SSL SiX CH Channel Strip Test

Solid State Logic, kurz SSL, ist zusammen mit Konkurrent Neve einer der wichtigsten Namen in der Audiotechnik.

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Die Referenzliste ist dabei endlos, über SSL-Pulte dürften tausende von Welthits aufgenommen und/oder abgemischt worden sein, die Bandbreite reicht von AC/DC bis Rhianna, von 2Pac bis Metallica. Ein Stück SSL-Hardware mit dem legendären Sound fürs eigene Tonstudio oder Home-Recording-Setup, das wäre doch was! Mit dem Channel-Modul SSL SiX CH für das 500er Lunchbox-Format rückt dieser Wunsch in bezahlbare Nähe, denn – Achtung: Spoiler! – das SiXC-Modul kostet weniger als die Zahl, die APIs Kassettensystem bezeichnet, für das es entwickelt wurde!

Details

Kompletter (kleiner) SSL-Channel

Das SSL SiX CH ist ein vollwertiger Channelstrip, auf dem beengten Raum eines Lunchbox-Slots hat SSL einen komplett ausgestatteten Mikrofon-Preamp, einen Zwei-Band-Equalizer und einen Kompressor untergebracht. Über eine Klinkenbuchse auf der Vorderseite lassen sich zusätzlich Mono-Line-Signale oder Saiteninstrumente mit hochohmigen Ausgangssignale anschließen. Der SiX Channel Strip ist übrigens keine komplette Neuentwicklung, dieser Kanalzug kommt nahezu identisch im SiX-Desktopmixer von SSL zum Einsatz, den mein Kollege Felix Klostermann bei seinem Test als „absolut runde Sache“ bezeichnet hat. Das SiX CH (und das SiX-Mischpult) wird in Fernost gefertigt und nur so ist wohl auch der günstige Preis realisierbar: Es steht zwar Oxford drauf, aber drin ist China.

Es steht zwar Oxford drauf, gefertigt wird das SSL SiX CH aber in China.
Es steht zwar Oxford drauf, gefertigt wird das SSL SiX CH aber in China.

Der SSL-Sound, was ist das?

Sehr oft wird in Tests (wie diesem) vom legendären SSL-Sound gesprochen. Aber was ist so besonders an der englischen Mischpulttechnik aus dem schönen Begbrock, im Oxfordshire? Man kann diese Frage nicht beantworten, ohne wieder den Namen des Konkurrenten Neve zu nennen. SSL und Neve, das waren/sind DIE großen Mischpulthersteller. Schaut man sich deren Mikrofonverstärker genauer an, stellt man fest, dass sie sich von Beginn an in einem wesentlichen Punkt unterschieden: In der Neve-Vorstufe sind Transformatoren verbaut, der SSL-Preamp dagegen basiert rein auf Halbleitertechnik. Im Englischen werden Halbleiter-Bauteile als „Solid-State Devices“ bezeichnet und somit wäre jetzt auch die Herkunft des Firmennamens „Solid State Logic“ geklärt. In der Praxis verbindet man den Neve-Sound mit einer gewissen Klangfärbung (verursacht durch die Trafos), während SSL seit jeher berühmt für seinen neutralen und unverfälschten Sound ist. Technisch spiegelt sich das in einem linearen Frequenzgang weit über die 20 kHz hinaus, einer sehr schnellen Transienten-Verarbeitung und einem sehr geringen THD-Werten (THD = Total Harmonic Distortion) wieder.

Viele Regler auf wenig Raum: SSL hat einen kompletten Kanalzug auf die Größe des 500er-Formats geschrumpft.
Viele Regler auf wenig Raum: SSL hat einen kompletten Kanalzug auf die Größe des 500er-Formats geschrumpft.

Der Signalweg ist „Capacitor Free Zone“!

Die Vorstufe im SiX CH basiert auf dem SuperAnalogue-Design, sie sollen besonders rauscharm sein. Das Signal durchläuft auf seinem Weg durch die Vorstufe keinen einzigen Kondensator. Gerade Elektrolyt-Kondensatoren sind sehr anfällig für Defekte und verursachen dann starke Nebengeräusche, deshalb verzichtet SSL wenn möglich auf diese Art von Bauteil. Für den SiX CH hat SSL das SuperAnalogue-Design unter weitgehender Beibehaltung der Bauteilwerte auf das 500er Format geschrumpft. Möglich ist das nur mit SMD-Bauteilen und davon befinden sich auf der Platine sehr, sehr viele.

Fotostrecke: 2 Bilder Surface Mount Devices, kurz SMD-Bauteile wohin man auch blickt, nur so lässt sich der SiX CH im Lunchbox-Format realisieren.

Der Preamp hat mächtig Dampf, schafft bis zu 72 dB Verstärkung bei Mikrofonsignalen und 63 dB, wenn der Line- oder High-Z-Eingang ausgewählt wurde. Mit diesen Werten ist man für alle Eventualitäten gewappnet, selbst bei Stereoaufnahmen mit Bändchenmikrofonen im Abstand zur Schallquelle geht dem Preamp nicht die Puste aus. Die Eingangsimpedanz am XLR-Eingang liegt bei 1,2 kΩ, beim Line-Eingang bei 10 kΩ und beim High-Z-Eingang bei 1 MΩ. Neben der obligatorischen Phantomspeisung gibt es noch einen Phase-Reverse-Schalter und einen Highpass-Filter, auf deutsch Trittschallfilter genannt. Mit diesem Filter lassen sich Störgeräusche unter 75 Hz, mit einer Flankensteilheit von 12 dB/Oktave absenken. Danach übergibt die Vorstufe das Signal an den Equalizer.

Reife Leistung: Preamp mit Gain-Poti, +48V, Phase-Reverse, HP-Filter und 5-Segment-Aussteuerungsanzeige auf 35 mal 35 mm!
Reife Leistung: Preamp mit Gain-Poti, +48V, Phase-Reverse, HP-Filter und 5-Segment-Aussteuerungsanzeige auf 35 mal 35 mm!

Zwei Bänder für ein Halleluja

Der Equalizer des SSL SiX CHs besteht aus einem LF und einem HF-Band, bearbeiten lassen sich also Bässe und Höhen. Jedes Band besitzen zwei Betriebsmodi: In der Grundeinstellung arbeiten sie als Shelving-Filter, im Deutschen werden die sehr anschaulich als Kuhschwanzfilter bezeichnet: Diese Filter bearbeiten alles von der gewählten Arbeitsfrequenz bis zum Ende des Spektrums. Für das Tiefenband liegt diese Frequenz bei 60 Hz, für das Höhenband bei 3,5 kHz. Die Signale können dabei mit bis zu +/ 15 dB angehoben oder abgesenkt werden. Drückt man den Bell-Knopf, wechselt der EQ den Betriebsmodus und gleichzeitig verändert sich die Arbeitsfrequenz: Der EQ wird zu einem Glocken-EQ, es werden also die Frequenzen links und rechts der Arbeitsfrequenz herum angehoben oder abgesenkt, auch hier wieder sehr breitbandig. Das Höhenband arbeitet im Bell-Modus mit einer Center-Frequenz von 5 kHz, das Tiefenband mit 200 Hz. All diese Werte sind nicht willkürlich gewählt, hier kann SSL auf die Erfahrung vieler Jahrzehnte zurückgreifen.

Fotostrecke: 4 Bilder Mit einem LF- und einem HF-Band kann man das Signal breitbandig aufpolieren.

Ein sanfter Kompressor

Der Kompressor im SSL SiX CH hat genau ein Bedienelement: einen grünen Knopf für den Threshold des Kompressors, also für den Schwellenwert, unter welcher der Kompressor anfängt zu arbeiten. Alle weiteren Werte sind vorgegeben. Die Ratio liegt bei 2:1, der SiX-Kompressor besitzt zudem eine Soft-Knee-Schaltung, beim knappen Unterschreiten des Thresholds wird also nicht sofort mit vollen 2:1 komprimiert. Die Attackzeit ist abhängig vom Eingangssignal und variiert zwischen 8 und 30 ms, die Releasezeit liegt bei festen 300 ms. All diese Werte lassen schon ungehört den Schluss zu, dass der SiX-Kompressor kein Werkzeug zum massiven Dynamikbearbeitung ist. Eher ein Tool zur sanften Klangformung, gerne auch schon während der Aufnahme. Zur Kontrolle der Gain-Reduction gibt es eine kleine LED-Ampel. Da beim Komprimieren das Signal zunächst leiser wird, benötigt man einen Aufholverstärker, der das Signal wieder auf Vor-Kompressionsniveau bringt. Manche Kompressoren besitzen dafür den Make-Up-Gain-Regler, beim SSL SiX CH wird das ebenfalls automatisch erledigt.

Ein Regler, mehr braucht es nicht beim SiX-Kompressor! Unter dem Kompressor befindet sich der kombinierte Line-In/High-Z-Eingang.
Ein Regler, mehr braucht es nicht beim SiX-Kompressor! Unter dem Kompressor befindet sich der kombinierte Line-In/High-Z-Eingang.

Feste Reihenfolge und Bypass

Das Eingangssignal durchläuft den SSL SiX Channel Strip immer in der Reihenfolge Preamp – Equalizer – Kompressor. Bei den „großen“ SSL-Mischpulten kann die Reihenfolge von Equalizer und Kompressor vertauscht werden, beim SiX CH ist das leider nicht möglich. Über die Reihenfolge Equalizer-Kompressor wird viel diskutiert, es gibt gute Gründe für beide Varianten, daher wäre es schon schön, wenn man beim SSL SiX CH die Wahl hätte. Sowohl der Equalizer als auch der Kompressor können über den Bypass-Taster komplett aus dem Signalweg genommen werden, das Signal durchläuft wirklich nur die Schaltungsteile, die man benötigt. Womit wir wieder beim Thema Sauberkeit und Unverfälschtheit wären!

Line-In und High-Z

Ein schönes Feature des SSL SiX CHs ist der Line-In-Eingang, der sich durch Umschalten als High-Z-Eingang nutzen lässt. Diesen Eingang findet man auf der Frontplatte, in Form einer 6,35 mm Stereoklinkenbuchse. Über den Line-Eingang lassen sich bereits aufgenommen Spuren in das SSL-Modul schicken, dann wird aus dem SiX Channelstrip ein Werkzeug fürs Abmischen. In den SSL-Spezifikationen zum SiXCH steht nichts zur Ausführung des Line-In, aber ich gehe mal davon aus, dass er symmetrisch ist (worauf auch die verbaute Stereobuchse hinweist). Durch einen Umschalter wird der Line-In zu einem hochohmigen Eingang für (passive) Saiteninstrumente mit Pickups, was man gerne als DI-Eingang bezeichnet. Man kann also E-Gitarre, E-Bässe oder Instrumente mit Piezo-Pickup wie Akustikgitarren direkt über den SSL aufnehmen.
Das an der Klinkenbuchse anliegende Signal wird im Signalweg vor der Vorstufe eingespeist. Alle Bearbeitungsstufen des SiX CHs wie Preamp, EQ, Kompressor, und auch Highpass-Filter wirken also auf den Line-, bzw. den High-Z-Eingang. Lediglich der Phase-Reverse-Schalter liegt vor diesem Punkt und ist nicht mit dem Fronteingang nutzbar.

An der Klinkenbuchse angeschlossene Signal oder Instrumente durchlaufen das kompletten SiX CH, nur der Phase-Reverse-Schalter liegt vor dem Einschleifpunkt.
An der Klinkenbuchse angeschlossene Signal oder Instrumente durchlaufen das kompletten SiX CH, nur der Phase-Reverse-Schalter liegt vor dem Einschleifpunkt.
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