning immer erst unnötigerweise einige Male rauf und runtertanzen, ehe sich die Stimmung vernünftig auf den gewünschten Pitch einpegelt. Schlägt man gleich etwas softer an, bekommt man diese Probleme nicht – das Tuning steht wie eine Eins! Wenn man heavy klingen möchte, sind diese Probleme mit dem Tuning in keiner Weise hilfreich, die Tonhöhe muss von Anfang an eindeutig sein, damit diese “Wall of Sound” entstehen kann. Wenn ich heutzutage heavy klingen möchte, weiß ich, dass ich die Saiten viel sanfter anschlagen muss. Der Wumms und die Aggressivität müssen von anderen Tools kommen, also z.B. von einem guten Kompressor in Verbindung mit einem Zerrsound. Das Geheimnis liegt darin, dass man stets die Kontrolle über seinen Anschlag behält! Es hat einige Zeit gedauert, bis ich diesen Punkt nicht nur verstanden habe, sondern ihn auch dauerhaft konsequent umsetzen konnte. Also ja, du hast schon Recht: Wir werden alle älter – und weiser! (lacht)

Sympathischer Equipment-Fanatiker: Sergio Vega liebt sein Gear!
Sympathischer Equipment-Fanatiker: Sergio Vega liebt sein Gear!

Surftipps zum Thema:

www.deftones.com
www.fender.com
www.orangeamps.com
www.fractalaudio.com

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(Bilder Sergio Vega: Lars Lehmann, Equipment-Bilder: Marcel Gast)

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Raymond „Ray“ Blake ist seit drei Jahrzehnten fester Bestandteil der deutschen Musikszene. Auf seinem Konto stehen zahllose Studiosessions, Konzerte und Tourneen. Ray arbeitet unter anderem mit Cosmo Klein oder Stefanie Heinzmann zusammen. Vor allem aber ist der 54ährige mittlerweile seit mehr als zwei Jahrzehnten fester Bassist bei Sasha, seines Zeichens einer DER deutschen Top-Acts. Sashas soeben beendete Deutschland-Tournee trug den Beinamen „The Show“ und umspann seine komplette Karriere mit Songs der unterschiedlichsten Stilistiken. Ein solcher Job bringt unweigerlich einige Herausforderung in Sachen Spieltechnik und Basssound bzw. Equipment mit sich. Wie Ray diese gemeistert hat, haben wir ihn noch während der Tour gefragt.

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