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Fender Road Worn Player Strat Test

Wenn eine Gitarre zum Test ansteht, dann ist das immer eine spannende Angelegenheit. Und obwohl ich nicht einmal mehr schätzen kann, wie viele Strats in meinem Leben eine Rolle gespielt haben, ist es auch bei ihr der Fall. Die Spannung ist nicht unbedingt größer, aber anders. Vielleicht sind es ja tatsächlich die 50ste oder 100ste oder 500ste, die ich schon in der Hand hatte, die das Ganze immer wieder zu etwas Besonderem machen. Denn obwohl es sich äußerlich unverkennbar um das gleiche Instrument handelt und manche Gitarren schon beim ersten Ton vertraut wie alte Freunde sind, bleiben andere trotz aller Bemühungen spröde und fremd. Deshalb möchte man bei jedem Mitglied der großen Familie, das man kennenlernt, auch wissen, wo es charakterlich hingehört.

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Das gilt auch für die Road Worn Serie, die Fender 2009 auf den Markt brachte. Dabei handelt es sich um Instrumente, die zum bezahlbaren Preis mit den Relic-Features ausgestattet sind, wie man sie von entsprechenden Serien aus dem Custom Shop kennt. Das heißt, jede Gitarre und jeder Bass aus der Road Worn Serie verlässt schon mit künstlich beigebrachten Gebrauchs- und Alterungsspuren die Fabrik – ein Trend, der seit einigen Jahren immer mehr Freunde findet. Aber was macht diese Instrumente so besonders? Wir hoffen, unsere Stratocaster wird es uns erzählen.

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DETAILS
Die ursprünglichen Strats der Road Worn Serie orientieren sich am klassischen Design, kommen also mit drei Single Coils, einem 50’s oder 60’s Hals und klassischen Lackierungen wie Sunburst, Black oder Vintage White. Das auffälligste Merkmal unserer Testkandidatin ist deshalb der Humbucker, aber dazu später. Ihr Body besteht aus Erle im klassischen Standard-Strat-Shaping. Auf dem mit Nitrolack in Candy Apple Red lackierten Korpus ist mit elf Schrauben ein dreischichtiges, schwarzes Schlagbrett befestigt.

Der Lack ist “gerelict“, also auf alt getrimmt. Nicht so heftig wie in der ersten Road Worn Serie oder bei diversen Custom-Shop-Modellen – dort sehen einige Gitarren so aus, als hätte man sie hinter dem Auto zum Gig geschleift. Ohne Koffer, versteht sich. Für meinen Geschmack ist das etwas übertrieben.

Die kosmetischen Blessuren sind gut gemacht und wirken authentisch. Die Dings und Dongs kennt man von seinen Gitarren, so sieht das nun mal aus, wenn man sie viel spielt und überall hin mitschleppt. Einige Hersteller tendieren übrigens dazu, ihre Instrumente auf alt zu trimmen und dann die Macken mit Klarlack zu versiegeln … nun ja … Zurück zur Strat:
Die HSS-Strat gibt es nur in dieser Farbe und in Silber. Schade, diese kleine Auswahl ist dann doch recht speziell … Nichtsdestotrotz wissen die Jungs bei Fender genau, was sie tun. Hier stimmt jedes Detail, wie zum Beispiel die angeschmutzten Schraubenschlitze, das leicht angerostete Tremolo, abgewetzte Pickup-Kappen etc. Alles wirkt sehr echt.
Als Vibrato kommt ein Vintage Style Synchronized Tremolo zum Einsatz, wie gesagt, leicht verrostet, aber natürlich voll einsatzfähig. Auch hier wird der Arm typischerweise eingeschraubt. Drei Federn halten das System, das frei schwebend eingestellt ist und so auch das Ziehen nach oben ermöglicht. Die Klinkenbuchse findet sich genau dort, wo sie seit den Fünfzigern zu Hause ist, auf dem Korpus nämlich. Und auch, dass sie Winkelstecker noch nie gemocht hat kennt man nicht anders. Aber jetzt wollen wir uns den wirklichen Neuerungen widmen, die sich auf dem Schlagbrett befinden.

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Als Pickups kommen zwei Texas Special Single Coils und ein Seymor Duncan Pearly Gates Humbucker zum Einsatz, die ganz traditionell über einen Fünfwegschalter gewählt werden. Weitere Modifikationen wie Humbucker-Split oder Ähnliches gibt es nicht, und das Volume-Poti bedient natürlich alle Pickup-Kombinationen.
Für alle, die sich immer schon einmal gefragt haben, welches Tonpoti eigentlich welchen Pickup regelt, und welche Schaltposition was aktiviert, hier eine kleine Liste:
1. Schalterhebel vorne: Neck-Pickup alleine, Klangregelung mit mittlerem Tonpoti.
2. Schalterhebel zwischen vorne und Mitte: Neck- und Middle-Pickup parallel, Klangregelung mit mittlerem und/oder hinterem Tonpoti (diese Schalterstellung fällt beim 3-Weg-Schalter weg)
3. Schalterhebel in der Mitte: Middle-Pickup alleine, Klangregelung mit hinterem Tonpoti.
4. Schalterhebel zwischen Mitte und hinten: Middle- und Steg-Pickup parallel, Klangregelung mit hinterem Tonpoti (auch diese Schalterstellung gibt’s nur beim 5-Weg-Schalter).
5. Schalterhebel hinten: Steg-Pickup alleine, keine Klangregelung.
Weiter geht’s mit dem Hals. Der besteht aus Ahorn, ist mit vier langen Schrauben im Korpus verankert und trägt ein Griffbrett aus Palisander. Als Bünde, die übrigens allesamt perfekt an ihrem Platz sitzen, kommt die klassische Medium Jumbo Variante zum Einsatz.

Der Hals ist in einem modernen C-Shape gefräst und auch hier finden sich Abnutzungserscheinungen wie abgespielter Lack auf der Rückseite oder verblichene Stellen auf dem Griffbrett. Zum Glück hat man bei unserer Kandidatin auf die verkohlte Zigarettenablage auf der Kopfplatte verzichtet. Und wo wir gerade bei der Kopfplatte sind, sollten die sechs geschlossenen Fender-Mechaniken nicht unerwähnt bleiben. 
Der sogenannte Skunk-Stripe, also der Walnuss Streifen auf der Halsrückseite, der die Öffnung für den Hals-Einstellstab (Trussrod) verschließt, ist nicht richtig abgeschliffen, daher sticht er an manchen Stellen heraus. Das ist insofern ein Kunststück, da doch die Rückseite komplett behandelt und der Skunk Stripe auch sichtbar bearbeitet wurde. Aber ansonsten finde ich keine Makel, bis auf die künstlich beigebrachten natürlich.

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PRAXIS
Die HSS Road Worn Player Strat fühlt sich in der Tat an wie eine alte Bekannte, mit der man schon viele Jahre zusammen musiziert hat. Jedoch mit einer einzigen Besonderheit: Sie riecht nach Schweiß! Keine Ahnung, was der Grund ist, aber mich stört das schon. Und so weit muss Relic nun wirklich nicht gehen 😉
Der Hals ist sehr komfortabel zu bespielen, Bendings gehen leicht von der Hand, durch das Aging wirkt der Lack abgegriffen und stumpf, was mir persönlich sehr gefällt. Schon trocken angespielt zeigt sich ein ausgewogenes Klangbild. Sie schwingt gleichmäßig aus und alle Töne auf dem Griffbrett sind klar und deutlich zu hören, Dead Spots gibt es keine. Auch angeschlossen zeigt sich das dieser Charakterzug. Im ersten Beispiel verwende ich einen Fender Deluxe Reverb und schalte alle fünf Positionen durch.

Audio Samples
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Deluxe PU-Switch

Alle Positionen zeigen die charakteristischen Strat-Sounds. Der Hals-Pickup tönt warm und bassig, der mittlere drahtig und der Humbucker ist zum Glück kein Schreihals und deshalb auch durchaus für Cleansounds einzusetzen. Auch in den Zwischenpositionen ist sie unverkennbar eine Strat. Diese Sounds sind natürlich dünner und gerade die Position zwischen Humbucker und Single Coil in der Mitte klingt trotz des Doppelspulers absolut authentisch. Das macht Lust auf mehr!
Als nächstes Beispiel habe ich eine Funky-Linie aufgenommen und auch hier schalte ich alle fünf Positionen durch.

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Deluxe Funky PU-Switch

Hier zeigt sich, was auch schon im ersten Klangbeispiel schön herauszuhören war: Sämtliche Sounds sind vollwertig zu gebrauchen und alle haben eine Menge Persönlichkeit. Selbst der Humbucker ist für diese Spielweise zu gebrauchen – ich bin begeistert!
Mir gefällt besonders der Snap, der erzeugt wird, sobald das Plektrum die Saite berührt und jedem Anschlag einen Schmatzer mit auf den Weg gibt. Gerade bei an- und auch verzerrten Sounds kommt das sicherlich noch zur Geltung. Wo wir gerade dabei sind – jetzt muss der Plexi Marshall ran!

Audio Samples
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Plexi PU-Switch

Auch hier habe ich zur besseren Unterscheidung noch einmal alle Positionen durchgeschaltet. Der Amp ist relativ clean, so weit das bei einem Marshall möglich ist.
Es kann so einfach sein! Wer diesen Sound sucht, braucht halt eine Strat und einen Marshall. Alle Positionen liefern den bekannten Klang. Natürlich brummen Hals- und mittlerer Pickup, aber sollen sie doch! Nur ein Single Coil klingt nach einem Single Coil. Die Zwischenpositionen sind wie erwartet still, ebenso natürlich auch der Humbucker.
Die Gitarre sieht nicht nur gebraucht aus, sie klingt auch so. Ein Credo, das in der Regel Custom Shop Strats anhaftet, wird jetzt auch dem “Normalgitarristen“ zugänglich gemacht. Gerade in dieser Disziplin trennt sich die Spreu vom Weizen, da neue, nicht eingespielte Instrumente schnell zu harsch klingen und nicht diese Ausgewogenheit im Klang haben. Respekt!
Besonders im Hardrock werden Strats mit Humbuckern gern genommen, daher habe ich den guten alten Marshall JCM 800 rausgekramt und ein paar Rock-Riffs bei moderatem Gain aufgenommen.

Audio Samples
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JCM800 Hard-Rock

Diesen Sound kennt man natürlich auch von unzähligen Rockscheiben. Der ohnehin schon mittige JCM 800 wird durch den nicht zu heiß gewickelten Humbucker angetrieben und erzeugt so den beliebten klassischen Rocksound. Billy Gibbons, seines Zeichens Sänger und Gitarrist von ZZ Top, ist ja der Pate des Pearly Gates Humbuckers und man kann wunderbar heraushören, warum. Nicht besonders modern im Sound und ähnlich dem Jeff Beck Humbucker, der ja auch von Seymor Duncan stammt, präsentiert sich der hier verwendete Pickup etwas dumpfer – perfekt für mittige Zerrsounds, die traditioneller klingen sollen. Das Bassfundament ist sehr aufgeräumt, es spielt sich mehr im Mittenbild ab, was sehr banddienlich ist, denn Bassist und Bassdrum sollten ja auch noch ein Wörtchen mitreden. Dieser Humbucker-Sound jedenfalls findet immer seinen Platz im Bandgefüge.
Abschließend kommt für ein paar Solo-Licks noch ein moderner High Gain Amp zum Einsatz, der lediglich von einem Tape Delay unterstützt wird.

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Soldano Solo Humbucker
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Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • Sounds
  • Handling
  • Verarbeitung
  • Konzept
  • Preis
  • Gig Bag
Contra
  • Skunk Stripe steht etwas über
Artikelbild
Fender Road Worn Player Strat Test
Für 699,00€ bei
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Spezifikationen
  • Hersteller: Fender
  • Bezeichnung Road Worn Player Strat HSS CAR
  • Farbe: Candy Apple Red
  • Herstellungsort: Mexico
  • Korpus: Erle
  • Hals: Ahorn, Palisander Griffbrett, Modern C-Shape
  • Mechaniken: geschlossene Fender
  • Bünde: 21 Medium Jumbo
  • Mensur: 648mm
  • Sattelbreite: 42 mm
  • Pickguard: schwarz, dreilagig
  • Tonabnehmer: 2 Texas Special Single Coils (Hals / Mid), Seymor Duncon Pearly Gates Humbucker Steg, 5-Weg-Schalter
  • Vibrato: Fender Synchronized Tremolo
  • Hardware: Chrom
  • Besonderheiten: Aged, Deluxe Gig Bag
  • Preis: 1.200,00 Euro UVP
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