Shure SHA900 Portable Listening Amplifier Test

Praxis

Hi-Res, aber nicht „Ganz-Hi-Res“

Hochauflösender Audiogenuss und Mobilität: Dies sind keine Gegensätze, wenn auch nicht zwei Sachen, die sich besonders leicht miteinander kombinieren ließen. Shure zeigt mit dem SHA900 aber, wie das gelingen kann. Und wer bislang glaubt, dass es sich dabei um eine Randerscheinung handelt, der würde staunen, wenn er den Markt in Japan kennen würde, wo eine hohe Zahl Reisender die Zeit zum hochwertigen Musikgenuss nutzt. Dazu benötigt man neben wirklich guten geschlossenen Kopfhörern oder In-Ears eben auch einen entsprechenden Verstärker. Zwar sind auch Hi-Res-Player wie Astell & Kern oder FiiO erhältlich, doch für uns Musikschaffende ist die Flexibilität wichtig, digital wie analog verschiedene Quellen nutzen zu können. Auf Zahlen alleine sollte man nicht allzu viel geben, wie sicher die meisten wissen, doch kann eine D/A-Wandlung mit maximal 96 kHz durchaus als Restriktion verstanden werden. Mein kleiner ifi nano DSD spielt bis PCM/DXD 384 kHz und sogar Vierfach-DSD (DSD256, also mit 12,4 MHz).  

Andere können (zahlenmäßig) etwas mehr, aber das muss den SHA900 eigentlich nicht kratzen.
Andere können (zahlenmäßig) etwas mehr, aber das muss den SHA900 eigentlich nicht kratzen.

Keine andere Klasse als interne Lösungen – eine andere Welt!

Natürlich: Einen mobilen D/A-Wandler mit Kopfhörer-Verstärker für einen durchaus stolzen Preis wird man nicht anschaffen, um ein wenig mehr Akkulaufzeit zu haben als mit dem Smartphone oder Tablet (wenngleich diese beim SHA900 durchaus ein hervorragendes Pro-Argument ist, denn die Laufzeit ist in den Daten keineswegs übertrieben). Es geht natürlich um den Klang der Wandlung und die Qualität der Verstärkung. Beides habe ich in Kombination getestet und auch unter Umgehung des integrierten D/A-Wandlers gearbeitet. Zwei sehr hochwertigen Wandlersystemen gegenüber musste sich der eingebaute DAC geschlagen geben, nämlich dem Lavry DA11 sowie dem Merging Technologies HAPI. Diese beiden waren es auch, die in Sachen Kopfhörerverstärkung die Nase vorn hatten. Allerdings sind sie deutlich teurer als der Shure SHA900 – und alles andere als mobil. Nutzt man den Shure-Amp, macht dieser sofort deutlich, dass er nicht in einer anderen Klasse, sondern in einer anderen Welt spielt als die ganzen eingebauten Lösungen von Smartphones und Tablets. Sowohl Apples iPhone 5S, das iPad mini 2, diverse Samsung-Smartphones, Mac Book Airs und sogar stationäre (Focusrite Scarlett 6i6 USB) wie mobile (Centrance MicPort Pro) können bezüglich eigentlich aller wesentlicher Parameter nicht mit dem Shure SHA900 mithalten. Bässe sind tief, trocken und immer schnell und konkret. Das trifft auch auf die Mitten und Präsenzen zu, die selbst bei hohen Pegeln nicht zum Kratzen neigen. Und natürlich sind die Höhen mitsamt dem Airband absolut ausgewogen und herrlich detailliert. Die Beurteilung von Raumrückwürfen, Obertonstrukturen, Unterschieden verschiedener Mikrofontypen oder Sättigungsgrade durch die Audiobearbeitung, das Erkennen von Fehlern wie Edit-Knacksern – all das lässt sich mit dem SHA900 um Größenordnungen besser erkennen als mit Bordmitteln. Das gilt uneingeschränkt auch für die Räumlichkeit, die (natürlich besonders mit offenen Headphones) gut zu beurteilen ist. Die Höhen- und feine Raumdarstellung ist nicht zuletzt auf die hervorragende Dynamik zurückzuführen, die auch steilste Transienten recht problemlos einfach durchzureichen scheint. Ja: Die kleine Silberkiste macht Spaß! Allerdings muss ich auch dazu sagen, dass beispielsweise der ifi in vielen der Disziplinen durchaus nah an den SHA herankommt. Er hat eine etwas andere funktionelle Ausrichtung, aber kostet ganz deutlich weniger.

Gute Kopfhörer profitieren besonders stark vom SHA900

Mit ordentlichen Kopfhörern macht sich der Unterschied von „handelsüblichen“ DACs/HP-Amps zum SHA900 deutlich bemerkbar. So war es etwa mit dem Beyerdynamic DT150, Koss Porta Pro, den Soundmagic E50C und auch Apples Earbuds aus dem Lieferumfang des iPhone 5S. Richtig spannend wird es aber, wenn man teurere Systeme bemüht. So konnten die Audio-Technica ATH-R70x ihre vollen Fähigkeiten ausspielen, auch die Audeze iSine20 hatten die Wiedergabekette, die nicht nur angemessen, sondern auch notwendig erscheint. Wirklich sehr gut ist, dass auch hochohmige Studiokopfhörer wie der AKG D-240DF problemlos hohe Pegel liefern konnten – sonst an schwachen Amps ein ausgesprochenes Problemkind.

EQ: Wenn man denn muss

Auch ohne Frequenzgangveränderung spielt sder SHA900 hervorragend. Einen eher schwachen Kopfhörer mit einem konstanten Equalizer zu verändern, mag hier und da zwar sinnvoll erscheinen, bei einem DAC/Pre für knapp 1000 Euro sollte man aber über die eigene Kaufstrategie nachdenken und besser erst einmal einen vernünftigen Kopfhörer kaufen. Zur Musikproduktion weniger, zum Musikhören jedoch durchaus sinnvoll kann es sein, die Wiedergabekurve an die persönlichen Bedürfnisse anzupassen. Und ja, manchmal merkt man, dass man doch ein wenig mehr Biss in den Präsenzen oder einen etwas geringeren Bassdruck auf den Ohren vertragen könnte. Der eingebaute Equalizer geht bei geringen Pegeländerungen sehr sorgsam zur Sache.

Falls er wirklich nötig ist, leistet der EQ gute Dienste.
Falls er wirklich nötig ist, leistet der EQ gute Dienste.

Kleine Einschränkungen bei der Bedienbarkeit

Die Bedienbarkeit ist prinzipiell sehr gut, im „Huckepackbetrieb“, also an die Rückseite eines Smartphones geklebt, benötigt man zur Einhandbedienung schon enorm lange Finger. Kleines Manko außerdem: Durch die Doppelbelegung des Datenkranzes mit Push-Funktionalität ist es mir des Öfteren passiert, dass ich im Menü irgendwelche Werte verändert habe und dann durch einen deutlich lauteren Part überrascht wurde, den ich nicht sofort mit dem Rad herunterregeln konnte. Ich finde, dass Wiedergabepegel immer im Direktzugriff regelbar sein sollte.

Der SHA900 steck meist verkehrt herum in der Tasche? Kein Problem: Die Anzeige lässt sich um 180° drehen!
Der SHA900 steck meist verkehrt herum in der Tasche? Kein Problem: Die Anzeige lässt sich um 180° drehen!
Kommentieren
Schreibe den ersten Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.