Spector Euro 4 LX RS Rudy Sarzo Signature Test

Praxis

Zunächst muss ich feststellen, dass dieser Korpus auch nach 40 Jahren noch nichts von seiner Faszination eingebüßt hat. Er ist zu Recht ein echtes Stück Bassgeschichte! Der Body wirkt schlank, edel, elegant und zeitlos ‑ man möchte ihn einfach anfassen. Außerdem schmiegt er sich wirklich wunderbar dem Körper entgegen und der Boden lässt sogar noch Platz für den Sonntagsbraten inklusive des zweiten Desserts! Durch die runden Zargen drückt rein gar nichts am Bauch oder an der Brust.
Wirklich leicht ist der Bass zwar nicht, aber die 4,4 kg Gewicht sind ausgesprochen ausgewogen verteilt. Der Euro 4 LX RS liegt waagerecht auf meinen Oberschenkel und kippt weder in die eine noch in die andere Richtung. Kopflastigkeit? Fehlanzeige!
Das gesamte Griffbrett ist toll bespielbar, kein Scheppern oder Schnarren ist bei überaus angenehmer Saitenlage zu vernehmen. Der Hals tendiert zu einem C-Profil – man hat hier schon im positiven Sinne richtig was in der Hand.

Einfach wunderbar schmusig, diese Bodyform!
Einfach wunderbar schmusig, diese Bodyform!

Auf eine Besonderheit möchte ich noch genauer eingehen: Spector-Bässe besitzen in der Regel 24 Bünde. Durch die Anbindung des Halses um den 20. Bund (beim Jazz Bass z.B. bereits am 16. Bund!) rückt der Hals aber auch per se etwas nach links, also vom Spieler weg. Da wird es für kleinere Bassisten/innen schon mitunter schwierig, die tiefen Lagen zu erreichen.
Rudy Sarzo wollte laut Interview eine ungehinderte Bespielbarkeit bis hoch zum 24. Bund auf der G-Saite. Deshalb musste der Hals abermals ein Stück weiter nach links rücken. Mit 171 cm Körpergröße muss ich meinen Arm schon ordentlich strecken, um noch den ersten Bund zu erreichen, vor allem im Sitzen. Jedem anderen Bass würde ich das schon als Nachteil ankreiden, aber Signature-Modelle laufen ja immer irgendwie ein wenig außer Konkurrenz, da hier die individuellen Neigungen des Namensgebers umgesetzt werden. Man kann es auf der anderen Seite aber auch als Vorteil interpretieren: Diese Konstruktion ist sinnvoll, wenn man die bekannte Heavy-Position einnimmt: Bass möglichst tief hängen und den Hals schräg nach oben halten. Da macht der Spector eine hervorragende Figur, denn bei traditionellen Bässen wirkt der Hals in dieser Position schnell zu kurz.
Auch der Gurtpin wurde von der Mitte des Bodies nach oben verlegt, um dies zu unterstützen. Ziehen wir in Betracht, dass hier mit Rudy Sarzo eine echte Rock/Heavy-Legende Pate stand, macht diese Konsequenz in der Konstruktion absolut Sinn, auch wenn sie die Zielgruppe sicher etwas einschränkt.

Die Bespielbarkeit bis in die hohen Lagen ist toll - doch leider rückte der Hals deshalb unweigerlich abermals nach links.
Die Bespielbarkeit bis in die hohen Lagen ist toll – doch leider rückte der Hals deshalb unweigerlich abermals nach links.

Spiele ich den Rudy Sarzo ohne Verstärker, offenbart er gleich typische Spector-Gene: Ein heller, klarer und direkter Ton mit jenem speziellen Mitten-Tembre, welches für durchsetzungsstarke Definition sorgt, macht sich bereits im akustischen Test bemerkbar. Auffällig ist dabei die dynamische Ausgeglichenheit über das ganze Griffbrett: Kein Ton fällt ab oder sticht heraus! Bei Bässen mit später Anbindung des Halses an den Korpus kann es für gewöhnlich schnell zu Verlusten bei der Ausklingphase (Sustain) führen. Der Grund: der Hals kann ungebremst schwingen und nimmt auf diese Weise Energie aus der Saite, was dazu führt, dass diese kürzer schwingt. Nicht so beim Spector Euro LX RS, denn der bereits dreifach gesperrte Hals wird zusätzlich mit Streifen aus Grafit versteift und wirkt diesem Phänomen daher ausreichend entgegen.
Jetzt aber zur Schaltzentrale des Spector Rudy Sarzo, den SimS-Tonabnehmern. Wie schon erwähnt, handelt es sich hierbei um Quad-Coil-Humbucker. Jeder Pickup beheimatet also vier Spulen. Diese lassen sich jeweils per Kippschalter in drei verschiedene interne Konfigurationen bringen: Singlecoil, Splitcoil (wie bei einem Precision Bass) und Humbucker. Das ist mal was Neues; die meisten Humbucker bieten nämlich statt der Splitcoil-Variante eine serielle Verdrahtung. Mit der konnte ich persönlich noch nie wirklich etwas anfangen (ist natürlich Geschmackssache!), und so finde ich die Möglichkeit, vom Spector einen Precision ähnlichen Ton zu bekommen, höchst interessant. Insgesamt bieten sich 15 unterschiedliche Konfigurationen mit beiden Tonabnehmern. Betreibt man sie auch einzeln, kommt man sogar auf insgesamt 21 mögliche Sounds ‑ und das schon ohne Equalizer!

Allein die SimS-Pickups bieten bereits zahlreiche Möglichkeiten zur Einflussnahme auf den Sound!
Allein die SimS-Pickups bieten bereits zahlreiche Möglichkeiten zur Einflussnahme auf den Sound!

Diese Vielfalt wird man wohl kaum gänzlich nutzen, aber sie bietet einem die Chance, seine Favoriten zu finden. Hören wir uns zunächst die Pickups einzeln mit ihren drei Betriebsarten an:
Bridge-Pickup:

  • Singlecoil
  • Splitcoil
  • Humbucker

Neck-Pickup:

  • Singlecoil
  • Splitcoil
  • Humbucker
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Bridge-Pickup Singlecoil Bridge-Pickup Splitcoil Bridge-Pickup Humbucker Neck-Pickup Singlecoil Neck-Pickup Splitcoil Neck-Pickup Humbucker

Nun beide Pickups zusammen. Hier lassen sich etliche Klassiker wie J/J, P/J oder P/P simulieren. Beginnen wir mit “zweimal Singlecoil”, was einer J/J-Schaltung (z.B. beim Jazz Bass) entspricht:

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J/J-Mode

Ein weiter Klassiker ist die P/J-Bestückung (Precision- und Jazz-Bass-Tonabnehmer). Der Bridge-Pickup ist dabei im Singlecoil-, der Hals-Pickup im Splitcoil-Modus.

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P/J-Mode

Beide Pickups als Splitcoils (P/P) kennt man ebenfalls aus der Bassgeschichte:

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P/P-Mode

Und dann möchten wir die beiden Tonabnehmer natürlich noch als Humbucker hören:

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H/H-Mode

Der Euro LX 4 RS liefert wirklich unglaublich viele Rock/Heavy-Sounds auf hohem Niveau und mit eigener Spector Note. Rudy Sarzo ist – gemeinsam mit anderen Größen, wie z.B. Neil Murray – bekannt für einen definierten und durchsetzungsfähigen Sound mit charakterstarken Mitten abseits der üblichen Fender-Klischees. Diesen liefert auch der Spector, allerdings dank sehr flexibler Pickups noch viel, viel mehr. Die farbliche Anzeige des aktuellen Modus per LEDs am Pickup selbst unterstützt einen aktiv bei der Wahl der Sounds und ermuntert einen geradezu zum ausgiebigen Experimentieren. Was ich anfangs noch für eine Spielerei hielt, stellt sich in der Praxis als wirklich tolles Helferlein heraus!

Die klangliche Bandbreite dieses Spector-Basses ist wirklich bemerkenswert!
Die klangliche Bandbreite dieses Spector-Basses ist wirklich bemerkenswert!

Bei Bässen dieser Art verlor ich sonst häufig schnell die Lust zu probieren, da es schnell unübersichtlich wird und man im Eifer auch nicht immer hört, ob jetzt gerade der Hals- oder der Bridge-Pickup im seriellen Modus ist. Oder ich konnte mich nicht mehr an die genaue Einstellung vor drei Tagen erinnern. Letztlich bin ich daher eigentlich fast immer leicht genervt bei einer Einstellung hängengeblieben. Hat man sich den Farbcode einmal eingeprägt (dauert ca. 1 Minute), macht es richtig Spaß, mit dem Spector Euro LX RS auf klangliche Entdeckungsreise zu gehen. Und das lohnt sich, denn es gibt hier viel zu erkunden. Dabei behält man dank LEDs immer die Übersicht!

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