Shure Beta 91A Test

“Wer keine Grenzfläche kennt: Finger hoch!” Falls ihr zur Verwunderung etwaiger Zuschauer vor dem Computer mit dem Zeigefinger tatsächlich Löcher in die Luft piekst: Macht nichts, ich erkläre es gleich kurz. Und falls ihr innerlich “Blöde Frage, natürlich kenne ich Grenzflächen!” gesagt habt, wird euch aber sicher die Frage interessieren, was das Beta 91A von Shure so auf dem Kasten hat.

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Als Bestandteil des Tests mehrerer Shure-Beta-Drummikros musste sich die Flunder vor allem dort beweisen, wo sie bei der Schlagzeugmikrofonierung gefragt ist: innerhalb der Bassdrum. Doch bevor es ans Häuten des kleinen Plattfisches geht, erfahrt ihr in den Details erst einmal Grundlegendes zu diesem Mikrofontyp und Spezifisches zum Beta 91A.

DETAILS

Nicht nur bei ausgesprochenen Pragmatikern ist ein Grenzflächenmikrofon zur Abnahme einer Bassdrum besonders aufgrund der einfachen Positionierung beliebt – wenn man diesen Begriff überhaupt verwenden will: Ein Grenzflächenmikrofon wird im Regelfall schlicht und einfach in das Instrument hineingelegt. Stative verhindern bisweilen die Sicht auf das teuer bedruckte Frontfell, das der stolze Trommler hat anfertigen lassen, sie können umfallen, Galgen sich senken, Bassdrums die Wanderei als Freizeitbeschäftigung entdecken und sich vom Hocker des Trommlers entfernen und die mühsam gewählte Mikrofonposition verändern. Die “Unsichtbarkeit” des Grenzflächen-Mikrofontyps ist auch bei klassischen Instrumenten gefragt. So lassen sich ein oder zwei derartige Schallwandler für das Publikum unsichtbar an der Unterseite eines Flügeldeckels unterbringen oder zur Aufnahme größerer Klangkörper wie Chöre oder Orchester auf den Boden legen oder an einer Wand befestigen. Das Beta hat zu diesem Zweck zwei Halteösen unter dem Aufkleber an der Unterseite.

Ein Vorteil auf großen Flächen wie Flügeldeckeln, Wänden, Decken oder Böden angebrachter Mikrofone ist die Tatsache, dass dort aufgrund des physikalischen Phänomens des Druckstaus ein 3 dB höherer Pegel herrscht. Im Englischen heißt das “Boundary Layer Effect”, der Begriff “Pressure Zone” (und “PZM” für “Pressure Zone Microphone”) hingegen ist durch die Firma Crown geschützt. Häufig hört man, dass Grenzflächenmikros über eine besonders gute Basswiedergabe verfügen. Betrachtet man jedoch die Theorie dahinter, wird deutlich, dass dieser Effekt nur bei einer Ausdehnung von mindestens einer halben Wellenlänge greift. Zur Verdeutlichung: Die Wellenlänge eines 40Hz-Signals beträgt stolze 8,5 Meter. Allerdings wirkt eine Bassdrum durch das annähernd geschlossene Volumen wie eine Druckkammer. Der weitere Vorteil eines Grenzflächenmikrofons – die Vermeidung von Kammfiltereffekten durch Reflektionen – ist beim Einsatz in der Bassdrum jedoch zu vernachlässigen.  
Im vorigen Absatz war von Druck die Rede, doch kommt auch beim Nachfolger des Beta 91, dem Shure Beta 91A kein Druck-, sondern ein Druckgradientenempfänger zum Einsatz. Die sich bei Druckempfängern zwingend ergebende Richtcharakteristik Kugel ergibt bei Grenzflächenmikros eine Halbkugel – logisch, denn eine Wand oder Decke produziert nun wirklich keine tontechnisch relevanten Signale. Und falls doch, dann sollte man schleunigst den Raum verlassen und einen Statiker konsultieren. Die Richtcharakteristik der Shure-Flunder ist aufgrund des Laufzeitglieds und der Halbierung unter der exotisch anmutenden Bezeichnung “Halbe Niere” zu kategorisieren. Ein Außenseiter ist der Plattling aber nicht unbedingt, denn ähnliche Werkzeuge werden auch von weiteren Herstellern angeboten.

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Wie immer wird ein Blick in den Frequenzgang eines Mikrofons sinnvoll sein. Hält man im Hinterkopf, dass es sich um einen Schnelle- und keinen Druckempfänger handelt, wird die Angabe des Abstands zur Signalquelle wichtig, bei dem die Messung durchgeführt wurde. Dieser ist bei diesem Shure mit 61 cm (das sind 2 Fuß, deswegen so ein krummer Wert) angegeben. Es ist also innerhalb der Bassdrum mit einem enormen Bassanstieg durch den Proximity-Effekt zu rechnen! Von Linearität ist im Diagramm nichts zu erkennen, aber das ist sicher auch nicht das Ziel der Entwicklung des 91A gewesen. Nach einem sanften Anstieg vom Tiefbass bis zu 2 kHz formt der Graph eine enorme Glocke, die ihr Maximum bei etwa 8 kHz hat. Mit dem Wörterbuch “Tontechnik-Klangbeschreibung” übersetzt bedeutet das: Attack! Zu 10 kHz geht es rapide hinab, nach einem kurzen Aufbäumen der Kurve bei etwa 12 kHz geht der Frequenzgang langsam, aber sicher auf Tauchstation. Die Auswirkung des einzigen Bedienelements des Mikrofons wird hier verdeutlicht, denn es handelt sich dabei um eine Absenkung mittlerer Bandbreite mit einer Centerfrequenz von 400 Hz. Das freut mich, denn schließlich liegen hier gerade bei Bassdrums oft die Kesselresonanzen, die dem Tontechniker auf den Kranz gehen. Ich stelle bei parametrischen EQs ohne abzusenken oft schon 400 Hz und mittleren Q ein, damit es bei Bedarf dann mit einem kleinen Dreh gegen den Uhrzeigersinn am Gain getan ist.  
3,8 mV/Pa ist kein rekordverdächtiges Übertragungsmaß, doch darf man nicht vergessen, dass im Inneren einer Basstrommel beizeiten durchaus unangenehm hohe Pegel herrschen können. Das Eigenrauschen liegt mit 29,5 dB (A) verhältnismäßig hoch. Mit 155 dB SPL ist das Beta 91A im Gegenzug aber sehr übersteuerungsresistent! Was für Tauchspulenmikrofone ein Leichtes ist, ist es für das Beta nur bedingt, denn das Wandlungsprinzip ist elektrostatisch, derartige Kondensatorkapseln meist deutlich anfälliger. Erst bei Versorgung mit 48 Volt über das XLR-Kabel fängt das knapp 500 Gramm wiegende Mikrofon mit seiner Arbeit an und genau das ist es, was es jetzt tun soll!

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