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Soyuz SU-011 Test

Die Firma Soyuz gibt es erst seit wenigen Jahren, und dementsprechend fällt das Angebot des in der russischen Stadt Tula ansässigen Herstellers noch recht überschaubar aus.

Tatsächlich ist das hier getestete Soyuz SU-011 Kleinmembran-Röhrenmikrofon momentan eines von insgesamt nur drei Produkten, und zudem handelt es sich bei den beiden Großmembran-Geschwistern SU-017 und SU-019 im Grunde zweimal um das gleiche Mikrofon in einer Röhren- und einer FET-Variante.
Die Mikrofone aus dem Hause Soyuz werden grundsätzlich handgefertigt, und das trägt natürlich dazu bei, dass die russischen Schallwandler alles andere als Schnäppchen sind. Die Frage, ob der stolze Preis nun in Euro oder Rubel berechnet wird, wäre also nicht unberechtigt. Deshalb hier noch einmal die Bestätigung: Ja, das SU-011 schlägt mit einem stolzen Straßenpreis von rund 1300 Euro pro Exemplar (ohne alternative Kapseln) zu Buche und gehört damit eindeutig in die Luxusklasse der Kleinmembraner. Im Test werden wir herausfinden, ob es dieser Einordnung auch ansonsten würdig ist.

Details

Mehr als nur ein Hauch von Extravaganz

Kleinmembraner klingen in der Regel nicht nur verhältnismäßig natürlich, sondern verhalten sich in vielen Fällen auch mit ihrer Optik entsprechend zurückhaltend. Beim Soyuz SU-011, das von der Form her an den Stößel eines Gewürzmörsers erinnert, ist dem ganz offensichtlich nicht so. Laut Hersteller wurde der extravagante Look des Mikrofons mit seinem cremefarbenen bis weißen Body und dem glänzenden Messingkopf von goldbekuppelten russischen Kathedralen inspiriert. Für einen Einsatz auf Theaterbühnen oder bei Fernsehaufzeichnungen könnte das ausgefallene Erscheinungsbild durchaus etwas zu viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen, im Studio ist das natürlich reine Geschmacksfrage.

Fotostrecke: 2 Bilder Zum Test wurde mir ein Stereo-Pärchen des Soyuz SU-011 zur Verfügung gestellt.

Die Verarbeitung wirkt dagegen ganz ohne Diskussion gelungen. Der Body des Mikrofons ist massiv, und die Kapsel wird von einem feinen Drahtgeflecht geschützt, das selbst wiederum hinter einem dicken Gitter aus Messing sitzt. Das Messing ist allerdings unbehandelt, und wer Wert auf dauerhaften Hochglanz legt, der wird öfters zum Poliertuch greifen müssen. So ist das eben bei Schmuckstücken.

Fotostrecke: 2 Bilder Standardmäßig wird das SU-011 mit einer einzelnen Nierenkapsel geliefert, es gibt aber auch Varianten, die zwei alternative Kapseln einschließen.

Alternative Kapseln und ein Pad zum Aufschrauben

Jedes Soyuz SU-011 wird in einer hübschen kleinen Holzschatulle geliefert, die zur Aufbewahrung dient und optional zwei alternative Kapseln, in jedem Fall aber ein 20 dB Dämpfungsglied enthält, das zwischen Body und Kapsel geschraubt werden kann. Mehr True Bypass, als die Komponente vollständig vom Mikrofon zu entfernen, gibt es wohl nicht, und Signalpfadpuristen werden diesen Punkt zu würdigen wissen. Ein kleiner Schalter am Mikrofon wäre aber natürlich einfacher zu handhaben. Die maximale Schalldruckverträglichkeit wächst durch Einsatz des Pads auf 140 dB SPL und ist damit für die meisten Anwendungen völlig ausreichend. Als besonders interessant empfinde ich den Punkt, dass laut Hersteller auch die Großmembran-Kapsel des SU-017 bzw. SU-019 zusammen mit dem Body des SU-011 verwendet werden kann! 

Fotostrecke: 3 Bilder In der Holzschatulle des SU-011 finden sich neben dem SU-011 ein Pad-Modul und im Fall des voll ausgestatteten Sets drei Kapseln mit Nieren-, Hypernieren- und Kugelcharakteristik.

Netzteil mit normaler XLR-Verbindung zum Mikrofon

Beim hier getesteten Stereo-Pärchen läuft die Stromversorgung beider Mikrofone über ein gemeinsames Netzteil, das jeweils zwei Ein- und Ausgänge bietet. Etwas ungewöhnlich ist der Punkt, dass nicht nur die Ausgänge in Richtung Vorverstärker, sondern auch die Eingänge, über die auch die Spannungsversorgung der Mikrofone läuft, das dreipolige XLR-Format verwenden. Auch das SU-011 selbst bietet folglich eine simple XLR-Buchse an seinem Body und verhält sich in dieser Hinsicht anders als die meisten seiner Artgenossen, die von eigenen Netzteilen mit Strom versorgt werden. 

Fotostrecke: 3 Bilder Das doppelte Netzteil versorgt zwei SU-011 gleichzeitig.

Befeuert von einer russischen Miniatur-Röhre

Bei einer Länge von etwa 12 cm (mit Kapsel) und einem Durchmesser von knapp 2 cm passt natürlich keine große Röhre in den Body: Soyuz verbaut im SU-011 russische Miniaturröhren mit der Bezeichnung 6S6B, die in den 1980er Jahren hergestellt wurden und aus alten Lagerbeständen stammen.

Im Inneren des SU-011 sitzt eine russische 6S6B-Röhre.
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Praxis

SU-011: weich und transparent

Kleinmembraner, die mit Röhren ausgestattet sind, finden sich nicht allzu häufig, und auf den ersten Blick könnte diese Kombination sogar einen kleinen Widerspruch in sich tragen. Wenn es um die grundsätzlichen Eigenschaften geht, dann erwartet man von einem Kleinmembraner in der Regel einen weitgehend sauberen und realistischen Klang, während Röhrenmikrofone vielmehr für schöngeistige Signale stehen, die größer oder wärmer klingen als die Realität. Und tatsächlich lässt sich beim Soyuz SU-011 eine gewisse Grundwärme eindeutig erkennen. Allerdings ist das Mikrofon weit davon entfernt, mit seinem Klang ein ähnlich hohes Maß an Aufmerksamkeit wie mit seiner Optik einzufordern. Man bemerkt durchaus, dass es sich hier um einen Kleinmembraner handelt, der die harte Realität allerdings in eine samtige Hülle aus Röhrenklang packt. 

Je ein Paar Soyuz SU-011, Neumann KM 184 und Okatava MC 012 (ältere Variante des MK 012, die für den amerikanischen Markt gefertigt wurde) stehen stramm zum Drum-Recording.

Dieser grundsätzliche Charakter bleibt im Zusammenspiel mit allen drei Kapseln erhalten, die auch abgesehen von der Richtcharakteristik wiederum selbst ihre Eigenheiten mit ins Spiel bringen. Die Hyperniere fängt mit ihrer erhöhten Richtwirkung relativ lineare Mitten ein, ist im Tiefbass und den absoluten Höhen dagegen etwas zurückhaltender. Die Kugel, die bekanntlich gleichermaßen in alle Richtungen lauscht, zeigt eine durchaus deutliche Betonung der hohen Mitten und Höhen und ist auch „untenrum“ die kräftigste Variante. Die Nierenkapsel liegt sowohl mit ihrer Richtwirkung als auch ihrem Frequenzgang in der goldenen Mitte und zeigt sanfte Betonungen bei 8 kHz und 12 kHz sowie leichte Dips bei etwa 3 kHz und 10 kHz.

Audio Samples
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Overheads SU-011 (Niere) Overheads SU-011 (Hyperniere) Overheads SU-011 (Kugel) Overheads KM 184 (Niere) Overheads MC 012 (Niere)

Definiert und griffig

Als Overheads gefielen mir (wie zu erwarten) die Nierenkapseln am besten, wobei in Abhängigkeit vom Aufnahmeraum und Mikrofon-Setup natürlich auch die Kugeln heiße Kandidaten für einen solchen Einsatz darstellen. Im Vergleich zum Neumann KM 184 mit seiner festen Nierencharakteristik wirkt das SU-011 zurückhaltender in den Höhen aber trotzdem extrem smooth und deutlich gutmütiger im Umgang mit Becken. Das Oktava MC 012 verhält sich im für Harschheit anfälligen Präsenzbereich generell sehr vorsichtig und lässt dabei ein wenig Detail beim Stockanschlag vermissen, klingt im Gegenzug aber dicker. Vor allem im Bereich der tiefen Mitten zeigt das kleine Soyuz ein warmes und doch höchst definiertes und griffiges Klangbild, von dem die Vergleichskandidaten nur träumen können. Allerdings darf man nicht vergessen, dass man für den Preis eines einzelnen SU-011 in der günstigsten Variante zwei Neumann KM 184 und etwa acht aktuelle Oktava MK 012 bekommt. Der Vollständigkeit halber gibt es im Anschluss noch einmal die Nieren-Varianten der obigen Klangbeispiele mit unterstützenden Direktmikros an Kick und Snare.

Audio Samples
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Drums SU-011 (Niere) Drums KM 184 (Niere) Drums MC 012 (Niere)

Bei der Aufnahme einer akustischen Gitarre ließen sich die Unterschiede zwischen Soyuz und Neumann noch einmal bestätigen. Bei dem hier zusätzlich verwendeten Groove Tubes AM40 handelt es sich ebenfalls um einen Röhren-Kleinmembraner, der Präsenzband und Höhen noch etwas deutlicher betont, mit der gleichzeitigen Wärme und seidigen Transparenz des SU-011 aber nicht ganz mithalten kann.

Audio Samples
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Gitarre SU-011 (Niere) Gitarre KM 184 (Niere) Gitarre AM40 (Niere)
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Fazit

Wenn ein Kleinmembraner so warm klingt wie das Soyuz SU-011, dann kann der russische Winter gerne kommen! Mit seiner extravaganten Schmuckstück-Optik trifft das Mikrofon sicherlich nicht jedermanns Geschmack, und die Sache mit dem Dämpfungsglied, das umständlich zwischen Kapsel und Body geschraubt werden muss, ist ebenfalls kein ausschließlicher Vorteil – selbst wenn dieser Umstand den Signalpfad möglichst sauber hält. Der größte Kritikpunkt am SU-011 ist aber die dreipolige XLR-Verbindung zwischen Netzteil und Mikrofon, die eine eindeutige Gefahrenquelle beim schnellen Mikrofon-Tausch im Studio darstellt. Auch dass die Symmetrierung erst im Netzteil stattfindet wirkt ein wenig ineffizient, und mit dem hohen Preis vertragen sich solche Minus-Punkte natürlich nicht besonders gut. Ja, das Mikrofon bietet mit seinen drei Kapseln einen allgemein wirklich tollen Klang und zudem einen außergewöhnlichen und doch unaufdringlichen Charakter – und auch die Möglichkeit, die Großmembran-Kapsel des SU-017 bzw. SU-019 verwenden zu können, ist für Besitzer eines dieser Mikrofone mehr als ein nettes Gimmick. Ob sich die Investition wirklich lohnt, wird letztendlich aber jeder selbst entscheiden müssen. Übrigens: Mit dem SU-013 hat Soyuz gerade eine FET-Version des SU-011 in der Mache, die vermutlich deutlich günstiger zu haben sein wird.

Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • Klangeigenschaften
  • austauschbare Kapseln (Niere enthalten, Hyperniere und Kugel optional)
  • kompatibel mit der Großmembran-Kapsel des SU-017 bzw. SU-019
Contra
  • hoher Preis
  • (Verwechslungs-)Gefahr durch Verwendung einer dreipoligen XLR-Buchse trotz Röhrennetzteils
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Soyuz SU-011 Test
Für 949,00€ bei
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Standardmäßig wird das SU-011 mit einer einzelnen Nierenkapsel geliefert, es gibt aber auch Varianten, die zwei alternative Kapseln einschließen.

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