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Hannah Vasanth – Beruf: Keyboarderin

Viele Musiker träumen davon, für die Band einer der großen Live-Produktionen bekannter Künstler engagiert zu werden: einmal Center-Stage spielen – mit endlos wogenden Massen und Stadionkulisse. Eine, die dazu viel erzählen kann, ist Hannah Vasanth: eine DER Keyboarderinnen für Pop und Urban in den UK. Zu ihren Engagements gehören unter anderem Gnarls Barkley, Charlotte Church, Rihanna oder aktuell Jessie J, wo sie seit Ende 2010 fester Bestandteil der Live-Band ist. 

Im Einsatz ... Foto: Louis Riccardo. Alle Bilder von Hannah zur Verfügung gestellt.
Im Einsatz … Foto: Louis Riccardo. Alle Bilder von Hannah zur Verfügung gestellt.

Warum sind Keyboarder eigentlich immer die „Un-Coolen“ in Bands,  will ich als erstes wissen? „Na ja: weil wir GEEKS sind“, lacht sie. „Aber sobald sich z.B der Rechner eines anderen Musikers mal wieder nicht ins W-LAN einloggt, ist man plötzlich extrem populär.“ Wie ist sie Sideline-Keyboarderin geworden? „Ich habe in London an der Royal Academy of Music Jazz Performance studiert – aber mit Jazz allein bekommt man die Miete halt nicht so locker bezahlt.  Ich habe dann in praktisch jeder Bar oder Hotel-Lobby gespielt, wo ein Klavier rumstand – darunter ein paar echte Löcher. Dazu habe ich 3 Tage in einer Managementfirma als Personal Assistant des Chefs gearbeitet und einen Tag die Woche Unterricht gegeben. Den ersten Pop-Gig bekam ich durch einen befreundeten Musiker (so ein Zufall: Basskoryphäe Nick Beggs – die Musikerwelt ist halt doch klein). Er spielte im Line-Up einer japanische Band, und meinte ich sei die Richtige für den Keyboard-Job: er schmiss mich ins kalte Wasser und sagte: „Du machst das schon!“ Zu dem Zeitpunkt fühlte ich mich noch sehr unsicher und hatte auch noch kaum Erfahrung in Bezug auf Sound-Programming und Equipment. Aber mit Hilfe eines Freundes bereitete ich mich dann vor und fand mich sozusagen über Nacht fast ohne Equipment, nur mit einem Nord Lead und einem Proteus 2000, auf der Bühne wieder. Das war der Anfang…“

Fotostrecke: 3 Bilder Im Wembley Stadium. Foto: Chris Lamb

Dieser Einstand kann so schlecht nicht gewesen sein: Denn es folgten Engagements für Bugz in the Attic, Charlotte Church, David Jordan, ein Fernsehengagement für SKY in der Sendung „Don’t forget the Lyrics“ – die Namen wurden immer größer. Wie hat sie als vormals reine Jazzpianistin das Synthprogramming für sich erschlossen? „Das war bei Bugz in the Attic. Die Jungs haben es einfach drauf – bei denen habe ich sehr viel gelernt. Da entdeckte ich für mich auch Vintage Synthesizer wie den Arp Axxe, MS20, Pro One, Oberheim und so weiter.“
Dann kam Anastacia: Im Sommer 2009 wurde Hannah für die „Heavy Rotation“ Europatournee als zweite Keyboarderin verpflichtet, und fand sich zur Tourvorbereitung mit anderen exzellenten Musikern im Rehersal Studio wieder: hier wird ein anderes wichtiges Element für so eine Sideline-Karriere deutlich – einige Musiker kannte sie schon von vorherigen Engagements. „Es läuft viel über Empfehlungen – und der Musical Director ist der Schlüssel. Er stellt die Band zusammen.“ Aber sie gibt auch gleich zu bedenken: „The Musical Director hires you – the Artist fires you. Es ist wichtig, dass man das nie vergisst. Man ist dazu da, den Künstler gut aussehen zu lassen: er ist sozuagen die ‚Queen Bee’. Bei mir sowieso, da ich oft für weibliche Künstler engagiert werde…“ Da landet man also unverhofft direkt aus der Jazz-Bar in den großen Arenen dieser Welt. Wie war denn das erste Mal? Kann sich Hannah noch erinnern? „Oh ja! Das war gleich die Wembley Arena in London, ich spielte mit David Jordan Support für Enrique Iglesias. Und kurz vor dem Konzert sah ich nur so eine Seite hoch – 5.000 Leute, nur diese eine Seite. Und ich dachte: „Can’t do this!“ Dann habe ich mein Pokerface aufgesetzt, und es ging doch …“ Nach dem Anastacia Gig folgten Engagements für die Sugababes, Jay Sean und Jason Derulo. Dann – im März 2010 – kam eine E-Mail:

Ri needs you! Rihannas damaliger Musical Director Tony Bruno schrieb Hannah eine Mail mit den Worten: „Ruf-mich-an! Jetzt!“ Und er kam sofort auf den Punkt: „Ein Keyboardplayer ist ausgefallen. Willst du die Tour spielen?“ „Ja klar – wann fangen die Proben an?“ „Ach, die haben heute schon angefangen. Kannst du Samstag hier sein?“ „Hier“ war aber nicht in London, wie Hannah vermutete, sondern in Kalifornien. So fand sich Hannah ein paar Tage später in LA wieder, wo es direkt nach einem 10-stündigen Flug zum Proben ging. Und auf ihrem Keyboard-Raiser stand: ein leerer Keyboardständer. Sie musste also nicht nur alle Songs lernen, sondern nebenbei auch noch das passende Equipment organisieren: sie entschied sich für Yamaha Motif XS7 und XS8 sowie einen Korg Radias. Da die XS Modelle auch einen integrierten Sampler haben, viel es leichter die Originalsounds der Albenproduktion zu realisieren. „Bei so großen Produktionen bekommst du oft die Keyboardspuren, so dass du dir die Sounds und Parts raushören kannst. Das macht es echt einfacher!“ So fand sich Hannah also auf einer Weltournee wieder … für gut acht Monate inklusive Proben. Stört es sie gar nicht, solange von zuhause weg zu sein? „I love the road. Tourleben ist super – vor allem bei Tourneen dieser Größenordnung. (Es folgt eine detaillierte Aufstellung ihres Tagesablaufs vom Aufstehen über den Soundcheck bis zum Gig). Wenn ich heute einen Anruf bekomme à la „willst du 8 Monate auf Tour – geht morgen los?“ bin ich im Flieger mit gepacktem Koffer!“ Wer sich fragt, woher Tony Bruno Hannah kannte: genau! Er war vorher Musical Director bei Enrique Iglesias!

Foto: Phil Simmonds
Foto: Phil Simmonds

Wie viel von „dir“ steckt eigentlich in diesen Pop Gigs? Denn sie ist ja eigentlich Jazz-Pianistin – und dann sind die Songs und Originaltracks bei diesen Künstlern ja nicht von ihr gespielt worden? „Ach weißt du, ich bin einfach stolz bei diesen Engagements mit den besten Musikern spielen zu dürfen – mit echt krassen Rhythm-Sections. Da reicht es mir, nur eine Taste zu spielen! Außerdem mag ich diese Art Musik. Und bei solchen Engagements geht es nicht um mich, sondern den Künstler. Their shit matters – not how fast I can play Jazz chops.“ Hat sie Gestaltungsfreiraum? „Das hängt natürlich ganz von den Songs und der Produktion ab – ob der Sound genau wie das Album, oder freier sein darf. Bei meinem Jessie J Gig bin ich recht frei, da gibt es viele Piano Intros.“ 

Das war dann gleich der nächste Knaller für diesen Tasten-Wizard: Seit 2010 spielt sie in der Band der englischen Durchstarterin Jessie J! Wie kam es denn dazu? „Ich kannte den Musical Director Kojo Samuel schon von den Sugababes und Taio Cruz.“ Aha – da ist es wieder: das Netzwerk! Ist etwas anders bei Jessie J als bei Rihanna? „Diesmal bin ich die einzige Keyboarderin im Line-Up, bei den anderen Gigs waren wir ja meistens zu zweit. Das gibt natürlich mehr Freiheiten.“

Und dann kam Jessie J ... (Foto: Alisha Dobson)
Und dann kam Jessie J … (Foto: Alisha Dobson)

Wie muss man sich die Vorbereitungsphase einer großen Produktion vorstellen? Wie viel Zeit hat man als Musiker? „Wie schon vorhin im Falle von Rihanna erzählt, ist da nichts in Stein gemeißelt. Eine Woche bevor die Rehearsals los gehen, nehme ich mir frei, spreche mich gegebenenfalls mit dem anderen Keyboarder ab und bereite alles vor. Das heißt für mich: raushören – idealer Weise anhand von Stems der Originalspuren – und Noten schreiben sowie natürlich die Sounds zu programmieren. Ich weiß nicht, ob das meine deutsche Seite ist (Anm.: Oh ja! Da kommen wir gleich noch zu …), aber ich habe eigentlich das Ziel am ersten Tag der Bandproben bereit für den Gig zu sein, und ab dem 3. Tag ohne Noten zu spielen. Insgesamt gehen die Proben so über 2-3 Wochen und dann schließt sich 1 Woche Production Rehearsals an, manchmal länger. Bei den Production Rehearsals probt man die Show in der Bühnendeko, und Dramaturgie, Choreographien und so weiter werden dort erarbeitet.“

Wie ist die Zusammenarbeit mit den Künstlern? Wann stoßen sie dazu? „Das ist natürlich sehr unterschiedlich, aber in der Regel in der Phase der Bandproben. Bei großen Produktionen fängt man manchmal erst mit aufgenommenen Lead-Vocals an, und wenn dann alles sitzt, kommt der Künstler dazu.“ Ob man die Künstler kennen lernt, hängt natürlich auch vom jeweiligen Menschen ab: „Jessie J ist inzwischen eine gute Freundin, aber wenn Künstler mit einer ganzen Entourage unterwegs sind – Rihanna war zum Beispiel eigentlich immer von Leuten oder Security umgeben – ist das schwieriger. Ri habe ich kennen gelernt, als wir uns nach den Gigs beim Feiern in den Clubs über den Weg gelaufen sind.“
Moment. Wie war das: „Meine deutsche Seite“? Genau – Hannah wurde nämlich in Berlin geboren und ist dort aufgewachsen. Sie spricht perfekt deutsch… auch das noch! „Ich habe als Kind auch in Indien gelebt, dort schon zwei Jahre Klavier gespielt, und nach meiner Rückkehr nach Deutschland mit 9 oder 10 Jahren dann an der Musikschule weiter gemacht, und bei „Jugend Musiziert“ Wettbewerben immer so den 3. oder 4. Platz belegt. In der sechsten, siebten Klasse hatte ich dann keine Lust mehr – aber weil ich gut vom Blatt lesen konnte, habe ich überall immer irgendwie mitspielen müssen: Chor und so weiter. Ich ging dann auf die amerikanische Schule in Berlin, wo ich in der Big Band und der Jazz Band spielte. Mein Lehrer gab mir meine ersten 4 Jazzplatten – ab da war ich am Haken.  Mit 16, 17 habe ich dann auch z.B. an einem Jazz Camp in Chicago teilgenommen. Mein Ding war das klassische Trio à la Hancock, Blue Note – die „reine“ Lehre, alles handgemacht. Mit 19 ging ich dann nach London, um, wie vorhin erzählt, an der Royal Academy Jazz Piano Performance zu studieren.“ Von da bis zum ersten Pop-Gig sollten sieben nicht immer einfache Jahre vergehen…

Foto: Carl Hudson
Foto: Carl Hudson

Jessie J Glastonbury Live & Radio 1 Performances

In diesen Clips könnt ihr Hannah bei der Arbeit mit Jessie J sehen: BBC Live Lounge Recording von Rihannas “We Found Love”. Da kreuzen sich für Hannah die Wege … (Quelle: YouTube)

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Und hier ein Live-Clip vom Glastonbury Festival: Jessie J mit “Who’s Laughing now”. Da kann man mal sehen: trotz Beinverletzung zieht Jessie die Show durch! (Quelle: YouTube)

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Warum hast du es geschafft, dich zu etablieren. Gute Musiker gibt es doch viele? „Man muss seine Nische finden. Und ich denke, es hat auch was mit der Einstellung zu tun: Spielen tust du vielleicht 2 Stunden täglich, die anderen 22 Stunden sind Socializing. Das muss man auch können – und viele Pianisten haben auch überhaupt kein Equipment. Auch etwas, das ich nicht verstehen kann. Ich bin auf Tour eigentlich immer vorher da, bleibe immer länger – es gibt immer was zu tun, damit hinterher alles steht. Ich denke, dieser Einsatz hat sich auch ausgezahlt.“ Was muss man auf Tour als Sideline-Musiker noch im Kopf behalten? „Du weißt nie, wer noch so zuhört, wenn du dich Backstage unterhältst: Ich halte meinen Privatkrams strikt da raus, organisiere das in meiner Freizeit. Dann muss man natürlich nicht nur spielerisch, sondern auch technisch am Start sein. Man muss immer am Boden bleiben. Und man sollte einfach kein Arschloch sein. Alles was man hat, ist sein Ruf. Be professional, man!“, bricht es englisch heraus. „Don’t get arrogant!“ Wie promotet man sich in diesem Job? „Über Social Media wird man kaum an Musical Directors herankommen – das geht über Empfehlungen und vorherige Engagements. Ich nutze aber Blogs, Twitter und Facebook um meine Arbeit zu dokumentieren, und Leuten, die sich für meine Arbeit interessieren eine Anlaufstelle zu geben. Ich seh mich schon auch als „Produkt“ in diesem Job: Gute Präsentation, Fotos und Stories sind wichtig!“

Wie wichtig ist Endorsement und wann bekamst du deins mit Yamaha? „Erstmal ist es nicht cool, etwas zu endorsen, weil man es dann eventuell umsonst bekommt! Endorsements sind eine zweiseitige Sache: ich muss das Produkt mögen – und die Firma muss zu mir passen. Yamaha ist super – die haben mir über die Jahre viel geholfen. Ich bekam den Deal als ich bei Gnarls Barkley mitspielte, das war damals ein Motif ES-6 und ein Motif Rack. Inzwischen gebe ich auch Feedback für das R&D, und schreibe auf, was mir im Live-Einsatz auffällt – und was vielleicht noch besser sein könnte. Yamaha hat mit mir dann wiederum auch Fotos gemacht, die sie für ihre Synthkampagnen genutzt haben, ich aber auch gut gebrauchen konnte. So haben beide was davon!“
Wie ist das mit eigener Musik? „Ich habe schon einiges gemacht – in der Vergangenheit eher Ambient Dance, wie ich es nennen würde. Momentan sind wir in der Vorbereitung von etwas Neuem. Es wird Hannah V. heißen, und über East Side Records, das Label meines Managements EGA herauskommen. EGA ist übrigens nicht nur das Management von mir und dem in den UK sehr angesagten Künstler Devlin – es ist auch die Firma, wo ich damals als Personal Assistent gearbeitet habe… mein Ex-Chef ist nun mein Geschäftspartner. Das macht mich schon ziemlich stolz!“ 
Was bleibt, ist Hannah viel Glück auf ihrem weiteren Weg zu wünschen – und auch wenn sie plant, die nächsten 6 Monate für den Ausbau ihrer Karriere als Produzentin, Künstlerin und Autorin in London zu nutzen – falls das Telefon klingelt, ist sie im Flieger auf dem Weg zur nächsten Tour…

Hannah im Web: www.hannahvasanth.co.uk

Ich & ich: Hannah mit Yamaha Poster! Foto: Joseph Emsden
Ich & ich: Hannah mit Yamaha Poster! Foto: Joseph Emsden
Hannah wird von Yamaha endorsed: Man unterstützt sich gegenseitig. Fotos: Alex Winn.
Hannah wird von Yamaha endorsed: Man unterstützt sich gegenseitig. Fotos: Alex Winn.
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