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Engl Thunder 50 Combo Test

Combo oder Topteil? Bei dieser Fragestellung driften die Meinungen der verschiedenen Lager weit auseinander und für nicht wenige Gitarristen wird sie zur Glaubensangelegenheit. Der coole Rockstar vor seinem turmhohen Fullstack wird den Combo-Spieler entweder zum Anfänger, Mucker oder schlimmstenfalls Jazzer degradieren. Der aber wiedrum hält sich für ziemlich clever, denn während der Fullstack Spieler nach dem Gig die Stagehands mühsam überreden muss, ihm beim Verfrachten seiner Anlage in den Leihbus zu helfen – ein PKW ist definitiv zu klein – sitzt Mr.Combo bereits beim zweiten Bier an der Theke und schäkert mit den Damen aus der ersten Reihe. Er hat relativ gemütlich sein Equipment selbst abtransportiert: die Gitarre im Gigbag auf dem Rücken, das Effektboard in der linken und den Combo in der rechten Hand. Dass dieser Mann bei seinen Mitmusikern häufig der Beliebtere ist, das versteht sich von selbst.

Jede Menge schlagkräftiger Argumente also, die für den Einsatz eines Combos sprechen. Zudem ist so ein Amp meist auch noch günstiger als ein Top mit Box, und üblicherweise für den Anschluss einer Zusatzbox gerüstet, falls es mal richtig krachen soll. Ob diese Argumente auch beim Engl Thunder 50 stechen und wie bühnentauglich, flexibel und druckvoll er sich präsentiert, das ergründet unser folgender bonedo Herz-und-Nieren- oder besser Sound-und-Lautstärke-Test.

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Gehäuse/Optik
Schon auf den ersten Blick macht der Combo einen sehr stabilen und robusten Eindruck. Das Holzgehäuse aus Multiplex ist mit schwarzem Vinyl überzogen, und außer der abgeschrägten Vorderfront sind die sechs geraden Ecken mit Metallschonern versehen. Der Amp steht sehr sicher und rutschfest auf seinen vier großen Gummifüßen. Zum Schutz des 12“ Lautsprechers ist ein stabiles Metallgitter mit Engl Schriftzug auf die Frontseite geschraubt – das typische Engl „Metal-Industrial“ Design und ein wirksames Mittel gegen die Angst des Besitzers um sein Equipment auf der Bühne und im Bandbus.

Engl_Thunder_gitter Bild

Das Chassis ist von oben mit dem Gehäuse verschraubt, und das leicht angewinkelte Frontpanel (65 mm hoch) beherbergt Regel- und Schaltmöglichkeiten und wirkt mit der etwas spiegelnden, gebürsteten Metalloberfläche sehr elegant. Der Griff an der Oberseite hat schon einiges zu tragen, denn der Amp ist mit seinen 22 kg kein Leichtgewicht. Die Rückwand ist offen, und auf der Rückseite des Chassis befinden sich die üblichen Anschlüsse für Fußschalter, Lautsprecher und Effektweg. Im Inneren des Verstärkers arbeitet die Vorstufe mit drei ECC 83 Röhren, die Endstufe mit einer ECC 83 und zwei 6L6 Röhren.

Bedienfeld
Auf dem Bedienfeld finden wir ganz links die Input Buchse, danach folgen die verschiedenen Regler in Chickenhead-Form, und schließlich auf der rechten Seite die Schalter für Power und Standby. Zusätzlich gibt es noch zwei kleine Schalter für die Kanalumschaltung, auf die wir gleich zurückkommen werden, und eine LED, die den Lead-Status anzeigt.

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Weil der Amp dreikanalig ausgelegt ist, kann per Knopfdruck zwischen den drei Basis-Sounds Clean, Crunch und Lead gewählt werden. Das geschieht mit den beiden schon erwähnten Umschaltern, von denen der eine zwischen Clean und Lead wechselt, und der zweite zwischen Crunch und Lead. Daraus ergeben sich drei Möglichkeiten, die folgendermaßen aussehen:

Kein Schalter gedrückt: Clean Sound, Clean/Lead Schalter gedrückt:  Crunch Sound, Clean/Lead und Lead/Crunch gedrückt: Lead Sound.

Für die Klangregelung steht ein drei Band EQ mit Bass, Mitten und Höhen zur Verfügung, der zusammen mit  dem Gain Regler für alle drei Kanäle verantwortlich ist. Die Verteilung der Lautstärke-Regler ist dafür aber etwas üppiger ausgefallen. Es gibt einen Amp-Master Regler, der die komplette Endlautstärke des Verstärkers bestimmt, und zusätzlich je einmal Volume für Crunch und für Lead. Somit können die drei Basis-Sounds exakt in der Lautstärke aufeinander abgestimmt werden. Ich muss zugeben, dass mich die Volume Regler und Schaltkombinationen anfänglich etwas verwirrt haben. Vor allem deshalb, weil man zuerst den Crunch-Sound erhält, wenn man von Clean auf Lead umschaltet. Will man tatsächlich Lead, dann muss noch der zweite Schalter gedrückt werden. Hier hätte eine kleine LED bei eingeschaltetem Crunch-Sound gute Dienste geleistet, aber auch so bekommt man dieses Problem mit der Zeit in den Griff.

 
Rückseite
Auf der Rückseite finden wir die üblichen Anschlussmöglichkeiten: rechts vier Klinkenbuchsen zum Anschließen diverser Lautsprecher, wobei folgende Kombinationen möglich sind:
1 x 8 Ohm oder 2 x 16 Ohm
1 x 16 Ohm oder 2 x 8 Ohm

In der Mitte warten Send und Return Klinkenbuchsen auf den Anschluss eines Effektgerätes, dessen Signal mit dem Balance-Regler dem Amp-Signal beigemischt werden kann. So kann der F.X. Loop nicht nur parallel, sondern auch seriell genutzt werden, da bei voll aufgedrehtem Regler nur das Effektsignal in die Verstärkerendstufe eingespeist wird. Auf der linken Seite folgt dann noch die Klinkenbuchse für den Fußschalter, mit dem man die bereits beschriebenen Clean/Lead und Crunch/Lead Schaltfunktionen abrufen kann. Leider gehört dieser nicht zum Lieferumfang und muss extra gekauft werden. Eine weitere Möglichkeit besteht mit dem Anschluss des Engl MIDI-Switcher Z-11 an dieser Buchse. Die einzelnen Kanäle können dann per MIDI-Fußleiste abgerufen werden.

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PRAXIS
Wie bereits erwähnt, kommt der Amp außer mit einem kleinen Infoblatt zur Bedienung und einem Netzkabel ohne großes Zubehör, auch ein Fußschalter gehört nicht dazu. Also wird das Gerät ohne große Umschweife mit der Steckdose verbunden, eingeschaltet, der Master wird aufgedreht und… guter Schalldruck! Aus dem Kleinen kommt tatsächlich einiges an Lärm, und er liefert offensichtlich ein ordentliches Bassfundament. Aber jetzt erst mal der Reihe nach. Wir beginnen wie immer mit den Clean Sounds und arbeiten uns dann in Richtung Megazerre vor. Hier erst mal der Clean Kanal mit einer Gain Einstellung von 9 Uhr in Verbindung mit einer Tele (Audio: Twang).

Audio Samples
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Twang Freak Funk Slow E

Bei diesem Beispiel wird der Master Regler voll aufgedreht, und schon hört man wunderbar das knackige Schmatzen der Endstufe, die ordnungsgemäß gefordert wird. Der Clean Sound klingt sehr „Fenderig“ brillant, wofür man ihm eine Extraportion crisper Höhen mit auf den Weg gegeben hat. Etwas zahmer klingt er, wenn man den Gain und alle Regler des EQs etwas zurücknimmt. Er behält aber auch dann noch seine angenehme Brillanz, wunderbar für Funky Sounds (Audio: Freak Funk). Als nächstes kommt die Strat zum Einsatz, für die der Master Regler noch etwas zurückgeschraubt wird, damit der Ton absolut klar bleibt. Die Grundeinstellung des Frequenzbereichs für den Clean-Kanal ist wirklich gelungen. Man kommt auch ohne Presence Reger aus, die hohen Frequenzen dieses Bereichs gibts in sehr angenehmer Dosierung (Audio: Slow E).

Jetzt wird es schon etwas kratziger und wir begeben uns auf die Reise in die 50er Jahre, die von Combos, Gretsch Gitarren und Slapback Delays dominiert wurden. Und siehe da, auch diesen Ton hat der Engl im Repertoire. Hierfür wurde der Gain-Regler auf 12 Uhr gestellt, damit der Amp dynamisch reagiert und bei hartem Anschlag ein wenig verzerrt. An den Effekt-Loop habe ich ein Delay mit 110 ms und einer Echo-Wiederholung angeschlossen – übrigens ohne Probleme mit der Pegelanpassung von Amp und Effekt. Auch das ist perfekt voreingestellt und funktioniert ohne großes Nachdenken. Plug In And Play wie es sein soll, und so klingt es (Audio: Thunder Train).

Audio Samples
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Thunder Train ES Blues Foo

Der Clean Kanal beginnt, je nach Output der Gitarre, ab einer Einstellung von 14 Uhr schon ganz gut zu zerren. Hier hören wir den relativ warmen Ton einer ES-335 mit etwas zurückgedrehtem Tone Regler. Die Verzerrung kommt sehr dynamisch rüber und ist vor allem in der Ansprache ausgezeichnet. Jede kleinste Nuance des Anschlags wird feinfühlig übertragen, da macht das Spielen richtig Spaß (Audio: ES Blues). Wenn man den Gain-Regler im Clean Kanal voll aufdreht, dann klingt das Ganze schon richtig dreckig, es setzt aber auch eine leichte Kompression ein, und die Anschlags-Spitzen werden leicht abgedämpft. Der Klang bleibt aber immer noch sehr dynamisch und transparent (Audio: Foo).

(Auf der nächsten Seite: der Crunch-Kanal)

Der Übergang in den Crunch Kanal geschieht fast nahtlos, denn der macht dort weiter, wo der Clean Kanal verzerrungstechnisch aufhört. Ich habe den Gain-Regler zurück auf 9 Uhr gestellt und die Tele angeschlossen. Wir erhalten einen Stones-typischen angezerrten Ton (Audio: Stoned).

Audio Samples
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Stones Strat Crunch

Es kann aber auch schon ganz schön heiß im Crunch-Channel werden. Hier ein Beispiel mit der Strat und einer Gain Einstellung auf 15 Uhr (Audio: Strat-Crunch). Auch bei diesem Basis-Sound ist das Frequenzspektrum sehr gut voreingestellt. Der Grundcharakter geht hier mehr in die britische Ecke, Vox und Marshall lassen grüßen. Der Verzerrungsgrad ist wunderbar mit dem Anschlag zu steuern und klingt sehr offen. Bei beiden Hörbeispielen war die Klangregelung gleich eingestellt, trotzdem klingt es total unterschiedlich. Ganz klar ein Beweis dafür, dass der Verstärker den Grundsound der Gitarre optimal wiedergibt und nicht einfach so platt bügelt, dass man den Unterschied zwischen einer 58er Vintage Strat und einer Les Paul Kopie aus Korea nicht mehr hört.

Der dritte Kanal ist jetzt angewählt und wir kommen ins Reich der Distortion Sounds; bei einer Gain Einstellung um 9 Uhr ist schon einiges los. Der Lead Kanal klingt etwas mittiger und startet schon mit einer ordentlichen Portion Verzerrung. Beim nächsten  Beispiel wurde eine SG mit Drop D Tuning benutzt (Audio: Classic).

Audio Samples
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Classic Powerchord Bariton

Schließt man eine Les Paul mit etwas mehr Output an und dreht den Mittenregler noch etwas weiter auf, bekommen wir einen guten Sound für Powerchords. Vor allem wird jetzt das Palm-Mute Spiel sehr differenziert übertragen, es kommt äußerst knackig rüber (Audio: Powerchord).Wir begeben uns jetzt in den „Frequenz-Keller“ und die Bariton Gitarre kommt zum Einsatz. Mal sehen, was der 12“ Lautsprecher damit so anfangen kann (Audio:Bari). Da kann man nicht meckern, denn zum einen wird die Anschlagsdynamik sehr gut übertragen, und der Speaker macht auch bei den tiefen Frequenzen eine gute Figur. Mit voll aufgedrehtem Bassregler und einer Gain Einstellung von 11 Uhr kommt auch die tiefe B (H)-Saite noch sehr gut rüber, der Sound klingt nicht matschig, es dröhnt aber schon mächtig im Raum. Für den Bandeinsatz ist diese Einstellung nicht empfehlenswert.  Hier sollte man den Bassregler etwas zurücknehmen, damit auch der eigentlich zuständige Kollege am Bass eine Chance hat. Aber schön, dass der Verstärker auch im Tieftonbereich einen so guten Frequenzgang bietet. Da musste schon so manch anderer 1×12“ Combo die weiße Fahne hissen.

Als nächstes nehmen wir für einen Metal Sound die Mitten komplett aus dem Frequenzbild. Und auch der kann sich hören lassen (Audio:Metal).

Audio Samples
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Chords Dyna-Poti

Zwar habe ich jetzt den Gain Regler weiter aufgedreht, aber es sind noch Reserven da, denn er steht erst auf 14 Uhr. Trotzdem ist schon ein hoher Verzerrungsgrad am Start, der aber immer noch sehr knackig rüberkommt, was besonders bei schnellen Anschlägen auf der tiefen E-Saite zu hören ist. So muss das sein, denn ein Metal Sound, der solche Anschläge nicht ordnungsgemäß wiedergibt, ist eigentlich nicht zu gebrauchen.Zum Schluss wurde der Gain Regler voll aufgedreht und wir hören ein paar Akkorde mit der Les Paul (Audio: Chords). Wie die beiden anderen Kanäle hat auch der Lead Channel eine sehr gute Transparenz. Die Akkorde sind trotz des hohen Verzerrungsgrades sehr differenziert und klingen keinesfalls lärmig – im Gegenteil, auch die dynamische Ansprache ist hier ausgezeichnet. Ich habe bei voll aufgedrehtem Gain die Strat angeschlossen und zuerst mit zurückgeregeltem Volume an der Gitarre gespielt, dann voll aufgedreht. Von fast clean bis voll verzerrt ist alles möglich, hier ist der Beweis (Audio: Dyna-Poti).

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Fazit
Der Engl Thunder ist schon ein sehr vielseitiges Kerlchen, was man ihm auf den ersten Blick gar nicht zutraut: eine Klangregelung für alle Kanäle, kein Presence und nur ein Gain Regler, und der ebenfalls für alle drei Grundsounds. Aber die Konzeption ist wirklich gut durchdacht und umgesetzt. Die Basis-Sounds der drei Kanäle sind sehr gut vorgewählt und sowohl in Lautstärke wie im Gain optimal aufeinander abgestimmt – ideal für die Arbeit auf der Bühne. Der Amp deckt ein riesiges Sound-Spektrum ab, und von Funky Clean über Crunch und singende Lead Sounds bis hin zur amtlichen Metal Zerre ist alles vertreten, und zwar auf wirklich hohem Niveau. Die Lautstärke ist für kleine Clubs völlig ausreichend, allerdings empfiehlt sich bei größeren Räumen der Anschluss einer Zusatzbox. Denn der 12“ Speaker wird bei hohen Lautstärken etwas quäkig, und der Abstrahlwinkel eines Lautsprechers ist eben nicht so groß wie der von vier. Einziges Manko ist die etwas irreführende Umschaltung von Clean, Lead und Crunch, das hätte man etwas besser lösen können. Ansonsten ist der Amp jedem zu empfehlen, der einen 1×12“ Combo für verschiedene Anwendungsbereiche sucht. Das Peis-Leistungsverhältnis ist sehr gut.

Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • Soundvielfalt
  • Schalldruck
  • Dynamik, Ansprache
Contra
  • Bedienung – Kanalumschaltung
  • Fußschalter nicht im Lieferumfang
Artikelbild
Engl Thunder 50 Combo Test
Für 739,00€ bei
Specs Engl Thunder 50
  • Hersteller: Engl
  • Modell: Thunder 50 (Typ E 322)
  • Typ: Combo Gitarrenverstärker
  • Ausgangsleistung: ca. 50 Watt
  • Röhrenbestückung: 4x ECC 83, 2x 6L6
  • Gleichrichter: Röhrenschaltung
  • Lautsprecher: 1×12“
  • Bedienfeld: 7 Regler (Gain, Bass, Middle, Treble, Crunch Volume, Lead Volume, Master), 2 Schalter, Input Buchse
  • Rückseite: 4x Lautsprecherbuchse, FX Loop (Send/Return), FX Balance -Regler, Footswitch-Buchse
  • Abmessungen: 525 x 450 x 250 mm (B x H x T)
  • Gewicht: 22 kg
  • Lieferumfang: Netzkabel, Bedienungsanleitung
  • UVP: 954,- Euro
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