Harley Benton JB-40FL Fretless Test

Schlummert nicht in jedem von uns ein kleiner Jaco? Oder anders gefragt: Hat nicht jeder von uns schon einmal mit dem Thema Fretless-Bass geliebäugelt? Dieser singend-lyrische Ton ist für nicht wenige Bassisten äußerst attraktiv und verlockend, kommt aber leider mit ein paar Herausforderungen, etwa hinsichtlich der Intonation. Somit stellt sich unweigerlich die Frage, ob die Anschaffung eines bundlosen Basses auch wirklich das Richtige ist. Daher ist es von Vorteil, wenn man sich dem Thema “Fretless” nähern kann, ohne gleich das Konto überziehen zu müssen. Eine passende Lösung dafür bietet Harley Benton mit dem JB4 FL an. Dieser ist – sehr erstaunlich – nämlich bereits für den Preis eines hochwertigen Gigbags oder High-Class-Kabels (!) zu haben. Optisch orientiert sich das Modell an jenem Bass, mit dem die Fretless-Legende Jaco Pastorius zumeist gesehen wurde. Das weckt natürlich Erwartungen – ob die erfüllt werden, soll dieser Test zeigen!

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Details

Das Design und die Shapings des JB4 geben keine Rätsel auf ‑ es ist halt ein Jazz Bass! Der Erlekorpus wurde mit einem 2-Tone-Sunburst verschönert, was einem farblichen Verlauf von Schwarz in Richtung eines transparenten Brauntons entspricht. Ohne Schlagbrett kommt dieses Finish noch mehr zur Geltung und steht für meinen Geschmack einem Fretless wirklich gut zu Gesicht. Die Chancen, dass man auf ihm slappen oder mit Plektrum spielen wird, sind doch eher gering – ein Schlagbrett ist von daher nicht unbedingt erforderlich. Auch das Modell des Herrn Pastorius besaß ja kein Schlagbrett – die eingeschlagene Richtung ist somit klar erkennbar.
Auf dem Ahornhals wurde ein Griffbrett aus Blackwood aufgeleimt. Dieses ist mittlerweile ein beliebter Ersatz für das klassische Rosewood, welches dank des (sicherlich sinnvollen) CITES-Abkommen immer mehr aus dem Instrumentenbau verschwindet. 20 Bundlinien zeigen an, wo sich die Bünde befinden würden, was die Intonation erheblich erleichtert. Die Sattelbreite entspricht mit 38 mm ebenfalls dem Vorbild – genauso wie auch das Halsprofil, welches ich als “modernes C” einstufen würde: rundlich, aber nicht zu kräftig.

Fotostrecke: 5 Bilder Klassischer Look – dieses Harley-Benton-Modell erinnert nicht wenig …

Zwei Singlecoils aus dem Hause Roswell und eine passive Elektronikmit zwei Volume- und einem Tone-Regler bilden das einfache aber tausendfach bewährte Konzept der Tonabnahme. Die Regler sitzen auf einer Controlplate, hier wird der Lack also vor dem häufigen Drehen der Regler mit den Fingern geschützt.
Sämtliche Hardware hat man bei diesem Harley Benton in Chrom gehalten. Die Brücke ist ein schnöder, aber funktionaler Blechwinkel, und die vier offenen Stimmmechaniken auf der Kopfplatte verrichten ihren Dienst anständig.

Fotostrecke: 5 Bilder Die Tonabnehmer unseres Testbasses stammen …

Erstaunlich: Auch wenn ich den Harley Benton JB4 “mit der Lupe” untersuche, ich kann keine nennenswerten Schwächen bei der Verarbeitung finden. Zugegeben, an der einen oder anderen Stelle sieht der Bass vielleicht etwas “rustikal” aus, und natürlich wirken alle Komponenten in Sachen Optik und Haptik etwas preiswert. Aber bitte nicht vergessen: Wir reden hier über ein Instrument mit einem Verkaufspreis von unter 150,- Euro! Es ist immer wieder erstaunlich, welch eine hohe Qualität Instrumente in dieser oder auch geringfügig höheren Preisklassen mittlerweile bieten.

Der heutige Fertigungsstandard selbst bei Günstig(st)-Instrumenten ist wirklich erstaunlich!
Der heutige Fertigungsstandard selbst bei Günstig(st)-Instrumenten ist wirklich erstaunlich!

Praxis

In Sachen Bespielbarkeit und Ergonomie gibt es erwartungsgemäß ebenfalls nichts “Neues” zu berichten – dieses Modell ist und bleibt ein Jazz Bass mit allen bekannten Vor-, aber auch Nachteilen. Nicht ohne Grund hat sich dieses Konzept über viele Jahrzehnte erfolgreich gehalten. Wie daher zu erwarten war, neigt auch der Harley Benton JB4 zur Kopflastigkeit beim Spielen im Sitzen und Stehen, das liegt aber an der grundsätzlichen Konstruktion, ist also kein spezielles Problem meines JB4.
Der Hals fasst sich durch das dünne Finish sehr angenehm an und bietet mit seinem Profil und Dicke genügend Grip. Wer Jazz-Bässe mag, wird sich hier schnell heimisch fühlen. Das Gewicht bewegt sich für einen Viersaiter mit 4,3 Kilogramm eher an der oberen Grenze, zumindest was die heutigen Erwartungen der Kundschaft angeht. Bundgeräusche gibt es freilich nicht, aber auch ohne diesen Indikator scheint das Griffbrett sehr sauber abgerichtet worden zu sein. Die Saitenlage ist jedenfalls werksseitig ziemlich flach und die Bespielbarkeit einwandfrei.

Abgesehen von dem für Jazz-Bässe typischen "Neck Dive" muss man dem Harley Benton ein einwandfreies Handling bescheinigen!
Abgesehen von dem für Jazz-Bässe typischen “Neck Dive” muss man dem Harley Benton ein einwandfreies Handling bescheinigen!

Gab es bisher eigentlich nur Positives zu berichten, enttäuscht der Harley Benton JB4 leider im ersten akustischen Test. Der Ton ist trocken gespielt recht matt und die Töne verklingen sehr schnell – irgendwie etwas leblos. Auch das typische Singen eines Fretless-Basses besitzt mein testmodell kaum. Einen Teil dazu tragen ohne Frage die sehr preiswerten Saiten bei, ein Upgrade wird garantiert spürbare Verbesserungen ermöglichen. Zudem muss man an dieser Stelle abermals daran erinnern, dass wir hier über ein Instrument für unter 150,- Euro reden – dafür kauft sich manch anderer einen schicken Ledergurt!

Der erste trockene Höreindruck ist ein wenig ernüchternd, denn hier klingt der Fretless etwas "farblos". Zum Glück macht der Bass am Amp prompt eine deutlich bessere Figur!
Der erste trockene Höreindruck ist ein wenig ernüchternd, denn hier klingt der Fretless etwas “farblos”. Zum Glück macht der Bass am Amp prompt eine deutlich bessere Figur!

Überraschenderweise fallen die eben beschriebenen Attribute am Verstärker gar nicht mehr so stark ins Gewicht. Hier erwacht der Harley Benton JB4 plötzlich – zumindest teilweise – aus seinem Dornröschenschlaf. Nachfolgend findet ihr hier ein paar Klangbeispiele:

Audio Samples
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Beide Pickups Bridge-Pickup Neck-Pickup Beide Pickups Bridge-Pickup Neck-Pickup Beide Pickups Bridge-Pickup Neck-Pickup

Verstärkt finde ich durchaus ok, was der Harley Benton JB4 für schmales Geld zu bieten vermag – die eingangs beschriebenen akustischen Schwächen werden hier durchaus etwas abgemildert. Die Roswell-Pickups sind jedoch leider sehr empfänglich für Einstreuungen. Das Erstellen von Aufnahmen in der Nähe eines Computers und diverser anderer elektrischer Geräte erwies sich daher als nicht gerade einfach. Auch verursachte der JB4 gelegentlich Geräusche, die ich in dieser Art bis dato noch nicht kannte – etwa ein leichtes Knacken und Klopfen in Wechselwirkung mit dem von mir verwendeten Preamp. Ich muss gestehen: Dieses Phänomen war mir bis dahin unbekannt!

Die Thomann-Hausmarke Harley Benton hält ein erstaunlich breites Angebot - nicht nur E-Bässen - an preisgünstigen Instrumenten bereit!
Die Thomann-Hausmarke Harley Benton hält ein erstaunlich breites Angebot – nicht nur E-Bässen – an preisgünstigen Instrumenten bereit!

Fazit

Der Harley Benton JB4 ist ein extrem preiswerter Einstieg in die Fretless-Welt. Angesichts des Verkaufspreises von unter 150,- Euro kann man hier definitiv nicht viel falsch machen. Der JB4 ist ordentlich verarbeitet und lässt sich gut bespielen, und auch optisch weiß er mit einer gelungenen Hommage an den großen Jaco Pastorius zu überzeugen. In Sachen Haptik merkt man dem Modell an der einen oder anderen Stelle sicher seinen günstigen Preis an, aber irgendwie muss dieser ja schließlich auch zustande kommen. Auch tonal ist hier zweifelsohne noch viel Luft nach oben, ein langes Sustain und das typische Fretless-“Singen” sind ja bekanntlich grundlegende Attribute eines Fretless. Bei beiden tut sich der Harley Benton JB4 jedoch leider etwas schwer. Aber bei aller Kritik muss man sich stets den Preis für dieses Instrument vor Augen führen – und seine Erwartungshaltung entsprechend anpassen! Für knapp unter 150,- Euro bekommt man hier ohne Frage enorm viel. Wer schon immer mal das Thema Fretless für sich ausprobieren wollte, ohne ein zu großes finanzielles Risiko einzugehen, bekommt mit dem Harley Benton JB4 eine interessante Gelegenheit geboten.

Pro:
  • gute Bespielbarkeit
  • gute Verarbeitung
  • klassische Optik
  • gutes Preis-Leistungs-Verhältnis
Contra:
  • etwas matter akustischer Ton
  • wenig Sustain, wenig typisches Fretless-“Singen”
  • Tonabnehmer sind sehr empfindlich gegenüber Einstreuungen
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Klassischer Look – dieses Harley-Benton-Modell erinnert nicht wenig …
Technische Spezifikationen:
  • Hersteller: Harley Benton
  • Modell: Harley Benton JB-40FL (fretless)
  • Herkunftsland: China
  • Body: Erle
  • Hals: Ahorn
  • Griffbrett: Blackwood
  • Mensur: 864 mm Mensur (34 Zoll)
  • Bünde: 20
  • Tonabnehmer: Roswell JJ
  • Elektronik: passiv, Volume, Volume, Tone
  • Gewicht: 4,3 kg
  • Lieferumfang: Kabel
  • Preis: 149,- Euro (Ladenpreis im Mai 2019)
Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • gute Bespielbarkeit
  • gute Verarbeitung
  • klassische Optik
  • gutes Preis-Leistungs-Verhältnis
Contra
  • etwas matter akustischer Ton
  • wenig Sustain, wenig typisches Fretless-"Singen"
  • Tonabnehmer sind sehr empfindlich gegenüber Einstreuungen
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Harley Benton JB-40FL Fretless Test
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Gioi Geniale sagt:

#1 - 28.01.2020 um 21:57 Uhr

0

Hatte in den frühen 80ern als ersten Bass einen Aria Jazz Bass.
So bald ich mir einen gebrauchten Rickenbacker 4001 Made in USA leisten konnte, rupfte ich beim Aria die Bünde heraus (frei nach Idol Jaco) und vermachte das Griffbrett mit schwarzem (Elektro-) Klebeband. Das Ergebnis konnte sich - für meine damaligen Verhältnisse - hören lassen. Der singende Fretless Sound hatte es mir angetan.
So, dass ich Ende der 80er einen Kontrabass zu spielen begann. Was nochmals eine Kategorie für sich war.
Und immer noch ist.

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Fz sagt:

#2 - 28.06.2022 um 16:55 Uhr

0

Wie? Einfach nur Klebeband über die Ritzen? Oder vorher mit etwas aufgefüllt?

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