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Gretsch Renown ’57 Bop Test

Das für diesen Test vorliegende Renown ‘57 Bop Set des Traditionsherstellers Gretsch wirft auf den ersten Blick doch so einige Fragen auf. Lässt sich der von den legendären amerikanischen Automobilfabrikanten in den fünfziger Jahren gelebte Traum aus Lack und Chrom so einfach auf ein Schlagzeug der heutigen Zeit übertragen? Darf man die Wiederbelebung dieser uramerikanischen Straßenkreuzerromantik in taiwanesische Hände geben, um damit auch den typischen Kleinwagenfahrer als potentiellen Kunden gewinnen zu können? Gibt es überhaupt eine nachvollziehbare Beziehung zwischen Autos und Schlagzeugen, außer der, dass das ganze Trommelgelöt doch recht häufig in motorisierten Fahrzeugen transportiert werden muss?

Gretsch_Renown57_kit_full_front


Ob man diese Fragen nach moralischen Gesichtspunkten beantwortet oder einfach nach persönlichem Geschmack, das bleibt jedem selbst überlassen. Fakt ist, dass sich die Gretsch-Designer auf der Suche nach einem neuen, konkurrenzfähigen Look von General Motors und Co. inspirieren ließen und das Ergebnis für die recht preisgünstigen Renown ‘57 Sets verwendet wird. Die erhältlichen Farben heißen passenderweise Motor City Blue, Motor City Black und Motor City Red. Sollen diese oft als verschwenderisch und pompös empfundenen Stilmittel aus den goldenen Zeiten der amerikanischen Automobilindustrie wohlmöglich über bauliche oder klangliche Mängel hinwegtäuschen? Genau das werde ich jetzt mal unter die Lupe nehmen (beziehungsweise dem Ganzen mal unter die Haube schauen).

Details

Erinnerungen an die Round-Badge-Gretschs

Die Bop-Variante der Renown ‘57 Reihe besteht aus einer 18×14“ Bassdrum, einem 12×8“ Tom mit Rimhalterung, einem 14×14“ Standtom und einer für diese Art von Konfiguration doch ungewöhnlich tiefen 14×6,5“ Snare. Die Kessel bestehen aus sechs Lagen Ahorn und verfügen über die für Gretsch typische Gratung von 30 Grad, welche im Inneren wie schon die legendären Sets aus der “Round Badge”-Ära mit silber-grauer Farbe, dem “Silver Sealer” gestrichen sind. Außen findet sich dann neben einem soliden, hochglänzenden Lack noch die stilprägende Applikation, die uns an Fahrzeuge erinnern soll, mit denen sich Weltstars wie James Dean zu Tode fuhren. Dieses dreieckige, leicht geschwungenes Schild in cremeweiß wird von einer schmucken Chromkante umrandet. Ebenfalls in funkelndem Chrom erstrahlt der Herstellername inmitten dieses “Chevrons”.

Fotostrecke: 4 Bilder Gretsch Renown ’57 Bassdrum mit Chevron

Hardware – fast wie bei Straßenkreuzern

Altbewährt und zeitlos sind dagegen die klassischen Gußspannreifen und die Böckchen, die sich im Grunde seit Jahrzehnten kaum verändert haben. Die Bassdrum ist mit zum Finish passenden, dunkelrot lackierten Holzspannreifen ausgestattet und kann mit einem kleinen Riser auf der Schlagfellseite erhöht werden, was das Agieren mit handelsüblichen Beaterlängen ermöglicht. 12,7 Millimeter starke Teleskopbeine sorgen für einen festen Stand. Mittig an der Oberseite befindet sich eine Rosette zur Aufnahme des mitgelieferten Tomhalters, der mit einer Länge von 45 Zentimetern anscheinend auch das Trommeln im Stehen realisierbar machen soll. Gummieinlagen an der Innenseite der passgenauen Bassdrum-Krallen sorgen für ein dauerhaft lackschonendes Vergnügen beim Aufziehen der Felle. Die Position des Toms lässt sich stufenlos über ein Kugelgelenk vornehmen, wobei die Trommel mit dem sogenannten “GTS Tom Suspension System” ausgestattet ist. Diese Art der freischwingenden Aufhängung mag minimale klangliche Vorteile haben, kann aber in der Praxis verhindern, dass das Tom problemlos in ein maßgerechtes Case passt. Wen sowohl dieser Umstand als auch die Optik stört, wird vermutlich sowieso den Rim entfernen und auf einen Snareständer mounten. Erwähnenswert wäre noch, dass die Felle des 12“ Tom lediglich mit fünf Schrauben in Stimmung zu bringen sind. Bass und Standtom haben jeweils acht Einzelböckchen und Stimmschrauben und die Snare bietet gar zehn.

Fotostrecke: 3 Bilder Einfache aber funktionale Hebelabhebung

Keine Makel

Möglicherweise ist das dem Umstand geschuldet, dass das schicke Chevron auf einer schmaleren Snare keinen Platz gefunden hätte. Wie dem auch sei, die Verarbeitung ist auch hier, wie beim gesamten Set, tadellos. Von der sauberen Gratung über das makellos gefräste Snarebed bis hin zur dreifach verchromten Hardware ist nichts Zweifelhaftes zu entdecken. Auch die einfache, solide Hebelabhebung und der 20-spiralige Stahlteppich geben keinen Anlass zur Klage. Überhaupt lässt sich feststellen, dass die in Fernost gefertigten Produkte der namenhaften Schlagzeughersteller mittlerweile ein erstaunliches Qualitätsniveau erreicht haben – auch dieses Renown ‘57 Bop Kit von Gretsch bildet da keine Ausnahme. Die Ahornkessel sind präzise gearbeitet, der Lack ist perfekt, die robusten Hardwareteile sind allesamt mit Gummiunterlegern von den Kesseln entkoppelt und die tragenden und verstellbaren Teile (Beine und Tomholder) sind extrem stabil konzipiert und darüber hinaus mit präzise einrastenden Memory Locks ausgestattet. Snare und Toms sind ab Werk mit aufgerauten Evans G1 Schlagfellen und klaren, einschichtigen Resonanzfellen bestückt. Die Bassdrum kommt mit Evans EQ4 Schlagfell und aufgerauhtem, geschlossenen Resonanzfell mit Markenaufdruck. Jetzt, da das Set so aufgebaut vor mir steht, muss ich gestehen, dass es tatsächlich auch optisch ganz attraktiv daherkommt. Wenn es jetzt auch noch toll klingt, könnte mehr als eine Freundschaft daraus werden…

Fotostrecke: 4 Bilder Fellauflagekanten in 30 Grad
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Praxis

Typischer Gretsch-Sound

Hat man als Instrumentenhersteller eine so lange und erfolgreiche Historie wie Gretsch vorzuweisen, ist es nachvollziehbar, dass man auch bei neuen Produkten versucht, die Verursacher der Legendenbildung für das Marketing zu verwenden. In diesem Fall sind das natürlich die Erzeugnisse der 50er- und 60er-Jahre, die sich nach wie vor höchster Beliebtheit erfreuen und deren Wiederverkaufswert im Grunde täglich zu steigen scheint. Die Ästhetik des Designs entführt uns in genau diese Zeit und lässt vermuten, dass auch klanglich der damals vorherrschende Sound Pate stand. Tatsächlich sorgen die relativ dünnen Ahornkessel in Verbindung mit der klassisch abgerundeten 30 Grad Gratung und den Gußspannreifen für einen warmen, sehr voluminösen Klang, der mich stark an mein geliebtes, altes Round-Badge-Kit erinnert. Die Toms entwickeln ein erstaunliches Sustain, das stets kontrollierbar bleibt. Besonders in leichterer Spielweise und hoher Stimmung ergibt sich ein toller, luftig-leichter Sound. Kraftvoller bedient, kann es in offener Stimmung, insbesondere bei schneller Schlagfolge, gerne mal etwas bollerig werden. Vornehmlich in tieferen Stimmlagen entfaltet sich ein recht mächtiger, schwingungsvoller Klang, der sich bei Bedarf mit ein wenig Dämpfung zäumen lässt, wenn es mehr in Richtung veritabler Rocksound gehen soll.

In allen Stimmlagen eine gute Figur

Maßvoll eingesetzte Dämpfung verkürzt sich zwar das Sustain und verringert sich die Lautstärke, doch die Grundcharakterisik des Sounds bleibt bestehen, was ein deutlicher Hinweis auf die hohe Qualität der Verarbeitung ist. Die Gußspannreifen und die leichtgängigen Schrauben gewährleisten eine gute Stimmbarkeit. Neben der guten Performance in jeder Stimmungslage zeichnen sich die Kessel darüber hinaus durch eine große dynamische Spannbreite aus. Streichelt man die Schlagflächen mit flauschigen Mallets, sprechen die Trommeln auch bei den sanftesten Schlägen sauber an und noch viel wichtiger: Sie klingen sauber aus. Hier schwingt nur, was schwingen soll.

Flexible Snare

Obwohl sich die Snare ob ihrer Tiefe von 6,5 Zoll nach dem optischen und stilistischen Empfinden des Rezensenten nicht so recht in die Bop-Kit-Konfiguration einfügen mag, hat sie dafür sehr gute Allroundfähigkeiten. Ausgestattet mit einem angenehm vollen, singenden Ton, sensibler Teppichansprache und ordentlichem Klangvolumen taugt sie sowohl für den knackigen Backbeat als auch für das dynamische Spiel mit Rolls und Ghostings. Der einfache Hebelstrainer funktioniert einwandfrei, was ebenfalls für alle anderen beweglichen Hardwareteile gilt.

Zu dieser tiefen Snare will die kleine Bassdrum des Gretsch Renown '57 nicht so recht passen
Zu dieser tiefen Snare will die kleine Bassdrum des Gretsch Renown ’57 nicht so recht passen

Nicht nur optische Diskrepanz zwischen Snare und Bassdrum

Bleibt noch, einen prüfenden Blick auf die 18″-Bassdrum zu werfen. Grundsätzlich besticht auch diese durch einen ausgewogenen Klang, der sehr differenziert und ohne übertriebenen Kick daherkommt. Warm und rund wäre die richtige Bezeichnung, was sowohl für geringe als auch für stramme Fellspannung gilt. Wenn es dagegen so richtig fett knallen soll, ist man einigermaßen aufgeschmissen. Rein größenbedingt fehlt es ihr, besonders im Verhältnis zur im Vergleich riesigen Snare, ein wenig an Durchschlagskraft. Durch die jeweils mit einem Dämpfungsring ausgestattete Befellung ist es zudem kaum möglich, einen offenen, sustainreichen Sound zu erzeugen, der sich doch so wunderbar in ein offen gestimmtes Set einfügen würde. Dieses Problem sollte sich aber mit einfachen, dünnen Fellen beheben lassen, denn der Grundklang der Bassdrum ist hervorragend.

Audio Samples
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hohe Stimmung solo hohe Stimmung offen hohe Stimmung gedaempft tiefe Stimmung offen tiefe Stimmung gedaempft Mallets
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Fazit

Das Gretsch Renown ’57 Bop Kit hat sich in diesem Test als hervorragend verarbeitetes und in allen Stimmungslagen sehr gut klingendes Set erwiesen. Wie der Name Bop Kit schon andeutet, soll es sich wohl nicht um ein ausgewiesenes Allroundschlagzeug handeln, was man bei den Kesselgrößen auch nicht erwarten kann. Trotzdem bietet es viele klangliche Möglichkeiten, vom knuffigen Beatsound, über luftig-leichte Jazzklänge bis zum voluminösen Rockspektakel. Letzteres lässt sich allerdings nur mit leichten Einschränkungen bewerkstelligen, weil die Bassdrum im Gegensatz zu den Toms nicht im Stande ist, ein höheres Zollmaß vorzutäuschen. Solange man sich auf Snare und Toms an der nach oben hin etwas eingeschränkten dynamischen Range der Basstrommel orientiert, ist der ausgewogen und warme Gesamtklang dieses Schlagzeugs ohne Abstriche zu geniessen. Auch optisch halte ich den hier mal etwas anders gestalteten Verweis auf die Mitte des letzten Jahrhunderts für sehr gelungen und ansprechend. Das gilt zumindest für die Farbe Motor City Red. Insgesamt ein robustes, bühnentaugliches Schlagzeug, das preislich in der Kleinwagenklasse rangiert, qualitativ auf gehobener Mittelklasse fährt und aufgrund der Kesselkonfiguration wiederum in jedes kleine Auto passt.

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • sehr gute Verarbeitung
  • warmer, voluminöser Klang
  • ungewöhnliches Design
  • gutes Preis-Leisungsverhältnis
Contra
  • Bassdrum im dynamischen Verhältnis ein wenig eingeschränkt
Artikelbild
Gretsch Renown ’57 Bop Test
Für 1.199,00€ bei
Die kleine Bassdrum kann mit den anderen Trommeln nicht in allen Situationen mithalten, aber sonst ist es ein hervorragendes Kit: Gretsch Renown '57
Die kleine Bassdrum kann mit den anderen Trommeln nicht in allen Situationen mithalten, aber sonst ist es ein hervorragendes Kit: Gretsch Renown ’57
Spezifikationen
  • 18“ x 14“ Bassdrum mit Holzspannreifen
  • 14“ x 14“ Standtom
  • 12“ x 8“ Tom-Tom mit GTS Suspension System
  • 14“ x 6,5“ Snare mit 10 Stimmschrauben
  • Kessel aus sechs Lagen Ahorn
  • 30 Grad Gratungen
  • “Silver Sealer”-Innenlackierung
  • Gußspannreifen
  • Tom-Holder mit Kugelgelenk
  • Bassdrum Riser
  • Motor City Red Lackierung mit Chevron
  • Preis: € 1545,- (UVP)
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