Denon DN-SC3900 Test

PRAXIS

Um eine Audio- oder MP3-CD zu initialisieren, ziehen zwischen drei und fünf Sekunden ins Land. Mein 2 GB großer Speicher-Stick mit 34 Dateien war im Rekordtempo startklar: Top. Verbesserungen zum Vorgängermodell gibt es bezüglich der Unterstützung von Dateisystemen. Vormals war nur FAT möglich, nun ist auch HFS+ mit an Bord, wenngleich am Gerät nur lesend und nicht schreibend. Nichtsdestotrotz wurde meine mobile 640 GB grpoße Mac-Platte anstandslos angenommen und zügig ausgelesen. Die externen Speicherplatten dürfen zwei Terabyte Fassungsvermögen auffahren. Das ist ausreichend Speicherplatz für tausende Titel. NTFS wird jedoch nicht unterstützt, was sich im Test bestätigte und Windows-Usern nicht gerade Lobgesänge entlocken wird. Das ist zwar schade, doch vielleicht sind USB-Sticks bei heutigen Größen von 32GB+ (bereits deutlich unter 20 Euro gesichtet) eine Alternative, solange sie nicht allzu oft beschrieben werden. Für große NAS-Laufwerke hingegen sieht es nicht so gut aus…  
Zu meiner Freude zeigt sich die Reaktionszeit beim Umschalten zwischen den Medien drastisch verkürzt. Bam, bam, bam.  

Beatcounter und Pitch
Der Beatcounter ist für meine Begriffe nicht gerade der schnellste und treffsicherste seiner Art, was sich in erster Linie bei CDs oder auch bei nicht analysiertem Material von Stick oder Platte bemerkbar machen kann. Sollten die Tracks vom PC oder Netzwerk via Engine kommen, wird auf Wunsch das errechnete Tempo der Software als Synchronisationsgrundlage geschrieben. Ferner kann der DJ einen manuellen Wert durch mehrfaches Tippen auf den „Tap“-Button eingeben. Daraus errechnet das Zählwerk den Mittelwert. Auf zum fröhlichen Pitchen.
Je nach Auflösung (6, 10, 16, 100 %) erlaubt der 100 Millimeter lange Tempofader auf der kleinsten Stufe Geschwindigkeitsanpassungen von zwei Hundertsteln, auf der höchsten von einem Prozent. Wer im laufenden Betrieb auf einen anderen Arbeitsbereich auswählt, wird leider mit einem Tempo-Sprung konfrontiert, also legt man diesen besser vorher fest. Wer den Pitch nicht zu nutzen gedenkt, kann ihn auch deaktivieren. Zwei Skaleneinteilungen große Deadzones an den Nord- und Südenden des Sliders liegen für mich innerhalb der Toleranz. Wichtiger ist für mich, dass es von der Nullstellung aus zügig zur Sache geht und da kann der Denon die Brust schwellen, denn in der Mitte ist der unsensible Bereich marginal und daher absolut zu vernachlässigen.
Damit die Zuhörer nichts von den Tempomanipulationen mitbekommen, startet die Master-Tempo-Funktion einen Timestretch-Algorithmus, der die Tonhöhe unabhängig von der aktuellen Pitch-Position beim Originaltempo einfriert. Der Denon’sche Algorithmus schlägt sich hier sehr achtbar, wie ihr den nachstehenden Audiodateien entnehmen könnt.

Audio Samples
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Keylock_down_0_6_10_16_100 Keylock_up_0_6_10_16_100

Handling und Betriebsmodi
Auch wenn der Plattenteller des SC3900 über drei Zoll kleiner ist als der eines Vestax-PDX oder Technics MK2, das Feeling beim Mixen ist nicht viel anders und der Spaßfaktor für mich mindestens genauso hoch. Besonders zu begrüßen ist die Möglichkeit, die Antriebskraft mehreren Stufen an die eigenen Vorlieben anzupassen, um den Motor in gemächlicher Technics-Manier zu betreiben oder mit mehr Power, was wiederum Vestax- und Numark-Umsteigern zugutekommen sollte. Im Bend-Modus kommen Liebhaber von Jogwheels auf ihre Kosten, die bei abgeschaltetem Antrieb ihre Tracks in den Gleichschritt schubsen.
Wer weder Vinyl noch optische Datenträger nutzt oder die Timecode-Steuerung für sich auserkoren hat, möchte vermutlich im MIDI-Modus arbeiten. Hier werden die Bedienelemente zur Steuerung von Software-Funktionen genutzt, wobei die Wiedergabe der Songs über das integrierte Audio-Interface erfolgen kann, das von hochwertigen Burr-Brown-Wandlern (24 Bit/44,1 KHz) angetrieben wird. Von klanglicher Seite gibt’s daher nichts zu meckern.

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Original-File Playout DN-SC3900

Zur Softwarekompatibilität: VDJ, Mixvibes oder Mixxx lassen sich mit dem integrierten Audio-Interface betreiben. Gleiches gilt für Traktor Pro. Traktor Scratch läuft bekanntlich nur mit einem Audio 4-, 6-, 8- oder 10-Dongle und Serato Scratch Live mit den Rane-Interfaces SL1, 2, 3, 4 oder den Rane-Mixern TTM57, Rane 61/62/68. Serato Itch/Intro fällt zum Testzeitpunkt komplett aus, das es nur mit einer Handvoll kompatiblen DJ-Controllern läuft. De facto zeige sich bei Niederschrift dieser Zeilen jedoch, dass von den führenden DJ-Programmen noch keines die native Einbindung des Media-Turntables vornehmen kann. Kommen zwei 3900er zum Einsatz, müssen je nach Software virtuelle „Knoten“ errichtet werden, da kaum ein DJ-Programm Multicard-Unterstützung auffährt. Unter Windows bemächtigt man sich daher eines Drittherstellertools wie ASIO4ALL, am Mac erzeugt man in den Audioeinstellungen ein neues Hauptgerät, das potenzielle Soundkarten (intern, extern, USB, FW) zu einem Device zusammenfasst.   Der Hybridmodus ist eine Kombination aus MIDI- und Timecode-Kontrolle. Der Audioausgang des Boliden sendet ein Timecode-Signal, wobei die Trägerfrequenzen für die DJ-Software wie folgt ausgewählt werden können: Scratch Live (entspricht 1 kHz), 1,2 kHz (Mixvibes), 2 kHz (Traktor Scratch) 2,5 und 3 kHz. Unter Scratch Live bietet es sich an, im Hybridmodus Cuepoints und Loops anzufahren und die Bedienung der Musikbibliothek über die Navigations-Elemente zu realisieren. Gleiches gilt für Traktor. Essentielle Bedienelemente für den Hybridmodus wie der Pitchfader und der Plattenteller sind dann vom MIDI-Mapping natürlich ausgeschlossen. Fertige Konfigurationsdateien werden bis dato nicht mitgeliefert. Für Traktor Scratch Pro ist im Forum eine TSI-Datei erhältlich.

Hybridmode_Denon_SC3900_37

Was das Echtzeitgefühl angeht, muss ich sagen, dass die Verzögerungszeiten im Hybridmodus auf einem Niveau mit Timecode-Vinyls oder -CDs liegen. Die FX-Steuerung über den SC3900 halte ich nicht für angebracht, dafür mangelt es einfach an Drehreglern. Diese finden sich jedoch am Clubmixer Denon-X1600 (Test hier), der zudem über einen Effektprozessor verfügt, Traktor-Scratch-kompatibel ist und ein guter Partner für den SC3900 wäre. Und natürlich ist auch ein AKAI LPD8 (50 Euro Straßenpreis) ein kompetenter Kommandant für FX- und Sampleplayer.  
Engine
Die Musikmanagement-Software Engine dient der Analyse von Musikstücken und der Vorbereitung des DJ-Sets. Also Taggen, Marker setzen, virtuelle Plattenkisten (Crates) packen oder Playlisten anlegen, von denen Hotlist, History und Recent bereits vorhanden sind. Ferner ist die iTunes-Library implementiert. Die Titel können über das Programm-Menü oder per Drag-Drop in eine Abspielreihenfolge oder in einen Crate gelangen. Die Anzahl der Titellisten und Plattenkisten ist nicht limitiert, die maximale Anzahl Tracks in einem Register beträgt 1000. Auf der linken Seite werden Library und Target-Drives (USB-Datenträger) ausgewiesen, die Inhalte erscheinen übersichtlich im Zentrum des Screens, wo sie auch gleich nach Genre, BPM, Artist und Album gefiltert werden dürfen. Eine kontextsensitive Suchmaske erleichtert das Auffinden von Tracks in großen Musikbibliotheken und wusste mit einer guten Geschwindigkeit zu begeistern. Zudem bekommt der User einen schicken Tag-Editor an die Hand.  
Befördere ich einen Track in den Offline-Player, dessen genutztes Audio-Interface ihr – anders als bei Scratch-Live oder Itch – frei wählen könnt, wird neben der Cover-Art und den gängigen Titelinfos ein Wellengesamtüberblick ähnlich der Dotmatrix am Gerät sichtbar. Eine vergrößerte Ausschnitt-Betrachtung zeigt das Beatgrid an, welches via Kontextmenü angepasst werden kann und mit dessen Hilfe sich maximal drei Slave-Player zu einem Master-Player taktsynchronisieren lassen, was wir mangels SC3900-Testeinheiten nicht überprüfen, jedoch nachvollziehen können. 
An der linken Flanke sitzt die Abspielsteuerung, die den Funktionen an der Hardware entspricht. Auf der anderen Seite sind die grafischen Elemente zum Anlegen von Hotcues und Loops platziert, sodass sich diese auf Wunsch auch in der Software platzieren und auf einen Stick oder eine Harddisk exportieren lassen, solltet ihr nicht vom Rechner spielen. Und das gestaltet sich ziemlich komfortabel, denn Engine findet ins Netzwerk integrierte SC3900-Einheiten automatisch. Ist ein Player angeschlossen, verschwindet die Wellenübersicht zugunsten eines Fullscreen-Browsers. Titel lassen sich nun per Rechtsklick auf einen Player schicken. In der Praxis habe ich aber lieber zur Link-Funktion am Gerät selbst gegriffen.  
Befindet sich ein Rechner im Netzwerk, auf dem die Engine läuft, lässt sich dieser via Link-Funktion am SC3900 auswählen und der DJ hat Zugriff auf die Musikbibliothek der Software. Mit dem Encoder browst er durch die aktuelle Titelliste und befördert den Song per Push-Encoder ins Deck. Das Streaming erfolgte über mein Netzwerkkabel ohne Stocken, Scratch-Vorgänge verliefen genauso problemlos wie die Integration von Loops und das Ansteuern der Cuepoints. Man kann darüber streiten, ob es für DJ-Teams vielleicht angebracht wäre, dass die Player auch auf mehrere Notebooks im LAN zugreifen können, doch der Test mit iMac und MacBook ergab, dass dies noch nicht möglich ist. Die Relevanz dieses Sachverhalts muss am Ende jeder für sich selbst einstufen, schließlich haben Teams noch die Möglichkeit, eine externe Festplatte einzubinden und zusätzlich mit der iPad-App zu arbeiten. Das gestaltet sich wie folgt…

Engine for iPad…
…ist ein Tool, das sich auf USB-Laufwerke, die an einen Player im Verbund angeschlossen sind, spezialisiert hat. Nach Eingabe eines selbst vergebenen Kennwortes und Bestätigung am Tabletop zeigt die Bedienoberfläche sämtliche Titel, Crates und Playlisten des USB-Datenträgers an und kann diese per Drag-Drop in einen Player laden. Auf der linken Seite finden sich sämtliche im LAN verfügbaren Sticks oder Festplatten mitsamt ihrer Datenbanken ein. Darunter ist eine Auflistung der SC3900-Einheiten zu finden, jeweils mit Angabe des aktuellen Titels, seines Abspielstatus, der Laufzeit (Elapsed/Remain) und des zugehörigen Wechselspeichers. Auf der rechten Seite ist eine Auflistung der aktuell angewählten Playlist oder des Sticks zu sehen. Filter sind Titel, Artist, Album, Genre und BPM sowie eine kontextsensitive Suchmaske. Der Touchscreen dient also quasi als Set-Monitor, der Abspielvorgang muss indes vom Gerät eingestartet werden. Und bevor jetzt das Gemecker über fehlende Features losgeht: Die App ist kostenlos und noch ziemlich jung – also warten wir mal ab, was noch kommt. Und freuen wir uns doch über den praktischen und komfortablen Zusatznutzen, wenngleich es sicher fraglich ist, ob der WLAN-Router fürs Adhoc-Netzwerk zum Standard-Equipment eines DJs avancieren wird. Dennoch: Die Kiste ist echt rock-solid und macht sich die optionale Eingliederung von Computer und iPad sehr geschickt zunutze. Ferner sollte man sich vor Augen halten, dass der SC3900 nur knapp die Hälfte des konkurrierenden Mannschaftskapitäns kostet und als einziges Modell in dieser Preisklasse mit Direktantrieb punkten kann. Ob Denons Flaggschiff es schafft, einen Clubstandard zu setzen, wird die Zukunft zeigen. Ich bin der Meinung, dass er das Zeug dazu hat.

Ein Hinweis noch vor dem Fazit: Um die Performance am SC3900 noch persönlicher zu gestalten, bietet das Einstellungsmenü eine Vielzahl von Tuning-Optionen wie Touch-Platter-Sensibilität und Umdrehungsgeschwindigkeiten, aber auch Autocue-Level, Display-Kontrast, Beatraster, iPad-Integration, Netzwerk-ID, und, und, und. Eure Voreinstellungen könnt ihr auf jedes andere SC3900-Gerät übertragen. Im Club aber bitte temporär – also bis zum nächsten Ausschalten.

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