Urbanears Plattan Nougat Beige Test

Praxis

Heißer Brei

Ich will bei den Urbanears Plattan gar nicht um den heißen Brei herumreden, sondern mich mitten hineinbegeben. Die fiese Assoziation mit Klangbrei erspare ich uns allen mal, aber sie liegt sehr nahe. Ich bin auch niemand, der Spaß daran hätte, Equipment schlechtzuschreiben, doch manche Dinge muss man benennen, wie sie sind. Und es ist so: Die Urbanears Plattan klingen nicht sonderlich gut. Das hat mehrere Gründe. So ist die Tiefbassdarstellung recht gering. Selbst, wenn man beide Hörer gegen die Ohrmuscheln drückt. Hier macht es durchaus Sinn, unbedarft die Bässe am Wiedergabesystem zu boosten. Genauso, wie man sich fragt, für welchen Absenkungswert die Angabe der unteren Grenzfrequenz (20 Hz steht da!) gemessen worden sein soll, fragt man es sich für die obere Grenzfrequenz, für die 20 kHz angegeben wurden. Höhen jenseits des Präsenzbereichs finden kaum statt, zudem stellt sich ein dosiger Grundklang ein. Ergebnis: Das Signal klingt sehr mittig. Am meisten Sinn machen Hörbücher, eventuell Hörspiele. Manche Popmusik, die auch mit mittigen Wiedergabesystemen gut funktioniert (und dahingehend schließlich oft optimiert wurde), „funktioniert“ ebenfalls, wenngleich dies kein Genuss ist. Unangenehm ist alles, was höhere Ansprüche an Wiedergabequalität stellt, Klassik- und Jazz-Produktionen sind schlicht unhörbar, aber sicher auch nicht das, was typischerweise über die Plattan gehört wird.

Eine gute Optik kann dem Plattan bescheinigt werden, ein wirklich guter Sound nicht.
Eine gute Optik kann dem Plattan bescheinigt werden, ein wirklich guter Sound nicht.

Ganz links, ganz rechts, kaum hinten, kaum vorne

Einhergehend mit den wenig ausgeprägten Höhen ist die Transientendarstellung des Plattan. Attacks klingen verschleift und zu wenig impulshaft und konkret. Darunter leidet auch die Hör-Bühne: Die Ortbarkeit ist recht schwach. Zwar ist die Im-Kopf-Lokalisation recht gering, doch ist die Trennschärfe recht schwach, auch halbrechts und halblinks gepannte Signale „sammeln“ sich quasi in den Muscheln. Ein Blick in die Tiefe ist ebenfalls nicht gut möglich, sehr gut vor Augen geführt wurde mir die Tatsache beim Abhören von Rohdaten einer per Druckempfänger-AB gemachten Kirchenorgelaufnahme: Die vielfältigen, einlullenden Rückwürfe aus dem großen Bauwerk erschienen flach, ja sogar papierdünn und nichtssagend. Wenig „Hinten“ bedeutet auch gleichzeitig ein nicht gut definiertes „Vorne“, sodass Gesangsstimmen, Snares, Attacks von Bassdrums und andere mittige „In-your-face“-Signale an Direktheit vermissen ließen und sich brav in das weitere Klanggeschehen einsortierten. Ich hätte nie gedacht, dass mich „New Noise“ von Refused mal langweilen würde…

Ortung und Detailreichtum: schlecht
Ortung und Detailreichtum: schlecht

Externer Headphone-Amp

Mit einem potenten Mikrofonvorverstärker verbessern sich die Eigenschaften des getesteten Urbanears Plattan geringfügig – aber nicht sehr. Und wenn man einen Kopfhörer für vierzig Euro Ladenpreis mit einem um Größenordnungen teureren mobilen Headphone-Amp wie dem Shure SHA900 oder dem iFi Nano DSD betreibt, stimmt ja auch etwas nicht. Gute Nachrichten gibt es aber vom eingebauten Mikrofon, denn seine Klangqualität kann mit der von heutigen Smartphones mithalten – das erlebt man bei manchen Systemen ganz anders. Das Mikrofon ist angenehm weit oben angebracht, wodurch es tatsächlich in Mundnähe ist, wenn man die Kopfhörer trägt. Feedback ist dabei kein Problem, denn der Hörer dichtet sehr gut gegen Spill ab. Tauglichkeit für den öffentlichen Raum (und dort besonders den Fern- und Nahverkehr): top.

Ein hochwertiger, externer HP-Amp kann den Sound etwas verbessern.
Ein hochwertiger, externer HP-Amp kann den Sound etwas verbessern.

Autsch

Prinzipiell gut ist die einfache und verlässlich beibehaltene Größeneinstellung des Plattan. Auch die Schwenkung der Schalen funktioniert vorbildlich. Der Anpressdruck hält die Hörer verrutschsicher auf den Ohren. Ich selbst bin kein großer Freund von ohraufliegenden Hörern, da ich noch keinen gefunden habe, der zwar an Ort und Stelle bleibt, aber nicht nach einer knappen Stunde leichte Schmerzgefühle verursacht, weil er die Knorpel des Bogenwulstes und des Antitragus (also der Bereich der mittleren „Klippe“ der Ohrmuschel) eindrückt. Ich weiß aber, dass es vielen Menschen anders geht und es tatsächlich Engineers gibt, die einen zehnstündigen Arbeitstag mit einem Sennheiser HD 25 verbringen.

Ohraufliegende Hörer sind nicht jedermanns Sache.
Ohraufliegende Hörer sind nicht jedermanns Sache.

Trotz Einspielens: keine Begeisterung für den Plattan

Es tut vielen sicher ein bisschen weh, die geglaubt haben, schöne, preiswerte und gute Kopfhörer gleichzeitig kaufen zu können, aber man muss leider festhalten, dass sie sich klanglich nur unwesentlich von den Umsonst-Hörern abheben, die im Flugzeug verteilt werden. Ich finde das äußerst schade, denn optisch gefallen sie mir wirklich sehr gut. Nicht vergessen will ich aber, folgenden Umstand zu erwähnen: Wer sich dennoch selbst ein Bild von den hübschen Hörern machen will, der sollte etwas tun, was vor der Beurteilung von Lautsprechern und Kopfhörern immer passieren sollte: einspielen. Positive Änderungen durch Einspielvorgänge sind definitiv kein Voodoo, sondern klanglich sehr häufig ein Gewinn. Nach einer Nacht Dauerbefeuerung mit Musik wurde auch dieser Kopfhörer etwas zahmer – ein „Wunder über Nacht“ ist aber leider nicht geschehen. 

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Profilbild von Uwe Lohschelder

Uwe Lohschelder sagt:

#1 - 28.02.2017 um 06:40 Uhr

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Testet doch einfach einmal den geschlossenen Lidl Kopfhörer für 10,00€ (5,99€). Ich habe ihn getestet gegen Beyerdynamic DT 770m und Sennheiser HD 200. Die letzterern waren klanglich nicht sehr viel besser. Zumindest wenn ich den Preis beachte, heißt der eindeutige Sieger - LIDL-SiverCrest.
DT 770m = 155€
HD 200 = 69€
LIDL - Silvercrest = 5,99€www.lidl.de/de/silvercrest-...

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