Bastl Instruments bitRanger Test

Die tschechische Eurorack-Schmiede Bastl Instruments und der New Yorker Circuit-Bending-Tüftler Pete Edwards aka Casper Electronics präsentierten auf dem Moogfest 2016 den zusammen entwickelten bitRanger, einen patchbaren Analogsynthesizer im Desktop-Format. Von den Herstellern als „Analog Logic Computer“ bezeichnet, hebt er sich schon mit seiner Beschreibung von den meisten anderen portablen Desktop-Synthesizern ab. Doch was kann man nun mit der kleinen Kiste anstellen?

Der bitRanger von Bastl Instruments und Casper Electronics


Wie man dem mit zahlreichen Patchmöglichkeiten ausgestatteten Mini-Synthesizer schon auf den ersten Blick ansieht, wendet er sich an all jene, die ein Faible für Modulares und für Bastler-Geräte wie den Moog Werkstatt-01 haben. Auch die Fans derTeenage Engineering Pocket Operators und anderer Taschen-Synthies wurden laut den Entwicklern als Zielgruppe anvisiert. Wo findet der bitRanger in diesem Umfeld seine Lücke? Wir haben den bitRanger getestet und es herausgefunden.

Details

Gehäuse

„Handheld“ steht in der Produktbeschreibung, und das ist nicht zuviel versprochen. Die kleine Schachtel passt in jeden eigentlich schon überfüllten Koffer und zur Not auch in die Jackentasche. Trotz der kompakten Abmessungen wurde nicht auf hölzerne Seitenteile verzichtet, was dem bitRanger bei allem Bast(e)l-Charme ein hochwertiges Äußeres verleiht. Die Mobilität des bitRanger zeigt sich auch am Batteriefach an der Gehäuseunterseite, das eine 9-Volt-Blockbatterie aufnimmt. Alternativ kann der Synthesizer über ein Standard 9V-DC-Netzteil gespeist werden, welches allerdings nicht im Lieferumfang enthalten ist. Auf dem Front-Panel ist ein kleiner Lautsprecher eingebaut. Alternativ befindet sich hinten am Gehäuse ein 3,5 mm Klinkenausgang, der wahlweise als Kopfhörerausgang oder als normaler Stereo-Output genutzt werden kann. Es braucht natürlich ein entsprechendes Y-Kabel, wenn man den Stereo-Sound des bitRangers nutzen möchte. 

Fotostrecke: 5 Bilder Der bitRanger ist ein Synthesizer und Logic Computer.

Bedienfeld

Beim Erstkontakt mit dem bitRanger dürften auch hartgesottene Synth-Experten zweimal hinsehen müssen: Die kleine Bedienoberfläche ist mit Symbolen, Linien und Patchpunkten übersät und platzt aus allen Nähten. Auch bei mir stiftete das Durcheinander zunächst etwas Verwirrung. Auf den zweiten Blick fallen aber doch einige beruhigende Standards ins Auge. Mit vier großen Potis können Volume, LFO-Rate und die Stimmung des VCO sowie des HFO (High Frequency Oscillator) geregelt werden. Die Ranges der LFO/VCO-Potis lassen sich mit simplen Schaltern wählen. Der HFO ist ein Master-Sync-Oszillator, zu dem der VCO synchronisiert wird. Seine Frequenz bestimmt also das Master Tuning, während beim Drehen am VCO Pitch Obertoneffekte entstehen. Einige andere gängige Synthesizer-Komponenten sucht man hingegen vergeblich: Auf eine Filter-Einheit wurde beim bitRanger verzichtet und auch eine herkömmliche ADSR-Hüllkurve ist nicht zu finden. Wie hängt das nun alles zusammen und vor allem: Wie macht man damit Musik?
Durch verschiedene weiße Linien und Symbole, die von den einzelnen Reglern ausgehen, wird die Zusammengehörigkeit der einzelnen Elemente dargestellt. Mit den mitgelieferten Mini-Patchkabeln können diese Elemente dann untereinander verbunden werden. Bei insgesamt 118 Patchpunkten musste auch an deren Größe gespart werden: Zum Einsatz kommen kleine Jumper-Kabel, die an Experimentierkästen erinnern und zum Beispiel auch beim Anyware Instruments’ Tinysizer Verwendung finden. Das macht die Bedienung phasenweise etwas hakelig. Ich weiß nicht, ob ich unter Live-Bedingungen die winzigen Input-Sockets verlässlich mit den zarten Kabeln versorgen könnte. Hier ist auf jeden Fall Fingerspitzengefühl und eine ruhige Hand gefragt.

Fotostrecke: 5 Bilder Der bitRanger besitzt einen LFO, einen VCO und einen HFO (Master Sync Oszillator)

Weiß umrandete Patchpunkte sind Outputs, nicht umrandete sind Inputs. Alle 118 Stück hier einzeln aufzuzählen, würde ein bisschen den Rahmen sprengen, aber einige stechen besonders ins Auge. Schaut man beispielweise weiter nach unten, so nehmen die Outputs der „Bits“-Sektion dort viel Platz ein. Die Grundlage bilden die sogenannten „Divider Bits“. Dahinter verbergen sich zwölf Clock-Signale mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten, die aus Unterteilungen des LFO Outputs gewonnen werden. Indem man sie in beliebige Eingänge patcht, lassen sich sequenzierte Patterns erzeugen.
Diese Bits lassen sich auf verschiedene Weisen miteinander verknüpfen und zu komplexeren Signalen kombinieren. Das XOR Gate lässt sich zum Beispiel als Bit-gesteuerter Inverter für beliebige Spannungen verwenden. Die beiden oberhalb der Divider Bits platzierten MUX-Einheiten (Multiplexer) verändern die Wave Shape des VCOs, wenn man Rechteckschwingungen (z.B. Bits) in ihre Eingänge patcht, und geben zwei unterschiedliche Versionen dieses Signals über den linken und rechten Kanal aus. Was hier genau passiert, lässt sich kaum planen, und so gibt die Anleitung an dieser Stelle den sympathischen Ratschlag: „If nothing crazy happens, plug in more cables.“ Am DATA-Ausgang liegt eine komplexe Kombination der beiden MUX-Einheiten an. Auch die sogenannten „Adventure Bits“ werden „programmiert“, indem man Bits in die MUX-Inputs patcht, und geben dann unregelmäßige Bit-Patterns aus. Schließlich gibt es noch die unter dem VCO zu findende „Byte“-Sektion, hinter der sich ein R2R D/A-Wandler verbirgt. Je nachdem, welche Bits man hier einspeist, lassen sich stufige Spannungsverläufe erzeugen, die dann den VCO modulieren oder über den Byte CV Output extern ausgegeben werden können.
Unterhalb der Bits-Sektion findet man zwei „Mode“-Schalter, mit denen zwischen vier verschiedenen Oszillator-Shapes bzw. Grundsounds gewählt werden kann. Außerdem beeinflusst das Mode-Setting verschiedene andere Bausteine des bitRangers, beispielsweise die Wirkung des LFOs. Hier wird also nicht einfach ein Sound umgestellt, sondern das ganze Gerät umgekrempelt. Es lohnt sich jederzeit, einfach mal einen anderen Mode auszuprobieren.
Auf der Homepage von Bastl Instruments steht das User Manual zum Download bereit. Die Anleitung ist in leicht verständlichem Englisch verfasst und gibt einen Überblick die Funktionen des „Analog Logic Computers“. Hier und da finden sich Tipps und Tricks für Patch-Experimente. Allzu sehr ins Detail geht das Manual aber nicht, sodass am Ende die Erkenntnis steht: Der bitRanger will einfach ausprobiert werden. Und genau das tun wir jetzt.

Praxis

Bevor wir ins Detail gehen, könnt ihr euch hier im Video einen ersten Eindruck vom Bastl Instruments bitRanger verschaffen:

Ok, Mr. Ranger. Fangen wir mal ganz von vorne an. Ich lasse die Modulationsmöglichkeiten zunächst aus dem Spiel und setze mich an den Kern des bitRangers: den Oszillator. Wie bereits erläutert, kann dieser je nach Mode-Setting vier verschiedene Grundsounds liefern. Der Modus A1 erzeugt einen simplen, beinahe sinusartigen Ton, während bei steigenden Mode-Ziffern (A2, B1, B2) immer komplexere Schwingungen entstehen, die am Ende (B2) in einem Noise-artigen Klang gipfeln. 

Audio Samples
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VCO Modes: A1, B1, A2, B2

Am VCO-Poti kann man diese nun im Pitch variieren. Wegen der Synchronisierung des VCO zum HFO wird es besonders interessant, wenn man den VCO-Pitch höher einstellt als den HFO Master-Pitch. So entstehen Pitch- und Wave-Shape-Modulationen, die die Ohren definitv aufhorchen lassen. 

Audio Samples
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VCO / HFO Modulation

Außerdem sitzen unter den Potis jeweils noch sogenannte „Bend Sockets“. Sie sind primär zum Einstecken der drei mitgelieferten Licht-Sensoren gedacht, wodurch man Lichtveränderungen bzw. Handbewegungen zur Modulation einsetzen kann. Speziell beim HFO ermöglicht dies fast Theremin-artige Klänge. Natürlich kann man aber auch andere Signale in die Bend Sockets patchen und schauen, was passiert.

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HFO-Modulation per Lichtwiderstand
Mit den drei Fotowiderständen kann man den bitRanger mit Licht steuern.

Ein Umlegen des „Data“-Switches erlöst den LFO aus seiner Inaktivität. Dessen Rate lässt sich via Poti einstellen. Der Frequenzbereich wird mit einem Schalter gewählt. Was der LFO genau macht, hängt unter anderem vom gewählten Modus ab. Bereits das Zusammenspiel aus VCO, HFO und LFO eröffnet diverse Wege zur Beeinflussung des Output-Signals. 

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LFO, VCO, HFO

Je mehr ich an den vorhandenen Reglern schraube, desto weniger vermisse ich eine Filter-Ebene. Die Schwerpunkte des bitRangers liegen eben nicht in der Erzeugung gewöhnlicher Synthie-Sounds, sondern eher in der Produktion spezieller, einzigartiger und vor allem unerwarteter Klänge und Sequenzen. Der Sound lässt sich hier auf so viele unkonventionelle Weisen formen, dass man wirklich kein Filter braucht, obwohl es natürlich schön gewesen wäre.
Wenden wir uns nun den Divider Bits zu und lassen die unterschiedlich schnellen Rechteckschwingungen auf ihr Umfeld los. Patcht man sie beispielsweise auf die CV-Inputs von LFO/VCO/HFO, so entstehen je nach „Mode“-Einstellung durch Unterteilung der Oszillator-Wellenform unterschiedlich komplexe Sequenzen. Diese reichen von angenehmen Melodien über Chiptune-Sounds bis hin zu Noise-Klanglabyrinthen. 

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Divider Bits: Melodie Divider Bits: “8-Bit” Divider Bits: Noise

Außerdem kann man die Divider Bits nutzen, um durch Patching sogenannte „Adventure Bits“ zu programmieren. Das sind Schwingungen, die im Gegensatz zu den Divider Bits unregelmäßig sind. Diese kann man dann mithilfe der „MUX“-Einheiten auf links oder rechts im Stereo-Output routen. 

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Adventure Bits / Stereoeffekt

Diese diversen Modulationsmöglichkeiten lassen sich schließlich durch ihre Patchbarkeit auch noch beliebig miteinander kombinieren. Willkommen im Dschungel.

Fans von Aphex Twin und Autechre kommen hier ebenso auf ihre Kosten wie Verehrer von Throbbing Grizzle oder Merzbow. Und die hier vorgestellten Beispiele stellen natürlich nur einen Bruchteil von dem dar, was der bitRanger schon alleine an abgefahrenen Sounds zu bieten hat.
Möchte man den Klanghorizont zusätzlich erweitern, so sagt der tragbare Begleiter natürlich nicht „nein“ und lässt sich mit seinen CV- und Clock-Ein- und Ausgängen problemlos mit diversen externen Gerätschaften und Modularsystemen verbinden. Zum Beispiel hoben die Entwickler zur Veröffentlichung des bitRanger auf dem Moogfest 2016 die Verbindung mit den ebenso Taschen-freundlichen Teenage Engineering Pocket Operators besonders hervor. Und sie sollten Recht behalten. Hier hört ihr den bitRanger zusammen mit meiner Pocket Operator Factory: 

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Pocket Operator Sync

Wie bereits angedeutet, kann man auch die „BYTE CV“ aus dem Bitranger herausschicken. Die Byte-Sektion kombiniert ankommende Werte bzw. Informationen stufenweise und verwandelt sie in eine konstruierte, analoge Ausgangsspannung. Ich versorge damit den CV Pitch Input meines Arturia MicroBrute und staune. 

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BYTE CV OUT (Arturia MicroBrute)

Fazit

Dem bitRanger ist die Zusammenarbeit von Bastl Instruments und Casper Electronics deutlich anzumerken. Man erhält hier einen höchst eigenständigen Synthesizer und Logic Computer, der mit seinen schier unendlichen Modulationsmögichkeiten und seinem präsenten, präzisen Grundsound sowohl in der Noise/Drone- als auch in der melodisch orientieren Synthesizer-Welt zu Hause ist. Er schlägt also eine interessante Brücke zwischen inspirierendem Klanglabor und seriösem Arpeggio-Lieferant. Wer mit der nötigen Experimentierfreude gesegnet ist und gerne drauflos patcht, wird sicherlich Gefallen am bitRanger finden. Mit Blick auf die musikalische Verwendbarkeit hätte eine Filter-Sektion allerdings sicherlich ebenso wenig geschadet wie ein übersichtlicheres Steckfeld und ein etwas größeres Gehäuse. Auch ein MIDI-In hätte mich gefreut, um den bitRanger auch mit diversen digital gesteuerten Geräten noch besser verknüpfen zu können. Dennoch bleibt am Ende festzuhalten: Wer als Synthesizer-Begeisterter oder Modular-Freund auf der Suche nach einem nicht alltäglichen, inspirierenden Gerät ist, der darf hier bedenkenlos zugreifen.

Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • nicht alltägliches, inspirierendes Konzept
  • Klang
  • Vielfalt der Patch- und Modulationsmöglichkeiten
  • Stereo-Sound
  • Lichtsteuerung durch Fotowiderstände
Contra
  • kein Filter
  • etwas unübersichtliches Bedienfeld
  • fummelige Handhabung der Labor-Patchkabel
Artikelbild
Bastl Instruments bitRanger Test
Die Anleitung gibt sich aufmunternd: “If nothing happens, plug in more cables!”
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