Plugin Alliance Brainworx bx_console Focusrite SC

Focusrite und Rupert Neve gab es zusammen nur für eine kurze, aber sehr fruchtbare Zeit. Und in dieser entstanden 1985 zunächst die legendären „Input Signal Amplifier“-Module ISA 110 (Preamp und EQ) und ISA 130 (Compressor/Gate), da kein Geringerer als der fünfte Beatle, Sir George Martin höchtspersönlich, ein paar zusätzliche „no compromise“-Preamps für seine Neve Console in den AIR Studios benötigte.

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Allerdings lief das alles finanziell nicht so richtig und 1989 war mit dieser Konstellation dann auch schon wieder Schluss. Von der auf die, auch einzeln verkauften, Module aufbauenden und entsprechend hervorragenden Focusrite Studio Console wurden deshalb auch nur zehn Stück gebaut. Ärgerlich, denn so schafften es nicht wirklich viele dieser ISA-Module in die weite Welt, weshalb sie nun dementsprechend teuer sind – faktisch unbezahlbar und natürlich nur auf dem Vintage Markt zu erstehen. 
Sowas ist geradezu ein Garant für Nachbauten und entsprechende Plugin-Modellierungen. Und jetzt – ihr habt es erraten – durfte Brainworx unter der Flagge von Plugin Alliance mit seinem bx_console-Konzept ran, und das sogar mit dem hochoffiziellen Segen der Erben aka Focusrite/Novation!

Details

Allgemeines

Die Brainworx bx_console Focusrite SC von Plugin Alliance ist eine Emulation der klassischen ISA-Module 110 und 130, die es so auch in der Focusrite Forte bzw. Studio Console gab. Das bedeutet feinste Solid-State-Technik und keine Röhren, dafür aber jede Menge Übertrager. Hinzu kommt das Brainworx TMT-Feature, was eine Art Bauteilstreuung simuliert, um wiederum Varianzen einzelner Kanalzüge, wie sie auch innerhalb einer echten Console zu finden sind, zu emulieren.

Focusrite ISA 130 und ISA 110: Schick verpackt als bx_console Plugin.
Focusrite ISA 130 und ISA 110: Schick verpackt als bx_console Plugin.

Das Plugin gibt es für die Formate AAX DSP, AAX Native, AU, AAX AudioSuite, VST2 und VST3 sowie für Mac und PC. Es ist einzeln sowie im neuen All-in-Subscription-Model zu erstehen – für Besitzer einer Focusrite Clarett oder Red ist das Ganze nach einer entsprechenden Registrierung sogar kostenlos.

Auf dem Höhepunkt analoger Technik

Bei dem Focusrite-SC-Plugin handelt es sich ganz klassisch um einen ziemlich üppig ausgestatteten Kanalzug mit Kompressor, Gate, Filtern, SC-Filtern, De-Esser/Exciter und EQ. Es handelt sich hier aber nicht um irgendeine virtuelle Kopie eines Channelstrip, sondern um die ISA-Modelle 110 und 130. Diese wurden Mitte der 80er Jahre von Rupert Neve höchstpersönlich und speziell für Sir George Martin „ohne Rücksicht auf Kosten und Aufwand“ entwickelt und später auch als Kanalzug-Kasette verkauft.
Letztlich fanden sie so auch ihren Weg in eines der besten analogen Mischpulte – wenn nicht sogar das beste analoge Mischpult überhaupt. Leider war das Timing offenbar sowohl für die Focusrite Forte als auch für die Studio Console schlecht, denn Ende der 80er Jahre waren analoge Monstermischpulte und ihre fetten Kosten leider so langsam nicht mehr „en vogue“.

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Mehr Informationen

Man spricht unter Kennern trotzdessen gern von einem technischen wie musikalischen Meisterwerk, das für sein massives analoges Innenleben bemerkenswert clean, transparent, aber dennoch fett ist, vor allem aber sehr plastisch klingt und besonders für seinen „3-D-Sound“ geschätzt wird. Wer übrigens noch mehr Bock auf Geschichte und audiophile Gefühle hat, schaue sich bitte obiges lehrreiches YT-Video von Focusrite an.

Früher möglichst clean, heute wieder dreckig – TMT macht´s möglich

Nun denn. Lang lang ist´s her und heutzutage kommt man eher nur noch an die moderneren ISA-Varianten von Focusrite, die allerdings immer noch hervorragend klingen und sogar bezahlbar sind. Software-Emulationen gab es natürlich auch schon so einige, Brainworx und der TMT-Ansatz kommen dem Ganzen allerdings nun nochmal ein gutes virtuelles Stück näher. 
Hintergrund ist folgender Gedanke: Jeder Kanal in einem Mischpult klingt immer minimal anders als der Rest, da die verwendeten Bauteile trotz strengster Selektion immer auch etwas streuen. Und genau das versucht die (sogar zum Patent angemeldete) Tolerance Modeling Technology (TMT) zu simulieren. Jeder der 72 einstellbaren „Kanäle“ der bx_console Focusrite SC bietet also ein eigenständiges „Innenleben“, wenn man so will. Genauso verhält es sich auch bei den einzelnen Kanäle einer echten Focusrite Studio Console, inklusive feiner Abweichungen im Phasen- und Frequenzgang. Und genau das soll mehr Tiefe, Breite und Punch in einen DAW-Mix hinein zaubern.

Fotostrecke: 3 Bilder TMT Inside: Bis zu 72 unterschiedliche Kanäle lassen sich simulieren.

Diesen Aufwand verkauft uns Brainworx auch unter dem Begriff „bx_console“. Und natürlich ist die Focusrite SC nicht die einzige Farbe im DAW-Malkasten, auch Neve, SSL E und SSL G hat Brainworx im Angebot. Ferner findet ihr die TMT-Technik im PA SPL Iron sowie dem bx_masterdesk, den es auch in einer UAD-2 Variante gibt. Der erst kürzlich getestete und „nativ“ neu erschienene Shadow Hills MC hat übrigens kein TMT, was den Verdacht nährt, es handele sich auch nur um einen alten Code aus Zeiten der ersten UAD2-Variante.
Ferner lässt sich die Verzerrung und das Nebengeräuschverhalten auch individuell anpassen. Hinzu kommen weitere „Specials“, die es so am Original natürlich auch nie gab, inklusive M/S-Monitoring, Presets, A/B/C/D-Speicherplätzen, Un/Redo und sogar zusätzlichen Visualisierungen für eine bessere Mausbedienbarkeit.

Praxis

ISA 110: EQ und Klangformer

Der ISA 110 ist das berühmteste ISA-Modul, weil er eine extrem hochwertige und geschätzte Preamp-EQ-Kombination ist, die zwar ohne Röhren, aber mit jeder Menge Übertragern ausgestattet ist. Von dem Mic-Pre hat man bei einem Plugin natürlich jetzt nicht mehr so viel, weswegen das Plugin auch keinen Mic/Line-Umschalter hat. Hier ist alles „Line“, wenn man so will. Dennoch wurden auch die Line-Ins der alten Kassetten bereits mit üppigen Übertragern gesegnet. 
Allein die EQs sind Gold wert, genau wie die Filter. Mit vier Bändern und zwei Filtern ist das Modul für die damaligen Verhältnisse bereits sehr gut bestückt gewesen. Schauen wir es uns im Detail an:

  • Low-Shelf, -18 bis +18 dB: 33, 56, 95, 160, 270 und 330 Hz wählbar
  • High-Shelf, -18 bis +18 dB: 3,3; 4,7; 6,8; 10; 15 und 18 kHz wählbar
  • High-Mid-Bell, -16 bis +16 dB: 600 Hz bis 18 kHz via f*3 Umschalter, Güte regelbar
  • Low-Mid-Bell, -16 bis +16 dB: 40 Hz bis 1,2 kHz via f*3 Umschalter, Güte regelbar
  • High-Cut: 1,3 kHz bis 20 kHz via f/3 Umschalter
  • Low-Cut: 20 Hz bis 990 Hz via f*3 Umschalter

Jedes Band und jedes Filter lassen sich hier individuell by-passen bzw. aktivieren. Teilweise muss der Frequenzbereich mithilfe der x3- bzw. /3-Taster angepasst werden. Letzteres mutet mir bei virtuellen Replikas immer wieder zu umständlich an, auch wenn es „retro-mäßig“ richtig ist. Die Regler als solche sind indes sehr groß, genau wie die gesamte GUI im Allgemeinen – das ist wiederum sehr gut und macht beim Bedienen auch richtig Spaß.
Bevor ich nun großartig Einzelsignale bzw. Gruppen bearbeite, was ihr mit der Demo auch ruhig selbst ausprobieren könnt, lasst uns doch mal hören, was „die Kiste“ allein kann. Sprich: alle Bänder auf Null, aber keinen Bypass an und nur mit dem TMT gearbeitet. Dazu benutze ich einen kleinen Mix aus 7 Stems plus Reverb, die ich alle mit je einer Instanz von Focusrite SC versehe. Und in den Master packe ich auch noch einen. 

Audio Samples
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Stem-Mix – ohne TMT Stem-Mix – mit TMT OHNE unterschiedliche Kanäle Stem-Mix – mit TMT MIT unterschiedlichen Kanälen Stem-Mix – + EQing

Und tatsächlich: Mit dem Focusrite SC in jeder Spur klingt der Mix auch ohne EQ, Filter und Dynamik bereits runder, weniger spitz, also weniger „digital“, aber auch etwas leiser, obwohl der Peak-Wert größer ist. Nun ja, der Unterschied ist subtil – wird mit unterschiedlichen TMT-Einstellungen auf jeder Spur aber nochmal minimal verstärkt. Auf den Drums hört man das am besten, wie ich finde. Und wenn wir schon mal dabei sind, testen wir den EQ- und Filtereinsatz auf jeder einzelnen Spur gleich mal mit.

ISA 130: Dynamik Tool und Shaper

Die Dynamiksektion des ISA 130 ist sehr umfangreich: Es gibt einen umfangreichen Compressor mit zusätzlicher Parallel-Mix-Funktion sowie einen De-Esser, der nicht nur absenken sondern auch verstärken kann (Exciter). Das macht Sinn, um beispielsweise der Snare mehr Smack zu geben. Daneben gibt es drei Sidechain-Filter, die entweder in den Compressor, in das Gate, in Beide gleichzeitig und sogar in den Audioweg geschaltet werden können. Dank letzter Variante kann man sich die Filter auch solo anhören, bevor man sie in die entsprechenden Sidechains schickt. Das Gleiche kann man übrigens auch mit den De-Esser/Exciter über den LISTEN-Taster machen.
Mit dem Gate kann man ebenfalls eine Menge Klanggestaltung betreiben, besonders im Einklang mit der THD-Verzerrung und dem virtuellen Gain. Letzterer speist analoge Nebengeräusche ein. Das kann mit dem Gate in den Leerstellen im Übrigen auch unterdrückt werden, um die Gesamttransparenz nicht zu verlieren. Das Gate kann außerdem auch mit einem externen Sidechain getriggert werden (Ext Key) sowie „expanden“. Ferner gibt es für Compressor und Gate eigene Bypass-  sowie Link-Taster, um bei Stereosignalen die gleiche Bearbeitung für den linken und rechten Kanal zu erzwingen. Und das alles schreit nach einem Video:

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Toller, gut zu bedienender Channelstrip

Insgesamt ist festzustellen, dass der Focusrite SC von Brainworx, wie auch schon damals bei der echten Console, alles Wichtige mitbringt, um einen Kanal gehörig zu bearbeiten. Gerade im Kontext „handgemachter“ Musik, sprich klassischer Rock und Pop, zahlt sich die Benutzung eines solchen „one-stop“-Plugins mehr als aus.
Auch die Möglichkeiten, etwas direkt im Kanalzug anzuzerren, geben vor allem beim großflächigen Einsatz “in-the-box” ein echtes, analoges Gefühl. Die Bedienung ist ebenfalls sehr gut gelöst und die Übersichtlichkeit ist besonders dank der großen GUI-Umsetzung positiv hervorzuheben. Ebenfalls schön ist die Möglichkeit, TMT-Einstellungen auch global vornehmen zu können, denn so können auch unterschiedliche Flavours eines Mixes absolut unkompliziert erstellt werden.

Fazit

Die Brainworx bx_console Focusrite SC ist ein sehr umfangreicher Channelstrip, wenn nicht sogar der umfangreichste aller bisher erhältlichen bx_console Channels. Hinz kommt die Möglichkeit, dank TMT bei einem großflächigen Einsatz minimale Varianzen vorzunehmen, sodass ein finaler Mix groß, breit und mächtig wird. Die vielen Möglichkeiten der beiden ISA Modelle 110 und 130 waren nicht nur Ende der 80er bemerkenswert, sondern sind auch heute noch wegen ihrer Praxistauglichkeit mehr als zu empfehlen. Das einzige, was jetzt noch fehlt: ein Controller, um das Ganze noch authentischer bedienen zu können.

Pro
  • Umfangreicher Channelstrip
  • komplexe Dynamics
  • hervorragender EQ
  • TMT für Varianz
Contra
  • hoher Preis für Einzellizenz
PluginAlliance_Brainworx_bx-console_Focusrite_SC_01_Test
Features
  • originalgetreue Emulation des ISA-110-Equalizer-Moduls und des ISA-130-Dynamic-Moduls der Focusrite Studio Console, welche von Rupert Neve entworfen wurde.
  • Comp/Limiter, De-Esser und Expander/Gate
  • Tolerance Modeling Technology simuliert Kanal-zu-Kanal-Varianzen in elektronischen Bauteilen
  • Zufallsfunktion zum Auswählen der emulierten Kanalnummer
  • stufenlose THD-Steuerung sorgt für eine unabhängige Farbsättigung pro Kanal
  • stufenlos regelbare Virtual-Gain-Steuerung fügt dem Kanal unabhängig simuliertes analoges Rauschen hinzu, um eine zusätzliche analoge Stimmung zu erzielen
  • Viele Presets
Preis
  • 375 € (Straßenpreis am 01.08.2019)
Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • Umfangreicher Channelstrip
  • komplexe Dynamics
  • hervorragender EQ
  • TMT für Varianz
Contra
  • hoher Preis für Einzellizenz
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Plugin Alliance Brainworx bx_console Focusrite SC
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