Solid State Logic 611EQ & 611DYN Test

Praxis

Im praktischen Einsatz unterscheiden sich beide Module ein Stück weit voneinander. Der Equalizer erklärt sich gewissermaßen von selbst. Abgesehen von den unterschiedlichen Black/Brown-Charakteristiken gibt es keine Funktion, die man nachschlagen müsste. Demgegenüber gestaltet sich die Arbeit mit dem Dynamikmodul in rein praktischer Hinsicht etwas komplizierter. Die Kassette verfügt ja nicht über ein Ausgangspegel-Poti und die Auto-Gain-Funktion liefert je nach Einstellung fast schon erratische Ergebnisse. Im Extremfall bedeutet dies, dass man den nachfolgenden A/D-Wandler übersteuert und dann das Signal innerhalb der DAW leiser machen muss, bevor es überhaupt in den Kompressor läuft. Nur, dass man dann ebenfalls den Threshold-Parameter nachregeln muss, was etwas kompliziert ist. An der SSL-Konsole ist das kein Problem, dort gibt es ja noch den Kanal-Fader, der den Ausgangspegel des Kanals bestimmt, doch am Standalone-Modul würde ich mir doch ein Makeup-Poti wünschen, zumal man im Zweifelsfall gleich zwei Threshold-Potis nachjustieren muss, wenn man Kompressor und Gate/Expander zeitgleich einsetzt.

Die SSL 611DYN-Kassette lässt ein Poti für das Ausgangslevel vermissen
Die SSL 611DYN-Kassette lässt ein Poti für das Ausgangslevel vermissen

Klanglich liefern die beiden Kassetten genau das, was man von SSL erwartet: Klare, knackige Ergebnisse. Hier handelt es sich nicht um sanfte Schönfärber, sondern um Arbeitswerkzeuge, mit denen man den Job nach Hause bringen kann. Als Funktionsgruppen eines Mischpultkanalzugs müssen sich dieser EQ und dieser Kompressor in der Theorie auf jedem erdenklichen Signal bewähren, und das gleich dutzendfach parallel in einer Mischung – da dürfen sich diese Einheiten keine geschmäcklerischen Mätzchen erlauben, sondern sie müssen einfach klar und geradeaus funktionieren. Für den EQ bedeutet dies: Sowohl korrigierendes Filtern als auch klangformende Aufgaben gelingen gleichermaßen gut. Die Filter packen zu, gehen aber vergleichsweise unscheinbar zu Werke. Es geht hier eher darum, Signale in einen Kontext einzupassen, als darum, ihnen das „gewisse Extra“ mitzugeben, und das macht der SSL-EQ in bewährter Qualität. Brown- und Black-Modus sind dabei gern mitgenommene Alternativen. Insbesondere das Bassdrum-Beispiel zeigt die unterschiedliche Abstimmung: Die Black-Filterkurven klingen deutlich resonanter und wuchtiger, hier lässt sich auf jeden Fall noch ein Extra-Quäntchen Fundament herauskitzeln. Kurzum: Der EQ arbeitet effektiv, aber im positiven Sinne unscheinbar – ein echtes „Workhorse“ für den Alltagsgebrauch.

Audio Samples
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Gitarre Original Gitarre Boost (Shelving) bei 1,5 kHz Gitarre HMF-Sweep im Brown-Modus Gitarre HMF-Sweep im Black-Modus Kontrabass Original Kontrabass Boost (Shelving) bei 200 Hz und 600 Hz Bassdrum Original Bassdrum Boost 50 Hz, 10 kHz, Cut 0,2 und 2,5 kHz (Brown-Modus) Bassdrum Boost 50 Hz, 10 kHz, Cut 0,2 und 2,5 kHz (Black-Modus)

Demgegenüber gibt sich die Dynamikeinheit etwas divenhafter – allein was die Parametrisierung betrifft. Zwar kann auch der Kompressor eine Menge leisten, aber der Einsatz gestaltet sich deutlich kniffeliger als beim EQ. Die feinen Nuancen sind nicht ganz so das Metier des SSL-Comps. Der Feed-Forward-VCA wird zwar durch die RMS-gewichtete Sidechain etwas gezähmt, aber richtig gut klingt das Modul eigentlich vor allem immer dann, wenn es etwas heftiger zur Sache gehen darf – Vocals und vergleichbare Signale sind nicht das Lieblingsmaterial dieses Dynamik-Tools. Dafür kann es seine Vorzüge gerade auf Drums und anderen perkussiven Quellen ausspielen, welche auch genau die Anwendungen sind, bei denen klassischerweise gerne auf die Channel-Dynamics von SSL zurückgegriffen wird. Mal eben Bassdrum und Snare auf Linie bringen – das ist die Sorte Job, bei denen der E-Series-Comp auflebt.

Audio Samples
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Bassdrum Original Bassdrum 30 ms Attack, Release 0,1 s, Ratio 1:∞ Snare Original Snare Gate Snare Gate, Kompressor (Linear Release) Drumroom Original Drumroom Kompressor (Linear Release, Hardknee, 3 ms Attack)

Die Ergebnisse klingen frisch, knackig, und sie haben den typischen „VCA-Pop“, für den SSL bekannt ist. Mit Hardknee-Kennlinie und linearer Release stehen dazu noch zwei Optionen zur Verfügung, die die Ergebnisse noch muskulöser und aggressiver werden lassen. Gerade in Kombination mit der schnellen Attack und hohen Kompressionsraten lassen sich Signale vorzüglich crushen, wobei trotz der aggressiven Kompression der Ton selbst immer auf der klaren Seite bleibt, Verzerrungen und Sättigungseffekte muss man woanders suchen.

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