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Nord Piano 2 HA88 Test

Immer, wenn ein neues rotes Keyboard aus Schweden auf den Markt kommt, gerät die Tasten-Welt in Aufruhr, denn „die Roten“ können in der Regel was. Besonders unter den Live-Musikern hat die Marke Nord viele Anhänger gefunden. Ein Alleinstellungsmerkmal vieler Nord-Instrumente ist ihr flexibler Samplespeicher bzw. der Zugang zu den beiden großen Libraries „Nord Piano“ und „Nord Sample“. Bisher war die Nord Sample Library, die Klänge verschiedenster Instrumente umfasst, den Serien „Stage“, „Wave“ und „Electro“ vorbehalten. Mit dem Nord Piano 2 gehört nun auch diese Modellreihe dazu. Sogar eigene Klänge kann man mit Hilfe der Software „Nord Editor“ in das Nord Piano 2 laden!

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Neben der neuen Sample-Synth-Sektion, deren Klänge flexibel mit den Piano-Sounds kombiniert werden können, bietet der Neuling vor allem eine erweiterte Effekt-Abteilung. Hinzugekommen ist unter anderem ein Delay mit verschiedenen Modi, das über Tap Tempo sowie eine BPM- und Millisekunden-Anzeige verfügt. Als Alternative zu den Amp-Simulationen gibt es einen neuen Tube-Distortion-Effekt. Zudem sind fast alle Effekte nun als Stereo-Ausführung an Bord. Zu guter Letzt bietet das Nord Piano 2 die aus dem Nord Stage 2 bekannte Long-Release-Funktion, die für einen volleren, längeren Ton bei Piano-Klängen sorgt. Gründe genug, sich den Neuling mal genauer anzuschauen!

DETAILS
Das Nord Piano 2 trägt das typische, gedeckte Rot, misst ausgewachsene 1284 x 121 x 340 cm und bringt 18 kg auf die Waage. Die 88 Tasten umfassende Tastatur ist eine Hammermechanik aus dem Hause Fatar (TP40). Das Gehäuse des Stagepianos besteht aus robustem Metall, während die Seitenteile aus rot lackiertem Holz mit durchschimmernder Maserung gefertigt sind. Das Gerät wird serienmäßig mit einem stabilen Dreifach-Pedal ausgeliefert, wie es sich für ein richtiges „Piano“ gehört. Sogar eine ansteckbare Anti-Wegrutsch-Gummimatte für das Pedal ist dabei – toll! Das weitere Zubehör besteht aus zwei DVDs mit Klängen der Nord Library, einer Anleitung in Englisch und einem Kaltgeräte-Netzkabel.

Rückseitig ist das Nord Piano 2 mit folgenden Anschlüssen ausgestattet: Neben dem Netzstecker finden wir zunächst zwei Klinkenbuchsen für Volume Pedal und Sustain Pedal. Daneben folgen ein USB-Port sowie MIDI Out und MIDI In. Der USB Port kann zum Anschluss eines Computers und auch als MIDI Schnittstelle genutzt werden. Auf der rechten Seite der Rückseite befinden sich ein Miniklinken-Eingang namens „Monitor In“, zwei Klinken-Ausgänge sowie ein Kopfhörerausgang. Über „Monitor In“ können externe Signale in das Nord Piano 2 geleitet werden. Hörbar ist das Monitor-In-Signal allerdings nur über den Kopfhörerausgang und eine gesonderte Lautstärkeregelung gibt es dafür nicht. Ein gutes Feature zum Üben!

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Die auf dem Bedienfeld mittig platzierten Potis und Druckknöpfe wirken stabil und gut verarbeitet. Viele LEDs und ein beleuchtetes Display mit zwei Zeilen geben Auskunft über angewählte Klänge, Parameter und aktivierte Features und Effekte. Auf ein Pitch- oder Modulationsrad wurde verzichtet. Links und rechts vom Armaturenbereich ist sogar noch jede Menge Platz, um Aschenbecher und Getränke abzustellen… (kleiner Proberaumscherz). Reduktion kann sehr schick aussehen, finde ich!
Das Panel ist in verschiedene Sektionen unterteilt. Die Blöcke „Piano“ und „Sample Synth“ dienen der Steuerung der entsprechenden Komponenten der Klangerzeugung. Hier nimmt man grundlegende Einstellungen bezüglich der Klänge vor oder justiert die Ein- und Ausschwingphasen von Klängen des Sample-Synths. Piano und Sample Synth können gleichzeitig erklingen, entweder um Layer zu erzeugen oder – sofern der Tastatursplit gewählt ist – um zwei Klänge im Dual Mode zu spielen. Der Tastatur-Splitpunkt ist dabei frei wählbar und mit jedem Programm individuell speicherbar. Ich würde mir allerdings wünschen, die Pianos um mehr als eine Oktave nach oben und unten transponieren zu können. Besonders im Dual Mode, wenn man auf der Tastatur durch die Teilung mit weniger Platz auskommen muss, wäre man so noch flexibler mit den „bequemen Lagen“.
Die weiteren Sektionen bieten Zugriff auf die Effekte. Als da wären:
Effects 1: Auto-Pan, Tremolo oder Auto-Wah (je drei Intensitätsstufen, regelbare Geschwindigkeit)
Effects 2: Flanger, Phaser oder Chorus (je drei Intensitätsstufen, regelbare Geschwindigkeit)
Stereo Delay mit Mixregler, drei Feedback-Modi und Delay-Zeiten von 20 bis 750 ms. Das Einstellen der Delay-Zeit wird per Up/Down Taster oder Tempo-Tap-Button vorgenommen. Im Display wird neben der Delay-Zeit auch der entsprechende BPM-Wert angezeigt. Grundsätzlich kann man zwischen Analog- oder Normal-Modus wählen. Im „Analog Mode“ verändert sich die Tonhöhe der Echos, wenn man die Delay-Zeit manuell verändert. Einen Ping-Pong-Modus wie beim „Nord Stage“ gibt es nicht.
Equalizer: 3-Band EQ mit parametrischem Mittenband
Amp/Comp: 3 Ampsimulationen, Tube Distortion, Kompressor (Regler für Drive bzw. Kompressions-Intensität)
Reverb: sechs verschiedene Modi (2x Room, 2x Stage, 2x Hall)
Bis auf den Reverb, der als Mastereffekt arbeitet, stehen die Effektsektionen immer nur für einen Klang – also entweder für die Piano- oder Sample-Synth-Sektion – zur Verfügung. 

Die nicht weiter betitelte Sektion ganz links dient der Programmauswahl und globalen Einstellungen wie Anschlagsempfindlichkeit, MIDI-Kanal, Lautstärke von String Resonance und Pedal Noise, um nur einige zu nennen. 240 Speicherplätze gibt es insgesamt, verteilt auf 5 Bänke, die jeweils eine A- und eine B-Sektion mit 24 Plätzen beinhalten. Auch ein sogenannter „Live Mode“ ist integriert. Dahinter verbirgt sich ein Programmspeicher mit 5 Plätzen, der alle Parameteränderungen immer sofort in den Flash-RAM schreibt. In kreativen Live- und Studiosituationen, in denen man viel zwischen Sounds hin- und her springt, kann das sehr praktisch sein.
An Klängen bietet das Nord Piano 2 verschiedene Flügel, Klaviere und Rhodes-E-Pianos, ein Wurlitzer, Clavinets und Cembalos. Im Bereich „Sample Synth“ gibt es Streicher, Akkordeons, Bläser, Marimbas, Orgeln und vieles mehr. Wem das nicht genug ist, der kann sich auf www.nordkeyboards.com in der kostenlosen Nord Sample Library umschauen oder sich selbst Klänge zusammenbasteln. Der interne Flashspeicher für Klänge des Sample Synth beträgt 128 MB, für Pianos stehen 500 MB bereit. Die maximale Polyphonie des Sample Synth beträgt 15 Stimmen, während die Piano-Sektion 40- bzw. 60-stimmig polyphon ist (bei Stereo- bzw. Mono-Sounds).
Zwei weitere „stille Features“ sind die kostenlosen Programme „Nord Manager“ und „Nord Editor“. Der Nord Manager ermöglicht das Laden von Samples, das Umbenennen von Programmen oder das Umstrukturieren des Programmspeichers per Drag&Drop. Mit der Software „Nord Editor“ kann man eigene Sounds so aufbereiten, dass man sie mit dem Nord Piano (und auch mit vielen anderen Nord-Keyboards) als polyphone Multisamples spielen kann. Der Vollständigkeit halber sei allerdings erwähnt, dass sich damit leider keine Mappings mit Mehrfach-Velocity-Layern erstellen lassen.

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PRAXIS
Die Bedienung des Nord Piano 2 erschließt sich in nur wenigen Minuten. Die gut spielbare, griffige Tastatur mit gutem Repetitionsverhalten macht Spaß! Die Velocityansprache ist in vier Stufen gegliedert und lässt sich leicht anpassen. Nur Pianissimo, das ganz ganz leise Spiel, ist mit ihr irgendwie nicht möglich. Als Rock- oder Popmusiker braucht man diese Facette ja aber auch nur äußerst selten. 

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Die verschiedenen Flügel- und Klaviersounds gefallen mir ausgesprochen gut. Jeder Sound hat einen eigenen Charakter: „Grand Imperial“ (Bösendorfer-Flügel) klingt brillant, räumlich und mächtig. „Studio Grand 2“ (Yamaha-Flügel) ist dagegen weich und warm, ohne dumpf zu wirken. „Grand Lady D“ (Steinway Flügel) ist klanglich durchsetzungsfähiger und mittiger. Die Klangpalette der Upright-Pianos reicht von „klar“ über „holzig“ bis hin zu „romantisch/urig“. So viele gute Pianoklänge in einem Keyboard habe ich bisher noch nicht erlebt!

Audio Samples
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Romantic Upright Boogie Woogie Grand Imperial Boogie Woogie Studio Grand 2 Boogie Woogie Grand Lady D Boogie Woogie Black Petrof Upright Reverb Stage Strings Dual Mode

Das Rhodes klingt insbesondere in Kombination mit den Amp-Simulationen und dem Auto-Pan gut. Im Sample-Pool stehen glockige und auch trockenere Varianten bereit. Auch die Clavis und Cembalos klingen recht anständig. Schade, dass Nord immer noch so stiefmütterlich mit seinem Wurlitzer-Sound umgeht. Er ist zwar ganz passabel, aber wer weiß, wie ein echtes Wurlitzer klingen kann, wird das Nord-Wurli als dünn und statisch empfinden. In diesem Punkt hat meiner Meinung nach zur Zeit ganz klar das SV-1 von Korg die Nase vorn.

Audio Samples
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Rhodes Amp Sim JC Rhodes Amp Sim Twin Wurli Amp Sim JC

Die zuschaltbaren Features „Long Release“ und „String Resonance“, die für die meisten Klänge der Piano-Sektion bereitstehen, beeinflussen den Ton subtil, aber hörbar. Anschläge und Ausklänge wirken räumlicher und lebendiger. Rein technisch betrachtet, klingen bei aktivem „Long Release“ die Töne nach dem Anschlag nicht so schnell ab. Mit dem Begriff „Release“ im klassischen Verständnis von Lautstärke-Hüllkurven hat „Long Release“ also wenig zu tun, eher etwas mit „Decay“. String Resonance simuliert das leise Mitschwingen nicht angeschlagener Saiten, wahrnehmbar als angenehmer, subtiler metallischer Nachhall, der für leichte Schwebungen im Klang sorgt. 

Audio Samples
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Mit String Resonance und Long Release, danach ohne Grand Imperial (ohne String Resonance und Long Release) Grand Imperial (mit String Resonance und Long Release)

Das Dreifach-Fußpedal bietet nicht nur Sustain, Sostenuto und Soft-Pedal (una corda), sondern erzeugt auch die typischen Nebeneffekte wie Mechanik-Rumpeln und das silbrige Sirren der leeren Saiten, wenn der Dämpfer angehoben wird. Es ist dynamisch spielbar: betätigt man es mit mehr Kraft, ist das Rumpeln lauter – und umgekehrt. Sofern mich nicht alles täuscht, wird hier für alle Grand Pianos immer dasselbe Rumpel-Sample verwendet. Für die Klaviere gilt das gleiche. Dies ist aber nicht weiter schlimm, es funktioniert in der Praxis gut. Auch den Rhodes-Modellen wurde ein Pedalgeräusch spendiert – dem Wurlitzer jedoch nicht. Bei den Clavis und Cembalos erübrigt sich das Thema ohnehin. Die Lautstärke der Pedalgeräusche ist global in einem Bereich von ± 6 dB anpassbar. Im folgenden Audio-Beispiel ist Pedal Noise auf die maximale Lautstärke gestellt. In den zwei Beispielen danach habe ich das Pedal Geräusch solo aufgenommen und die Aufnahmen normalisiert. 

Audio Samples
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Pedal Noise (max. Lautstärke) Pedal Noise Grand Pianos (solo) Pedal Noise Rhodes (solo)

Effekte
Die Effekte des Nord Piano 2 sind von ihren Einstellmöglichkeiten her relativ einfach gestrickt und klanglich eher dezent als krass. Sie lassen sich daher mehr musikalisch als „klangbastlerisch“ einsetzen. Das neue Delay, das mich stark an die Version aus der Nord-Stage-Serie erinnert, ist eine gute Ergänzung der Effektkette und bietet mit „Tempo Tap“ und BPM-Anzeige alles, was der Live-Keyboarder in puncto Echo braucht. Das Delay und auch der Reverb klingen neutral und nie harsch oder blechern. Auch der EQ arbeitet sauber. Mit seinem parametrischen Mittenband lässt sich der bei Pianos und E-Pianos wichtige Mittenbereich gut justieren. Eine gute Erweiterung der Amp-Simulationen ist die „Stereo Tube Distortion“. Sie bereichert die Amp-Klangpalette um einen Stereo-Verzerrer, der auf ein stark färbendes Amp-Modelling verzichtet. Der Klang der Tube Distortion ist im Vergleich zu den Amp-Simulationen neutraler und der Bassbereich wird nicht so stark beschnitten.

Audio Samples
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Picked Bass Tube Distortion Picked Bass Tube Distortion + Delay

Wer hörbar komprimierte Pianos mag: Dank des Kompressors ist auch das kein Problem, auch wenn er nur rudimentäre Einstellmöglichkeiten bietet. Auf die Amp-Simulation muss man bei Nutzung des Kompressors allerdings verzichten, denn beides gleichzeitig geht nicht. Mal abgesehen von solchen eher seltenen Fällen, passt hier aber alles gut zusammen. Mein Workflow-Indikator schlägt bei diesem Test eigentlich durchweg ins Positive aus. Nur manchmal habe ich mir etwas mehr Flexibilität bei den Effekten gewünscht. 

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FAZIT
Das Nord Piano war schon in der ersten Generation ein ausgereiftes und grundsolides Instrument. In der zweiten Generation erweitert es sein Klangspektrum um ein Delay, Tube Distortion, Long Release, Tastatursplit, Dual- oder Layer-Mode und die Möglichkeiten der umfangreichen Nord Sample Library. Die Königsdisziplin des Nord Piano 2 ist und bleibt aber die Reproduktion von hochwertigen und charakterstarken Flügel- und Klaviersounds. Die griffige, schwer gewichtete Tastatur spielt auf hohem Niveau und das dazugehörige Dreifach-Pedal ist eine standesgemäße Ergänzung. Die Effektsektion, nun um einige Features reicher, deckt alle Standards ab und ist musikalisch gut einsetzbar. Dem ein oder anderen Soundschrauber könnte sie aber klanglich zu defensiv zu Werke gehen.
Das Nord Piano 2 darf man also als gelungenes „Major Upgrade“ bezeichnen. Leider lässt Nord sich die Neuerungen mit einem kräftigen Preisaufschlag im Vergleich zum Vorgängermodell bezahlen. Ob es das wert ist, muss jeder selbst wissen. Viel Freude wird man daran definitiv haben!

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TECHNISCHE DATEN
  • 88-Tasten-Hammermechanik-Tastatur, Anschlagdynamik in 4 Stufen anpassbar
  • Tastatursplit mit wählbarem Splitpunkt, pro Programm speicherbar
  • Layer- oder Dual Mode möglich
  • Effekte: Tremolo, Auto-Wah, Auto-Pan, Chorus, Flanger, Phaser, Delay, EQ, Amp-Simulationen, Distortion, Kompressor, Reverb
  • Flash-Speicher für Piano Samples: 500 MB
  • Flash-Speicher für Sample-Synth: 128 MB
  • Anschlüsse: MIDI In, MIDI Out, USB (auch MIDI per USB), 2x Klinken-Ausgang (stereo), Kopfhörerausgang (stereo), Monitor-In (Stereo Miniklinke)
  • LCD Display mit zwei Zeilen à max. 16 Zeichen
  • Kompatibel mit „Nord Library“
  • Zubehör: Dreifach-Fußpedal, Handbuch (Englisch), Netzkabel, 2x DVD mit Klängen der Nord Library
  • Abmessungen: 1284 x 121 x 340 cm
  • Gewicht: 18,3 kg
  • Gewicht Pedal: 2 kg
  • Preis (UVP): 2.973,81 Euro
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