Izotope Neoverb Test

iZotope, ein Audiosoftwarehersteller mit Sitz in Cambridge, ist im Laufe der Zeit zur festen Instanz in der Plugin-Bearbeitung von Audiomaterial geworden. Ob es Plugins, Hardware oder gar mobile Apps sind: Hier gibt es stetig hohe Qualität gepaart mit intuitiven Benutzeroberflächen. 

Der Neoverb ist iZotope´s erster eigener Reverb.
Der Neoverb ist iZotope´s erster eigener Reverb.

 
Aber nicht nur Musiker und Produzentensind begeistert, auch Mastering-Profis schwören auf die Produkte, die sich bereits kurz nach der Firmengründung als verlässliche Werkzeuge in der professionellen Klangbearbeitung, sprich im Film, erwiesen haben. Abgesehen von den omnipräsenten Masteringtool Ozone 9 und der Restaurationsspezialisten RX 8 kamen aber auch immer mehr kreative Ansätze aus der Schmiede: Mit Multieffekten wie Stutter 2 oder Vocalsynth 2 ist es ihnen mit diesen Ansätzen beispielsweise sehr gut gelungen, Bekanntes neu zu interpretieren.

Was daran interessant ist, ist, wie bestehende Bausteine in Form von Equalizern oder harmonischen Verzerrern immer wieder geschickt neu implementiert werden. Dadurch entstand auf natürliche Art und Weise ein vertrautes Gefühl über die gesamte Produktlinie hinweg. Und nun also der erste Reverb – ich bin gespannt!

DETAILS

Yet another Reverb-Plugin?!

Sehr viele Hersteller bieten algorithmischen Hall als Softwarelösung und man kann behaupten, dass die meisten einen guten Dienst erweisen. Da stellt sich die berechtigte Frage, ob es sich aus Herstellersicht überhaupt lohnt, in der „Königsdisziplin Reverb“ zu agieren.
Hardware-Boliden wie die von Lexikon, Eventide oder Bricasti dienen jedenfalls als Messlatte, wobei es sich in den Grundzügen schließlich auch nur um ein Stück Code handelt. Aber immerhin: Im M7 beispielsweise sorgen sechs Dual-Core-600MHz für die notwendige Infrastruktur. 

Der Neoverb ist iZotope´s erster eigener Reverb.
Der Neoverb ist iZotope´s erster eigener Reverb.

Was für viele Anwender heute wie damals aber eine Wissenschaft für sich ist, ist die Fülle an Parametern, die ein algorithmischer Reverb für die maximale Authentizität in der Regel mit sich bringt.
Dahinter verbergen sich die entscheidenden Möglichkeiten, die den Nachhall, die Beschaffung des Raumes oder eben die Position der Quelle beeinflussen. Manchmal will man aber einfach nur den Hall für die Vocals anpassen oder Raum für die Snare schaffen – und steht dann prompt vor so einer Flut an Parametern. Und genau das will Neoverb nun besser machen.

Back to the Roots

Die Geschichte vom Neoverb ist aber gar nicht ganz so Neo, denn was auf den ersten Blick schön verpackt und modern daher kommt, hat viele Jahre Know-how auf dem Buckel. iZotope hat 2019 mit der Übernahme von Exponential Audio auf einen Schlag riesiges Reverb-Fachwissen in das iZotope-Team geholt.

Der R4 von EA ist ein hervorragend klingender Hall mit sehr vielen Einstellungsmöglichkeiten – die hässliche und stark überfrachtete GUI kann aber auch schnell überwältigend wirken.
Der R4 von EA ist ein hervorragend klingender Hall mit sehr vielen Einstellungsmöglichkeiten – die hässliche und stark überfrachtete GUI kann aber auch schnell überwältigend wirken.

Exponential-Audio- und Hall-Experte Michael Carnes war vor seiner Gründung nämlich der Entwickler des legendären 960L-, PCM96- und Lexicon-Plugins von Lexicon und etablierte sodann seine eigenen Plugins in Form von R4, PhoenixVerb Surround und Symphony, insbesondere für Audioprofis im Filmbusiness.
Spätestens jetzt sollte also klar sein, dass es hier nichts von der Stange gibt, sondern dass viel Erfahrung und Entwicklung in den Neoverb geflossen sind.

Drei Räume auf einmal

Das Herzstück des Izotope Neoverb ist die Morph-Sektion bzw. das Blend-Pad. Hier kann man drei verschiedene Reverb-Engines miteinander vermischen und zu einem sehr komplexen Gesamteffekt erklingen lassen. Die Räume, die es zu verschmelzen gilt, sind in drei Größen unterteilt und links zu finden: small, medium und large.

Das Herzstück des Neoverb, das Blend Pad
Das Herzstück des Neoverb, das Blend Pad

Oben in Blau übernimmt Small die Reflections, die in Millisekunden dargestellt werden. Darunter findet sich in Magenta der Medium Hall. Er ist in Sekunden und mit Room, Medium Chamber sowie Plate Algorithmen wählbar. Als letztes folgt in Orange der große Hall bzw. die Long Chamber. Bei allen drei Algorithmen hat man direkten Zugriff auf die Nachhallzeit, die auch Space genannt wird.
Gut gelöst wurde außerdem die Darstellung der weiteren Parameter des jeweiligen Hall-Effekts. Mit einfachem Auf- und Zuklappen des Reiters kann man tiefer in den Raum eingreifen und mithilfe von 17 weiteren hallspezifischen Parametern wie zum Beispiel Decay Time, Size, Damping, Diffusion, etc. feinere Einstellungen vornehmen.  

Fotostrecke: 3 Bilder Hier seht ihr die drei Raumkategorien auf einen Blick …

Auf der rechten Seite befindet sich die Modulationssektion. Mithilfe eines X-Y-Pads kann man die Hallparameter in der Zeit modulieren und dadurch subtile Abwechslungen in der Hallfahne schaffen. Das geht theoretisch auch alles mit Bordmitteln der DAW – ist aber umständlicher. Es folgen darunter Pre-Delay mit Tempo Sync und Smooth. Smooth ist ein Glättungswerkzeug, mit dem die Transienten beim eingehenden Signal gemildert werden. Das Ergebnis ist ein weicher und ausgewogener Klang.
Es folgen der bekannte Dry/Wet-Anteil sowie die Ausgangslautstärke des Halls. Bis hierhin wirkt soweit vieles familiär. Kommen wir nun also zu dem, was wirklich NEO ist, dem Reverb Assistant, und hören uns das Ganze in der Praxis einmal genauer an!

Übersichtlich und intuitiv ist auch die kleine Modulations-Sektion
Übersichtlich und intuitiv ist auch die kleine Modulations-Sektion

Praxis

Alles easy

Mit Ableton Live 10 verlief die Installation unter OS Catalina 10.15.7 reibungslos. Beim ersten Öffnen des Plugins wird die klare Benutzeroberfläche deutlich. Das einfache Layout tut nicht nur dem Auge gut, sondern wirkt auch selbsterklärend und einladend. 

Neo ist die KI

Neben den Presets findet man ganz unscheinbar den „Reverb Assistant“. Beim Anwählen erscheint ein Menü mit Attributen, wie Style, Size und Tone. fordert auf sich in Emotionen auszudrücken als eine Wissenschaft daraus zu machen. Mit Slidern und Bildern kann man den gewünschten Raum in Echtzeit gestalten. Drückt man weiter, fängt Neoverb an – „A Reverb That Listens“ – das Ausgangsmaterial zu analysieren und Pre- sowie Post-EQ entsprechend anzupassen.

Fotostrecke: 4 Bilder Das Menu des Reverb Assistenten

Unten im Fenster sieht man schlussendlich das grafische Resultat der Reverb-Assistant-Analyse. Mithilfe des Pre-EQ wurden störende Resonanzen im Eingangssignal entfernt, bei der Unmask-Funktion (Reverb-EQ) wurden sie im Frequenzbereich das Halls hingegen ganz vermieden.

Mich erinnert diese Funktion stark an Plugins wie SmartEQ2 und Smoothe 2: Werkzeuge, bei denen Audiomaterial analysiert und lästige Resonanzen aufgedeckt bzw. entfernt werden. Beim Neoverb wirken diese Änderungen zunächst nicht so brachial und hören sich natürlich an. Erst beim A/B-Vergleich wird deutlich, was der AI-Algorithmus so anstellt. Das Ergebnis ist jedenfalls ein sehr harmonisches und liefert ein ausgeglicheneres Gesamtbild. 
Bei meinen Hörbeispielen habe ich eine Auswahl der vorgegebenen Presets benutzt und nur wenig den Effektanteil verändert sowie den Reverb EQ leicht angepasst. Grundsätzlich bietet der Neoverb eine gute Auswahl an Presets für verschiedene Anwendungen und hilft somit schnell einen Grundvibe zu finden, um von da aus den Raum nach seinem eigenen Geschmack weiter zu formen.

Audio Samples
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Cajon DRY Cajon Preset Airy Snare+Snap+Room Cajon RA Realistic Small Bright Synth DRY Synth RA Realistic Large Airy Synth RA Realistic Small Bright Vocals DRY Vocals M.Chamber only Vocals Plate only Vocals RA Dramatic Long Dark Vocals Room only Bass DRY Bass Guitar slap Vocals DRY Vocals+ Fat+Plate+ low+end+shelf+cut Git DRY Git medium bright+Guitar+chamber Electronic Drums DRY Electronic Drums Plate Natur-Drums DRY Natur Drums M clean Nylon DRY Nylon Medium Hall bright – Western Guits DRY Western steel+string+Strumming Moog DRY Moog+Bass Preset+Lush+Synth

Ob es das Lush Synth Preset für den Moog Bass oder für die Western Gitarre das steel string strumming Preset, es ist für jeden etwas dabei und alles klingt schon „ready to use“. Besonders hervorzuheben sind die kleinen Räume (Early Reflections) die es mir angetan haben und ich sehr bemerkenswert fand. Die Attribute Clean & Dark beim Reverb Assistenten waren fast immer meine Favoriten und konnten fast überall eingesetzt werden ohne langweilig zu werden. 
Das Airy Snare Prest verleiht dem Cajon beispielsweise einen sehr organischen Raum. Mit Hilfe des Assistenten gewinnt der Synth wiederum einen realistischen Hall und mit dem Airy Attribut kann man schönden „Slap“ Effekt hören der durch das Pre-Delay beeinflusst werden konnte. Alternativ wurde mit dem Reverb Assistenten einen kleinen Raum gewählt und diesmal mit dem Attribut Bright verfeinert. 
Bei den beiden Vocals hört man schwer einen Unterschied zwischen dem Plate und dem M-Chambers, wie ich finde.  Dramatic Long & Dark zeigt hingegen schön dichten Nachhall.

Fazit

Mit dem Neoverb ist iZotope ein gelungenes Reverb-Plugin auf dem Markt erschienen, das klanglich wie ergonomisch heraussticht. Es ist inspirierend, einladend und modern – ein wirkliches Go-to-Reverb! Mithilfe der AI bietet sich immer ein guter Orientierungspunkt für den Grund-Vibe an. Darüber hinaus eröffnen sich genug Optionen, um weiter zu individualisieren. Im Handumdrehen können Spuren auf diese Weise unkompliziert veredelt werden: einfach den Reverb Assistant wählen, Attribute bestimmen, Pre-EQ /Reverb-EQ setzen lassen, dazu eine Brise Modulation mit dem X-Y Pad hinzufügen – et voilà: Fertig ist die Hall-Suppe. Langes Herumschrauben gehört damit der Vergangenheit an – stattdessen kommt Neo zur Rettung aus der Zukunft.

PRO

  • Sehr guter Klang
  • Schneller und effizienter Workflow 

  • Intuitive Bedienung des 
Reverb Assistant
  • Kreativer Ansatz durch die Künstliche Intelligenz
  • Vielseitige Möglichkeiten durch das Mischen von drei Räumen


CONTRA

  • 
Mediumräume klingen recht ähnlich
Der Neoverb ist iZotope´s erster eigener Reverb.
Der Neoverb ist iZotope´s erster eigener Reverb.

FEATURES

  • Reverb-Assistent: unkompliziert komplexe, benutzerdefinierte Reverbs erstellen.
  • Blend Pad: Drei verschiedene Arten von Reverbs zu einem mischen.
  • EQ-Bereich: Manuell oder durch AI kann das Signal entzerrt werden.
  • Erweitertes Bedienfeld: Tiefer eintauchen in den Raumklang mithilfe von 17 weiteren Parametern
  • Modulation (Mod): ein Modulationsfeld mit XY Pad
  • Presets: mit über 100 abgestimmten Presets
  • 64 Bit in allen gängigen Formaten (AU, AAX, VST2, VST3)

Preis

  • EUR 149,- (Straßenpreis am 4.2.2020)
Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • Sehr guter Klang
  • Schneller und effizienter Workflow 

  • Intuitive Bedienung des 
Reverb Assistant
  • Kreativer Ansatz durch die Künstliche Intelligenz
  • Vielseitige Möglichkeiten durch das Mischen von drei Räumen

Contra
  • 
Mediumräume klingen recht ähnlich
Artikelbild
Izotope Neoverb Test
Für 65,00€ bei
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Der Neoverb ist iZotope´s erster eigener Reverb.

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Profilbild von Ingo Knito

Ingo Knito sagt:

#1 - 27.07.2022 um 11:39 Uhr

0

Bzgl, der hier verwendeten Klangbeispiele - "Natur-Drums Dry" nennt sich eins der Beispiele. Aber Moment - was man da hört sind komische Synth Sounds die mit Drums, erst recht mit Natur-Drums nichts zu tun haben. Echte Drums gibts bei Pearl, DW, Tama u.s.w

    Profilbild von carsten canay

    carsten canay sagt:

    #1.1 - 07.07.2023 um 10:30 Uhr

    0

    Dann hör dir mal das Electro Drum an, klingt eher nach Klampfe, und das letzte Beispiel sind deine NatureDrums getarnt als NylonGtr..

    Antwort auf #1 von Ingo Knito

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    +1
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