Universal Audio Ocean Way Studios Plug-In Test

Ocean Way Studios: Eine der legendärsten Recording-Locations der Welt

Bevor wir uns jedoch den Funktionsumfang des Plug-Ins anschauen, blicken wir erst einmal zurück – und zwar auf die Geschichte dieses Studios, das zu Recht zu den größten Legenden zählt, und dessen wechselvolle Vergangenheit von Anfang an untrennbar mit Universal Audio verbunden ist. In den 50er-Jahren arbeitete Bill Putnam, der Engineer, Recording-Pionier und spätere Firmengründer von Universal Audio, noch in Chicago, wo er sich mit seinen bahnbrechenden Produktionen schnell einen Namen machte. Putnams Neuerungen (darunter der erste Einsatz einer Hallkammer bei einer Pop-Produktion) sprachen sich schnell herum und schon bald galt er als Lieblings-Engineer von Frank Sinatra. Als der Crooner dem Ruf der aufstrebenden Filmindustrie folgte und an die Westküste zog, musste Putnam mitkommen. Er gab sein Studio Universal Recorders in Chicago auf und baute ein neues in Hollywood, nicht zuletzt mit der Unterstützung von Frank Sinatra, dessen Label Reprise Räumlichkeiten im selben Gebäude bezog – United Recorders war geboren.

Ocean Way Studio A (Foto: Hannes Bieger)
Ocean Way Studio A (Foto: Hannes Bieger)
Ocean Way Studio B: Dieser Raum gilt vielleicht als das größte Akustikbau-Vermächtnis des Universal-Audio-Gründers Bill Putnam (Foto: Hannes Bieger)
Ocean Way Studio B: Dieser Raum gilt vielleicht als das größte Akustikbau-Vermächtnis des Universal-Audio-Gründers Bill Putnam (Foto: Hannes Bieger)

Ocean Way für alle

Doch unabhängig von der Frage, wie es mit dem Ocean Way langfristig weitergeht, wurde sein Raumklang nun schon einmal von Universal Audio für die Ewigkeit konserviert – und als netter „Nebeneffekt“ uns allen zugänglich gemacht.

Details

Nicht “einfach nur” Convolution

Das Ocean Way Plug-In arbeitet auf Basis zahlreicher Impulsantworten, die in den Studios A und B des Ocean Way aufgenommen wurden. Es handelt sich aber nicht um eine reine Faltungs-Engine, sondern das Plug-In kombiniert diese Impulsantworten mit algorithmischen Prozessen in einem Verfahren, das Universal Audio eben als „Dynamic Room Modeling“ bezeichnet. Die Idee dahinter ist, den originalgetreuen Sound einer gut gemachten Impulsantwort mit der Flexibilität eines algorithmischen Hallprozessors zu verbinden.

Zwei grundsätzliche Betriebsmodi

Jedes Audiosignal, das in einem Raum erklingt, besteht aus drei Komponenten: dem Direktsignal, den Erstreflektionen und der Hallfahne. Das Ocean Way Studios Plug-In lässt sich in zwei unterschiedlichen Betriebsmodi nutzen, die sich durch verschiedene Mischungsverhältnisse dieser Signalanteile unterscheiden. Im Reverb-Modus spielt das Direktsignal keine Rolle, hier wird das Plug-In wie ein „gewöhnlicher“ Hall-Effekt eingesetzt, der normalerweise über einen Aux-Send gefüttert wird, und der über den Return das Direktsignal mit Early Reflections und/oder Hall anreichert.

GUI des Plug-Ins
Kein Alleskönner, aber seinem Gebiet grandios: Ocean Way Plug-In, das mit der UAD-Softawre 7.0 kommt

Ideale Orte für die verschiedenen Schallquellen wählbar – und fast unbezahlbare Mikrofone

Zudem kann das Ocean Way Studios Plug-In an verschiedene Signalquellen angepasst werden. Studio A bietet insgesamt 10 und Studio B 11 Rückwurfmuster (etwa: Drums, Horns, Vocals Solo, Vocals Group…), die für bestimmte Anwendungen optimiert wurden. Dabei handelt es sich nicht um Simulationen, sondern um echte Impulsantworten, die mit unterschiedlichen Mikrofonierungs-Setups basierend auf Allen Sides’ jahrzehntelanger Erfahrung mit den Ocean-Way-Räumen aufgenommen wurden. Und jedes dieser grundsätzlichen Presets (die selbstverständlich auch nach persönlichem Gusto „zweckenentfremdet“ werden dürfen) verfügt dann eben über ein eigenes Sub-Set für Direktisgnal, Erstreflektionen du Hallfahne. Jede dieser Komponenten kann vielfältig angepasst werden. Zunächst einmal steht eine ganze Palette an Mikrofonen zur Auswahl, wobei es sich hier tatsächlich um die „goldenen“ Exemplare aus der Sammlung handelt, deren Grundstein Allen Sides einst noch zusammen mit Bill Putnam legte – und die nach dem Bestand des Abbey Road vermutlich die bedeutendste Mikrofonsammlung auf diesem Planeten ist.Es steht eine große Reihe von Klassikern zur Auswahl, darunter AKG C12, Neumann U47, U67, M50 und KM54, aber auch das Sennheiser MKH20 und ein Shure SM57. Auch Bändchen fanden Verwendung, etwa das RCA BX44. Während hier selbstverständlich eine Achtercharakteristik zum Zug kommt, lassen sich bei anderen Mikrofontypen teilweise sogar unterschiedliche Polar Patterns wählen. Jedes Mikrofon(-paar) vefügt über einen Distanzparameter, mit dem es im Aufnahmeraum verschoben werden kann. Auf Knopfdruck kann der Zeitversatz zum Direktsignal ausgeglichen werden. Das ist hilfreich für Spezialeffekte, etwa krass komprimierte Raummikros, deren Signal dem Direktsignal nicht „hinterher hängt“. Dazu verfügt jedes Mikrofon(-paar) noch über eigene Low- und Highcuts, Phasendrehung, Mute-Button sowie einen Fader für die Pegeleinstellung.
Global verfügt das Plug-In über ein Predelay-Poti (nur im Reverb-Modus aktiv), sowie Schalter für L/R Swap und Mono-Betrieb. Das Mischungsverhältnis zwischen Original- und Effektsignal kann nur im Reverb-Modus eingestellt werden (im Re-Mic-Modus arbeitet das Plug-In prinzipbedingt 100% wet), der Masterfader ist aber in allen Fällen aktiv. Dazu bietet das Ocean Way Studios Plug-In noch einen Master-EQ, der hinter der Reverb-Einheit liegt. Hier kommen zwei Shelving-Filter mit ±12 dB Amplitude und Eckfrequenzen zwischen 20 Hz und 2 kHz respektive 200 Hz und 10 kHz zum Einsatz. Ein großes Display gibt Aufschluss über den Grundriss der beiden Säle und die Positionierung der Schallquellen und Mikrofone darin. Auch Fotos und Hintergrundinformationen lassen sich hier abrufen.

Praxis

Hallprozessoren, die nicht mit Vornamen „Quantec“ heißen, sind in der Regel Werzeuge mit recht komplexem Interface, was ganz einfach an der Natur der Sache liegt – gilt es doch, den Raumklang mittels einer ganzen Reihe von Parametern zu beeinflussen.
Hier ist auch das Ocean Way Plug-In keine Ausnahme, allerdings ist es Universal Audio gelungen, die zahlreichen Optionen recht übersichtlich zu verpacken. Es dauert jedenfalls nicht lange, bis man sich mit dem Grundprinzip vertraut gemacht hat. Im Anschluß ist der Einsatz des Prozessors zwar kein Kinderspiel (was abermals in der Natur der Sache liegt), aber doch recht komfortabel.

Das Plug-In bietet in seiner Oberfläche ausführliche visuelle Informationen über den Grundriss der Studioräume und die Positionierung der Schallquellen und Mikros darin.
Das Plug-In bietet in seiner Oberfläche ausführliche visuelle Informationen über den Grundriss der Studioräume und die Positionierung der Schallquellen und Mikros darin.

Im Betrieb wird jedoch ziemlich schnell klar, was das Ocean Way Plug-In nicht ist: ein Allround-Hallprozessor für Standardsituationen aller Art. Das Plug-In macht zwar den Raumklang eines Top-Studios in der DAW verfügbar, aber eben auch „nur“ das. Die ellenlange Plate-Hallfahne, den schepperigen Federhall oder einen Wölkchenhall mit Chorus drauf kann man dem Ocean Way Plug-In allesamt nicht entlocken. Aber: Das macht gar nichts, denn dazu ist dieser Prozessor einfach nicht erschaffen worden! Vielmehr kann er eine Sache besonders gut: Eine trockene Produktion mit glaubwürdigen Erstreflektionspattern anreichern, was so ziemlich genau das ist, was vielen aktuellen Produktionen fehlt, die entweder ausschließlich mit nah mikrofonierten Signalen oder gleich rein mit Software-Klangerzeugern aufgebaut wurden. Dabei wird allerorten nach einem sogenannten „Glue“-Effekt gesucht, nach einer Soundkomponente, die eine Produktion zusammenbringt, sie als eine Einheit erklingen lässt. Kaum ein Kniff ist so effektiv um diesen „Glue“ zu erzeugen, wie alle Signale einer Produktion mit Early Reflections zu versehen, die aus demselben Prozessor, oder, wie in diesem Fall, gar aus demselbenm Raum stammen. Warum soviele Klassiker-Produktionen so einheitlich, so „zusammen“ klingen? Weil auf praktisch allen Signalquellen ein  Raumanteil des gleichen (Aufnahme-)Raumes drauf ist…
Genau hier setzt das Ocean Way Plug-In an. Ausgewiesenen „Hall“ liefert das Plug-In nur dann, wenn man es richtiggehend dazu zwingt. Auch wenn es sich bei Ocean Way Studio A und B jeweils um sehr beeindruckende Säle handelt, haben diese jedoch – wie die meisten Studios dieser Größe – eine recht kontrollierte Akustik ohne übertrieben lange Nachhallzeiten. Der Schwerpunkt liegt also tatsächlich auf dem, was man in konventionellen Hallprozessoren als „Room“- oder allenfalls „Chamber“-Programmen bezeichnen würde.

Das Plug-In liefert sogar Hintergrundinformationen zu den beiden legendären Studiosälen (links Ocean Way Studio A, rechts Studio B).
Das Plug-In liefert sogar Hintergrundinformationen zu den beiden legendären Studiosälen (links Ocean Way Studio A, rechts Studio B).

Jedes der beiden Studios bietet eine ganze Reihe von durch Allen Sides’ intimer Kenntnis der Räume geprägter Impulsantworten-Setups, die bei aller charakterlicher Einheitlichkeit doch eine ziemliche Bandbreite liefern. Der Schlüssel dazu liegt in den je nach Aufbau sehr variantenreichen Erstreflektionspatterns. Die meisten algorithmischen Hallprogramme bieten keine Parameter für eine derartig differenzierte Positionierung der Signale im Raum, und die meisten Impulsantworten-Sets echter Räume wiederum wurden nicht in solcher Anzahl aufgezeichnet. Das Ocean Way Plug-In besetzt hier also durchaus eine Lücke im riesigen Angebot der heute verfügbaren Hallprozessoren. Es macht ziemlich großen Spaß, die (weit gefassten) Grenzen dieser Möglichkeiten auszuloten, wenn man denn erst einmal erkannt hat, dass hier die große Stärke – und auch die weitgehende Einzigartigkeit – des Ocean Way Plug-Ins liegt.

Audio Samples
0:00
Mix Original Mix Studio A Mix Studio B Rhodes Original Rhodes Studio B Snare Original Snare Studio B Re-Mic

Beide Räume unterscheiden sich im Charakter deutlich. Studio A klingt wuchtiger (und wenn man so will „tiefer“), Studio B hingegen dichter und „breiter“. Das sind zwei grundsätzlich unterschiedliche Charaktere, die sich anschließend jeweils in einem erstaunlich weiten Bereich anpassen und verfeinern lassen. Hier spielt nicht zuletzt die Auswahl der der Mikrofone, mit denen die Impulsantworten aufgenommen wurden, eine große Rolle. Oftmals lässt sich mit dem richtigen Mikro und der passenden Richtcharakteristik (sowie selbstverständlich der passenden Positionierung im Raum) bereits das gewünschte Klangbild erzielen – ganz so, wie im „echten Leben“. Die Mikros haben großen Einfluss vor allem auf den Frequenzgang des Raumklanges, aber auch auf die Stereowirkung. Und falls das noch nicht reicht, dann verfügt das Ocean Way Plug-In ja immer noch über die beiden Shelving-Filter am Ausgang. Diese lassen sich gut einsetzen, wenn man beispielsweise den gesamten Raumklang noch etwas aufhellen oder etwas schlanker machen möchte. Gut, dass man dazu nicht erst einmal ein externes EQ-Plug-In öffnen muss!

Ich bin mehrmals in den Ocean Way Studios in Hollywood gewesen und konnte mich dort vor Ort von den unglaublichen klanglichen Qualitäten dieser Räume überzeugen. Vor allem Studio B Hat eine „Ausstrahlung“, die diesen Saal zu etwas ganz besonderem macht. Diese Dichte der Rückwurfmuster, dieser lebendige, „blühende“ Sound… alleine schon in diesem Raum herumzugehen oder zu sprechen fühlt sich besonders an, als ob die Erstreflektionen einem unter die Arme greifen und einen ein paar Zentimeter über dem Boden schweben lassen. Es ist schwer, das in Worte zu fassen, aber es leuchtet mir absolut ein, warum Bill Putnam selbst der Meinung war, mit diesem Studio sein raumakustisches Meisterwerk geschaffen zu haben.
Warum ich das hier noch einmal so ausführlich erwähne? Weil ich der Meinung bin, dass eine gute Portion von diesem Vibe tatsächlich in dem Ocean Way Plug-In eingefangen wurde. Das Plug-In eignet sich hervorragend dazu, die Staffelung eines Mixes mit absolut glaubwürdigen, abwechslungsreichen und formbaren Erstreflektionsmustern zu gestalten, die dabei auch noch gut und charaktervoll klingen. Im Reverb-Modus, also beim Einsatz als konventioneller Raumsimulator, lassen sich diese Vorzüge meiner Ansicht nach am besten ausspielen. Den Re-Mic-Modus sehe ich als interessantes Add-On, das sicherlich für den einen oder anderen Spezialeffekt gut sein kann, aber im Praxiswert fällt er für meinen Geschmack gegenübe dem Reverb-Mode doch etwas ab. Klar, ab und an mag der Soundcharakter, der einem Signal damit aufgepfropft wird,  gut passen. Aber letztlich ist es eine „Verdoppelung“ des Aufnahmesignalwegs, und das kann ein bereits gut klingendes und in den Mix passendes Signal einfach zu heftig verbiegen. Dies ist aber kein wirklicher Kritikpunkt, denn man muss den Re-Mic-Mode ja nicht nutzen, und bereits beim „gewöhnlichen“ Einsatz im Reverb-Modus liefert das Plug-In so überzeugende Ergebnisse, dass der Kaufpreis mehr als gerechtfertigt escheint.

Fazit

Man darf vom Universal Audio Ocean Way Plug-In nicht erwarten, dass es für alle Nachhall-Wünsche die passenden Resultate bietet. Wer aber auf der Suche nach einer vielfältig einsetzbaren, recht wandlungsfähigen und dabei charaktervollen Raumsimulation ist, der wird hier auf gar keinen Fall enttäuscht werden! Der Prozessor bietet zahlreiche Impulsantworten aus einem der besten Tonstudios der Welt, aufbreitet in einer Engine, die augenscheinlich das Optimum aus den IRs herausholt. Mit vielfältigen Einstelllungs- und Anpassungsmöglichkeiten lassen sich die Ergebnisse punktgenau verfeinern, und dass nicht alle Funktionen gleichermaßen überzeugen, ist gar kein Nachteil.Denn das, was das Ocean Way Plug-in bereits in der “Brot-und-Butter”-Abteilung leistet, ist in dieser Form einzigartig.

Unser Fazit:
5 / 5
Pro
  • Klangcharakter eines legendären Hollywood-Studios
  • überzeugende Raumsimulation mit gut klingenden Erstreflektions-Patterns
  • Rückwurfmuster lassen sich vielfältig anpassen
Contra
  • Re-Mic-Modus fällt gegenüber dem Reverb-Modus etwas ab
Artikelbild
Universal Audio Ocean Way Studios Plug-In Test
Kein Alleskönner, aber seinem Gebiet grandios: Ocean Way Plug-In, das mit der UAD-Softawre 7.0 kommt
Kein Alleskönner, aber seinem Gebiet grandios: Ocean Way Plug-In, das mit der UAD-Softawre 7.0 kommt
Impulsantworten der legendären Ocean Way Studios
  • Reverb- und Re-Mic-Modus
  • viele Mikrofontypen und Richtcharakteristiken zur Auswahl
  • Summen-EQ mit zwei Shelving-Filtern
  • Preis: $ 349,-
Hot or Not
?
Kein Alleskönner, aber seinem Gebiet grandios: Ocean Way Plug-In, das mit der UAD-Softawre 7.0 kommt

Wie heiß findest Du dieses Produkt?

Kommentieren
Schreibe den ersten Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Bonedo YouTube
  • dreadbox Artemis Sound Demo (no talking)
  • Arturia Astrolab 88 Review - Arturia's Flagship Stage Keyboard
  • Moog Messenger Sound Demo with Custom Presets