DPA d:facto II Interview Microphone Test

d:facto II Interview Microphone – das neueste Produkt von DPA ist bei uns im Test. Das dänische Unternehmen DPA, welches mit Brüel&Kjær-Kapseln hochwertigste Mikrofone für Studio und Bühne herstellt, hat ein neues Segment betreten: das Aufnehmen in Interview-Situationen.

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Ob EB-Team oder Radio, oft wird ein klassisches Handmikrofon verwendet. Aufbauend auf dem erwiesenermaßen hervorragenden d:facto-II-System, welches wir schon zum Review hatten, kommt das Interview Microphone mit ganz speziellen Eigenschaften, die ich für diesen Testbericht untersucht habe.  

Details

Modularsystem

Von weitem betrachtet unterscheidet sich das DPA-Interview-Mikrofon nicht von den anderen d:facto II. Wie auch, schließlich macht die Kapsel den Unterschied. Seit DPA vor wenigen Jahren seine „Jede Kapsel benötigt ihren speziell abgestimmten Verstärker“-Doktrin in die Ostsee geworfen hat, können die User freier kombinieren. Die Werkzeuge sind dadurch in den Bewertungen nicht schlechter geworden, wie man an unseren Tests der d:dicate 4011A (und ST4006A) erkennen kann. Auch unternehmensintern wird man sich letztlich über diesen Schritt zum Modularsystem gefreut haben. Zwar muss jetzt nicht mehr für jede neue Anforderung ein komplett neues Mikrofon gekauft werden (Ob das die User wohl taten?), aber dafür kann DPA schnell und flexibel mit Produkten reagieren. Die Nachfrage nach einem Handheld-Mikrofon für TV und Radio steigt. Mit einer Kugelkapsel im Bühnen-Gesangsmikrofon statt der sonst üblichen Niere, Super- oder Hyperniere ist der größte Teil der Arbeit schon erledigt.

Fotostrecke: 6 Bilder Die Kondensatorkapsel des Mikrofons…

Kugel. Warum in Gottes Namen eine Kugel?

Wer sich wundert, was eine Kugelcharakteristik bei einem Interviewmikrofon zu suchen hat, da diese schließlich die geringste Quellentrennung aufweist und Umgebungsgeräusche bei gleichem Besprechungsabstand lauter aufzeichnet als richtende Mikros, der hat zunächst natürlich ein eindeutiges Argument. Allerdings muss Atmo gar nicht mal „böse“ sein – und solange niemand versucht, den schwitzenden Stahlarbeiter im Werk, den betrunkenen Fußballfan in der Süd-, Ost- West- oder Was-auch-immer-Kurve oder den Fischhändler zwischen weiteren Fischhändlern zu interviewen, der wird auch keine größeren Probleme haben. Außerdem haben richtende Mikrofone eine deutlich stärkere Ausprägung eines Problems fast aller Mikrofone: Mit dem Einsprechwinkel verändert sich die Frequenzempfindlichkeit. Im TV kann man es oftmals beobachten: Werden stärker richtende Mikrofone wie ein Sennheiser MD 441 verwendet, reicht eine kleine Unachtsamkeit des Interviewers oder des Interviewten, und es wird leicht am Mikrofon vorbei oder in einem zu großen Winkel zur Hauptaufsprechrichtung gesprochen. Das Ergebnis ist meist ein zunehmend höhenarmer und löchriger Klang. Und genau dieses Shifting der Klangfarbe nervt und fällt sogar der Oma über ihr berühmtes Küchenradio auf. Oder, im Fall einer modernen Oma, beim Betrachten des Interviews mit dem Timbersports-Weltcupgewinner über ihren Streaming-Dienst. Oma ist schließlich nicht gleich Oma. 

Omni-Pattern: Of ist eine Kugel bei Interviews sehr sinnvoll!
Omni-Pattern: Of ist eine Kugel bei Interviews sehr sinnvoll!

Konstantes Polar-Pattern

Kugeln sind jedoch, auch bei der verbauten Elektret-Druckempfängerkapsel MMC2006, ebenfalls nicht frequenzkonstant, stehen jedoch diesbezüglich meist deutlich besser da. Der Blick in das Polardiagramm des DPA d:facto II Interview zeigt, dass selbst bei 8 kHz die Dämpfung bei 45° nur etwa 5 dB beträgt. Erst darüber ist sich die Kapsel zunehmend selbst im Weg und schattet die Höhen ab. Aber selbst bei 20 kHz liegt die 5dB-Dämpfung erst bei über 20°. Ebenfalls eine wichtige Aussage: Die Welligkeit bei nicht frontal eintreffendem Schall ist laut Richtdiagramm ausreichend gering, sodass auch wichtige Umgebungsgeräusche verfärbungsfrei aufgenommen werden können. Betrachtet man den axialen Frequenzgang, fällt eine schmale Überhöhung von drei Dezibel bei etwa 14 kHz auf. Zumindest dem Papier nach zu urteilen ist das d:facto dadurch sehr „spritzig“ und „offen“.

Hat einen leichten Höhenboost: DPA mit Kugelkapsel
Hat einen leichten Höhenboost: DPA mit Kugelkapsel

Dauerfilter

Wenn man irgendwelche Weltraummonster zu interviewen pflegt, die eine Stimmlage im Subkontraoktavbereich haben, sollte man sich ein anderes Mikrofon suchen (und möglichst einen anderen Job, denn das klingt gefährlich…): Das DPA d:facto II Interview Microphone – immerhin ein Druckempfänger mit dadurch möglichem Frequenzgang bis hinunter zu 0 Hz!) arbeitet mit einer fixen Hochpassfilterung von 18 dB/oct bei einer Grenzfrequenz von 80 Hz. Der beim Interview in der Innenstadt vorbeiwalzende LKW kann so zumindest nicht den Bassbereich vollmüllen und mit seinem Pegelausschlag das gesamte Signal zerstören, da die Vorstufe zerrt. Gut auch, dass hier nicht geschaltet werden kann: Eine Fehlerquelle weniger! Die weiteren technischen Angaben des phantomgespeisten Interview-Mikros beinhalten keine Besonderheiten. 1% THD+N sind bei 130 dB(SPL) erreicht, das Eigenrauschen liegt bei 16 dB(A). Damit ist das Mikrofon für seinen Einsatzzweck optimal aufgestellt. Mit 10 mV/Pa liegt die Empfindlichkeit zudem nicht so hoch, dass man an manchen Field-Recordern oder Kameras im unteren, schlecht aufgelösten Gainbereich arbeiten müsste.
Der Korb des Mikrofons ist mit Schaumstoff ausgekleidet, für den Fall etwas stärkerer Lusftbewegungen liegt dem DPA aber noch ein zusätzlicher Windschutz bei.

Der Korb ist ausgekleidet, bei Bedarf kann ein Windschutz aufgezogen werden.
Der Korb ist ausgekleidet, bei Bedarf kann ein Windschutz aufgezogen werden.

Praxis

Robust und unauffällig

Das DPA d:facto II Interview Microphone liegt hervorragend in der Hand. Und zwar nicht nur bei mir, sondern auch bei Personen, die nicht so Wurstfinger haben wie ich. Zudem ist es unauffällig, aber elegant. Einen Sturz aus normaler Interviewhöhe wird es wahrscheinlich vertragen, wenngleich natürlich wie bei jedem derartigen Mikro der Metallkorb die Schwachstelle ist.

Das Mikrofon ist sehr unempfindlich gegen Wind- und Handgeräusche.
Das Mikrofon ist sehr unempfindlich gegen Wind- und Handgeräusche.

Hand und Wind

Windgeräusche können jede Aufnahme ruinieren – und bei Spontaninterviews gibt es genauso wenig ein zweites Mal wie beim Golden-Take im Studio. Der in den Korb eingelassene Schutz verhindert auch bei mehr als nur leichtem Luftzug erfolgreich die Zerstörung des Signals, der aufgesetzte Windschutz funktioniert absolut hervorragend. Ebenfalls top: Gegen Geräusche durch Handbewegungen ist das Mikro ebenfalls sehr immun. Beides sind übrigens Eigenschaften, die sich das Empfängerprinzip Druckempfänger auf die Fahnen schreiben kann. 

DPA – wie zu erwarten

Im Betrieb zeigt sich das DPA so, wie man es aufgrund der Werksangaben und der Erfahrung mit den drei Buchstaben erwarten kann. Die Auflösung ist grandios, ich hätte kein Problem damit, das d:facto im Studio zu verwenden und es anschließend auf’s Übelste mit dem EQ zu verdrehen. Auch nach enormer Kompression in der Bearbeitung und nach dem heute gewohnt rigorosen Sende-Limiting bewahrt das Kugelmikrofon seine positiven Klangeigenschaften. Es ist tatsächlich offen und luftig, verfügt über eine hohe Sprachverständlichkeit, klingt aber nie zu scharf, und bei naher Mikrofonierung treten weder scharfe S-Laute, Brustkorbresonanzen oder Popplaute hervor. Letzteres wiederum liegt erneut am Prinzip: Druckempfänger sind diesbezüglich unempfindlich und kennen auch keine Bassanhebung durch den Nahbesprechungseffekt. Zusammenfassend: Das Mikrofon klingt absolut natürlich.

Audio Samples
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DPA d:facto II Interview Microphone Electro-Voice RE50B Sennheiser MD 21 Sennheiser MD 441 Shure 545SD DPA 4009

Die Natürlichkeit bewahrt das Mikrofon selbst bei Signalen, die von anderer Stelle als von vorne eintreffen, es bleibt ebenfalls klar und deutlich aufgelöst. Gut zu erkennen ist das beim Regen im Hintergrund. Den hatte ich für den Test extra bestellt (den Teller den Tag zuvor nicht leergemacht…). Bei einem bekannteren Signal, der menschlichen Stimme, fällt doch eine gewisse Phasigkeit auf, allerdings hält sie sich in Grenzen und das Signal hat dennoch ausreichend Pegel. Somit ist es keine Katastrophe, wenn der Interviewte noch einen Einwurf nachreicht oder der Moderator mit dem bei Moderatoren nicht unüblichen Delay das Mikrofon erst eine Sekunde nachdem er „Warum?“ zwischengefragt hat, zu seinem Mund und wieder zurück bewegt.

Ein klarer Vorteil ist der natürliche Sound des Mikros.
Ein klarer Vorteil ist der natürliche Sound des Mikros.

Im Vergleich mit den anderen Mikrofonen wird besonders gut deutlich, wo das d:facto einzusortieren ist. Selbst die sündhaft teuren Studiomikros 4009 aus gleichem Hause haben keinen riesigen Qualitätsabstand zum Interviewmikro, der ein halbes Jahrhundert alte Klassiker MD 21 von Sennheiser, ebenfalls eine Kugel, aber im Tauchspulenprinzip, ist eher als „charaktervoll“ anzusehen.

Gegenargumente? Ja, eines.

Gibt es etwas, das gegen die Anschaffung eines oder mehrerer Interview-Mikros von DPA spricht? Ja, gibt es. Es handelt sich dabei zwar nur um eine Zahl, doch leider ist es die Zahl, die auf dem Preisschild steht. DPA ist bekanntlich ein teurer Spaß, da macht das getestete d:facto II keine Ausnahme. Gut, es ist ein modulares System, welches auch Wireless-Lösungen möglich macht, es ist robust und klingt hervorragend. Guter Ton ist zwar wichtig, aber ich bin eben Tontechniker und nicht der über Excel-Tabellen gebeugte Einkäufer einer Produktionsfirma („So Dinger gibt es aber auch deutlich preiswerter. Wir nehmen die.“ – „Aber…“ – „Wieso ‘aber’?“).

Fazit

DPA hat aufbauend auf seinem d:facto-II-System ein Interviewmikrofon (passenderweise mit dem Namen „Interview Microphone“) auf den Markt gebracht, welches alle Anforderungen an ein Kugelmikrofon zur Berichterstattung mit Bravour erfüllt. Es klingt sehr natürlich, auch außerhalb der frontalen Besprechung, löst fein auf und ist unempfindlich gegen Wind und Handling-Noises. Einzig der Preis ist saftig und wird bei vielen gegen eine Anschaffung sprechen.

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • sehr natürlicher, offener Klang
  • Polardiagramm recht frequenzkonstant
  • unempfindlich gegen Wind und Handlinggeräusche
  • modular
Contra
  • Preis
Artikelbild
DPA d:facto II Interview Microphone Test
Für 959,00€ bei
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Features und Spezifikationen

  • Empfängerprinzip: Druckempfänger
  • Richtcharakteristik: Kugel (Kapsel tauschbar)
  • Wandlerprinzip: Kondensator
  • Betriebsspannung: 48V Phantomspeisung
  • Frequenzgang: 20 Hz – 20 kHz
  • Übertragungsfaktor: 10 mV/PA
  • maximaler Schalldruckpegel: 150 dB SPL
  • fixer dreipoliger Hochpassfilter bei 80 Hz
  • Ausgang: XLR male
  • verschiedene Wireless-Adapter erhältlich
  • Preis: € 899,– (UVP)
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Shane McGill sagt:

#1 - 10.07.2015 um 03:59 Uhr

0

Preis bewegt sich in absurden Höhen - ähnliche und gleich gute Mikrofone gibts sprichwörtlich wie Sand am Meer und das um Häuser billiger ;)

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