Desktop Synths sind en vogue. Mehr noch, die Tisch-Klangerzeuger-Mode hat ihren Höhepunkt anscheinend noch lange nicht erreicht. Das hat sich auch bis ins idyllische Erlbach herumgesprochen, dem Standort der sächsischen Firma Vermona direkt an der Grenze zu Tschechien. Mit ihrem „Mono Lancet“ liefert sie ihren Beitrag zum Chor der einstimmigen Analogsynths mit Solistenambitionen.
Der damals volkseigene Betrieb Vermona, seit 1964 angegliedert an die „VEB Klingenthaler Harmonikawerke“, war der größte Hersteller von elektronischen Musikinstrumenten wie Heimorgeln, Synthesizern und E-Pianos in der DDR. Seit 1990 gehört die Marke Vermona zur HDB electronic GmbH. Unter diesem Namen werden aktuell der hier getestete Desktop-Synthesizer Mono Lancet und sein Erweiterungsmodul „Modular Dock“ vertrieben. Weitere Produkte sind ein analoger Drumcomputer, ein Stand-Alone Filter und ein Röhrenfederhall, die überarbeitete Neuauflage des Desktop Synthesizers “PerFourMer” ist in Planung.
http://www.vermona.com
Die Bezeichnung “Lancet” hat sich Vermona bei der 60er Jahre Kult-TV-Serie “Raumpatroullie Orion” entliehen. Die Beiboote des Mutterschiffs wurden dort so genannt. Was in diesem Fall wiederum die Frage aufwirft, ob da von Vermona vielleicht auch noch ein “Mutterschiff” nachgeliefert wird … “Lancet” ist andererseits ein Wort aus dem Englischen und heißt übersetzt so viel wie „zweischneidiges Skalpell“. Solche Formulierungsvorlagen darf man als Autor mit Sinn für Kalauer nicht ungenutzt lassen! Haben wir es hier womöglich mit einem zweischneidigen Schwert zu tun? Wir werden es herausfinden und das kleine Kistchen im Folgenden nicht nur unter die Lupe, sondern auch unters Messer nehmen.
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Beim Vermona Mono Lancet hat man es mit einem typischen analogen, monophonen Synthesizer zu tun: mit 2 Oszillatoren, einem Lowpass Filter, einem VCA, einem Hüllkurvengenerator und einem LFO. Es gibt kein Display und keine Speicherplätze und außer der MIDI Schnittstelle hat hier nichts mit digitalen Daten zu tun.
Passend zum Klangschrauberkonzept findet man reichlich Armaturen: 16 leicht drehbare Potis aus cremeweißem Kunststoff und sieben metallene Kipphebelchen in Manier der Roland Synthesizer aus den 80ern. Dazu kommen noch zwei Trigger-Knöpfe aus schwarzem Kunststoff. Oben links am Gehäuse zeigt eine Status-LED an, ob der Mono Lancet eingeschaltet ist. In der VCA-Sektion informiert eine LED über eingehende MIDI-Befehle. Alles im Blick, alles unter Kontrolle.
Doch was man sieht, ist hier längst nicht alles, was man hat! Denn einige feine Funktionen sind nur per MIDI CC-Befehl aktivierbar bzw. nur per MIDI-Daten steuerbar. Beispielsweise aktiviert man die Anschlagsempfindlichkeit des Filters oder VCAs mit MIDI CC 87 bzw. CC 88, und der Wert der Pulsbreite wird per Modwheel eines MIDI-Keyboards erledigt. Einstellungen, die man mit CC-Befehlen vornimmt, bleiben im Übrigen auch aktiv geschaltet, wenn man den Mono Lancet ausschaltet. Auch der MIDI-Empfangskanal des Synthesizers ist auf ähnliche Weise frei wählbar.
Und so sieht das Panel aus:
Oszillator 1 kann die Schwingungsformen Puls (mit variabler Pulsbreite), Sägezahn und Dreieck in den Fußlagen 8“, 16“ und 32“ erzeugen.
Oszillator 2 verfügt über die Schwingungsformen Puls (mit variabler Pulsbreite) und Sägezahn in den Fußlagen 4“, 8“ und 16“. Rauschen kann hier alternativ als Klangquelle gewählt werden. Oszillator 2 kann außerdem stufenlos um bis zu 7 Halbtöne verstimmt werden.
Die Stimmung beider Oszillatoren kann von Hüllkurve und LFO mit positiver und negativer Auswirkung moduliert werden. Darüber hinaus steht stufenlos anwendbares Glide (Portamento) zur Verfügung. Mit dem MIDI CC-Befehl 89 lässt sich zusätzlich der Glide-Legato-Mode aktivieren. Der Gleiteffekt wird dann nur bei gebunden gespielten Tönen angewandt. Wie oben schon beschrieben, nimmt man die Einstellung der Pulsbreite mit dem Modulationsrad eines MIDI-Masterkeyboard vor. Bei genauem Hinhören ist jedoch eine Rasterung wahrnehmbar, 127 MIDI Werte sind hier für einen komplett stufenlosen Verlauf wohl zu wenig. Pulsweiten Modulation (PWM) ist nicht vorgesehen und aus gerade genanntem Grund auch mit MIDI schlecht kompensierbar. Wer auf dieses Feature nicht verzichten will, benötigt das Erweiterungsmodul „Modular Dock“. Oszillator-Sync ist leider selbst mit Letzterem nicht möglich. Mit dem Pitchwheel kann man stufenlose Bendings bis zu +/- vier Halbtönen erzeugen.
Im Mixer können die Signale der beiden Oszillatoren im ihrem Lautstärkeverhältnis geregelt werden.
Der Mono Lancet verfügt über ein 24dB Lowpass Filter mit regelbarer Filterresonanz und einem dreistufigem Filtertracking (aus, 50%, 100%). Die Filtereckfrequenz kann von LFO und Hüllkurve moduliert werden. Das tendenziell weiche und etwas mittig klingende Filter packt gut zu und arbeitet über den ganzen Regelbereich sehr ausgewogen. In seiner Grundeinstellung reagiert es auf Aftertouch, was man per MIDI CC 86 abschalten kann, mit CC 88 lässt sich die Modulation des Filters per Velocity aktivieren.
Einen Filter-Audioeingang gibt es am Mono Lancet nicht, und wer den Mono Lancet auch als Filterbank nutzen möchte, sollte sich dann die Erweiterung „Modular Dock“ zulegen. Dort gibt es den entsprechenden Audioeingang.
Der VCA besitzt drei Modi: Steuerung per Hüllkurve, Gate (unveränderbare, einfache An/Aus-Hüllkurve) und ständige Aktivität.
Mit den Druckknöpfen TRIG und SEQ startet man einzelne Töne oder interne Sequenzen. So hat man die Möglichkeit, dem Mono Lancet beispielsweise zu Testzwecken auch ohne MIDI-Signale von außen Töne zu entlocken. Eigene Sequenzen kann man jedoch nicht hineinladen. Auch hier hält die MIDI-Befehlsebene ein Leckerli bereit: Mit CC 87 kann der VCA abhängig von der Velocity arbeiten.
Der Hüllkurvengenerator (EG) verfügt über die Parameter Attack, Decay, Sustain und Release und kann zur Modulation der Oszillatoren, Filter und VCA herangezogen werden. Standardmäßig arbeitet dieser im Legato-Modus, was bedeutet, dass der Hüllkurvenverlauf bei gebunden gespielten Noten nicht erneut startet. Diese Betriebsart lässt sich jedoch per MIDI CC 90 auch abschalten. Die Hüllkurve selbst ist schnell genug für perkussive Klänge, für wirklich knackige Rhythmen ist sie aber nicht prädestiniert.
Der LFO bietet die Schwingungsformen Puls, Dreieck und Zufallswerte, seine Geschwindigkeit ist regelbar zwischen ca. 0,05 und 250 Hz.
Abschließend für die Beschreibung der Oberfläche seien noch die Regler für Master Tune und Master Volume genannt.
Auf der Rückseite findet man folgende Anschlüsse: Audioausgang (Klinke), MIDI In und Thru, einen Knopf mit der Bezeichnung „Overkill“ und eine Buchse für das externe Wechselspannungsnetzteil sowie den 25-poligen Anschluss „Extension“. Dieses Interface dient der Verbindung mit der Erweiterung Modular Dock, die zusätzliche Modulationsquellen, viele CV-Eingänge, Filtereingang sowie die Möglichkeit der Pulsbreitenmodulation bietet. Im Handel kostet das Modular Dock ca. 150,- Euro.
Noch ein Nachsatz zum „Overkill Knopf“. Auf Nachfrage bei Vermona bekam ich die Information, dass man den Namen „Overkill“ aufgrund eines neuen Energiespar-Gesetzes gewählt habe. Denn schaltet man den Synthesizer mit diesem Knopf aus, verbrauche das externe Netzteil ja immer noch Strom, und mit der Bezeichnung Power On/Off würde man laut Gesetzgeber Energieverschwendung begünstigen. Bei aller Sympathie für den bewussten Umgang mit Energieverbrauch, ob dieses Gesetz wirklich hilft, lassen wir mal dahin gestellt … Overkill heißt frei übersetzt „Übermaß“ oder „zu viel des Guten“. Ob Vermona darin wohl eine subtile politische Botschaft versteckt hat?
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Praxis
Der Mono Lancet ist schnell ausgepackt, aufgebaut und verkabelt. Im Handbuch werden die Funktionen des Synths kurz und knackig erklärt, insbesondere Informationen zu den „versteckten Funktionen“, die man über MIDI CC Befehle aktiviert, erhält man hier. Nach ein paar Minuten bin ich startbereit, der Mono Lancet konnte diese Zeit sinnvoll mit „Aufwärmübungen“ nutzen. Denn das Handbuch empfiehlt 5-10 Minuten Warm-Up, bis die Oszillatoren verlässlich ihre Stimmung halten.
Mein MIDI Masterkeyboard steht bereit und mein Sequenzerprogramm wird mich mit ein paar Drumpattern unterstützen. (Die Drums Sounds in den Audiobeispielen kommen nicht aus dem Mono Lancet!).
Zunächst die Grundwellenformen Saw und Pulse bei ¾ geöffnetem Filter und etwas LFO auf der Cutoff Frequenz – immer erst mit jeweils einem Oszillator, darauf dann mit beiden Oszillatoren (minimal verstimmt).
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1 x Pulse2 x Pulse1 x Saw2 x Saw
Eine Filterfahrt, bei der man die Qualität des Filters gut hören kann.
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Saw 5th FIlter
Ich probiere Sounds für eine Basslinie und erkunde die Resonanz des Filters, die sehr musikalisch daherkommt, wie ich finde. Nach etwas Herumgetüftel konnte ich mit der Resonanz sogar richtig tonal spielen.
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Bass Line Variationen
Drum- und Leadsounds des Mono Lancets treffen sicherlich nicht ganz so den Geschmack der Masse, dafür sind sie nicht kräftig genug, eher charmant-weich bis LoFi. Obwohl mir persönlich solche Sounds gut gefallen, werden andere Synthesizer für diese Aufgabengebiete wohl in der Regel den Vorzug erhalten. Wie bereits erwähnt, in Verbindung mit der Erweiterung „Modular Dock“ wäre Pulsweitenmodulation möglich, was den Leadsounds an dieser Stelle sicherlich noch mal deutlich auf die Sprünge geholfen hätte.
Hier ein paar zusammen gemischte Basslinien, Leads und Sequenzen aus meiner Studiosession. Ganz am Schluss konnte ich mir den Einsatz meines Lieblings Chorus’ nicht verkneifen. Der analoge „Bodentreter“ Ibanez CS9 verhilft der letzten Sequenz zu einer deutlich hörbaren Räumlichkeit.
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Synth Disco
Zum Abschluss ein Beispiel mit Filter und VCA, die hier anschlagdynamisch arbeiten. Im späteren Verlauf wird das Filter zusätzlich von der Hüllkurve beeinflusst, und ich hebe die Filterresonanz an.
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Velocity VCA Filter
Noch ein paar Worte zur Haptik: das Gehäuse ist aus solidem, in dunklem anthrazit lackiertem Metall, nichts klappert, es fühlt sich ganz im Gegenteil sehr robust an. Schnuckelige 21×14,5×5,5 cm ist der Mono Lancet groß bei ca. 750g Gewicht. Trotz seiner kompakten Größe lässt er sich aber gut bedienen. Die rückseitigen Buchsen sowie Potis und Hebelchen auf der Oberseite sind gut verarbeitet, und nicht zuletzt sieht der Mono Lancet einfach sehr schick aus. Der äußerliche Gesamteindruck bekommt die Bestnote.
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Der Vermona Mono Lancet ist ein schicker, hochwertiger Desktop Synthesizer mit einem wirklich guten Klang, den ich mit den Attributen warm, cremig und charaktervoll beschreiben möchte. Sein Einsatzgebiet sind warme, dicke Bässe, geräuschhaftes, zweistimmige Pads (möglich durch auseinandergestimmte Oszillatoren) und Riffs. Dank der Anschlagsdynamik von Filter und VCA gelingen ihm auch lebendige Sequenzen sehr gut. Knackige Drums und druckvolle Leads sind eher nicht so sein Ding.
Die Bedienung des Mono Lancets ist sehr einfach, allein an der etwas umständlichen Aktivierung bestimmter Funktionen über MIDI CC Befehle könnte sich mancher stören. Wer sich mehr zu den Fortgeschrittenen Analogsynth-Benutzern zählt, sollte gleich die Erweiterung Modular Dock mitbestellen. Die braucht man früher oder später sowieso.
Im Vergleich liegt der Mono Lancet preislich etwas über seinen direkten Konkurrenten, relativ günstig ist der kleine Sachse aber immer noch. Wem ein Mopho zu nüchtern, ein Microzwerg zu hart und ein Dark Energy zu eindimensional klingt, der sollte mal Bekanntschaft mit dem Vermona Mono Lancet machen!
Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
Cremiger, warmer Klang
Hochwertiges, schickes Design
Übersichtliche Bedienung
Optionale modulare Erweiterung möglich
Hoher Spaßfaktor für Knöpfchendreher und Analog-Fans
Contra
Einige Einstellungen kann man nur per MIDI vornehmen
Kurze Aufwärmzeit bis die Oszillatoren stabil laufen
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