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Shure 5575LE Unidyne Test

Das Shure 5575LE Unidyne ist im großen bonedo-Test der „Elvis“-Mikrofone mit dabei – und das, obwohl das Original auf den Markt gekommen ist, als Mr. Presley gerade einmal dem Windelalter entwachsen war.

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Das Gehäuse des 5575LE ist deutlich größer als das der anderen Mikrofone dieses Stils, doch ist das 1939 erschienene „Fatboy“ tatsächlich das ursprüngliche Design: Das 55S („S“ wie „small“) mit dem „Baby-Unidyne“-Gehäuse hat der Vater des Unidynes erst 1951 entwickelt.
Zum 75. Geburtstag belebte man das Shure Fatboy neu, zunächst ist es in einer Limited Edition erhältlich. Das erklärt auch das Kürzel: „55“ für den Mikrofontyp, „75“ ist die Jubiläumszahl, „LE“ steht für Limited Edition. Die Limitierung beschränkt die Anzahl auf 5575 Stück. Bedenkt man aber, dass Shure den Aufwand betrieben hat, neue Druckguss-Formen für das große 55 herzustellen, erscheint es durchaus möglich, dass über kurz oder lang eine „normale“ Version folgen wird.

Details

Stromlinie

Das weiter verbreitete, schmalere Baby-Unidyne-Gehäuse wie das von Shure 55SH II und Super 55 wirkt etwas aggressiver, die wonnigeren Proportionen des Fatboy-Designs vermitteln hingegen Gemütlichkeit. Im Direktvergleich zeigt sich aber auch, dass das 5575LE wirklich groß ist, nämlich ungefähr ein Drittel größer als das Baby-55. 860 Gramm sind zudem ein recht ordentliches Gewicht. Zum Erscheinungszeitpunkt war das Design topmodern: In den späten 1930ern war das Stromliniendesign, eine Unterart des Art-Déco-Stils, der letzte Schrei.

Fotostrecke: 5 Bilder War einst topmodern, ist heute zeitlos: Stromliniendesign

Burger und Schaumstoff

Das ausladende Zinkgehäuse des Shures gönnt sich an Kopf, Rücken und der Unterseite große, verchromte Flächen, hinter den Gittern ist der prägnante rote Schaumstoff zu erkennen. Im Original ist der Wind- und Spuckschutz deutlich dunkler gewesen, eine Art Rostbraun – und ein Textil, kein Schaumstoff. Mit dem knalligen Rot fühlt man sich vielleicht ein bisschen an manche Burger-Schnellrestaurants erinnert, aber durch die leicht matt gebürstete Silberlack-Oberfläche wirkt das 5575LE deutlich edler.

Fotostrecke: 4 Bilder Das Fatboy ist als Designobjekt schon lohnend.

Geburtstagsgeschenke – vom Geburtstagskind

Wie es sich für ein Shure 55 gehört, ist der Kopf neigbar und im Fuß sowohl Stativgewinde als auch der Output verbaut, wie es auch beim SM7B der Fall ist. Und natürlich verwendet Shure XLR-3pol, denn die alte Amphenol-4pin-Norm hat längst ausgedient. Statt auf einen Mikrofonständer kann das 5575LE auch auf ein Tischstativ gesetzt werden, von dem praktischerweise ein höchst ansehnliches Modell im Lieferumfang ist. In den Metallfuß wird das 5575 eingesetzt und auf der Unterseite gekontert. Zum Anschluss ist allerdings ein spezielles Kabel nötig, denn ohne Winkelstecker würde die Konstruktion zu tief, und schließlich ist da irgendwo eine Tischplatte. Zudem sind bei allen 55ern die XLR-Stecker um 90 Grad verdreht eingesetzt. Shure ist so freundlich, ein entsprechendes Adapterkabel von einem Meter Länge direkt mitzuliefern. Doch nicht nur das: Das Shure 5575LE Unidyne kommt in einer monströsen Verpackung, die neben Mikrofon, seinem Koffer, dem Tischfuß und besagtem Adapter einen Umschlag mit einem Zertifikat von Rose Shure und zwei großen Fotodrucken beherbergt. 

Fotostrecke: 7 Bilder Das 5575LE kommt unter anderem im ausgekleideten Koffer.

Unidyne III

Die verwendete Kapsel, die im 5575 ihren Dienst verrichtet, ist weder eine klassische Konstruktion noch eine komplette Neuentwicklung. Stattdessen ist eine aktuelle Unidyne III verbaut, wie sie zuallererst im 545SD, dem SM57-Vorgänger, zum Einsatz gekommen ist. Im etwas luftigeren Gehäuse als dem Baby-Unidyne behält die resultierende Richtcharakteristik ihre Nierenform bis hinauf in den Präsenzbereich und liefert eine äußerst hohe Rückwärtsdämpfung, was für die Rückkopplungsfestigkeit gute Nachrichten sind. Der grafische Frequenzgang ist typisch 55er: Eine leichte Absenkung zwischen 500 und 1000 Hz, recht „wackliges“ Plateau zwischen 5 und 10 kHz, bekannter Buckel zwischen 1 und 2 kHz und recht rasanter Abfall unter 100 Hz und über 10 kHz. Mit einem Übertragungsfaktor von 1,58 mV/Pa liegt das Shure 5575LE etwas unter den Kollegen SM57 und SM58. 

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Praxis

Es ist riesig!

Shure SM7B, Electro-Voice RE20 und eben das Shure 5575LE Unidyne haben nicht nur das Empfänger- und Wandlerprinzip gemein, sondern auch schlicht die enormen Ausmaße. Ich find’s toll, doch in Zeiten, in denen Mikrofone möglichst unsichtbar zu sein haben, ist es oftmals vielleicht zu viel des Guten. Das Fatboy verdeckt im Livebetrieb schnell mal einen großen Teil des Gesichts und spielt sich ordentlich in den Vordergrund. Man muss halt nur wissen, ob man das will. Etwas weniger einnehmend wirkt es, wenn es weit nach hinten gewinkelt wird. Aber man darf es ruhig sehen, und soll es auch. Sein bulliges, aber gemütliches Äußeres ist wirklich schön anzusehen, ich kann mich mit dem Design besser anfreunden als mit dem der kleineren 55S-Mikros. 

Ja, es ist ein wirklich "raumgreifendes" Mikrofon, das 5575LE!
Ja, es ist ein wirklich “raumgreifendes” Mikrofon, das 5575LE!

Weniger Nachteile

Sehr gut: Anders als das Shure 55SH II ist das 5575LE deutlich weniger empfindlich gegenüber Rückkopplungen – sehr sogar! Aufgrund der Dimensionen ist es zudem kaum möglich, mit der Hand den Korb so zu verschließen, dass sich die Niere der Kugel annähert und man sich schneller Feedbacks einhandelt. Ebenfalls angenehm sind die geringeren Handlinggeräusche, die nicht zuletzt auf das recht erschütterungsresistente Unidyne-III-Kapseldesign zurückgehen. Lediglich mit Ringen und anderem Schmuck sollte man vorsichtig sein. Auch im Poppverhalten ist das 5575 etwas besser als seine direkten Verwandten. Mit einem SM58 oder einem M88 kann es diesbezüglich dennoch nicht ganz mithalten.

Sound typisch 55er

Der Grundklang des 5575LE ist typisch 55er: Es ist ein wenig schmal, ein kleines bisschen phasig in den Höhen und Präsenzen, aber immer durchsetzungsfähig und weit davon entfernt, löchrig und unvollständig zu klingen. Es neigt auch bei scharfer Stimme, etwa durch sehr „deutsche“ Aussprache, nicht zum Überschärfen, was den Einsatz eines De-Essers meist überflüssig macht. Richtig grandios wird das Fatboy-55er im Nahbereich. Stimmen bekommen dort eine enorme Nähe und Wärme, ohne dass der Sound einen dröhnigen Charakter bekommt: Himmlisch! Ein solche schönes Close-Miking kenne ich unter den Tauchspulen am ehesten noch vom SM7B, vielleicht aufgrund der Gehäuseform bin ich aber absoluter Fan des Sounds des 5575 geworden. Eine nah besprochene (große) Kondensatorkapsel klingt zwar auch toll, allerdings muss man sich über die Nebengeräusche in den Höhen oft Sorgen machen. Schmatzer und dergleichen verrundet das dynamische Mikro sehr gut, während Kondenser schlicht und einfach zu fein auflösen.

Audio Samples
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30 cm, axial 30 cm, 45 Grad 2 cm im Kontext

Gute Alternative!

Man merkt es sicherlich: Ich bin begeistert. Das 5575 kann ich uneingeschränkt empfehlen. Und auch wem es für den Bühnengebrauch zu auffällig sein sollte, der ersteht mit dem dicken Unidyne ein tolles Studiomikrofon, das sich auch an anderen als der typischen Schallquelle menschliche Stimme sehr gut macht. Natürlich ist es am Gitarrenamp gut aufgehoben, aber auch an Blech und Drums, ja sogar für Akustikgitarre und Bassamp ist es durchaus einen Versuch wert – vielleicht ist es genau die klangliche Alternative, die man gesucht hat. Schön ist es, einen geeigneten Amp für das Mikrofon zu besitzen, oder besser noch: auswählen zu können. Aufgrund des hohen notwendigen Gains machen sich die Unterschiede deutlich bemerkbar. Mit Tube-Tech und ultra-cleanen Amps hatte ich gute Ergebnisse, aber die schönste Kombination wird kaum jemanden verwundern: Mein Favourite war mit einem hervorragenden Neve-1073-Clone, dem Heritage Jr. `73 für APIs System 500.

Das 5575 ist für vieles zu gebrauchen – aber eben monströs.
Das 5575 ist für vieles zu gebrauchen – aber eben monströs.
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Fazit

Das Fazit soll mit einem Appell an Shure beginnen: Belasst es nicht bei der Limited Edition des 5575LE Unidyne, sondern nehmt das „Fatboy“ in eure Klassik-Mikrofonlinie auf! Das macht die Auswahl für den geneigten Sänger, Musiker und Tontechniker aus den drei verschiedenen 55ern zwar schwieriger, doch hier knüpft direkt mein zweiter Appell an: Kauft das 5575! Es ist unter den 55ern zwar das teuerste und größte, doch schlicht und einfach auch das beste Mikrofon. Knapp 400 Euro erscheinen für ein Mikrofon im Vergleich zu einem SM58 zwar viel, bedenkt man jedoch, dass es auch im Studio und an anderen Quellen eine gute klangliche Alternative darstellt, rechtfertigt sich der Preis allemal. Zumal es mit einigen interessanten Beigaben kommt. Optik ist eine Sache, aber klanglich ist das 5575LE einfach umwerfend. 5575 gebaute Mikrofone sind zwar eine Menge, doch ist davon auszugehen, dass das Mikro nicht allzu lange in den Läden sein wird. Und jetzt könnte das Fazit wieder in einer Endlosschleife von vorne beginnen…

Unser Fazit:
5 / 5
Pro
  • gute klangliche Balance zwischen vintage und modern
  • gut steuerbarer, angenehm naher Proximity-Effekt
  • feine Auflösung
  • hohe Durchsetzungskraft
  • wenig anfällig gegenüber Zischlauten
  • sehr authentisches Aussehen
  • Zubehör und Beigaben
Contra
Artikelbild
Shure 5575LE Unidyne Test
Shure_5575LE_Unidyne_Limited_Edition_55_6

Features und Spezifikationen

  • Wandlertyp: dynamisch (Tauchspule)
  • Empfängertyp: Druckgradientenempfänger
  • Richtcharakteristik: Niere
  • Frequenzgang: 50 Hz – 15 kHz
  • Übertragungsfaktor: 1,58 mV/Pa
  • Metall-Druckgussgehäuse mit Neigungsvorrichtung
  • Koffer, Standfuß, Adapterkabel, Fotodrucke und Zertifikat im Lieferumfang
  • Preis: € 379,– (UVP)
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Profilbild von Joe

Joe sagt:

#1 - 16.02.2018 um 14:11 Uhr

0

Ich habe es mir kürzlich gekauft, weil ich das Design des kleinen 55er schon immer Hammer, aber den Sound eher bescheiden fand. So bin ich zum Rockshop in Karlsruhe und hatte das Glück, das Mic im direkten Vergleich zum 55 Deluxe und meinem (hervorragenden) Sennheiser e965 zu testen. Dazu gesagt sei, dass ich Jazz mache und die Optik des 5575 dazu ausgezeichnet passt. Der Test mit Vovox Kabel an meinen Henriksen The Bud. Nun, ohne Preamp-Stecker (phantomgespeist) war die Leistung deutlich zu schwach. Aber dann! Hammer! Und nachdem ich die Justierung mit den 5 Tone-Potis hinbekommen habe, bin ich mega glücklich mit dieser Investition. Das fette Design gefällt mir zudem deutlich besser als das des kleinen Bruders. Das 55er Deluxe gefiel mir zwar mit dem blauen Schaumstoff sehr gut, aber der Klang war dünner und das kleinere Gehäuse wirkte mit einem mal wie eingelaufen. Und nicht nur ich, auch mein Bassist, der der Optik des SH55 immer nachweinte ist jetzt endlich wieder glücklich.
Der in dem Review ausgesprochenen Kaufempfehlung kann und will ich mich uneingeschränkt anschließen.

    Profilbild von El Lobo

    El Lobo sagt:

    #1.1 - 20.08.2018 um 15:36 Uhr

    0

    Frage: Wann und vor allem wo!!! hat du es gekauft? Dein Post ist 6 Monate alt! Wäre für ein Feedback sehr Dankbar! :)

    +1
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