Celemony Melodyne 5 Studio Test

Die Audiobearbeitungssoftware Celemony Melodyne trägt ab jetzt die Versionsnummer 5. Ein so großes Update, dem gleich eine ganz neue Version gebührt, bringt bei Melodyne nach meiner Erfahrung immer etwas tatsächlich Innovatives für die Musikproduktion auf den Rechner. Was Melodyne im Wesentlichen ist, habe ich in meinem letzten Test ausführlich beschrieben – noch mehr könnt ihr darüber auch in unserem umfassenden Melodyne-Workshop nachlesen.  


Bereits bis zum Wechsel auf die Vorgängerversion Nummer 4 hat sich Melodyne funktional kontinuierlich weiterentwickelt. Die grundlegendste Verbesserung im Workflow brachten aber die DAWs, die jetzt ARA (Audio Random Access) unterstützen: Cubase und Logic. ARA steht für die enge Verzahnung eines Plugins (in diesem Fall Melodyne) mit der DAW. Damit entfällt zum Beispiel das zeitraubende „Vorspielen“ des Spurinhalts für Melodyne, Änderungen im Arrangement werden direkt in Melodyne umgesetzt und alle von Melodyne benötigten Files werden automatisch mit der Songdatei gespeichert.


Melodyne ist ein Plugin für alle gängigen Schnittstellen, kann aber auch stand-alone verwendet werden. Neben der hier getesteten Vollversion Melodyne Studio 5 hat Celemony mit Melodyne 5 Editor, Melodyne 5 Assistant und Melodyne 5 Essential aber noch verschiedene abgespeckte Versionen der Software im Angebot. Im Folgenden werde ich kurz auf die Neuerungen von Version 5 eingehen, um sie euch anschließend an je einem Praxisbeispiel zu zeigen.

Details

Melodyne 5: Sibilantenerkennung für den Algorithmus „Melodisch“

Eine erste vielversprechende Neuerung in Version 5 ist der Algorithmus „Melodisch“, der eine automatische Sibilantenerkennung verspricht. Sibilanten sind die geräuschhaften Anteile des Gesangs, wie etwa Zischlaute („S“, „Sch“, „Z“), kurze, stimmlose Laute („K“ oder „T“) und kurze Atemzüge zwischen den Worten. Weil Sibilanten stimmlos sind, können sie nicht zusammen mit den tonalen Anteilen in der Tonhöhe verändert werden. In den Melodyne-Vorgängerversionen mussten sie deshalb immer akribisch abgetrennt werden, um so zu besonders natürlich klingenden Ergebnissen zu kommen – eine wirklich zermürbende Aufgabe. 

Melodyne erkennt Sibilanten selbständig und markiert sie im betreffenden Blob (Melodynes Begriff für eine dargestellte Note) per Schraffur.
Melodyne erkennt Sibilanten selbständig und markiert sie im betreffenden Blob (Melodynes Begriff für eine dargestellte Note) per Schraffur.

Mit Version 5 ist das nun erheblich verbessert: Melodyne erkennt Sibilanten selbständig und markiert sie im betreffenden Blob (Melodynes Begriff für eine dargestellte Note) per Schraffur. 
Beim Transponieren werden diese Sibilanten zwar auch mit verschoben, doch ist das nur der Lesbarkeit geschuldet, damit ein Wort oder eine Silbe weiterhin als Einheit zu erkennen ist. Eine Transposition der Sibilanten erfolgt nicht. Bei Timing-Veränderungen ist es genauso: Wird zum Beispiel das Wort „meet“ verlängert, klingt es anschließend wie „meeeeeeeeeet“ und nicht wie „mmmmeeeetttt“.
Anders verhält es sich bei Blobs, die ausschließlich aus atonalen Anteilen bestehen, wie beispielsweise Atemzüge: Sie werden verkürzt, wenn die umgebenden Noten enger zusammenrücken. Bei meinen Tests reagierte Melodyne immer automatisch richtig und behandelte die Sibilanten korrekt. Von dieser grandiosen Neuerung um den Algorithmus „Melodisch“ profitieren alle Melodyne-Versionen, sogar die kleinste Ausführung Melodyne essential.       

Rückwärtskompatibilität

Die neue überlegene Sibilantenerkennung wirft natürlich die Frage nach der Kompatibilität mit Melodyne 4 auf. Würde der neue Algorithmus nun automatisch angewendet, würde sich ja auch der Klang älterer Projekte verändern, und das wird sicherlich in der Regel eher nicht gewünscht. Hinzu kommt, dass Melodyne 5 den Tonhöhenschwerpunkt etwas anders berechnet als die Vorgängerversionen – aber dazu später mehr.
Um Probleme mit der neuen Erkennung zu vermeiden, haben sich die Software-Entwickler von Celemony einen guten Weg überlegt: Beim Öffnen alter Dokumente sind die beiden neuen Funktionen noch nicht aktiviert. Wer also alte Projekte öffnet, um nur mal den Mix zu verändern, muss in Melodyne nichts unternehmen: Alles klingt wie vorher. 

Merke: Einmal mit Melodyne 5 gesichert, gibt es kein Zurück.
Merke: Einmal mit Melodyne 5 gesichert, gibt es kein Zurück.

Wer mit Projekten, die noch in Arbeit sind, von den Neuheiten profitieren möchte, kann das tun, denn die Sibilantenbehandlung lässt sich in Gesangsspuren separat einschalten. Anschließend kann das Ergebnis zwar anders klingen, in der Regel fällt es aber besser aus als vorher. Doch jetzt kommt das Aber: In der Variante „essential“ gibt es diese Funktion leider nicht. Wer hier die Sibilantenerkennung verwenden möchte, muss die Erkennung neustarten – dadurch gehen alle Bearbeitungen verloren. Auch die Neuberechnung des Tonhöhenschwerpunkts nach der veränderten Logik ist möglich, sodass der musikalische Inhalt besser repräsentiert wird als vorher.

Neu: Tonhöhenkorrektur per Doppelklick und Tonhöhenmakro

Um zu erproben, wie gut die neue Sibilantenerkennung und der veränderte Tonhöhenschwerpunkt in der Praxis funktionieren, habe ich einige alte Sessions aus der Schublade gezogen und die mit Melodyne 4 bearbeiteten Spuren mit der neuen Version verglichen, und das hat tatsächlich sehr gut funktioniert. Das Tonhöhenmakro und ein Doppelklick auf die Notenblobs führen mit wesentlich größerer Wahrscheinlichkeit zu einem sachgerechten Ergebnis als vorher. Und das heißt: Die Bearbeitung einer Gesangsspur wird sich in vielen Fällen drastisch verkürzen!
Während man bislang für unhörbare Korrekturen Note für Note durchgehen musste, kann man jetzt den umgekehrten Weg wählen: Erst mal alles mit dem Pitch-Makro korrigieren und anschließend nur die Blobs wieder zurücksetzen, bei denen die Korrektur zu schlechteren Ergebnissen geführt hat. Welchen Anteil an diesen verbesserten Ergebnissen die Sibilantenerkennung und welchen die Veränderungen beim Tonhöhenschwerpunkt haben, kann ich nicht mit Gewissheit sagen, aber die Kombination führt zu besseren Ergebnissen – und das ist schließlich das Wichtigste.
Zu meckern gibt es aber trotzdem etwas: Oktavfehler bei der Erkennung gibt es leider noch immer.

Der neu gewichtete Tonhöhenschwerpunkt führt zu abweichenden Ergebnissen: Grau Melodyne 4 und Orange Melodyne 5
Der neu gewichtete Tonhöhenschwerpunkt führt zu abweichenden Ergebnissen: Grau Melodyne 4 und Orange Melodyne 5

Der eingebaute Kompressor: das Levelling-Makro

Die Melodyne-Blobs kann man nicht nur in der Tonhöhe und im Timing verändern, sondern auch in der Lautstärke – ein mächtiges Werkzeug, um ungewollte Dynamikunterschiede zu reduzieren. Mit dem neuen Makro zum Leveln gibt es nun in Version 5 die Möglichkeit, alle ausgewählten Blobs wie in einem MIDI-Editor in der Lautstärke einander anzugleichen. Das Feature schließt damit eine „Makrolücke“, denn für die Tonhöhen- und die Timingkorrektur gibt es schon länger Makros – jetzt also auch für Blob-Lautstärke.   

Mit wenigen Mausklicks lässt sich die Dynamik einer Performance einschränken.
Mit wenigen Mausklicks lässt sich die Dynamik einer Performance einschränken.

Akkorderkennung und Akkordspur

Version 5 bringt auch eine Akkorderkennung und eine Akkordspur mit. Diese beiden, auf den ersten Blick unspektakulär anmutenden, Neuerungen sind aus meiner Sicht neben der Sibilantenerkennung das Highlight dieses Versionssprungs. Der Noten-Editor in Melodyne Stand-alone bzw. das Plugin-Fenster zeigt oben nicht mehr nur die Takte, sondern auch die Tonart und die Akkorde an.
Unterhalb der Tonartspur bietet Melodyne 5 nun auch eine Akkordspur.
Unterhalb der Tonartspur bietet Melodyne 5 nun auch eine Akkordspur.

Für die Tonart ist diese Darstellungsweise in einer eigenen Zeile vor allen Dingen dann relevant, wenn die zu bearbeitende Musik einen Tonartwechsel enthält. Die Anzeige der Akkorde ist generell sehr nützlich, weil sie als musikalische Gedächtnisstütze schon beim Korrigieren einzelner Noten hilft. Sobald man sich mit dem Arrangement von Satzgesang, Bläsergruppen oder anderen mehrstimmigen Klangeinheiten beschäftigt, wird der Sinn dieser Anzeige noch viel deutlicher.

Neuer Algorithmus „Perkussiv tonal“

Um perkussive Instrumente mit tonalem Anteil wie eine 808-Kick sachgerecht abbilden zu können, gibt es in Melodyne jetzt den neuen Algorithmus „Perkussiv tonal“. Die erkannten Schläge werden dabei getrennt und zusätzlich auch in der Tonhöhe einsortiert. So lässt sich zum Beispiel auch eine Tabla zum restlichen musikalischen Material stimmen. Ähnlich wie im Algorithmus Melodisch kann Perkussiv tonal auch Sibilanten erkennen.

Suchfunktion für Tastaturbefehle/Templates

Melodyne lässt sich schon seit vielen Jahren über selbst konfigurierbare Tastaturbefehle steuern. Mit der neuen Suchfunktion kann man sich zum Beispiel anzeigen lassen, welche Tastenkürzel es für die Zoom-Funktionen des Programms/Plug-Ins gibt, wenn man den Begriff Zoom in das Suchfeld eingibt. Das erhöht die Übersichtlichkeit und bringt vielleicht sogar zufälligen „Beifang“, wenn man auf der Suche nach einer bestimmten Kürzel-Funktion eine weitere nützliche findet.
Hinzu kommt, dass Celemony DAW-spezifische Tastaturkürzel-Presets anbietet, die sich die Nutzer von der Celemony-Homepage herunterladen können. So passt sich Melodyne jeder Produktionsumgebung an. 

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Profilbild von Dirk Kessler

Dirk Kessler sagt:

#1 - 23.09.2020 um 18:53 Uhr

0

Einen solchen Test zu machen, ohne jeglichen Querverweis bzw. Vergleich von Workflow, Funktionen und die Qualität der Ergebnisse mit anderen Platzhirschen (wie z.B. Revoice), finde ich sehr strange und wird den Lesern, die vor einer Kaufentscheidung stehen, nicht wirklich zusätzlich helfen.
Man fragt sich, aus welchen Gründen so etwas unterbleibt.

    Profilbild von Felix Klostermann

    Felix Klostermann sagt:

    #1.1 - 24.09.2020 um 17:24 Uhr

    0

    Hallo Dirk Kessler, einen kleinen Vergleich findest du hier: https://www.bonedo.de/artik...sowie noch mehr über Melodyne hier:
    https://www.bonedo.de/artik...LG;
    felix

    Antwort auf #1 von Dirk Kessler

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