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Kann man als Musiker auch kreativ sein, wenn man keine Songs schreibt?

Kunst wird häufig untrennbar mit dem Wort “Kreativität” verbunden, ein Ausdruck, der oft inflationär gebraucht wird, ohne dass sich seine wirkliche Bedeutung erschließt. Denkt man an kreative Menschen, fallen einem die Namen von Genies wie Picasso, Leonardo DaVinci oder Bach ein.

(Bild: © PopTika / Shutterstock) 238323052)
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Inhalte
  1. 1. Begriffsdefinition
  2. 2. Inspiration
  3. 3. Interpretation
  4. 4. Werksbearbeitung
  5. 5. Neukreation
  6. Fazit


Allesamt Künstler, die ein komplettes Werk vom puren Gedanken bis hin zur vollendeten Ausführung “erschaffen” haben, was auf lateinisch nun mal mit “creare” übersetzt wird. Aber kann man als Musiker nur dann als kreativ gelten, wenn man ganze Werke komponiert?

Quick Facts:

  • Der Begriff Kreativität wird unterschiedlich definiert. Laut Duden beispielsweise ist die Kreativität oder Erfindungskraft die “Kraft, Fähigkeit, Neues zu schaffen oder [praktische] Probleme auf eine neue Art und Weise zu lösen.”
  • Jeder kreative Prozess ist das Zusammentragen und Neukombinieren von Bekanntem, daher ist die Imitation eine Voraussetzung für das Erschaffen.
  • Bereits die Interpretation eines Stückes setzt kreative Denkprozesse voraus und die Fähigkeit, eine Vision in die Realität umzusetzen.
  • Auch das Kreieren von Instrumentenparts zu bestehenden Songs oder die Werksbearbeitung und das Arrangieren verlangen ein hohes Maß an Kreativität.
  • Die am meisten anerkannte Form ist die Werkskomposition, die jedoch auch häufig handwerklichen Prämissen unterliegt.

1. Begriffsdefinition

Sucht man nach einer konkreten, allgemeingültigen Definition des Kreativitätsbegriffes, stößt man schon auf einige Schwierigkeiten, da es hierzu unterschiedliche Modelle gibt.
Für Wikipedia bedeutet Kreativität “die Fähigkeit, etwas zu erschaffen, was neu oder originell und dabei nützlich oder brauchbar ist” und was “… die Eigenschaft eines Menschen, schöpferisch oder gestalterisch tätig zu sein …” voraussetzt.
Gemäß dem amerikanischen Intelligenzforscher Joy Paul Guilford zeichnet sich der kreative Mensch durch eine erhöhte Sensitivität gegenüber Problemen aus und sein Denken ist sehr flüssig, was bedeutet, dass er z.B. in der Lage ist, sehr schnell viele Verwendungsmöglichkeiten für z.B. einen Ziegelstein zu finden. Was auch als “Ziegelstein-Test” in der Kreativitätsforschung bekannt ist.
Natürlich könnte ich noch mehr Wissenschaftler mit weiteren Definitionen anführen, doch als Grundlage für unsere Überlegungen soll diese ausreichen.

2. Inspiration

Jede Kunstform muss sich eingestehen, dass sie eine Mischform aus dem kreativen Anteil, sprich, aus der Kunst, und dem Handwerk ist. Je nach Disziplin fällt die Gewichtung zwar unterschiedlich aus, Musik gehört jedoch definitiv zu einer Form, deren technischer Anteil sehr hoch, die aber dadurch auch gut trainierbar ist. Letztendlich ist alles, was wir spielen oder komponieren, eine Synthese aus verschiedenen Einflüssen, die wir entweder gehört, geübt oder gelesen haben.
Für Außenstehende bedeutet Kreativität häufig, dass aus dem Nichts vollkommen Neues geschaffen wird, aber das ist mitnichten der Fall. Vielmehr setzen wir bereits Bekanntes neu zusammen oder variieren bereits vertraute Bausteine. Insofern gilt: Je mehr ich kenne, desto größer ist mein Baukasten, aus dem ich mich bedienen kann. Sätze wie: “Ich will keine Songs covern, denn das ist unkreativ”, sind natürlich Nonsens, wenn man noch nie einen Fremdsong gespielt hat. “Imitate, assimilate, innovate” – Imitieren, Aneignen und Erschaffen ist das Dreigestirn für Kreativität!

Einsteins "Kreativitätstheorie"
Einsteins “Kreativitätstheorie”

3. Interpretation

Streng genommen muss man sagen: Wenn Kreativität die Schaffung von etwas Neuem ist und man davon ausgehen muss, dass jeder Musiker eine ganz individuelle Handschrift hat, die nur er besitzt, so muss man sich eingestehen, dass jede Werksinterpretation und auch jeder Coversong auf eine gewisse Art und Weise bereits einen kreativen Prozess beinhaltet. Dieser mag zwar klein sein und die Definition in Punkt 1 ergänzt schließlich noch, dass das Geschaffene “originell und dabei nützlich oder brauchbar” sein muss, aber natürlich kann man sich auch beim “Nachspielen” kreativ ausleben.
Wäre dies nicht der Fall, so wäre fast der komplette Zweig der klassischen Musik voll von unkreativen Musikern. Aber dennoch schaffen es gute Interpreten, jedem Stück ihre persönliche Handschrift zu verleihen und es entstehen seitens der Zuhörerschaft sogar Vorlieben, wie z.B. für die Bach-Interpretation eines David Russel oder John Williams.
Demnach ist schon alleine das Umsetzen einer künstlerischen Vision in einer Interpretation ein kreativer Prozess, der auch tatsächlich etwas Neues und Ungehörtes schafft und demnach ein wichtiges Kriterium der Definition erfüllt.

4. Werksbearbeitung

Die “Funk Brothers” zählen zu den einfluss- und erfolgreichsten Studiobands aller Zeiten und haben unzähligen Hits und dem Plattenlabel Motown zu beispiellosem Erfolg verholfen. Komponiert haben sie die Welthits nicht, aber was wäre “Ain’t no mountain high enough” ohne die markante James Jamerson Bassline?
Beispiele wie diese ließen sich unendlich fortführen, bedenkt man Steve Lukathers Introriff zum Michael Jackson Klassiker “Beat it” oder das Akkordlick zum “Sam and Dave” Hit “Soul man” mit Steve Cropper an der Gitarre. Ein anderes Beispiel wäre noch George Martin, der seines Zeichens für die Arrangements etlicher Beatles-Songs verantwortlich ist und auch gerne als “fünfter Beatle” bezeichnet wird, da seine Rolle im Beatles-Sound gar nicht hoch genug einzustufen ist.
In allen genannten Fällen haben wir es nicht primär mit kompositorischer, sondern vielmehr bearbeitender und arrangiertechnischer Kreativität zu tun. Und die gestaltet sich unter Umständen sogar als sehr schwierig, da sie innerhalb eines eng gesteckten Rahmens stattfinden muss, wohingegen der Komponist fast völlige Freiheit genießt.
In diesem Fall ist also auch das Liefern von Gitarrenparts oder das Bearbeiten eines Stückes, sei es im Rahmen eines Studiojobs oder einer Aufführung, bereits Ausdruck eines kreativen Prozesses. Dass der sich dem Publikum nicht unbedingt unmittelbar und augenscheinlich erschließen muss, besagt nicht, dass er nicht indirekt anerkannt und respektiert wird.

5. Neukreation

Hier sprechen wir wirklich von der Komposition eines Stückes, d.h., der Erschaffung von Form, Melodie und Harmonik, was sicherlich die intensivste Stufe des kreativen Prozesses in der Musik ist. Doch auch hier muss man etwas Wasser in den gerne mystifizierten Wein gießen, denn bestimmte Hörgewohnheiten oder Zielsetzung der Komposition geben bestimmte Regeln vor.
Hat man im Modern Jazz, Fusion oder Avantgarde sicherlich enorme Freiheiten in allen Disziplinen, so unterliegt Musik, die einer halbwegs großen Masse an Zuhörern gefallen soll, häufig bestimmten Zwangsläufigkeiten. Formal sind es sehr oft Strophen und Refrains, deren Taktlänge meist ein Vielfaches von 4 sind, z.B. eine 16-taktige Strophe gefolgt von einem 8-taktigen Refrain. Auch die Taktart bewegt sich meist im 4/4, 3/4 oder 6/8 Rahmen.
Harmonisch bleibt man gerne innerhalb einer Tonart, also diatonische Akkorde, Zwischendominanten und Modal Interchange, möglicherweise auch mal eine Modulation. Die Melodik muss sich natürlich entsprechend der Harmonik innerhalb gewisser Raster bewegen, und für Sänger auch singbar sein, wodurch gewisse Sprünge und ein übergroßer Ambitus wegfallen dürften.
Berücksichtigt man all diese Punkte, wird bereits ein gewisses Korsett vorgegeben, innerhalb dessen man sich bewegt, und auch hier kann man natürlich Handwerk und Vorgehensweisen erlernen. In vielen kompositorischen Bereichen muss man das sogar, denn ein Filmkomponist, der innerhalb von zwei Wochen einen Titel abgeben muss, kann nicht darauf hoffen, dass irgendwann die Inspiration zuschlägt. Aber auch in einem solchen Job gibt es Techniken, die über Tage hinweghelfen, in denen die Muse nicht küsswillig ist.
Und was überwiegt? Kreativität oder Technik?
Vermutlich kommt auch hier das eine ohne das andere – bewusst oder unbewusst – nicht aus.

Fazit

Kreativität hat viele Gesichter und man muss sich nicht unkreativ fühlen, nur weil man noch keinen Song geschrieben hat. Alle anderen musikalischen Ausdrucksformen sind ebenso wichtig, und auch Songwriter brauchen kreative Instrumentalisten oder Arrangeure, die ihre Songs auf eine höhere Ebene tragen können. Wer dennoch den inneren Drang spürt, Songs zu schreiben, muss davor keine Angst haben oder gar Blockaden entwickeln, denn Songwriting kann man erlernen – und vor allem üben!

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