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Rupert Neve Designs Portico 542 Tape Emulator Test

Wir haben den Portico 542 von Rupert Neve Designs im Test gehabt: Herzhafte Sättigung gehört seit Anbeginn des Recordingzeitalters untrennbar zur analogen Signalverarbeitung. In der digitalen Ära kann man auch völlig sauber recorden, aber bisweilen fehlt dem Klang dann das „gewisse Etwas“ – und genau hier setzt Rupert Neves Portico-Tape-Simulation an, die es nun auch fürs 500-Format gibt.

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Wie schreibt es die Engineer-Legende im Benutzerhandbuch des 542 so schön: In den „olden days“ des Recording brachte analoges Tonband einige Eigenschaften mit, die von den meisten Toningenieuren verflucht wurden. Tape konnte eiern, Pegelspitzen zerrten, geringe Pegel gingen im Rauschen unter, manchmal war eine Tape-Rolle durchgelaufen, bevor die Band ihren Take zuende gespielt hatte, Bandmaschinen erforderten aufwändige Wartung und so weiter und so fort…
Dennoch, und das gibt auch Rupert Neve im Manual des 542 unumwunden zu: Tape als Recording-Medium hatte auch seine Vorteile. Wer die Klippen des Bandsalates (und einige andere auch noch…) umschiffen konnte, der hatte hier ein Aufnahmemedium zur Hand, das zwar nicht mit den linearen Ergebnissen einer heutigen DAW mit guten Wandlern dienen konnte, das aber auf der anderen Seite dem Klang auch etwas mitgeben konnte, was wir durchaus zu schätzen gelernt haben. Ob es nun um das feine Verrunden von aufmüpfigen Transienten geht, um den Kompressionseffekt oder aber auch um den Dank zusätzlicher Obertöne griffigeren Klang: Was auf Tape geht, kommt anders von dort zurück, objektiv vielleicht mit schlechterem Rauschabstand und Klirrfaktor, subjektiv aber mit einem Sound, den wir meist als schöner wahrnehmen. Dies zu leisten, hat sich der RND Portico 542 Tape Emulator zum Ziel gesetzt: Er soll digitalen Tracks den Tape-Sound bringen, ohne aber die Nachteile von Tonband-Recording mitzuliefern. Wie das gehen soll? Einfach weiterlesen!

Details

Zu Beginn ein normales Trim

Als rein analoges Sättigungstool bietet der 542 eine Reihe von Bedienelementen, die Anwendern/Besitzern echter Bandmaschinen sehr geläufig vorkommen dürften, anderen aber erklärungsbedürftig erscheinen mögen. Fangen wir mal ganz vorne an: Zunächst wird das Eingangssignal über ein ±12dB-Trimpoti mit Mittenrastung in der 0-dB-Position in den Prozessor hineingeführt. In den meisten Fällen (also bei „normalem“ Line-Pegel) wird man dieses Poti einfach in der Neutralstellung lassen können, aber manchmal kann es helfen, zu schwache Signale anzupassen, oder zu heiße abzudämpfen, so dass der 542 immer mit einem optimalen Pegel gefüttert wird.

Erster Handgriff in rot: Mit dem Trim-Poti bestimmt man den Pegel, mit dem die Schaltung angefahren wird
Erster Handgriff in rot: Mit dem Trim-Poti bestimmt man den Pegel, mit dem die Schaltung angefahren wird

Sättigung und Bandgeschwindigkeit

Als nächstes bestimmt das Saturation-Poti direkt die Stärke des Sättigungseffekts, welcher dem Direktsignal anschließend mit dem Blend-Poti stufenflos in einem Verhältnis von 0-100% hinzugemischt wird. Ein mit LED beleuchteter Schalter aktiviert diese Sättigungsfunktion, und zusätzlich gibt es noch einen Schalter, der diese Stufe zwischen 15 und 30 ips umschaltet – des verlangt nach einer gesonderten Erläuterung:
Gemeint sind unterschiedliche Geschwindigkeiten des Bandtransportes, die in ips („inch per second“) gemessen werden. 15 ips entspricht 38 cm/s und 30 ips folglich 76 cm/s. Über viele Jahrzehnte war 15 ips der Standard bei der Tonbandaufnahme. Hier standen Klangqualität und Verbrauch von Bandmaterial in einem günstigen Verhältnis. Die Rechnung ist ganz einfach; bei einer doppelten Bandgeschwindigkeit steht auch die doppelte Menge Tonband für die selbe Menge Audio-Information zur Verfügung, aber die Bandrolle ist in der Hälfte der Zeit bereits durchgelaufen. Der Effekt ist ähnlich wie der Unterschied von 33 und 45 RPM bei Vinylschallplatten: Mit 30 ips lässt sich eine feinere Höhenwiedergabe realisieren, ebenso ein besserer Rauschabstand. Dazu kommen weitere Faktoren, so spielen bei zunehmender Bandgeschwindigkeit Gleichlaufschwankungen eine geringere Rolle, und es ändert sich auch der Frequenzgang des Audiomaterials. Bandmaschinen haben in der Regel einen sogenannten „Head Bump“, eine Bassanhebung von ein paar dB an einer bestimmten Stelle des Spektrums. Bei 15 ips liegt diese üblicherweise im Bereich von 50-60 Hz, bei 30 ips logischerweise beim Doppelten, also 100-120 Hz. Auch diese Änderungen im Frequenzgang werden beim 542 berücksichtigt. Beim 15 ips Setting liegt der Head Bump bei 60 Hz und der Roll-off in den Höhen ist etwas stärker, bei 30 ips liegt der Bass-Boost bei 120 Hz.

Fotostrecke: 3 Bilder Sättigung und Mischungsverhältnis können beim 542 separat eingestellt werden

Typisches Portico-Feature: Silk

Neben dieser eigentlichen Bandsättigung bietet der 542 auch die „Silk“-Funktion, die bei den RND-Geräten für gewöhnlich den Klang der Ausgangsstufe beeinflusst. Aktiviert man die Silk-Schaltung, so wird die Gegenkopplung am Ausgangsübertrager reduziert, wodurch dessen klangfärbende Eigenschaften stärker zum Zuge kommen. Dieser Effekt wird mit dem Texture-Poti beeinflusst (mehr aufdrehen, weniger Gegenkopplung, mehr Klangfärbung…). Durch mehrfaches Drücken des Schalters kann diese Funktion nicht nur aktiviert werden, es stehen auch zwei unterschiedliche Modi zur Verfügung. Im „Red“-Modus werden zusätzliche Obertöne vor allem in den Tiefmitten generiert, was den Klang wärmer und runder macht. Dagegen greift der „Blue“-Modus in den Mitten und Höhen, was den Sound frischer und dringlicher gestaltet.

Transformator simuliert Bandmaschine

Im RND 542 arbeitet ein Technologiemix, der „modernes“ unf „altes“ verbindet. Es finden sich SMD-Bauteile ebenso wie insgesamt drei Audio-Übertrager. Das verlangt nähere Erläuterung: Neben den Ein- und Ausgangs-Trannys arbeitet der 542 mit einem weiteren Übertrager in der Sättigungsstufe. Das Schreiben auf und Lesen von Tonband ist ja ein (elektro-)magnetischer Prozess, ebenso wie das Funktionsprinzip eines Übertragers. In beiden Fällen wird Strom durch einen magnetischen Induktionsprozess übertragen. Wenn dessen linearer Bereich ausgeschöpft ist, (was direkt mit dem Materialeinsatz zu tun hat, beim Übertrager mit der Masse des Wicklungskerns, beim Tonband mit der magnetischen Schicht auf dem Tape), dann setzt die Sättigung ein, weil eine weitere Erhöhung des Eingangspegels nicht mehr zu einer linear entsprechenden Erhöhung des Ausgangspegels führen kann. Im 542 sitzen sich gewissermaßen nachgebaute Schreib- und Leseköpfe gegenüber, zwischen denen das Signal per Induktion übertragen wird; im Prinzip also der gleiche Prozess wie beim Tape-Recording, nur dass die Schreib- und Leseköpfe direkt aneinander sitzen und nur das Tonband dazwischen eingespart wurde. Das sorgt auch deswegen für einen recht authentischen Effekt, weil sich das Sättigungsverhalten von Übertragern und Tonband sehr ähnelt, mit wenig zweiter und viel dritter Harmonischer im Klirrspektrum.
An visueller Unterstützung der Einstellungen wurde nicht gegeizt. Ähnlich wie beim 543-Kompressor bietet der 542 zwei LED-Ketten mit jeweils acht Segmenten. Eine zeigt den Ausgangspegel an, die andere den „Drive“ der Sättigungsstufe.

Fotostrecke: 4 Bilder Modul mit geschlossener Baumform: Rupert Neve Designs 542
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