Produce-Alike #20 – Taylor Swift

Die US-Sängerin und Songwriterin Taylor Swift hat trotz ihrer erst 23 Jahre nicht nur sämtliche Rekorde in der sagenhaft erfolgreichen, aber international kaum wahrgenommenen Country-Szene gebrochen – sie ist auch einer der wenigen Stars aus diesem Genre, die rund um den Globus erfolgreich sind. Über 26 Millionen verkaufte Alben und sieben Grammys zeugen vom Aufstieg des einstigen Country-Wunderkinds in den weltweiten Hitparaden. Ihre aktuelle CD Red schaffte es in Deutschland auf Platz 5 der Charts.

© Universal Music (zur Verfügung gestellt) / Sarah Barlow
© Universal Music (zur Verfügung gestellt) / Sarah Barlow


Nach „We Are Never Ever Getting Back Together“ ist „I Knew You Were Trouble“ (hierzulande) die zweite Single aus diesem Album und markiert gleichzeitig einen weiteren Schritt weg von traditioneller Country-Music hin zu chartkompatiblem Mainstream-Pop. Ein Blick auf die Credits und alles ist klar: Verantwortlich für den Sound war wieder einmal der Schwede Max Martin, diesmal zusammen mit Shellback, der unter anderem bei Pinks „Raise Your Glass“ und Ushers „DJ Got Us Fallin’ In Love“ die Finger an den Reglern hatte. „I Knew You Were Trouble“ beginnt als fluffige Popnummer mit flotten 154 BPM, bis im Refrain ein schwerer Halftime-Groove mit entfernten Dubstep-Anleihen übernimmt. Wir haben den Song für euch in seine Einzelteile zerlegt.

1. Strophe

Das Intro ist kaum der Rede wert: Zwei Takte Gitarre, dann geht’s in die Strophe. Die gedoppelte, cleane E-Gitarre spielt die achttaktige Akkordfolge | F# | F# | C# | C# | D#m | D#m | B | B |. Wer dieses empfehlenswerte Video  gesehen hat, der weiß, dass man mit dieser Akkordfolge nie falsch liegt, wenn man einen Hit schreiben möchte! Hier hört ihr die Strophengitarre:

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E-Gitarre Strophe

Hinzu kommt eine Kickdrum, die vorerst der einzige Drumsound bleibt. Sie unterstützt die Betonungen der Gitarre:

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Kickdrum Strophe

Nach acht Takten, also zum zweiten Durchlauf der Akkordfolge, kommt ein E-Bass dazu, der Achtelnoten spielt. Ich habe wieder Spectrasonics Trilian mit dem Retro 60s Bass benutzt. Im Live-Mode kann man per Keyswitch Slides und andere Effekte einbauen, womit das „Hochrutschen“ beim Einsatz des Basses realisiert wurde.

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Bass Strophe
Der Live Mode von Spectrasonics Trilian ermöglicht es, Slides per Keyswitch einzubauen
Der Live Mode von Spectrasonics Trilian ermöglicht es, Slides per Keyswitch einzubauen

Beim dritten Durchgang gesellt sich eine Akustikgitarre hinzu, die im Hintergrund bleibt und nur für etwas Farbe und Breite sorgt. Sie spielt das gleiche Pattern wie die E-Gitarre:

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Akustikgitarre Strophe

Außerdem brauchen wir noch eine kleine Snare, die mit einem EQ so bearbeitet wird, dass nur der metallische, obere Frequenzbereich erhalten bleibt. Sie spielt den gleichen Rhythmus wie die Kickdrum.

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Snare Strophe
Per EQ wird der Snare der tiefe Frequenzbereich genommen
Per EQ wird der Snare der tiefe Frequenzbereich genommen

Damit ist die erste Strophe auch schon fertig:

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1. Strophe

Prechorus

Es folgt ein Prechorus, in dem der Rhythmus unterbrochen wird. Kick, Snare und Bass setzen hier aus. Auf der ersten „1“ liegt ein tiefer, verhallter Effektsound, den ich aus einer per Pitchbend nach unten gezogenen 808-Kick und einem Hall-Hit zusammengebaut habe:

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Hit Prechorus

Die beiden Gitarren nehmen die Akkordfolge des Refrains vorweg: | D#m | B | C# | F# C# | und spielen liegende Chords auf jedem Akkordwechsel. Unterstützt werden sie von einem Piano, wofür ich Native Instruments Alicia’s Keys benutzt habe. Der gesampelte Yamaha-Flügel von Alicia Keys ist Bestandteil von NI Komplete 9 Ultimate und ein gut klingendes, ausgewogenes Pop-Piano:

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Piano Prechorus
Bestandteil von NI Komplete 9 Ultimate: Alicia's Keys
Bestandteil von NI Komplete 9 Ultimate: Alicia’s Keys

Nach acht Takten beginnt die Steigerung hin zum Refrain. Der Bass und die Kickdrum setzen wieder ein, wobei letztere hier mit einem Tiefpassfilter bearbeitet ist und dumpfer klingt. Per Automation wird das Filter aktiviert und auch wieder abgeschaltet.

Ein Tiefpassfilter macht die Kick dumpfer
Ein Tiefpassfilter macht die Kick dumpfer

Eine ebenfalls gefilterte Snaredrum spielt Achtelnoten. Das Filter geht langsam auf und unterstützt so die Steigerung. Hierfür habe ich eine 909-Snare programmiert, die Spur durch das Filter meines Arturia Minibrute geschickt und dann mit manueller Filterfahrt wieder aufgenommen. Hier hört ihr zunächst das Ausgangsmaterial und dann die gefilterte Spur:

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Snare Prechorus (unbearbeitet / mit Filterfahrt)

In den letzten vier Takten darf auch die Snare aus der Strophe wieder mitspielen. Ganz am Ende bricht für einen halben Takt alles weg. Das ist ein effektvolles Mittel, um den Einsatz des Refrains zu betonen. Zusätzlich kommt ein Soundeffekt zum Einsatz, der an das manuelle Abstoppen einer Schallplatte erinnert. So etwas findet man in zahlreichen Sample-Libraries, meiner kommt aus dem Stylus RMX.

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Stop

So klingt der fertige Prechorus:

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Prechorus

Refrain

Im Refrain ändert sich das Feel des Grooves komplett. An die Stelle des federnden Strophengrooves tritt ein schweres Halftime-Feeling, das durch fette Drums markiert wird. Auch für die Refrain-Drums habe ich den Stylus RMX genommen. Der Kickdrum aus der Strophe wird eine zweite, mächtigere Kick beigemischt:

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Kick Refrain

Die Snare habe ich mit einem EQ etwas bauchiger gemacht und von störenden Mitten befreit. Die EQ-Einstellung hängt aber natürlich ganz vom Ausgangssample ab – EQ-Presets taugen meist nichts, besser ist die Einstellung nach Gehör. Zusätzlich bekommt die Snare einen leichten Bitcrusher-Effekt.

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Snare Refrain (vorher / nachher)
Fotostrecke: 2 Bilder Die Refrain-Drums stammen aus dem Stylus RMX

Der beliebte Rückwärtshall-Effekt kommt auch bei diesem Song wieder zum Einsatz. Dafür wird die Snare durch einen großen Hall geschickt. Die Hallfahne wird gesampelt und rückwärts abgespielt vor die Snare gesetzt. Dadurch wird der Groove quasi in die Zählzeiten 2 und 4 „hineingezogen“. Das Ganze hört sich dann so an:

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Refrain Groove

Die Kick und Snare habe ich zusätzlich über Sends auf einen Bus geschickt, auf dem ein weiterer, heftiger Bitcrusher arbeitet. Das „zerstörte“ Signal wird dann dem Mix leise beigemischt. So klingt der fertige Refrain-Groove:

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Refrain Groove mit Bitcrusher
Ein Bitcrusher arbeitet als Send-Effekt und fügt den Drums Schmutz hinzu
Ein Bitcrusher arbeitet als Send-Effekt und fügt den Drums Schmutz hinzu

Kommen wir zum Bass. Der E-Bass sitzt genau auf der Kickdrum:

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E-Bass Refrain

Das ist für den Refrain aber viel zu zahm. Deshalb habe ich einen gedoppelten Synth-Bass dazugemischt, der aus dem Minibrute stammt. Der Sound ist so programmiert, dass die Attackzeit der Filterhüllkurve in etwa einer Viertelnote entspricht. Auf diese Weise unterstützt der Sound das „Hineinziehen“ in die Zählzeiten 2 und 4. Da der Minibrute keine Speicherplätze hat, muss man sich die Settings anders merken, zum Beispiel mit verwackelten Handyfotos (früher waren Polaroids beliebt):

Urtümlich: Der Minibrute hat keine Speicherplätze – Presets merken per Handyfoto ist angesagt!
Urtümlich: Der Minibrute hat keine Speicherplätze – Presets merken per Handyfoto ist angesagt!

Hier hört ihr den Minibrute-Bass erst einzeln und dann gedoppelt. Im zweiten Klangbeispiel ist die Kombination aus E-Bass und Synth zu hören.

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Minibrute Bass Refrain Bass Refrain komplett

Auch die beiden Gitarren ordnen sich diesem schweren Groove unter. Sie werden überwiegend rückwärts abgespielt, wodurch auch sie einen ziehenden Effekt hin zur 2 und 4 bekommen. Ich habe die Spuren mit den liegenden Akkorden aus dem Prechorus kopiert, zerschnitten, umgedreht und rhythmisch so arrangiert, dass sie genau auf der Kick und den Bässen liegen. Dabei ist es ratsam, rückwärts abgespielte Passagen aus dem Ausklang der Akkorde zu nehmen und das, was vorwärts einmal das Anschlaggeräusch war, auszuklammern. Es kann sonst störend wirken. Außerdem bekommen beide Gitarren ein leichtes Achteldelay. So klingt die E-Gitarre im Refrain:

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E-Gitarre Refrain
Die Gitarren werden im Refrain rabiat zerschnitten und rückwärts abgespielt
Die Gitarren werden im Refrain rabiat zerschnitten und rückwärts abgespielt

Wie auch der E-Bass werden die Gitarren im Refrain von einem Synth unterstützt. Der unspektakuläre Sägezahn-Flächensound aus meinem Korg Poly 61 macht für sich genommen nicht viel her, liefert aber genau das Füllmaterial, das wir noch brauchen. Wie beim Synth-Bass öffnet sich das Filter per Hüllkurve, was zum Bass und zu den rückwärts abgespielten Gitarren passt. Der Sound bekommt noch einen Chorus verpasst und das gleiche Delay wie die Gitarren:

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Synth Refrain (vorher / nachher)

In Kombination mit den Gitarren klingt das dann so:

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Gitarren und Synth Refrain

Die Bässe, Gitarren und der Synth (also eigentlich alles außer den Drums) durchlaufen einen Bus, in dem ein Sidechain-Kompressor arbeitet. Dieser wird diesmal von der Kick und der Snare gespeist und drückt den Pegel der Instrumente bei jedem Drum-Hit nach unten. Da wir es hier ja nicht mit einer regelmäßigen Viertel-Bassdrum zu tun haben, sondern mit einem komplexeren Rhythmus, müssen die Kompression und vor allem die Release-Zeit mit Bedacht und nach Gehör sehr genau justiert werden, damit das Ganze in Kombination funktioniert. Richtig eingestellt verbindet sich die Kompression elegant mit den Rückwärts-Effekten und schafft gleichzeitig Platz für die Drums.
Für sich genommen, passiert im Refrain im Arrangement gar nicht viel. Kick und Snare sowie alle Instrumente spielen genau den gleichen Rhythmus, wobei ein treibendes, durchgehendes Element wie etwa eine Hi-Hat im ersten Refrain noch fehlt. Das übernimmt der Gesang mit den markanten Melodiesprüngen: „I knew you were…“

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Refrain

2. Strophe

Die zweite Strophe entspricht vom Aufbau her der ersten. Zu Beginn setzt die Kick zunächst aus und dann mit einem kleinen 16tel-Roll wieder ein. Im zweiten Durchgang setzt zusammen mit dem Bass eine glöckchenhafte Melodie ein. Da ich den Minibrute gerade angeschlossen hatte, habe ich mal ausprobiert, ob er auch einen solchen Klangcharakter liefern kann. Immerhin eignet sich die „Metalizer“-Schaltung der Dreieckswelle auch für allerhand „digitalere“ Sounds.

Minibrute Bell
Minibrute Bell
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Minibrute Bell

Was diesem Sound noch fehlt, ist eine hauchige Komponente, die man dem Minibrute nicht entlocken kann. Also habe ich ein Synth-Vox-Sample beigemischt, das ganz schlimm nach den frühen 90ern klingt:

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Synth Vox Synth Bell + Vox

Die beiden Sounds werden mit einem EQ und einem Exciter noch etwas „luftiger“ gemacht. Außerdem bekommen sie einen großen Hall und ein leichtes Delay. So rücken sie im Mix weit nach hinten.

Bells FX
Bells FX
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Bells fertig

Nach der zweiten Strophe gibt es keinen Prechorus, sondern es folgt direkt der Refrain. Deshalb kommt die gefilterte Snare hier schon während der Strophe zum Einsatz. Diesmal wechselt sie gegen Ende zu Sechzehntelnoten und gipfelt in einem Schlag der fetteren Refrain-Snare.  

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2. Strophe

Der zweite Refrain entspricht weitestgehend dem ersten, ist aber länger. Außerdem kommt eine leise geschlossene Hi-Hat auf den Offbeats hinzu.  

Mittelteil 

Danach folgt ein Mittelteil, in dem der Groove aussetzt. Nur eine E-Gitarre und ein Piano bleiben mit liegenden Akkorden stehen, wobei auch hier wieder Rückwärtseffekte im Spiel sind. Die Akkorde werden vorwärts angeschlagen und dann per Crossfade zu einer rückwärts abgespielten Kopie überblendet. Die Pitchbend-808-Kick sorgt für zwei Akzente.  

Fotostrecke: 3 Bilder Die Akkorde werden kopiert und umgedreht,…

Am Ende des Mittelteils wird ein halber Takt eingeschoben, was die Spannung vor dem letzten Refrain zusätzlich erhöht. Als Fill kommt einfach die Refrain-Snare zum Einsatz, die von der rückwärts abgespielten Hallfahne und von einem weiteren Noise-Effekt „angeschoben“ wird. So klingt der Mittelteil:

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Mittelteil

Im danach folgenden Schlussrefrain kommt eine weitere E-Gitarre hinzu, die Akkorde in Achtelnoten klopft:

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E-Gitarre 3. Refrain

Außerdem wechselt die Hi-Hat nach dem ersten Durchgang zu 32tel-Noten, was in starkem Kontrast zum schweren Halftime-Feeling steht und dem Song zum Ende hin Schub verleiht.
Damit können wir „I Knew You Were Trouble“ zusammensetzen. Ich hoffe, dass euch diese Folge wieder Spaß gemacht hat! Bis zum nächsten Produce-Alike.

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Song
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Aurel sagt:

#1 - 16.04.2013 um 22:15 Uhr

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Hammmer ich war schon am verzweifeln danke für die professionelen tipps :D

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micha sagt:

#2 - 18.04.2013 um 00:52 Uhr

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Könntest du vielleicht den rückwärts hall besser beschreiben bin ein Anfänger wäre super

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Lasse Eilers (bonedo) sagt:

#3 - 18.04.2013 um 20:37 Uhr

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Hi micha, danke für deinen Kommentar! Ich schicke die Snare durch einen großen Hall, wobei der Hallanteil recht weit aufgedreht ist (schließlich geht es hauptsächlich um die Hallfahne). Das Ergebnis bounce ich als Audiofile und schneide in einem Sample-Editor den Anfang weg (also den eigentlichen Snare-Sound), so dass nur der Ausklang des Halls übrig bleibt. Dieses Hall-Sample wird dann umgedreht (rückwärts) und auf einer Audiospur an die gewünschten Stellen gesetzt. Mit der Länge kann man dann direkt auf der Audiospur noch experimentieren. Manchmal hilft auch ein Fade-In dabei, den gewünschten Effekt zu erzielen. Viel Spaß beim Basteln! Viele Grüße, Lasse

Profilbild von micha

micha sagt:

#4 - 22.04.2013 um 03:15 Uhr

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Danke Lasse super erklärt :D

Profilbild von Fenox

Fenox sagt:

#5 - 15.05.2013 um 19:16 Uhr

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Verdammt gut erklärt!
wahnsinn das du dir die mühe machst das ganze nachzubauen und vorallem so teteiliert zu erklären!
Hilft SEHR wenn man im Pop genre produziert und muss unbedingt verbreitet werden!
lg

Profilbild von eardrop

eardrop sagt:

#6 - 26.06.2013 um 01:33 Uhr

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Hallo Lasse und micha,
ich habe eine andere Vorgehensweise für "heranfliegende" Snares oder Samples: Zuerst kehre ich das Sample um, mische dann einen großen Hall dazu, bounce das Ergebnis und kehre es wieder um.
Ist der Übergang zwischen Hallfahne und Sample zu fließend (Snares sollen ja immer noch perkussiv klingen), kann man hier hinterher den "Heranflug" kürzer schneiden.
Viele Grüße!

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