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Musik und Sucht – eine komplizierte Beziehung

Musik spielt im Leben vieler Menschen eine große Rolle. Sie hat einen starken Einfluss auf unsere Psyche und Emotionen und auch auf körperlicher Ebene beeinflusst sie stark die unterschiedlichen Systeme. Diese Wirkung von Musik auf uns Menschen wird in der Medizin und Psychologie schon seit längerem genutzt, um verschiedene psychische und physiologische Erkrankungen zu behandeln. Insbesondere bei Suchterkrankungen können mit Hilfe von Musiktherapie große Erfolge erzielt werden.

© Shutterstock, kim7

Die Beziehung von Musik und Sucht ist kompliziert. In Form von Musiktherapie, können besonders bei Patienten mit Suchtproblematik nachhaltig Verbesserungen erzielt werden. Doch gerade beim Konsumieren von Alkohol oder Drogen und für Musikschaffende kann Musik auch eine Suchtverstärkende Rolle einnehmen. Kein Wunder also, dass das Thema Sucht in so vielen Songs bekannter und weniger bekannter Künstler ein zentrales Thema darstellt. “Hurt” von Johnny Cash und “Cocaine” von Eric Clapton sind nur zwei der bekannteren Beispiele dafür. Musik und Sucht – eine komplizierte Beziehung.

Was ist eigentlich Sucht?

Sucht ist ein Begriff, der den meisten von uns wahrscheinlich bekannt ist. Der Grund dafür ist, dass es sich hierbei keineswegs um ein Randproblem der Gesellschaft handelt, sonder um eine Erkrankung, von der weltweit über 35 Millionen Menschen betroffen sind. Doch was genau bedeutet Sucht eigentlich und wie kann sie definiert werden?

Laut dem Bundesministerium für Gesundheit, beschreibt der Begriff Sucht “nicht nur die Abhängigkeitserkrankungen […], sondern die Gesamtheit von riskanten, missbräuchlichen und abhängigen Verhaltensweisen in Bezug auf Suchtmittel (legale wie illegale) sowie nichtstoffgebundene Verhaltensweisen (wie Glücksspiel und pathologischer Internetgebrauch).”.

Die WHO definierte Sucht 1957 als “einen Zustand periodischer oder chronischer Vergiftung, hervorgerufen durch den wiederholten Gebrauch einer natürlichen oder synthetischen Droge.” Das Vorliegen einer Suchterkrankung ist dabei gekennzeichnet durch vier Kriterien: die Schädlichkeit für den einzelnen und/oder die Gesellschaft, ein unbezwingbares Verlangen zur Einnahme und Beschaffung des Mittels, eine Tendenz zur Dosissteigerung (Toleranzerhöhung) und die psychische und meist auch physische Abhängigkeit von der Wirkung der Droge.

In diesem Artikel beziehe ich mich ausschließlich auf die Beziehung zwischen Musik und der Abhängigkeit von legalen und illegalen Suchtmitteln, wie Alkohol und Drogen.

Musiktherapie bei Sucht

Musik wirkt auf uns Menschen auf ganz vielfältige Art und Weise. Sie hat dabei einen großen Einfluss auf unseren Körper, unsere Psyche und unsere Emotionen (Lies dazu mehr hier: “Die Macht der Musik – wie wirkt Musik auf uns Menschen?“). Auf Grund der zahlreichen positiven Effekte von Musik sowohl auf psychischer, als auch auf physiologischer Ebene, wird Musik heute gezielt als therapeutische Maßnahme in der Medizin eingesetzt. Insbesondere bei Suchterkrankungen wird Musiktherapie gerne ergänzend zur Standardbehandlung eingesetzt. Doch wie kann Musiktherapie jetzt genau helfen? Zu diesem Thema wird viel geforscht und es gibt zahlreiche Studien, die die Wirkung von musiktherapeutischen Angeboten als Ergänzung zur Standardbehandlung untersuchen. Diese Studien geben uns reichlich Daten, auf deren Grundlage relativ gute Aussagen über den Erfolg von Musiktherapie bei der Behandlung von Suchterkrankungen gemacht werden können.

In der Musiktherapie unterscheidet man zwei verschiedene Ansätze: die rezeptive Musiktherapie und die aktive Musiktherapie. Rezeptive Musiktherapie bedeutet, Musik beispielsweise nur zu hören oder darüber zu sprechen und nicht (aktiv) selbst zu gestalten. Bei der aktiven Musiktherapie werden die Patienten selbst musikalisch aktiv, z.B. durch das Spielen eines Instruments.

Musiktherapie verfolgt drei wesentliche Ziele: ein verbesserter Umgang mit den eigenen Gefühlen, Reduzierung des Verlangens nach Drogen und Motivationssteigerung für eine Behandlung. Gerade Menschen mit einer Suchtproblematik nehmen oft illegale oder legale Drogen ein, um schwierige Gefühle zu verarbeiten. Hier soll die Musiktherapie bei der Verarbeitung der eigenen Gefühle helfen. „Ähnlich wie suchterzeugende Substanzen kann auch mit Musik das limbische und das Dopaminsystem, also das Belohnungssystem, moduliert werden. Schlechte Gefühle können so besser gemeistert werden, Spannungen, Ängste, Beziehungsblockaden können gelöst werden“, erläutert der Kinder- und Jugendpsychiater Prof. Dr. Thomas Stegemann, Leiter der Musiktherapieabteilung der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien. In der aktiven Musiktherapie ist besonders die Arbeit in der Gruppe wirksam. Dabei reicht das spielen von einfachen Instrumenten, wie zum Beispiel Percussion Instrumente. Die Patienten können Musikstücke oder Texte mitbringen, die sie beschäftigen. Diese werden dann gemeinsam besprochen. „In der Gruppe wird auch versucht, eigene Texte zu vertonen. Das hilft oft, um aus der passiven Haltung eines Patienten im Drogenmilieu zu einer aktiven Bewältigung von Problemen zu gelangen“ sagt Prof. Dr. Thomas Stegemann. Ergänzend zur aktiven Musiktherapie steht die rezeptive Musiktherapie, bei der die Entspannung im Fokus steht. Durch das Hören von beruhigender Musik sollen die Patienten lernen loszulassen und dass sie keine Drogen brauchen, um in einen Zustand der Entspannung zu kommen. “Patienten lernen durch Musik, dass man auch anders kann als mit Drogen“. Wichtig zu bedenken hierbei ist, dass nicht jede Musik bei jedem Hilft! Sie wirkt auf jeden anders und sollte daher immer individuell abgestimmt werden.

In einem Vergleich von 21 Studien mit insgesamt 1984 Teilnehmenden aus den Jahren 1988 bis 2021 wurde die Wirksamkeit von Musiktherapie als alleinige Zusatzbehandlung zur Standardtherapie, sowie im Vergleich mit anderen ergänzenden therapeutischen Maßnahmen untersucht. Der Fokus der Untersuchung lag auf dem Verlangen nach Drogen, der Motivation für die Behandlung und fürs abstinent bleiben, sowie der Wirkung auf Depression und Angstzustände, da diese die häufigsten Risikofaktoren für einen Rückfall sind. Die Ergebnisse dieses Vergleichs zeigen, dass durch musiktherapeutische Zusatzangebote das Verlangen nach Drogen verringert werden kann. Besonders bei mehr als einer Sitzung wird das Verlangen gesenkt. Außerdem konnte man sehen, dass bei einer ergänzenden Behandlung mit Musiktherapie die Motivation zur Behandlung deutlich stieg. Und nicht nur das, im Vergleich mit anderen ergänzenden Therapieangeboten, war die Motivation bei Patienten die an Musiktherapie teilnahmen höher, als bei Patienten die an anderen therapeutischen Zusatzbehandlungen teilnahmen. Im Vergleich dieser Studien konnte jedoch keine Evidenz für eine Wirkung auf Depression, Angstzustände und die Motivation abstinent zu bleiben gefunden werden, da keine aussagekräftigen Daten hierzu vorliegen.

Konsum und Musik

Musik hat aber leider auch ihre Schattenseiten. Sie ist oft eng mit dem Konsum von Alkohol oder anderen Substanzen verbunden. Besonders für Musikschaffende besteht ein hohes Risiko zu Suchtmitteln zu greifen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Entspannung und Stressreduktion, Partys, ein exponierter Lebensstil, Lampenfieber, Kreativitätssteigerung oder eine Schaffenskrise. Viele Musikrichtungen sind zudem mit spezifischen Substanzen assoziiert wie zum Beispiel Reggae mit Cannabiskonsum, Rock ´n´ Roll mit Alkohol und später mit Opiaten oder Techno–Musik mit Ecstasy und anderen synthetischen Drogen. Besonders Stimulanzien, wie Kokain oder Amphetamine spielen in der Musikbranche ein nicht zu unterschätzende Rolle.

Musikschaffende wie auch andere Kreative regulieren mit Substanzen häufig ihre oft hochsensiblen Befindlichkeiten und besonders starken Höhen wie auch Tiefen. Daher ist die Beziehung zu einzelnen Substanzen oft eine Liebes- und Hassbeziehung zugleich, die in Intervallphasen verläuft.

Prof. Dr. Thomas Stegemann weist zudem auf eine Studie hin, die die Auswirkung von Techno, Reggae und Rap auf junge Menschen untersucht: “eine hochaktuelle Studie der Universität Berkeley, Kalifornien, Prevention Research, über den Musikkonsum in Discos belegt: Technomusik, Reggae und Rapmusik stimulieren junge Menschen zu Alkoholkonsum, zu Drogen und zu aggressivem Verhalten.” Hier spielt auch das soziale Umfeld und das Zugehörigkeitsgefühl eine große Rolle im Bezug auf Anfälligkeit und Wahrscheinlichkeit des Konsumierens.

Verarbeitung von Sucht in der Musik

Viele Künstler sind mit dem Thema Sucht in Berührung gekommen. Sei es durch eigene Erfahrungen oder Fälle in ihrem Umfeld. Häufig war oder ist Sucht eine Erkrankung, die tiefe Spuren hinterlässt. Sie ist so einschneidend, dass viele Musiker ihre Gedanken und Gefühle, das Verlangen und den Kampf in ihren Songs verarbeiten. Drei der wohl bekanntesten Beispiele sind “Hurt” von Johnny Cash, “Cocaine” con Eric Clapton und “Rehab” von Amy Winehouse.

“Hurt” – Johnny Cash

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“Cocaine” – Eric Clapton

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“Rehab” – Amy Winehouse

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Musik ist etwas wundervolles und aus dem Leben der meisten von uns wahrscheinlich gar nicht mehr wegzudenken. Gerade im Bereich der Musiktherapie kann sie gezielt eingesetzt werden um Menschen mit den verschiedensten Problemen, wie zum Beispiel Suchterkrankungen, zu helfen. Doch gerade weil Musik auf so vielen Ebenen auf uns Menschen wirkt und uns Beeinflusst, muss besonders im künstlerischen Bereich und bei bestimmten Musikrichtungen, wie Techno oder Rapmusik, auch auf die enge Verbindung von Musik und Drogenkonsum geschaut werden. “Die Dosis macht das Gift“.

Dieser Artikel soll keinesfalls auf Vollständigkeit abzielen, sondern einen Überblick darüber verschaffen, wie vielfältig Musik unser Leben beeinflussen kann. Gerne könnt ihr in den Kommentaren zu diesem Thema diskutieren und eure Meinungen und Erfahrungen teilen!

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Wellenstrom sagt:

#1 - 05.05.2025 um 18:08 Uhr

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Liest sich für mich teilweise wie das Abspulen von gängigen Klischees. Nicht Musik ist verantwortlich für Drogenkonsum. Eher ist es die Identifikation des Rezipienten mit den Inhalten und Images, die dessen Idol transportiert. Die Vermarktungsindustrie dahinter, die Medien, verstärken diesen Effekt. Und ja, in gewissen Stilarten ist die textliche Verherrlichung von Drogen generell Teil des miesen Spiels. Ansonsten kann ich als Musikliebhaber und Musiker nur betonen, dass ich neben der Musik keine Drogen brauche. Würde meine Kreativität auch nur hemmen. Wer ernsthaft, mit einem gewissen Perfektionswillen ausgestattet, Songs schreibt, aufnimmt und editiert, braucht Klarheit in der Birne.

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