Heritage Audio Herchild 670 Test

Heritage Herchild 670Es muss gehörig Spaß gemacht haben, die Audio-Weltöffentlichkeit über das neue Gerät zu informieren und den Namen preiszugeben. Ob nun nach „UnFairchild“ und „Herchild“ eine ähnliche Bewegung losgetreten wird wie mit den unsäglichen Namen für Friseursalons? Ich hoffe nicht, und ich glaube nicht. Viel wichtiger als die Namensgebung ist natürlich, wie sich die Spanier dabei schlagen, den heiligen Gral der Dynamikbearbeitung aufleben zu lassen. Dieser Test soll dazu Erkenntnisse schaffen. 

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Clone des Fairchild 670 Röhrenkompressors im Test

Ich habe online einen gut erhaltenen Fairchild 670 mit der Seriennummer 22 aus den Ardent Studios in Memphis zum Kauf angeboten gesehen. Wer sich beeilt: Das Gerät ist sogar reduziert und nun ganze 20000 Dollar preiswerter. Es kostet jetzt nur noch 360000 statt 380000 Dollar. Schnäppchen also (Na, wer hat alles die Nullen gezählt?). Man bekommt allerdings aktuell auch noch 670er für einen sehr satten fünfstelligen Betrag…

Quick Facts zum Heritage Herchild 670

  • Fairchild-670-Clone
  • 22 Röhren, 9 Übertrager
  • SC-Filter und DC-Threshold
  • 6 HE
  • Made in Spain

Heritage Herchild 670: zweikanalig, Herchild 660: einkanalig

Das Vorbild des Heritage Herchild 670 ist der Fairchild 670. Dieser ist die Stereoversion des zur ungefähr gleichen Zeit erschienenen Fairchild 660, entsprechend gibt es auch von Heritage die einkanalige Version Herchild 660. Beliebt ist die Stereoversion vor allem deshalb, weil sie vor allem für den Schallplattenschnitt ein MS-System bereit hält, welches statt linkem und rechtem Kanal Mitten- und Seitensignal bearbeitet. Heutzutage ist das bei der Buscompression und im Mastering von Belang. 

22 Röhren, 9 Übertrager im Herchild

Der massige Vari-Mu-Kompressor Heritage Herchild 670 ist stolze sechs Höheneinheiten hoch. In der Praxis sollten es dann sieben oder acht sein, denn man ist gut beraten, für ausreichende Luftzirkulation im Rack zu sorgen. Allein die 22 Röhren, auch wenn es hier nicht um Endstufenröhren geht, produzieren reichlich Abwärme. Wer sich wundert: Sogar der Sidechain bedient sich der Röhrentechnik. Allerdings zeigt sich bei genauerem Hinsehen, dass Heritage hier keinen 1:1-Klon gebaut hat. So ist das interne und rückseitige Layout des Geräts anders, neben den Positionen sind auch weitere Abweichungen zu erkennen. So besitzt das Original 20 Röhren und 11 Übertrager. Viel wichtiger: Die Röhrenbestückung ist anders als beim Fairchild, was nicht nur auf die Verfügbarkeit und die Preise einiger Röhren, sondern auch auf deren Verschleiß zurück zu führen ist. So finden sich EC81, ECC83 und ECC99 aus slowakischer sowie 5749-Pentoden (mechanisch stabilere 6BA6-Variante) aus französischer Produktion. 

Röhren
Fotostrecke: 6 Bilder Da ist RICHTIG was los auf der Rückseite. Röhren und Trannys, wohin das Auge blickt.

Für Klang und Verhalten sind die Eingangs- und Ausgangsübertrager sehr wichtig. Heritage hat für diesen Zweck Custom-Übertrager anfertigen lassen. Bei AMT wird der UT 26, bei CineMag der Triad HS-52 gefertigt (der als NOS-Teil gerne mal einen vierstelligen Preis aufruft – und ein 670 hat zwei davon!). 

Fairchild 670 auf der Front – mit ein paar Erweiterungen

Blickt man dem Heritage Herchild 670 ins Gesicht, ist sofort deutlich, dass das Design sehr nah am Original ist. So ist erkennbar, dass ein 670 ein „doppelter“ 660 ist. Die oberen drei HE sind der linke oder M-, die unteren der rechte oder S-Kanal. Links sind die Meter, rechts davon die Knebelschalter zur Auswahl, ob die Meter Gain Reduction oder das Balancing der Röhren anzeigen. Die Trim Pots für das Meter- und Tube-Balancing befinden sich darunter. Input Gain und Threshold schließen sich rechts an. Time Constants, also Attack-Release-Kombinationen, gibt es wie beim Original sechs Stück, mit jeweiligen Zeitwerten und programmabhängiger Release bei 5 und 6 wie beim Original. 

Blick über Front
Fotostrecke: 7 Bilder Der Herchild 670 orientiert sich auch optiosch sehr stark am originalen Fairchild 670.

Nicht bei ungemoddeten Fairchild vorhanden sind Änderungen der Dynamikkurve und die spektrale Beeinflussung des Sidechains. Beim Heritage Audio Herchild 670 kann jedoch mit „DC Threshold“ auf Kurve und Knee Einfluss genommen werden und ein Filter mit vier Eckfrequenzen von 50 bis 350 Hz in den Sidechainweg gelegt werden. Ersteres kann natürlich nicht konkreten Ratios zugeordnet werden, weil der Verlauf oberhalb des Thresholds bei einem Fairchild alles andere als linear verläuft, letzteres dient dazu, den Einfluss der Energie im Bass auf die Regelung zu reduzieren. 

Der Zweikanalbetrieb kann mit einem vierstufigen Schalter individuell eingestellt werden, in Stereoverknüpfung, im verlinkten oder im unverlinkten MS-Modus („LAT/VERT“, nach den Bewegungen des VInyl-Schneidestichels benannt). 

Heritage Audio Herchild 670 im Rack

Für den Test des Heritage Audio Herchild 670 habe ich es mir wie immer gespart, das Rackgerät auch in einem solchen unterzubringen. Hätte ich es getan, hätte ich mich sicher über die doppelten Öffnungen für Rackschrauben gefreut, mit denen auch bei Rackschienen mit Bohrungen im 1HE-Abstand eine Positionierung auf halber Höhe möglich gewesen wäre. Oben und unten ein 1/2HE-Lochblech wird zur Belüftung ausreichen. Die Herstellung des Röhrengeräts erfolgte offenkundig unter Verwendung hochwertiger Bauteile und mit Sorgfalt in Spanien. Das sollte auch nicht anders zu erwarten sein bei einem Gerät dieser Preisklasse. 

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Die Bedienung des 670 ist ein Genuss. Satt und deutlich lassen sich die rieisigen Elemente bewegen, die Rasterungen vereinfachen Session Recalls – für die sich selbstredend im Manual klassische Recall Sheets befinden. 

Schalter und Regler
Der riesige Röhrenkompressor lässt sich hervorragend bedienen.

Vergleichsgeräte für den Herchild 670 

Zum Vergleich in diesem Herchild-Review nutze ich in erster Linie meinen Amtec Model 099. Dieser ist ein „auf den Kopf gestellter“ 660, was lustigerweise auch für die Modellnummer gilt. Lukas Piotrowski aus Gdyna hat das Konzept des 660 stark erweitert und gleichzeitig den Röhrenaufwand verkleinert: Der Amtec kommt mit zwei ECC81 und einer ECC83 aus, klingt aber dennoch umwerfend und absolut nach Fairchild. Der 099 wird aber nicht mehr hergestellt. Zeitgleich hatte ich den Chandler RS660 zu Besuch, der im Grunde eine Mischung aus den auch in den Abbey Road Studios benutzten Fairchild 660 und EMI/Hayes RS124 darstellt. Zudem konnte ich im Test Signale durch meinen Electric & Company EC5B jagen, der zwar ein Vari-Mu ist, aber auf dem 1176-Vorgänger Universal Audio 175b beruht. 

Klang des Fairchild-Klons

Wer zum ersten Mal einen Fairchild im Einsatz hört, ist üblicherweise begeistert – typischerweise nicht dann, wenn er eingeschaltet wird und anfängt zu arbeiten, sondern dann, wenn man ihn zum ersten Mal aus dem Signalfluss nimmt und auffällt, was dann alles „fehlt“. Es gibt kaum einen Signaltyp, der nicht durch einen Fairchild aufgewertet werden könnte. Aus heutiger Sicht größtmögliche Transparenz beim Regeln liefert ein solches Röhrengerät beileibe nicht, aber vom vorsichtigen Zähmen von hervorstechenden Spitzen über das fast schon „mitdenkende“ Leveln (mit den Zeitkonstanten 5 und 6) bis hin zum charakterformenden Pumpen kann ein Fairchild eigentlich alles. Im Mastering Signale ästhetisch hochwertig zusammenbringen und „verteuern“ kann kaum ein Gerätetyp so gut. Das gilt uneingeschränkt auch für den Herchild 670. Er bewegt Material wie ein Fairchild und sättigt dynamisch so, wie an es auch bei Originalen, guten Clones und Plug-ins sehen kann.

Übrigens: Unter Kompressoren: Verschiedene Originale und Clones erkennen lassen sich unter anderem ein Original-670, ein DIY-Nachbau und ein Black Cat miteinander blind vergleichen! Der Verband Deutscher Tonmeister hat im ehemaligen Abbey Road Institute Frankfurt (heute Studio 301) eine sehr spannende Veranstaltung zu genau diesem Thema gemacht.

Klingt so, wie er aussieht: nach Fairchild 670!

EC5B und 099 sind nach 20, 30 Minuten so einsatzbereit, dass sich nichts mehr im Klang ändert. Dem Herchild sollte man mindestens 30, besser 60 Minuten zugestehen. Direkt nach dem Anschalten klingt das Gerät wirklich so eindimensional und lustlos wie ein Freeware-VST-Plug-in von 1998. 

Im durchgewärmten Zustand brilliert der 670 auf ganzer Linie. Vocals konnten mit ein paar Handgriffen angereichert und austariert werden, Drums gleichzeitig pumpend und knallend bearbeitet werden, Stereofiles schlichtweg mehr wie eine teurere Produktion klingend gedreht werden. Etwas runder als der Electric, weniger kratzig als der Chandler wirkt der Herchild minimal braver bei seiner Arbeit – wir reden hier aber trotz allem über einen Röhrenlimiter mit haufenweise Röhren und Übertragern, die man natürlich auch hört. 

Vocals

Audio Samples
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Herchild 670, Time Constant 1 Herchild 670, Time Constant 5, hot, SC-Filter 099, Time Constant 1 099, Time Constant 5, hot, SC-Filter RS660, Time Constant 1 RS660, Time Constant 5-matched, hot EC5B, Time Constant 1-matched EC5B, Time Constant 5-matched, hot, SC-Filter

Bei den Drums zeigt sich der Herchild etwas griffiger und bissiger als der 099, der dafür schlichtweg die Wurstpelle etwas mehr spannt und ein kräftigeres Fundament liefert. Der EC ist reicher, breiter, aber weniger knackig als die beiden Fairchild-Clones. Der RS ist ungestümer, was das Aufpinseln von Charakter angeht, der Herchild ist hier noch der kontrollierteste unter den verglichenen Geräten. Diese Eigenschaft ist hervorragend dafür geeignet, den Spanier auf Stereobussen und Summen anzuwenden. Im MS-Modus ist vor allem mit separater Kanalkontrolle eine größere Tiefe und Bühnentransparenz bei gleichzeitig schön kompakter Phantommitte möglich. 

Drums

Audio Samples
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Herchild 670, Time Constant 1, hot 099, Time Constant 1, hot RS660, Time Constant 1, hot EC5B, Time Constant 1-matched, hot bypass

Die Sidechainfilter des Herchild 670 sind ein Segen für die Summenbearbeitung und bei der Verwendung von Drumsignalen mit größerem Bassdrum-Anteil. Ich muss aber sagen, dass der Amtec (und sicher auch der Undertone) einen Vorteil darin haben, eitere Zeitparameter zur Verfügung zu stellen. Die „D“-Funktion des polnischen 099 etwa lässt die Regelung nach einem Peak länger offen, wodurch Drums (daher das „D“) ein deutliches Stück knalliger sein können.

Auch weitere Dinge, etwa die Möglichkeit, den Detektorweg statt nach der Kompression („Feedback“) davor („Feed Forward“) abzugreifen, kann eine sinnvolle Erweiterung sein, die dem in diesem Testumfeld tatsächlich bravsten Dynamikgerät als Klangalternative bei manchen Aufgaben durchaus gut zu Gesicht gestanden hätte. Dass De-Essing durch das Sidechain-Filtering und ein externes Sidechainsignal mit auf meiner Wunschliste landen, liegt allerdings wohl eher daran, dass der Amtec Model 099 das anbietet, der Herchild hingegen nicht. Probiert habe ich es, dann wirklich benutzt aber bislang nicht. Toll ist in jedem Fall die schnelle und einfache Einflussnahme mit „DC Threshold“ – nicht umsonst ist eine bequeme Eingriffsmöglichkeit bei vielen echten Fairchilds nachgerüstet worden.

Klon von Röhrenklassiker
Kann mehr im Vergleich zum Original, ein paar zusätzliche Fähigkeiten wären heutzutage nicht verkehrt.

Alternativen zum Heritage Audio Herchild 670

Das Gerät kostet einen fünfstelligen Preis. Das ist „teuer“, aber bestimmt nicht „überteuert“, wenn man sich die Alternativen um Herchild 670 ansieht. Undertone Audio mit dem UnFairchild 670M II (13500 Euro), der Jaguar 670 von Black Cat Audio (12500 Euro), Stam Stamchild SA-670 mk2 (7000 Euro), Anthony DeMaria ADL 670 (20000 Euro, nicht mehr erhältlich), die linkbaren Mercury 660 (10000 Euro) und Amtec 099 (5500 Euro, nicht mehr erhältlich) und die vielen weiteren DIY-Projekte und Einzelanfertigungen zeigen, dass es kaum preiswerter geht. Bei Fairchild-Clones hat man ein wenig die Wahl, wie nah man am Original sein möchte und welche Erweiterungen sinnvoll sind. Mein Amtec etwa wird von mir genau wegen seiner Add-Ons geliebt, etwa den zusätzlichen Zeitparametern und der Feed-Forward-Möglichkeit. Aktuell ist besonders der Undertone-670er für seine Zusätze beliebt. Natürlich lässt sich dieses Spiel weiter treiben, denn es gibt so einige Vari-Mu-Kompressorenmit mehr oder weniger klaren Verwandtschaftsverhältnissen zum Fairchild. 

Ein Original anzuschaffen hat mehrere Nachteile, darunter sind vor allem Anschaffungspreis, Servicekosten und Betriebssicherheit zu nennen. Das Pro und Contra von Vintage-Equipment hat unser Autor Gregor Hennig aus dem Studio Nord Bremen im Artikel Vintage-Equipment kaufen: Ja oder Nein? behandelt. Die generellen Fragen zu Investitionen im Tonstudiobereich behandelt Investitionssicherheit beim Kauf von Audiogeräten.

Input, Threshold
Diese Regler “in echt” zu haben ist noch mal deutlich teurer…

Test der Heritage Audio Herchild 670: Fazit

Ob einem ein zweikanaliger Kompressor wirklich die Investition von „zehn Kilo“ wert ist, muss wirklich jeder selbst wissen. Für diejenigen, die das mit „Ja, klar!“ beantworten, ist ein Vari-Mu des Fairchild-Prinzips sicher eine der besten Lösung. Wer einen klassischen, aber zuverlässigen Fairchild haben will, der muss sich den Heritage Audio Herchild 670 unbedingt ansehen und anhören. Er klingt reich, groß und rund, ist vielleicht ein minimal verhaltener als einige anderen Geräte dieses Konzepts. Die Erweiterung um SC-Filter und Knee/Ratio ist mehr ls sinnvoll. Im gleichen Zuge wäre zumindest das Anbieten weiterer Zeitkonstanten eine sinnvolle Anpassung an moderne Anforderungen in der Musikproduktion gewesen. 

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Fairchild Copy Cat
  • Clone des Fairchild 670
  • auch einkanalig erhältlich als Heritage Audio 660
  • Erweiterung des Konzepts um DC Threshold und Sidechain-Filter
  • 22 Röhren (ECC81, ECC83, ECC99 und 5749)
  • hergestellt in: Spanien
  • Webseite: heritageaudio.com
  • Preis Herchild 670: € 9999,– (Straßenpreis am 20.7.2023)
  • Preis Herchild 660: € 5499,– (Straßenpreis am 20.7.2023)
Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • hervorragende, originalgetreue Klangeigenschaften
  • sinnvolle Erweiterung um SC-Filter und DC-Threshold
  • gute Serviceability
  • klassischer Look
Contra
  • hohe Anschaffungskosten
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Heritage Audio Herchild 670 Test
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