Shure MV7 Test

Das Shure MV7 ist zwar nicht das erste USB-Mikrofon des traditionsreichen Unternehmens, aber das erste, welches auf das seit Jahrzehnten verbreitete Sprechermikrofon Shure SM7B aufbaut.

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Dieses hat als dynamischer Allrounder einen festen Platz in Ton- und Broadcaststudios, ist aber auch auf Bühnen, an Stations von Bedroom-Producern und in Proberäumen zu finden und findet sogar immer mehr Verbreitung als Zoom- und Podcast-Mikro. Das Shure MV7 bringt aber etwas mehr mit als das SM7B, dadurch will es dem User das Leben leichter machen. Und preiswerter ist es auch.

Details

„Ist das ein USB- oder ein XLR-Mikrofon?“ – „Ja.“

Es ist nur sinnvoll, dass USB-Mikrofone zusätzlich mit XLR-Anschluss ausgestattet werden, zumal der technische Aufwand gering ist. So gibt es viele Anwendungsfelder, bei denen ein analoger Anschluss klar von Vorteil ist. Dort, wo viele Mikrofone zum Einsatz kommen, also im Musikkontext, auf Bühnen und dergleichen. Wenn ein bestimmter Preamp genutzt werden soll, der einen bestimmten Klangcharakter liefern soll oder der einfach qualitativ besser ist als der im USB-Mikro eingebaute. Außerdem ist ein analoger Anschluss mit den heutigen Impedanzen seit Jahrzehnten weltweiter Standard – und es hat nicht den Anschein, als würde sich das in den nächsten Jahrzehnten ändern. Damit entfallen beim Shure MV7 die meisten der Contras, die gegen den Kauf eines USB-Mikrofons sprechen.

Sinnvoll: Das Shure MV7 besitzt XLR- wie USB-Buchse.
Sinnvoll: Das Shure MV7 besitzt XLR- wie USB-Buchse.

Phänotyp dem SM7B ähnlich

Dass Shure beim Entwickeln eines USB-Mikrofons für die primäre Aufgabe, Sprache aufzunehmen, das Vorbild in den eigenen Regalen suchen, liegt auf der Hand. Schon die anderen MV-Mikrofone, etwa das MV51, nahmen Anleihen bei alten Shure-Klassikern wie den „Elvis-Mikros“ des Typs 55. Allerdings sind sich Shure MV7 und Shure SM7B vom Phänotyp nur grob ähnlich. Sicher besitzen beide einen Bügel, sind schwarz, werden front-fire besprochen und verfügen über eine Schaumstoffkappe sowie einen zylindrischen Korpus. Die Integration des XLR-Anschlusses in den Fuß findet man jedoch nur beim SM7B. Beim MV7 befindet er sich dort, wo auch der USB- und Kopfhöreranschluss beheimatet sind, die Filter des SM findet man am MV7 nicht. Auch ist das MV7 kleiner, leichter und etwas bulliger.

Fotostrecke: 3 Bilder Zwar hat das Shure MV7 einen Bügel wie auch das SM7B, doch ist seine Form eine andere.

„Unidein?“ – „Neyn.“

Die Kapsel im Shure MV7 wandelt nach dem Tauchspulenprinzip, ist also dynamisch. Sie liefert die Richtcharakteristik einer Niere. Hält man sich vor Augen, dass die wohl bekannteste Kapsel dieses Typs, die Unidyne III, in zahlreichen Shure-Mikrofonen zum Einsatz kommt und als Vorbild für sehr, sehr viele andere Schallwandler gilt, ist es sicher keine große Sache, dass die Kapsel des MV7 keine Original-Unidyne ist.

Tauchspulenkapsel aus der Nähe
Tauchspulenkapsel aus der Nähe

Shure MV7 mit Software

Allerdings beschränkt sich Shure nicht darauf, ein gutes Mikrofon zu liefern. Die Software SurePlus Motiv erlaubt die komplette Fernsteuerung der Funktionen, aber noch deutlich mehr. So finden sich die im vorigen Absatz vermissten Filterfunktionen, aber auch Settings für die Tonalität (Dark, Natural, Bright) und die Möglichkeit, ein Auto-Gain zu aktivieren. Als wäre das nicht genug, spendiert Shure dem MV7 noch einen mehrstufigen Kompressor ohne weitere Einstellmöglichkeiten, obendrein gibt es einen Limiter. Allerdings kommt man natürlich nur in den Genuss dieser digitalen Funktionen, wenn die USB-Verbindung benutzt wird.

Die Software ShurePlus Motiv bietet einen Einsteiger- und einen Fortgeschrittenen-Modus. Hier zu sehen ist ersterer.
Die Software ShurePlus Motiv bietet einen Einsteiger- und einen Fortgeschrittenen-Modus. Hier zu sehen ist ersterer.

Umfangreiche Daten

Es ist eher unüblich, dass ein Hersteller beispielsweise darüber Auskunft gibt, wie groß der Bereich der internen Verstärkung des Mikrofonsignals für den USB-Versand ist (hier: 0-36 dB) und wie hoch die Empfindlichkeit über diesen Weg: -47 dBFS/Pa (bei analoger Nutzung -55 dBV/Pa, was 1,78 mV entspricht). Die analoge Ausgangsimpedanz ist erstaunlich hoch, nämlich etwas über 300 Ohm. Über den Kopfhörerausgang ist an Werten allerdings nichts zu erfahren. Mehr als der numerische Frequenzgang ist der grafische von Interesse, der eine leicht zu den Höhen ansteigende Gerade beschreibt, dort neben leichten Boosts unter anderem eine minimale Absenkung des Schärfebereichs unter 10 kHz zeigt und darüber kontinuierlich abfällt – wie es für ein Tauchspulenmikrofon üblich ist.

Zwei USB-Kabel liegen dem Mikro bei.
Zwei USB-Kabel liegen dem Mikro bei.

Preiswerter als das SM7B

Das insgesamt mit mehr Features ausgestattete Shure MV7 ist deutlich preiswerter als das Shure SM7B. Heutige Mikros können so geplant werden, dass die Herstellung einfacher ist, außerdem sind die Löhne und Rohstoffe in Nordamerika, wo das SM7B hergestellt wird (Mexiko, um genau zu sein), höher als in China, wo Shure das MV7 fertigen lässt. Ein Kabel auf USB-A und eines auf USB-C wird jeweils mitgeliefert, das Lightningkabel müsste man sich zulegen, wenn man das Mikrofon an einem Mobil-Äpfelchen betreiben wollte. Wem das Schwarz des MV7 zu langweilig sein sollte, der bekommt das MV7 übrigens auch mit grauem Äußeren.

Beschriftung auf der Unterseite des Mikrofons
Beschriftung auf der Unterseite des Mikrofons

Praxis

Touch

Dass Shure beim MV7 zur Bedienung auf ein Touch setzt, hat Vor- aber auch einige Nachteile. Es gibt nur eine optische, keine haptische Rückmeldung, weder über einen aktuellen Status noch über den Erfolg einer Bedienung. Dadurch kann man nicht blind einstellen, wie es bei klassischen Schalt- und Schiebereglern, Potis, Fadern und dergleichen angewiesen ist. Allerdings ist man auf die Nutzung am Gerät ja nicht unbedingt angewiesen, denn auch die Software erlaubt ja diese Möglichkeiten. Vorbildlich ist, dass die Einstellungen dort umgehend auch am MV7 zu sehen sind – und das ist wiederum nur mit einer derartigen Lösung möglich.

Das Touchpanel sitzt im 90°-Winkel zur Einsprechrichtung und ist damit nicht oder nicht gut zu sehen. Und zu erfühlen gibt es auch nichts. Aber es gibt ja die Software.
Das Touchpanel sitzt im 90°-Winkel zur Einsprechrichtung und ist damit nicht oder nicht gut zu sehen. Und zu erfühlen gibt es auch nichts. Aber es gibt ja die Software.

Schaumstoff nur aufgeschoben

Die Verarbeitung des leichten Shure MV7 ist ordentlich, lässt aber auch erkennen, dass auf aufwändigere Dinge in der Konstruktion verzichtet wurde. Auffällig ist das besonders bei der Metallgitterkonstruktion, die erkennbar wird, wenn man den Schaumstoff entfernt. Darunter kommt ein Standard-Metalldrahtgewebe zum Vorschein, wo das SM7B seine spezifische (und spezifisch klangfärbende…) Lochblechkonstruktion zeigt, die viele von „nackten“ SM7ern kennen. Besagter Schaumstoff ist übrigens einfach aufgeschoben. Ich möchte weissagen, dass dieser irgendwann nicht mehr so eng anliegt und herunterzugleiten beginnt, wenn das Mikro leicht geneigt ist. Da sind die beiden mitgelieferten Schaumstoffkonstruktionen mit dem Plastikring beim SM7B eine deutlich bessere Lösung.

Der Schaumstoff (links unten angeschnitten) wird einfach nur über den Kapselgrill geschoben.
Der Schaumstoff (links unten angeschnitten) wird einfach nur über den Kapselgrill geschoben.

Grundausrichtung ähnlich SM7B

Eine erste Erkundung erfolgt auf klassischem Wege über den XLR-Ausgang des Hybridmikrofons. Klanglich zeigt das Shure MV7 eine sehr ordentliche Grundausrichtung, die in die gleiche Kerbe schlägt wie der (nicht nur hier im Review) allgegenwärtige Ahn SM7B. Dieses bietet die bei ihm so geschätzten Klangeigenschaften jedoch ein bisschen stärker. Das MV7 besitzt ein nicht ganz so deftiges Fundament wie das 7B, der massive Brustton und die vielbeschworene Kernigkeit und Durchsetzungsfähigkeit sind beim Neuling aus China ein bisschen weniger ausgeprägt als beim Shure-Klassiker. Allerdings sind dies Unterschiede, die dem normalen Podcaster, Streamer, Gamer und „Videokonferenzler“ kaum negativ auffallen werden. Auch der minimal „dengelige“ Klangbestandteil, mit dem das MV7 minimal nachschwingt, fällt nur bei detektivischem Hinhören und nach starker Kompression auf. Der Grund wird das Gehäuse mit dem Bügel sein, zumindest ist es eine ähnliche Tonalität wie beim Antippen der Hardware. Die Trittschallübertragung ist aber ausreichend gering, genauso wie die Empfindlichkeit gegenüber Einstreuungen.

Audio Samples
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Shure MV7, 1 cm Shure MV7, 20 cm Shure SM7B, 1 cm Shure SM7B, 1 cm, Filter Shure SM7B, 20 cm Presonus PD-70, 1 cm Presonus PD-70, 20 cm

Die Bassanhebung durch nahe Besprechung lässt sich gut steuern und klingt so, wie man es von einem Shure-Sprechermikrofon erwarten darf, bezüglich Poppsicherheit steht das Shure MV7 dem SM7B in nichts nach. Auch feindynamisch ist das Mikro gut, reicht aber natürlich nicht an Kondensatormikrofone heran (will und muss es natürlich auch nicht unbedingt). Der Umgang mit seitlich einfallendem Schall ist nicht nur einfach klassen- und typengerecht, sondern wirklich sehr vorbildlich.

XLR vs. USB gewinnt XLR – bei entsprechend teurer Kette

Interessant ist, wie sich die interne Vorverstärkung, die Wandlung und das zusätzliche Processing auswirken. Der XLR-Ausgang mit einer hochwertigen Verstärker-/Wandlerkette macht klar, dass die USB-Technik diesem – deutlich! – teureren Aufgebot an spezialisierter Tontechnik bei Weitem nicht das Wasser reichen kann. Das würde auch verwundern. Die weitaus transparenteren Höhen und der Detailreichtum der Verstärkung mittels True Systems P-Solo Ribbon und Wandlung per Lavry AD11 in den Audiobeispielen sind logisch, aber auch noch bei Audio-Interfaces der Focusrite-Saffire-Klasse minimal bemerkbar.

Audio Samples
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XLR, 1 cm USB, 1 cm USB, 20 cm

Software in vielen Belangen top

Shure hat bei der Steuerungssoftware wirklich ganze Arbeit geleistet. Die Installation lief am Mac problemlos. Auch Nicht-Tontechniker, die wahrscheinlich einen Großteil der Käuferschaft ausmachen, kommen schnell zu professionell klingenden Ergebnissen.

So ist die „Einsteiger“-Variante wirklich hervorragend gelöst: Abstand zwischen „nah“ und „fern“ wählen und lossprechen. Tatsächlich ist hier ein gut funktionierendes Auto-Gain am Werk, das sowohl verhindert, dass Verzerrungen auftreten, als auch merkliche Pegelsprünge zu verhindern weiß. Die Einstellung „Dark“, „Natural“ und „Bright“ sind dem Klang nach nicht simple Shelving- oder Tilt-Filter, wie man vielleicht vermuten würde, sondern wirken etwas komplexer – und passen wirklich sehr gut zu dem, was ein tontechnischer Amateur erwartet. Das ist gut gelungen!

Die Software ShureLive MV macht einen guten Job, von der Installation über die Bedienung bis zu Klangergebnissen.
Die Software ShureLive MV macht einen guten Job, von der Installation über die Bedienung bis zu Klangergebnissen.

Im manuellen Modus hat man zwar mehr Einfluss auf das Geschehen, aber eine Überfrachtung mit Parametern gibt es auch hier nicht. Die vom SM7B bekannten Filter HPF und Presence Boost, dazu einen dreistufigen Vollautomatik-Kompressor und einen zuschaltbaren Limiter, das war’s. Die Filter machen einen guten Job, besonders der Presence Boost bringt das Signal weiter nach vorne, macht es verständlicher, aber dadurch zwangsläufig auch etwas nerviger. So ähnelt das Signal etwas mehr dem PreSonus PD-70, welches recht aufdringlich und durchsetzungsstark ist.
Man kann übrigens auch Presets vergeben und benennen – allerdings sieht man die Namen eines Presets sowohl nach de Speichern als auch der Anwahl nicht in der Bedienoberfläche, sondern nur im Pull-Down-Menü.

Audio Samples
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ohne Filter mit HPF mit Presence Boost mit Presence Boost und HPF Auto Gain Compressor off Compressor light Compressor medium Compressor heavy Compressor heavy + Limiter Tone Soft Mute

Schwachstelle Kopfhörerausgang

Während das Monitoring simpel und latenzfrei funktioniert, offenbart sich der eingebaute Kopfhörerausgang des MV7 als etwas mau. Er ist schwach und vermag hochohmigere Modelle kaum mit dem nötigen Elan anzutreiben. Im Bass unterhalb der typischen Stimmbestandteile ist er recht schwammig und indifferent, der Detailreichtum hält sich in Grenzen. Am Mac Book Air (2017er) habe ich probehalber mehrfach umgesteckt und festgestellt, dass der KH-Out des Shure zwar nicht so spitz und kantig klingt wie der des Apples, aber alles andere als einen deutlichen Qualtitätssprung bietet.

Fazit

Das Shure MV7 ist ein praktisches Mikrofon, weil es XLR und USB kombiniert. Die Softwareanbindung ist wirklich gelungen, die dortigen Einstellmöglichkeiten absolut in Ordnung. Für einen fairen Prei gibt es eine Menge guten Klang und viele Funktionen. Wer etwas mehr Geld in die Hand nimmt und in ein Shure SM7B zusammen mit einem einfachen USB-Audio-Interface XLinkX oder einem Plug-in-Interface wie dem Shure X2U wählt, trifft für eigentlich alle Anwendungen eine Wahl, die vom Klang, von der Investitionssicherheit und der Bedienbarkeit dem MV7 zwar überlegen ist, aber nicht die einfache Nutzbarkeit bietet.

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • freie Wahl des Anschlusses
  • sehr ordentliche Klangeigenschaften
  • simple, verständliche Steuerungssoftware
  • gut funktionierendes Auto-Gain
  • Filter und Dynamics ordentlich abgestimmt
Contra
  • Kopfhörerausgang dürfte hochwertiger sein
  • Konstruktion des Schaumstoff-Schutzes
Artikelbild
Shure MV7 Test
Für 269,00€ bei
Shure_MV7_Test_6

Features und Spezifikationen

  • Tauchspulenmikrofon
  • Anschluss XLR und USB (micro-B)
  • Nierencharakteristik
  • Frequenzgang 50 Hz – 20 kHz
  • max. Schalldruckpegel: 132 dB SPL
  • Empfindlichkeit: 1,78 mV/Pa
  • Impedanz: 314 Ohm
  • Direct Monitoring (überblendbar)
  • über Software Filter, Dynamics, Auto Gain, Tonalität einstellbar
  • kompatibel: macOS (10.13-10.15), Windows (ab 10), iOS (ab iOS12), Android (ab Oreo 8.0)
  • Gewicht: 550 Gramm
  • Preis: € 269,– (Straßenpreis am 26.1.2021)
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