Sound Radix ist ein kleiner Hersteller mit großen Ideen. Seit der Firmengründung im Jahr 2010 wurden nur vier Plug-ins auf den Markt gebracht: Auto Align, der Surfer EQ, das Phasentool Pi und der Drum Leveler. Die vier Plug-ins haben es in sich und nutzen auf ihre eigene Art und Weise die Möglichkeiten digitaler Signalbearbeitung, um neue Wege zu beschreiten und frische Perspektiven für das Abmischen von Musik zu eröffnen – und im Radical Bundle 2 sind sie alle enthalten.
Alles neumodischer Schnickschnack? Wenn aufgenommene Musik schon in den 1960er Jahren gut klang, warum dann unnatürliche Computerspielchen damit treiben? Derlei Fragen ließen sich sicher ausgiebig diskutieren. Im Test wollen wir uns auf die harten Fakten konzentrieren und sehen, an welchen Stellen das außergewöhnliche Effekt-Quartett von Sound Radix hilfreich sein kann.
Details
Erster Überblick: „Normal“ ist nicht genug
Grundsätzlich geht es bei Sound Radix weniger darum, einen bereits guten Grundklang zu veredeln oder ihm einen gewissen charakterlichen Stempel aufzudrücken – zu diesem Zweck bieten sich vor allem Emulationen von Vintage-Hardware an, wie man sie bei vielen anderen Herstellern findet. Die vier Effekte aus dem Radical Bundle 2 sind dagegen weitgehend als nüchterne Werkzeuge zu verstehen, die sich auf das grundlegende Optimieren des aufgenommenen Ausgangsmaterials konzentrieren und dabei einen ausgeprägten Hang zu tontechnischer Verschrobenheit zeigen.
Für so komplexe Vorgänge ist im Fall aller vier Plug-ins eine Lookahead-Funktion nötig, wie man sie beispielweise von linearphasigen EQs kennt. Um das Signal zu analysieren, müsste der Rechner im Prinzip für einige Millisekunden in die Zukunft blicken, und da er das nun einmal nicht kann, wird ein Buffer zwischengeschaltet, der dem System eine durchaus erwähnenswerte zusätzliche Latenz verpasst. Als echten Minuspunkt empfinde ich das nicht, denn komplexe Berechnungen brauchen nun einmal Zeit. So lange man mit dem Tracking beschäftigt ist und Echtzeit-Monitoring durch den Rechner gefragt ist, sollte man die Plug-ins von Sound Radix aber auf jeden Fall deaktiviert lassen. In der späteren Phase des Mischens ist die kleine Verzögerung kaum zu bemerken.
Während der Installation entscheidet man sich für die zu installierenden Plug-in-Formate.
Die Plug-ins des Radical Bundle 2 sind in den Formaten AAX, RTAS, AU und VST (auch VST3) verfügbar und laufen sowohl unter Mac OS als auch unter Windows. In Hinblick auf den Kopierschutz findet bei Sound Radix offenbar gerade ein Umbruch statt. Drum Leveler und Surfer EQ arbeiten zum Testzeitpunkt (Februar 2017) mit dem verbreiteten iLok-System. Es wird allerdings nur ein entsprechendes Benutzerkonto und kein Hardware-Dongle benötigt, um die Software auf bis zu drei Systemen gleichzeitig zu nutzen.
Die Autorisierung von Auto Align und Pi läuft momentan noch über ein Online-Verfahren, das während der Installation abgeschlossen wird. Eine Offline-Installation ist nicht vorgesehen. Kunden, die eine dahingehende Support-Anfrage stellen, werden aber mit entsprechenden Installern versorgt. Wer die Software antesten will, kann die Plug-ins für den Zeitraum von zwei Wochen uneingeschränkt nutzen.
Mit Auto Align hat Sound Radix bei der Firmengründung im Jahr 2010 sein Debüt gegeben. Das Plug-in wird jeweils in den ersten Insert-Slot der Spuren einer mehrfach mikrofonierten Aufnahme geladen, berechnet während eines Detect-Zeitraums die Laufzeitunterschiede zwischen den Kanälen und gleicht diese danach automatisch aus.
Auto Align im Einsatz.
Folglich werden die Phasenlagen der Einzelspuren so untereinander angeglichen, dass Wellenkamm und Wellental möglichst direkt übereinander liegen, was wiederum für einen möglichst definierten und kräftigen Sound sorgt. Natürlich lässt sich das im Fall einer DI- und einer Amp-Spur bei Bass oder Gitarre auch recht problemlos von Hand erledigen – nämlich durch ein geringes Verschieben der Spur. Gerade wenn (wie beim Drum-Recording) viele beteiligte Tracks zurechtgerückt werden sollen, kann man mit Auto Align aber gewaltig Zeit sparen.
Der automatisierte Prozess birgt allerdings auch seine Fallstricke, denn er suggeriert, dass ein perfektes Eliminieren von Laufzeitunterschieden in jedem Fall „besser und richtiger“ sei als eine leichte Verschiebung. In dieser Frage scheiden sich in der Praxis die Geister, und oft spielen hier Mixing-Philosophie und das eigene Klangideal eine Rolle. Vor allem Raumkanäle können in vielen Fällen für mehr Größe oder Tiefe im Klang sorgen, wenn sie nicht perfekt auf den Signalen der Direktmikros sitzen. Wenn man dem anfänglichen Drang zum Overuse widersteht und das Plug-in gezielt einsetzt, um Probleme zu lösen, dann kann es den Workflow beim Mischen aber deutlich beschleunigen.
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Drums ohne Auto AlignDrums mit Auto Align (alle Kanäle)Drums mit Auto Align (alle Kanäle außer Kick)
Der Drum Leveler: Ein Kompressor mit Zielerfassung
Ein gewöhnlicher Kompressor reagiert, sobald ein Schwellenwert (Threshold) überschritten wird, regelt darauf das Eingangssignal in einem gewissen Verhältnis (Ratio) zurück und verdichtet somit den Klang. Wenn es beispielsweise darum geht, die Lautstärkeunterschiede eines Snaredrum-Backbeats auszugleichen, dann kann ein klassischer Kompressor also nur die Spitzenpegel der lauteren Anschläge reduzieren, um danach das gesamte Signal wieder anzuheben.
Dank der Echtzeitdarstellung der Wellenform auf der Bedienoberfläche entsteht beim Drum Leveler trotz der komplexen Vorgänge ein sehr komfortabler Workflow.
Der Drum Leveler verhält sich dagegen wesentlich vielschichtiger! Der wichtigste Parameter des Effekts ist der Pegel-Zielwert. Alle Schläge auf einer Trommel, die innerhalb eines definierbaren Pegel- und Frequenzbereichs liegen, werden in einem gewissen Verhältnis an diesen Zielwert angeglichen und dabei nicht nur abwärts, sondern bei Bedarf auch aufwärts komprimiert bzw. expandiert. Die Schläge außerhalb des definierten Bereichs bleiben dabei unangetastet, solange sie nicht zeitgleich mit den betreffenden Schlägen gespielt wurden, können bei Bedarf aber auch abgesenkt, komplett gegatet oder sogar angehoben werden. Der letztendliche Effekt gleicht ein wenig dem manuellen Ausschneiden und Angleichen einzelner Trommelschläge, die Arbeit mit dem Plug-in ist aber natürlich wesentlich, ja wirklich wesentlich, zeitsparender!
Grundsätzlich eignet sich der Drum Leveler vor allem dazu, die Pegel der Close-Mics an einem echten Drumset auszugleichen. In dieser Situation kann er heftig zugreifen, ohne dabei deutliche Artefakte zu erzeugen und dabei die Performance von nicht ganz so einheitlich spielenden Drummern gehörig aufwerten. Auf Overheads und Raumkanälen sind vorsichtigere Eingriffe möglich, wobei dies primär davon abhängt, wie gut die einzelnen Schläge voneinander separiert sind. Insgesamt ein wirklich tolles Plug-in, das jeder gebrauchen kann, der echte Drummer aufnimmt!
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Drums ohne Drum LevelerDrums mit Drum Leveler (alle Kanäle)
Nicht nur für Beach Boys: Der Surfer EQ
Auch der Surfer EQ hat eine automatische Zielerfassung, wobei sich diese natürlich nicht auf die Dynamik, sondern auf das Frequenzspektrum bezieht. Der plakativ betitelte Surf-Modus lässt sich separat für jedes der insgesamt sieben Bänder aktivieren und sorgt dafür, dass Tonhöhe und Obertonstruktur eines eingehenden Signals analysiert werden. Über den Frequency-Regler wählt man in diesem Modus keine feste Frequenz, sondern den Grundton oder einen der zugehörigen Partialtöne des anliegenden Signals. Wenn sich die Tonhöhe ändert, dann folgt der EQ dieser Veränderung – ähnlich wie ein Surfer, der auf dem Kamm einer Welle reitet. Voraussetzung ist allerdings, dass es sich um monophones (also einstimmiges) Material handelt.
1/2 Links unten bietet der Surfer EQ einen Button für einen Live-Mode mit geringerer Latenz. Dadurch wird das Pitch-Tracking allerdings leicht verzögert.
2/2 Wenn die Tonhöhenerkennung einmal streiken sollte, dann lässt sich der Surfer EQ auch mit MIDI-Daten füttern.
Es geht aber noch weiter! Alle Bänder des EQs lassen sich wie ein frequenzspezifisches Gate nutzen und sind in diesem Modus nur aktiv, wenn ein angegebener Schwellenwert entweder über- oder unterschritten wird. Außerdem bietet das mittlere Band mit dem Harmonic-Mode die Möglichkeit, einem Signal ein künstlich erzeugtes Obertonspektrum aufzudrücken. Das lädt zum Experimentieren ein!
Wie man sieht, ist der Surfer EQ durchaus mehr als ein pragmatischer Problemlöser, der beispielsweise einen zu dünn klingenden Bass mit dem nötigen Fundament untermauern kann. Auch beim Sound-Design wird das kreativ gestaltete Tool interessante Ergebnisse liefern können. Und nicht zu vergessen: Natürlich arbeitet der Schallwellen-Surfer auch als „normaler“ und verhältnismäßig sauberer Equalizer. Einziger Kritikpunkt bei einer Standard-Anwendung wäre, dass die Flankensteilheit nicht vollständig frei angepasst werden kann.
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Bass DryBass mit Surfer EQ
Der Exot unter den Exoten: Pi
Bei dem kurzen Namen Pi handelt es sich um die Abkürzung für „Phase Interactions“. Das Plug-in sitzt laut Handbuch im Idealfall im letzten Insert-Slot und Post-Fader-Position auf allen Einzelspuren eines Mixes und versucht ähnlich wie Auto Align die Phasenlage der Tracks so aufeinander abzustimmen, dass ein möglichst perfektes Mischverhalten mit möglichst geringen Auslöschungen erreicht wird. Der wesentliche Unterschied zu Auto Align ist allerdings, dass die betreffenden Spuren rein gar nichts miteinander zu tun haben müssen! Zudem läuft die Optimierung nicht auf Basis von Laufzeitunterschieden, sondern von Phasenrotation. Und ja! Das klingt wirklich alles sehr theoretisch und sogar ein wenig nach Tontechniker-Esoterik.
Das Plug-in Pi bei der Arbeit – in dieser Darstellung wird die frequenzspezifische Aktivität des Summierers angezeigt.
Man muss dem Plug-in zugestehen, dass es etwas tut, das durchaus einen positiven, manchmal sogar sehr positiven Effekt haben kann. Allerdings ist dem nicht immer so. Ob man Pi nun beim Mischen verwenden will oder nicht, sollte wohl keine grundsätzliche Entscheidung sein. Meine persönliche Einschätzung dazu gibt es im Video.
Ein wesentlicher Kontrapunkt an Pi ist, dass die Einrichtung (zumindest in Cubase Pro 9) recht aufwendig ist. Die Zugehörigkeit einer Instanz des Plug-ins zu einer Gruppe gehört leider nicht zu den Parametern, die sich über Gruppenbearbeitung in der DAW anpassen lassen. Das bedeutet mehrere Klicks für jede beteiligte Spur. In umfangreichen Produktionen (für die das Plug-in offensichtlich gedacht ist) kann das durchaus ein Weilchen dauern.
Der Drum Leveler ist meiner Meinung nach ein Must-Have für alle, die öfter akustische Drums aufnehmen. Ein wirklich außergewöhnliches Plug-in, mit dem man extrem zielorientiert und schnell arbeiten kann! Und eben im Bereich der Schlagzeugaufnahme oder generell bei umfangreich mikrofonierten Quellen kann auch Auto Align punkten, denn es übernimmt frickelige Feinarbeit und spart damit Zeit.
Die Möglichkeiten, die der Surfer EQ mit seiner dynamischen Anpassung an die Tonhöhe des Eingangssignals bietet, sind sicher keine Voraussetzung für einen guten Mix, können in manchen Bereichen aber hilfreich sein. Bei dem äußerst experimentell angelegten Pi fällt es dagegen schwerer, eine eindeutige Empfehlung auszusprechen. In manchen Situationen kann es den Klang durchaus aufwerten, an anderen Stellen erzeugt es störende Artefakte, und allgemein ist die Einrichtung in einer umfangreichen Mischung äußerst aufwendig.
Etwas schade ist der im Verhältnis noch recht hohe Bundle-Preis. Wer beispielsweise kein Interesse an Pi hat, kommt mit einem Kauf der drei einzelnen Plug-ins nach wie vor besser weg als mit dem Radical Bundle 2. Abgesehen davon hat der Erfindergeist des kleinen Entwicklers aber definitiv Würdigung verdient!
Pro
vier außergewöhnliche Plug-ins
teilweise sehr zielorientiert
trotz komplexer Vorgänge einfach zu bedienen
Contra
Preisvorteil gegenüber Einzelkauf könnte größer sein
FEATURES
Plug-in Bundle (vier Plug-ins)
Formate: AAX, RTAS, AU, VST 2/3 (32 Bit/64 Bit)
Systemvoraussetzungen:
Windows 7/Mac OS X 10.6 oder höher
Windows/Mac: Intel Core CPU, 2GB RAM
Internetverbindung zur Installation/Aktivierung
iLok-Account aber kein Dongle benötigt
Preise
Radical Bundle 2: € 571,- (UVP)
Auto Align: € 143,- (UVP)
Drum Leveler: € 143,- (UVP)
Surfer EQ: € 190,- (UVP)
Pi: € 238,- (UVP)
Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
vier außergewöhnliche Plug-ins
teilweise sehr zielorientiert
trotz komplexer Vorgänge einfach zu bedienen
Contra
Preisvorteil gegenüber Einzelkauf könnte größer sein
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