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Twisted Electrons Crazy8 Test

Praxis

Das Programmieren einer Sequenz läuft in etwa genauso wie beim Acid8 ab: Pattern anwählen, in den Step-Modus gehen und die Noten eintippen. Patterns werden automatisch gespeichert. Copy/Paste funktioniert trackübergreifend und bei laufendem Sequenzer, die gleiche Phrase kann also auch von mehreren Synths wiedergegeben werden oder auf dem Track in andere Patterns kopiert und dort wieder verändert werden.
Eine Besonderheit der Crazy8 ist, das auch nach Löschen eines Patterns grundsätzlich im Hintergrund immer eine Note programmiert ist. Die Noten sind jedoch alle mit „Rest“ stummgeschaltet und werden dann nach Bedarf  „freigeschaltet“. Wie beim Acid8 gibt es vier Playmodes: vorwärts, rückwärts, hin und zurück sowie zufällig. Diese gelten für alle Patterns des angewählten Tracks. Wechselt man also zum nächsten Pattern bleibt der angewählte Playmode bestehen.
Einzelpattern können jeweils drei Oktaven höher oder tiefer transponiert spielen. Schade, dass vom Acid8 nicht die Glide-und Accent-Funktionen übernommen wurden. „Skip“ ist dagegen mit an Bord, hiermit können Noten-Steps ausgeschlossen werden und werden somit nicht wie bei „Rest“ nicht einfach stumm geschaltet, sondern übersprungen. Dadurch entstehen ungerade Patterns jenseits des 16-Step-Formats. Der Vorteil gegenüber anderen Sequenzern, die einfach die Anzahl der maximalen Steps verringern, besteht darin, dass Crazy8 auch mitten im Pattern befindliche Noten links liegen lassen kann.
Fotostrecke: 2 Bilder Der Crazy8 bietet viel Sequenzingpower in einem sehr kleinen Gehu00e4use. (Foto: Mijk van Dijk)
Eines der Highlights des Crazy8 gegenüber Mitbewerbern wie dem ähnlich flachen aber immerhin doppelt so breiten und ein Drittel tieferen Arturia Beatstep Pro sind die vier Chord-Tracks, mit denen man via MIDI mehrstimmigen Synthesizern polyfone Akkorde entlocken kann. Allerdings werden die Noten erstmal monofon per Step oder Live-Programmierung eingegeben und dann per Drehregler im Chord-Modus ausgewählt. Es stehen fünfzehn verschiedene Akkorde zur Verfügung. Es ist sozusagen eher eine zuweisbare 15-fache „Chord-Memory-Funktion“. Dadurch kommt man auf komplexe Chords zwischen deep und schräg. Ein ideales Anwendungsfeld ist es, erst eine monofone Bassline zu erstellen, die dann auf einen polyfonen Track zu kopieren und dann mit Akkorden zu garnieren.
Verblüffende Ergebnjsse sind garantiert, zumal man im Chord-Editor eigene Akkorde erstellen kann. Natürlich lassen sich die Sequenzen auch auf Plugins anwenden und per MIDI in die DAW überspielen, dann möglichst unquantisiert, um den Shuffle-Groove nicht zu verlieren. Kurzum: Produzenten von funky Detroit-Techno können schon mit dieser Funktion allein sehr glücklich werden. Allerdings kommt es beim Crazy8 gerade bei gespielten Akkorden gern mal zu Notenhängern. Hier fehlt dem Gerät ein Panic-Button, um den Hänger aufzulösen.
In den folgenden Audiobeispielen stelle ich einige Funktionen vor. Die MIDI-Noten wurden vom Crazy8 unquantisiert in Ableton überspielt und spielen dort ein AudioRealism ABL2-Plugin. Der simple Beat dient zur rhythmischen Orientierung.
(Musik & Programmierung: Mijk van Dijk)
Audio Samples
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Step-Programmierung Notenlängen per u201eDutyu201c Groovefaktor per u201eSwingu201c Unterschiedliche Abspielgeschwindigkeiten per u201eRateu201c Zufallssequenzen per u201eCrazyu201c Vier verschiedene Abspielrichtungen
Zwei neue Funktionen, die ich mir auch für die Acid8 dringendst wünsche, sind „Offset“ und „Rate“. Per Offset wird der Startpunkt jeder einzelnen Sequenz verschoben. Der neue Downbeat bleibt solange im Speicher der Crazy8 gelockt, bis man auf Stopp drückt. Dann erst geht er verloren und der ursprüngliche Startpunkt ist wieder hergestellt. Ich gehe davon aus, dass das ein Bug ist, der hoffentlich bald per Systemupdate behoben sein wird.
Mit „Rate“ wird die Abspielgeschwindigkeit jeder einzelnen Sequenz verändert. Allein dadurch sind per Knopfdruck sehr viele Variationen einer Grundsequenz möglich, denn jede Sequenzer-Spur kann mit ihrer eigenen Rate laufen. Die normale Abspielgeschwindigkeit kann dreifach verlangsamt oder verdoppelt werden. Auch Dreiviertel-Zählzeiten sind individuell pro Track möglich. Die Rate-Einstellung ist intern und beeinflusst nicht die Geschwindigkeit der ausgegebenen MIDI-Clock oder Sync-Impulse. Empfängt Crazy8 MIDI-Clock wird die normale Geschwindigkeit allerdings zweifach langsamer interpretiert: Bei einem Four-to-the-floor-Beat, rückt jeder Crazy8-Sechzehntel-Step nur pro Bassdrum einen Schritt vor. Natürlich kann man die Steprate des Crazy8 vervierfachen, um die unterschiedlichen Rates anzupassen, aber damit ist auch ein cooles Feature des kleinen Sequenzers fast wieder verschenkt, da als „Bugfix“ im Einsatz.
Im Sync mit dem hauseigenen Acid8 wird’s dann noch konfuser: Ist Crazy8 der Master, läuft Acid8 16-mal so schnell als normal, umgekehrt Crazy8 als Slave 16-mal so langsam. Auf Nachfrage erläuterte der Hersteller, dass das eine technische Entscheidung war, um die Tightness des Crazy8 zu gewährleisten. Am besten beschickt man die beiden Twisted Electron-Geschwister also über eine MIDI-Thru-Box mit einer externen MIDI-Clock und passt die Rate beim Crazy8 entsprechend an, dann läuft alles rund.
Die 4 x 16 Matrix des Crazy8 dient als Anzeige für die angewählten Patterns, deren Laufrichtung und Geschwindigkeit. (Foto: Mijk van Dijk)
Die 4 x 16 Matrix des Crazy8 dient als Anzeige für die angewählten Patterns, deren Laufrichtung und Geschwindigkeit. (Foto: Mijk van Dijk)
Anders als beim Acid8 sind die Noten der angeschlossenen Sounderzeuger beim Programmieren nicht hörbar, sondern erst nach dem ersten Durchlauf. Was beim Step-Programmieren noch gerade so durchgeht, stört beim Live-Einspielen schon sehr. Mein Workaround war dann, dass ich die Noten live nicht über die Crazy8-Minitastatur, sondern direkt über meinen Juno-106 eingegeben habe, der als Soundquelle für die polyfonen Sequenzen dient. Beim Live-Einspielen fiel dann aber ebenfalls unangenehm auf, dass Crazy8 sich ja in einer vierfach schnelleren Rate befinden muss, um in der gleichen Geschwindigkeit wie die Masterclock zu laufen. Daran muss man also vor dem Einspielen ebenfalls noch denken.
Das Transponieren geht so intuitiv wie bei der Acid8 (oder der TB-303) vonstatten. „Duty“ bezeichnet die Länge der Noten eines Tracks. Die kann in 16 Schritten von 1/16 bis zu einem vollen Takt per Endlosregler eingestellt werden, leider nur für alle Noten des Tracks auf einmal. Individuelle Notenlängen per Track sind nicht möglich.
Mit der „Crazy“-Funktion werden entweder acht verschiedene Wahrscheinlichkeitsstufen oder acht Improvisationsstufen abgerufen. Das macht Spaß und bringt immer neue Variationen zu Tage. Diese können dann sehr einfach via Copy/Paste über den Track verteilt werden und flott hat man ein paar abgefahrene Sequenzen zusammengejammed, auf die man am Computer nicht so ohne Weiteres gekommen wäre.  
Ebenso unkompliziert weist man dann bis zu acht Patterns den Chain-Slots zu. Schönes Detail: Deaktiviert man Chain, verharrt Crazy8 auf der aktuellen Sequenz und läuft weiter, wenn die Chain wieder aktiviert wird. Wird „unchained“ das Pattern per Drehregler gewechselt und dann wieder in den Chain-Mode geschaltet, läuft Crazy8 wieder mit dem Pattern weiter, das in der unterbrochenen Chain als nächstes dran gewesen wäre. Wird Crazy8 gestoppt und wieder gestartet, geht es natürlich wieder mit der ersten Sequenz der Chain los. Im laufendem Betrieb lassen sich auch die einzelnen Chain-Steps muten, so dass die Chain zum Beispiel nur zwischen dem Pattern in Chain-Slot 2 und Slot 8 alterniert. Das ist ein ziemlich starkes Feature und allein damit bietet sich der Crazy8 nachdrücklich ais Ideengeber für die DAW an.
Doppelpass: Crazy8 fühlt sich als tighter Zuspieler für die DAW zwischen Audio-Interface und MIDI-Controllern pudelwohl. (Foto: Mijk van Dijk)
Doppelpass: Crazy8 fühlt sich als tighter Zuspieler für die DAW zwischen Audio-Interface und MIDI-Controllern pudelwohl. (Foto: Mijk van Dijk)
Komplexität kann aber auch kompliziert sein. Die Menütiefe ist für solch eine komplexe kleine Kiste zwar ziemlich flach und eigentlich muss man nur beachten, ob man sich im Pattern- oder Edit-Mode befindet und hat dann wirklich alle Funktionen im direkten Zugriff.
Möchte man jedoch auf acht Tracks mit Chains, Rates und Playmodes herumjonglieren, kann das auch ganz schnell zum Drahtseilakt werden. Sehr viele Möglichkeiten wollen mit nur wenigen Bedienelementen und ohne Display im Zaum gehalten werden. 
Auch habe ich keine Möglichkeit gefunden, die Patterns aller acht Tracks auf einmal weiterzuschalten, sondern immer nur Track für Track, was mit einiger Knöpfchendrückerei verbunden ist. Kleiner Lifehack: Bevor ich ein schon brauchbares Pattern in die Mangel nehme, kopiere ich es erst in den Editbuffer, so dass ich es zur Not per „Paste“ wieder herstellen kann, falls ich mich mal komplett verrannt habe. 
Fotostrecke: 2 Bilder Crazy8 und Acid8 sehen sich auf den ersten Blick zum Verwechseln u00e4hnlich (Foto: Mijk van Dijk).
Was fehlt?
Crazy8 sendet keine MIDI-Clock, jedenfalls noch nicht. Dieses Feature ist allerdings für ein baldiges Update geplant. Hoffentlich nimmt Twisted Electrons dann auch die anderen offenen Baustellen in Angriff, wie die inkompatible interne Taktung und die dringend nötige Panic-Funktion. Dann wäre der Crazy8 eine echte Waffe für kreative Jam-Sessions mit dem kleineren analogen Fuhrpark. Hoffnung besteht, denn die erste Systemversion verarbeitete den MIDI-Clock-Stoppbefehl nicht, was gerade behoben wurde. Die aktuelle System-Version ist 1.2 und Updates sind sehr leicht und schnell via MIDI-SysEx-Dumps durchzuführen. 

Die einzelnen Funktionen des Crazy8 werden in diesem Walkthrough Video des Herstellers sehr schön erklärt.

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Profilbild von dr w

dr w sagt:

#1 - 29.09.2017 um 09:59 Uhr

0

mit dem neuen os update funktioniert der midi out!

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