Reverb im Stereo-Bus? Pro und Contra

„Reverb im Stereo-Bus? Um Gottes Willen“, höre ich den einen oder anderen Puristen aufschreien. Aber ihr könnt ganz unbesorgt sein. In diesem Mini-Workshop werde ich nicht eine Lanze für überbordenden Nachhall-Sound brechen. Stattdessen schauen wir uns an, wie ihr Reverb in einer Stereosumme so einsetzen könnt, so dass euer Mix an Lebendigkeit und Tiefe gewinnt, ohne dabei in New Age-Gefilde abzudriften.

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Inhalte
  1. Reverb in der Stereosumme: Die Lage

Reverb in der Stereosumme: Die Lage

Fest steht, dass ein geschmackvoller Hall-Einsatz im Stereo-Bus eine Produktion regelrecht zusammenschweißen kann. Das gilt insbesondere für Projekte, die komplett per Sampler & Co. im Rechner entstanden sind. Habt ihr in den einzelnen Kanälen oder in zugehörigen Gruppenkanälen nicht schon für passende Hallfahnen gesorgt, aber das Balancing der Spuren ist schon optimal? Dann reicht es in vielen Fällen schon aus, wenn ihr die Stereosumme mit einem dezenten Reverb anreichert, um dem Mix etwas mehr Leben einzuhauchen und Räumlichkeit zu geben. Allerdings gilt es auch einige Dinge zu beachten, wenn euch der Hall im Master-Bus nicht eure Produktion zerstören soll.

Reverb in der Stereosumme: Das Problem

Die wohl drängendste Frage ist wohl, an welcher Position in der Kette der Insert-Effekte eures Master-Buses ihr den Hall-Effekt einsetzen solltet. Die Antwort lautet klar und deutlich: Das kommt ganz darauf an. Setzt ihr den Hall beispielsweise vor einem Kompressor ein, müsst ihr euch im Klaren darüber sein, dass durch Komprimierung samt Aufholverstärkung die Nachhallfahnen eventuell zu stark hervortreten werden. Der Einsatz nach einem Kompressor kann dagegen dazu führen, dass der Hall durch das zuvor komprimierte Signal allzu voluminös klingt. Das könnt euch dazu verleiten, das Reverb vor einem Equalizer einzusetzen, um so das in den Bässen entstehende Mulmen herauszufiltern oder überbordende Höhen in den Griff zu bekommen. Doch dafür gibt es eine besser Lösung, die ihr weiter unten in den Tipps findet…
Keine Frage ist es dagegen, ob ihr erst Stereo-Tools oder erst Reverb in der Insert-Kette des Master-Busses verwendet. Denn um die Stereoverteilung im Master-Bus optimal kontrollieren zu können, hat ein Reverb nach einer Stereoverbreiterung oder einer Anpassung der Mitte/Seite-Signalanteile einfach nichts zu suchen. Auch keine Frage ist es, ob der Hall vor oder nach dem abschließenden Limiter in der Kette der Insert-Effekte eures Master-Buses auftauchen soll. Denn der Kontrollgewinn über den Ausgangspegel, den euch ein Limiter garantiert, würde euch sonst verlorengehen.

Reverb in der Stereosumme: Praxis-Tipps

Der banalste Tipp für den Einsatz von Halleffekten im Master-Bus ist, dass das Plug-in eurer Wahl über einen Wet/Dry- bzw. Mix-Regler verfügen sollte. Ist das nicht der Fall, könnt ihr den Signalanteil nicht hinzuregeln, sondern werdet stattdessen für einen undifferenzierten, „schwammigen“ Sound sorgen.
Welchen Halltyp ihr verwendet, ist in den meisten Fällen eine gestalterische Frage. So bietet es sich etwa für kleine Besetzungen, wie Singer/Songwriter-Setups, Unplugged-Besetzungen oder auch Blues- und Jazz-Bands oftmals die Nachbildung eines authentischen Raumhalls an. Es ist nichts Falsches daran, im Reverb-Plug-in nach geeigneten Presets (wie „Jazz Club“, „Studio Room“, „Small Stage“ oder ähnlichen) zu suchen und diese Vorgaben an den eigenen Sound anzupassen.
Falls ihr euren Nachhalleffekt unbedingt vor einem Kompressor einsetzen müsst, solltet ihr euch im Klaren darüber sein, dass durch Komprimierung samt Aufholverstärkung die Nachhallfahnen eventuell zu stark hervortreten werden. Dieses Problem könnt ihr aber kinderleicht umschiffen, indem ihr dafür sorgt, dass sich der Laustärkepegel der Hallfahnen weit genug unterhalb des Schwellenwerts befindet, bei dem der Kompressor einsetzt. Ist das nicht der Fall, müsst ihr den Wet-Anteil des Halleffekts herunterregeln.

Die Freeware TAL Reverb 4 bietet euch Lo-Cut- und Hi-Cut-Filter, so dass ihr den Arbeitsbereich des Nachhalls begrenzen könnt.
Die Freeware TAL Reverb 4 bietet euch Lo-Cut- und Hi-Cut-Filter, so dass ihr den Arbeitsbereich des Nachhalls begrenzen könnt.

Setzt ihr den Hall nach einem Kompressor ein, müsst ihr gegebenenfalls mit einem EQ nachregeln, falls Bass- oder Höhenanteile zu sehr verhallt sein sollten. Denn bei der Abfolge Kompressor -> Nachhall kann es in eurem Mix schon mal unangenehm rumpeln und zischeln. Und hier der versprochene Tipp für diesen Fall: Besser noch, als dass ihr solcherlei Schwierigkeiten mit einem Equalizer löst, ist es, wenn ihr diese Probleme gar nicht erst entstehen lasst. Deshalb solltet ihr auf ein Reverb-Plug-in zurückgreifen, das mit entsprechenden Filtern ausgestattet ist. Das gibt euch die Möglichkeit, per LowCut-Filter zu bestimmen, ab welchem Punkt tiefe Frequenzen nicht mit einer Hallfahne versehen werden sollen. So haltet ihr den Bassbereich eures Mixes knackig und druckvoll. Außerdem hilft euch ein HighCut-Filter dabei, die Höhen eures Mixes nicht überborden zu lassen. Welche Frequenzen ihr dabei exakt wählen solltet, hängt zum einen von eurem konkreten Mix ab und ist zum andern eine Geschmacksfrage.
Etwas anders sieht es bei den Hallzeiten aus. Hier könnt ihr insbesondere das PreDelay im Blick behalten. Am besten wählt ihr für das PreDelay eine Einstellung, die verhindert, dass die Transienten eures Sounds durch den Hall in Mitleidenschaft gezogen werden. Um eine passende Einstellung zu finden, könnt ihr euch dabei an der Attackzeit des Kompressors orientieren, den ihr im Master-Bus einsetzt. Habt ihr seine Attackzeit so gewählt, dass die Einschwingphasen des Stereosignals intakt bleiben, sollte auch der Hall frühestens nach dieser Dauer einsetzen. So bleibt euer Mix auch mit Reverb noch druckvoll und verliert nicht an Punch.

Fotostrecke: 2 Bilder Das ValhallaRoom ist ein preiswertes Reverb mit exzellentem Klang, das noch dazu viele Regelmöglichkeiten bietet.

Ein Hall-Plug-in, das sich aufgrund seines exzellenten Klangs gut für den Stereo-Bus eignet, ist das Audio Ease Altiverb. Es setzt auf die Convolution-Technik, bei der sogenannte Impulsantworten eines realen Nachhalls zuvor aufgezeichnet und von der Software abgerufen werden. Der so entstehende Halleffekt gilt als besonders realistisch. Außerdem lassen sich hier zahlreiche Parameter ganz nach Wunsch justieren. Ein weiterer ansprechender Reverb-Effekt ist das FabFilter Pro-R. Es ermöglicht euch, das Frequenzverhalten des Halleffekts äußerst detailliert anzupassen. Wenn ihr ein qualitativ hochwertiges Reverb-Plug-in zum kleinen Preis sucht, seid ihr mit ValhallaRoom gut beraten. Relab Development halten für euch mit dem LX480 RHall den Digitalhall-Klassiker Lexicon 480L als Plug-in bereit, der ebenfalls einen Blick wert ist. Falls ihr kein Geld ausgeben möchtet, findet ihr selbstverständlich auch jede Menge passender Freeware-Hall-Effekte, die sich für die Stereosumme eurer Mixes eignen. Dazu zählt beispielsweise das sehr einfach gehaltene TAL Reverb 4.
Und wie setzt ihr selbst bisher Hall im Master-Bus ein? Habt ihr ein Lieblings-Tool? Oder seid ihr vielleicht auf tolle Lösungen für praktische Herausforderungen gestoßen?

Workshop: Raumforschung – Reverb professionell einsetzen
Workshop: Crashkurs Mixing – Reverb

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Henry sagt:

#1 - 23.03.2017 um 12:20 Uhr

0

Sauber. Kurz und knackig, und dabei genau auf den Punkt. Als ich die Überschrift gesehen habe, dachte ich zuerst "wie bitte?!" Aber hier ist sozusagen in drei Absätzen erklärt, wie man Hall in der Stereosumme benutzt, ohne gleich wie die Wave Bands in den 80ern klingen zu müssen. Danke!

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