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Twisted Electrons AY3 MkII Test

Der Twisted Electrons AY3 MkII ist ein “Chiptune Synthesizer” auf Basis zweier “new old stock” AY-8912 8-bit Chips, wie sie in alten Computern und Flipperautomaten verwendet wurden. Der kleine Bruder des Acid8 MkII ist sechsstimmig polyphon, was aber nicht heißt, dass man in vollmundigen, sechsstimmigen Akkorden schwelgen kann – die Stimmen werden benötigt, um die dissonanten Drones und Arpeggios zu erzeugen, die den Soundcharakter des AY3 prägen.

Über eine 6×5-Matrix können Sequenzen, Arpeggios, Noise, Hüllkurven und Pitchmodulation hinzugefügt werden. Sounds lassen sich in acht Bänken mit jeweils acht Presets abgelegen. Selbst einen 16-Step-Sequencer pro Preset hat Twisted Electrons dem nur 14 x 10 x 4,5 cm kleinen Kästchen aus gebürstetem, mattschwarzem Aluminium spendiert.

Twisted Electrons AY3 (Bild: zur Verfügung gestellt von Twisted Electrons)
Twisted Electrons AY3 (Bild: zur Verfügung gestellt von Twisted Electrons)

Details

Gehäuse und Bedienfeld

Wie der Acid8 liegt auch der AY3 inzwischen als Version MkII vor. Im Internet kursieren noch Videos und Bilder von der ersten Version mit Moog-artigen Potis. Die MkII-Version ist kleiner und feiner und verfügt über das gleiche mattschwarze Finish wie der Acid8, fünf solide Metallregler und einen Push-Encoder mit robustem Gummibezug, der zur Dateneingabe, aber auch zur Anwahl der 64 Soundspeicher dient. Die linke Seite des AY3 wird von der 6×5-Matrix dominiert, die zur Soundprogrammierung genutzt wird. Darüber befindet sich noch eine Reihe mit acht LEDs sowie acht Wellenform-Motiven.

Größenvergleich: AY3, Acid8 und Korg monotron (Bild: Mijk van Dijk)
Größenvergleich: AY3, Acid8 und Korg monotron (Bild: Mijk van Dijk)

Anschlüsse

Rückseitig herrscht Minimalismus: drei Miniklinkenbuchsen, von denen eine als MIDI-Eingang und zwei als Audioausgänge dienen. Dabei gibt jeder Ausgang die drei Stimmen eines der AY3-8912 Soundchips aus. Und Achtung: die einzelnen Stimmen lassen sich auch spearat via MID ansteuern: auf MIDI-Kanal 1 werden alle 6 Stimmen des AY3 angesprochen , auf den Kanälen 2 – 7 jeweils eine Stimme, so dass der AY3 quasi auch als multitimbrales Modul betrieben werden kann. Ein MIDI-Adapter im gleichen Format wie beim Acid8 liegt bei. Praktischerweise kann man die MIDI-Buchsen beider Geräte auch direkt mit einem Mini-Stereo-Klinkenkabel verbinden, wie man es sonst zum Anschluss z.B. eines Smartphones an einen Mini-Aux-Eingang nutzt, so dass der AY3 mit MIDI-Noten der Acid8 befüttert wird. Sehr schön!

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Praxis

Sound

Erstmal ein paar Presets durchhören! Das geschieht per Dreh am Encoder. Das Resultat ist ein sofortiger Flashback in selige Arcadegame-Zeiten: Der AY3-8912-Chip war verantwortlich für den trashigen Sound der Spielkonsolen der späten siebziger und frühen achtziger Jahre, er steckte aber auch in frühen Heimcomputern wie dem Sinclair ZX Spectrum 128/+2/+3 und der Mockingboard Sound Card für den Apple II. Dementsprechend schräg und spröde zirpt und zwitschert der AY3 auch.
Mit dem Data-Encoder können die jeweils acht Sounds einer Bank aufgerufen werden. Nicht jeder Klick ruft dabei einen Sound auf, sondern die LEDs indizieren, ob eine Soundlocation aufgerufen wurde. Beim Durchwählen sind deutliche Klicks zu hören. Auch rumpelt hier immer ein gewisses leichtes Rauschen mit, wie die Soundbeispiele zeigen.

Audio Samples
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AY3 Jam-Sequenz: Leicht rauschig, aber glorreich-schräge Dissonanzen

Überhaupt ist der AY3 sehr viel komplizierter und spröder als der große Bruder Acid8, produziert gern mal MIDI-Notenhänger und klingt weniger vorhersehbar. Allein der Dreh am Detune/Chord-Regler kann den Sound komplett verändern. Aber genau das macht neben dem genial kompakten Formfaktor den Reiz des AY3 aus, solche unüblichen Klänge fehlen den meisten Producern in der Soundpalette und hier sind sie im Gegensatz zu einem Plug-in oder einer Library sehr direkt erstellbar und beeinflussbar.

Audio Samples
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AY3 lange Töne: schön schräge Dissonanzen

Die Videospielästhetik macht natürlich einen besonderen Reiz des kleinen Franzosen aus. Aber den AY3 allein auf Super Mario zu reduzieren, würde ihm nicht gerecht. Beim Programmieren wie beim Parameterschrauben ist zwar Kollege Zufall ständiger Begleiter, aber wenn man sich auf den Synthesizer einlässt, bekommt man schnell ein Gefühl dafür, wie man ihn zum Klingen bringt.

Audio Samples
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Super Mario lässt schön grüßen

Da der AY3 einfach per MIDI in die Produktionsumgebung eingebunden werden kann, bietet er sich als hervorragender Stichwortgeber für durchsetzungsfähige Sequenzen zwischen Effekt, Trash, dreckigem Bass und fettem Lead geradezu an. Alle Funktionen können über MIDI-CC gesteuert werden. Mit dem Acid8 gibt der AY3 ein echtes Traumpaar ab, klanglich ergänzen sich beide ideal.

Audio Samples
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All together now: Acid8 und AY3 im Zusammenspiel
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Fazit

Der Twisted Electrons AY3 ist ein toller kleiner Spezialist (nicht nur) für Freunde des Sounds alter Flipperautomaten und Arcade-Konsolen. Es ist nicht so einfach, geplantes Sounddesign zu betreiben, aber wer gern ergebnisorientiert herumschraubt, kommt hier voll auf seine Kosten. Apropos Kosten: Mit gut 250 Euro ist der AY3 in einer erschwinglichen Preisklasse unterwegs, sodass man als neugieriger Produzent statt zum x-ten subtraktiven Synthesizer einfach mal zum AY3 mit seinen unverbrauchten Klängen greifen kann.

Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • supersolide Verarbeitung
  • sehr guter Formfaktor
  • sehr charaktervolle Klangerzeugung
  • hoher Spaßfaktor
Contra
  • sehr kleine Matrixknöpfe
Artikelbild
Twisted Electrons AY3 MkII Test
Der AY3 generiert seinen Sound aus alten Spielautomaten-Soundchips (Bild: zur Verfügung gestellt von Twisted Electrons)
Der AY3 generiert seinen Sound aus alten Spielautomaten-Soundchips (Bild: zur Verfügung gestellt von Twisted Electrons)
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Superwaldi sagt:

#1 - 06.08.2016 um 06:17 Uhr

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Das Teil rauscht aber ganz schön, oder?

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