Native Instruments Thrill Test

Dem Trend aktueller Kino- und Gamemusik folgend, veröffentlichen Sampleschmieden rund um den Globus in letzter Zeit vermehrt Sample-Libraries und -Instrumente, die sich den Themen Orchestereffekte und Orchesterhybrid widmen. Obwohl dieses Gebiet naturgemäß endlos ist, sind die Wirkungen doch beschränkt; ein tiefes Streichercluster bleibt was es ist, davon braucht man keine drei Libraries. Aktuelle Libraries widmen sich daher vermehrt einem Feld, das bisher wenig Beachtung fand: der Organik. Ein ewiges Problem von synthetischem Orchesterwerk ist die überzeugende Herstellung von stufenloser Dynamik und das Erstellen von organischen Klangflächen. Hier setzt „Thrill“ an, eine Orchestereffekt/-hybrid-Library entwickelt von Native Instruments in Zusammenarbeit mit Galaxy Instruments. Bereits der Name macht klar, wohin die Reise geht. „Thrill“ ist eine Library für Thriller und verwandte Gebiete, und was die Größe des Klangs betrifft, reden wir eher nicht vom Tatort, sondern von Breitwand-Verstörung im großen Stil.

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Das Besondere dieser Library ist, dass sich jedes Preset aus mehreren Sounds zusammensetzt, die sich per XY-Pad nahtlos durchfahren und mischen lassen. Aber nicht nur die Sounds lassen sich mischen, auch ihre dynamische und teilweise motorische Intensität lässt sich per Pad steuern. Das Konzept des XY-Pad ist mir noch in keiner anderen Library begegnet. Und da neue Bedienmöglichkeiten auf neue Klangwelten schließen lassen, mache ich mich gespannt ans Werk.

Details

Download und Installation

Wie bei Native üblich, erfolgen Download und Installation über das hauseigene Programm ‚Native Access’. Die per Mail zugesandte Seriennummer wird eingegeben und knappe 30 GB später, nachdem die Library dem Kontaktplayer zugefügt wurde, kann es auch schon losgehen. 

Tonmischung ist alles; Presets und das XY-Pad

„Thrill“ macht seinen Fokus auf den ersten Blick klar: in düster-schattiger schwarzweiß Optik gehalten, befindet sich mittig das XY-Pad, links und rechts daneben je ein Bild von Instrumenten, die Aufschluss über die angewählte Soundquelle geben. 
Die waagerechte Achse des Pads (X) erklärt sich von selbst, hier wird der Anteil bzw. das Mischungsverhältnis linker und rechter Soundquellen geregelt. Die senkrechte Achse (Y) regelt wiederum die Intensität der Dynamik, den sogenannten Thrill-Faktor. Presets gibt es in den Geschmacksrichtungen „Atmosphere“ und „Cluster“. Der Hauptunterschied zwischen den beiden besteht darin, dass die Atmosphären nicht tonal gebunden sind, während man in den Clustern durchaus einen Grundton erkennt und sie, wenn auch nicht direkt melodisch, so doch im weitesten Sinne tonal nutzen kann.
Natürlich ist man nicht von den Presets abhängig, alle Sounds lassen sich im Browser frei wählen. Dabei lassen sich, je nach Preset, für linke und rechte Seite ein oder zwei Sounds anwählen. Der Gesamtklang kann also aus bis zu vier Samples bestehen.
Der Browser ist dabei sehr übersichtlich gestaltet; neben der Art von Sound (Atmosphere, Cluster) und Instrumentengruppe (Orchestral, Hybrid) gibt es dutzende von Schlagworten (full, noisy, light, moving, etc.) die einem assoziativ den richtigen Weg weisen.

Fotostrecke: 2 Bilder “Thrills“ Main-Tab mit XY-Pad und Instrumentenansicht

Die Feinabstimmung der Sounds; das Source-Tab

Im Source-Tab lässt sich jeder Sound feinabstimmen und den eigenen Bedürfnissen anpassen. Grundsätzlich zu unterscheiden ist dabei zwischen hybriden und instrumentalen Klangquellen. Bei beiden lässt sich zwischen den Mixvarianten Full, Close und Ambient wählen. Daneben finden sich Parameter wie Volume, Pan, Pitch, Attack und Release. Außerdem bieten die instrumentalen Samples noch den Spread-Effekt, der dem Klang, je nach gewähltem Spread-Preset, bei zunehmender Intensität weitere Stimmen hinzufügt und ihn so ausbreitet. Zu guter Letzt lässt sich auch noch das Mischungsverhältnis der Sounds untereinander regeln. Besteht der Klang auf der linken Seite zum Beispiel aus zwei Sounds, so lässt sich für die Y-Achse regeln, wie und ab welchem Punkt die Klänge ineinander übergehen.

Kontrollwahn, dein Name sei Cluster Tree

Bei den Cluster-Samples wird es vollständig wahnsinnig. Neben den bereits erwähnten Eingriffsmöglichkeiten lässt sich auch noch das Cluster an bzw. in sich bearbeiten. Das Cluster wird in einem sogenannten Cluster Tree dargestellt, eine senkrechte Linie von der links und rechts insgesamt so viele waagerechte Linien abgehen, wie das Cluster Stimmen hat. Jede dieser Linien (d.h. jede Stimme) lässt sich per Volume, Pan und Tuning ebenfalls bearbeiten. So etwas ist mir noch nie begegnet. Der Begriff „Kontrolle“ erreicht hier eine ganz neue Dimension.

Operation am offenen Klang; der Source-Tab
Operation am offenen Klang; der Source-Tab

Abstrakte Sounds noch abstrakter machen; die FX-Sektion

Wie jede andere Library hält auch „Thrill“ allerhand Effekte parat. Da gibt es die üblichen wie EQ und Reverb, aber auch nicht ganz so übliches wie Color, Drive, Spread und den extrem vielversprechenden Drehregler mit der Überschrift „Mutate“. Alle Effekte sind ebenfalls mit reichlich Presets versehen. Über mangelnde Abwechslung kann sich hier also niemand beklagen. Natürlich lassen sich alle Regler mit CC-Zuweisungen, also mit Automationen versehen.

Es geht immer noch ein bisschen wirrer und chaotischer, den Effekten sei Dank.
Es geht immer noch ein bisschen wirrer und chaotischer, den Effekten sei Dank.

Fertig, abmischen; die Master-Sektion 

Abgeschlossen wird das Paket von der Master-Sektion. Hier finden sich drei Mastereffekte, EQ, Saturation und ein Kompressor. Außerdem lässt sich zwischen verschiedenen Respons-Kurven für die Y-Achse (Intensität) wählen, sowie CC-Zuweisungen für X- und Y-Achse vornehmen.

Schlankes Besteck für den letzten Schliff; die Master-Sektion
Schlankes Besteck für den letzten Schliff; die Master-Sektion

Praxis

Die Presets und das XY-Pad

Ich starte mit einem wahllosen Ritt durch die Presets. Auch ohne das Pad anzurühren wird sofort deutlich, dass es hier wirklich nur um den Thrill geht. Alles was ich höre, klingt verstörend, egal ob es sich um Streicher, Holzbläser, Stimmen oder Ambient-Sounds handelt. Das allerdings in allen erdenklichen Varianten – von warm und weich bis aggressiv und dicht ist alles dabei. Bewege ich die X-Achse, gehen die Sounds von linker und rechter Seite nahtlos ineinander über. Das ermöglicht je nach Auswahl, die Verbindung von sehr gegensätzlichen Welten oder das Wandern zwischen zwei ähnlichen Sounds. Die Qualität der Klangmischung ist verblüffend, ebenso wie die Klangqualität der Sounds an sich. Groß und satt, cineastisch, kommt es aus den Speakern.
Absolut erstaunlich wird es jedoch bei der Y-Achse. Der Sound wird nicht einfach nur lauter, er wird intensiver. Blech und Holz beginnen zu vibrieren, gibt es zum Beispiel Trommelwirbel, so werden diese schneller, Obertöne kommen dazu, das Orchester schreit und faucht. Die intuitive Bedienung weckt den Spieltrieb, es ist eine einzige Freude per XY-Pad zwischen Sounds und ihren verschiedenen Intensitäten zu wechseln. Ruckartige Bewegungen sind besonders schön. Filmisch wäre jede dieser Bewegungen ein erstklassiger Schock-Moment. Leider finde ich keinen Weg, meine spontanen XY-Experimente aufzuzeichnen. Offensichtlich schickt „Thrill“ keine MIDI-Signale für die Achsenbewegungen. Es lassen sich per CC jedoch Controller zuweisen, mit denen sich beide Achsen steuern lassen.

Audio Samples
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Atmospheres; Dark Rider Atmospheres; Airy Phrases 1 Atmospheres; Creepy Threat Atmospheres; Dark & Dirty Cluster; Catacombs Cluster; Flutter Spread Cluster; Rattle & Pluck

Chaos in feinen Abstufungen

Da man Musik meist nicht für riesige Bilder produziert, stellt sich mir bei Orchesterlibraries immer die Frage, ob die Sounds auch eine Nummer kleiner zu haben sind. Im Fall von „Thrill“ sind sie es. Im Source-Tab kann ich zwischen den Mixvarianten Full, Close und Ambient wählen. Close klingt im Vergleich zu Mix wesentlich kleiner, womit „Thrill“ schlagartig auch zu einer Option für Fernsehfilmmusik wird. Ambient hingegen führt den Sound ins Waberig-Abstrakte, was Sinn machen kann, wenn man eine nicht näher zu identifizierende Klangfläche sucht. Ich habe außerdem dutzende Werkzeuge, um die Klangmischung und -gestaltung zu beeinflussen. Ich kann die einzelnen Sounds aktivieren oder stummschalten, lauter und leiser machen, pannen, pitchen und vieles mehr. Und selbstverständlich lässt sich alles automatisieren. Vermutlich werde ich das meiste davon niemals anrühren. Ein Preset besteht schon aus bis zu vier Samples, die zusammen vollständiges Chaos verursachen. Ich sehe mich eher nicht in der Situation, dass mir Sample Nummer 3 einen Tick zu weit nach rechts gepannt ist, oder Sample Nummer 2 ein halbes dB lauter sein könnte. Falls aber doch, so kann ich es hier ändern.  

Chaos in noch feineren Abstufungen; Cluster und Cluster Tree

Ist die Y-Achse in Sachen Klangentwicklung schon erstaunlich, so setzt der Cluster Tree dem Ganzen die Krone auf. Beim Cluster Tree handelt es sich um das Werkzeug zum Bearbeiten von Cluster-Samples. Für die, die es vergessen haben: ein Cluster ist eine sogenannte „Tontraube“ und z.B. das, was man erhält, wenn man eine Klaviatur mit der Faust bearbeitet. Mittels Cluster Tree lässt sich jeder Ton in den Parametern Pan, Volume und Tune verändern. Das alleine ist schon verblüffend. Und als wäre das nicht genug, so gibt es auch noch drei verschiedene Arten, wie sich das Cluster per Y-Achse aufbauen lässt; „Glide“ lässt alle Stimmen auf demselben Ton beginnen und dann zum jeweiligen Zielton gleiten, „Add-on“ beginnt mit dem Grundton allein und die anderen Stimmen kommen allmählich dazu, „Parallel“ spielt das Cluster vollständig ab. Klanglich ist das absolut überzeugend, es klingt wie live gespielt. Wie auch immer Native Instruments das hingekriegt haben, sie haben ganze Arbeit geleistet. So etwas habe ich noch nie gehört.

Audio Samples
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Tongues; Mix Tongues; Close Tongues; Ambient Soft Perform 1; Glide Soft Perform 1; Add-On Soft Perform 1; Parallel

Organische und hybride Verfremdung; die Effekte

„Thrill“ hat drei verschiedene Effekt-Abteilungen, Space, EQ und Modulationseffekte. Ich nutze eigentlich nie die mitgelieferten EQs und Reverbs, da Einstellungsparameter und Übersicht stets sehr reduziert sind – so auch hier. Doch auch hier ist „Thrill“ ein Sonderfall, da man jeweils eine Effekt-Sektion für den Sound auf der linken und rechten Seite hat. Falls es also nur auf der linken Seite Probleme gibt, kommt man mit externen Effekten hier nicht weiter. Daher sind EQ und Reverb nützlich und willkommen.
Die Modulationseffekte finde ich am interessantesten. Sie gliedern sich in Phaser, Mono to Stereo, Drive, Color und Mutate. Wobei die Eigenschaft ‚Mutate’ eigentlich auf alle außer Mono to Stereo zutrifft. Jeder Effekt lässt sich (de)aktivieren, automatisieren und bietet allerhand Presets. So weit so bekannt. Was diese Effekte für mich aber so interessant macht, ist die Tatsache, dass sie orchestrale Sounds in Richtung Elektronik verfremden können. Voll aufgedreht, lässt sich in manchen Fällen der Ursprungssound nicht einmal mehr erahnen. Mit entsprechender Automatisierung kann ich so dem Wahnsinn eine weitere Komponente hinzufügen; neben dem Morphen von Sounds und Intensitäten auch noch das Morphen zwischen analoger und digitaler Welt. Klanglich ist auch das alles eigen und von feinster Qualität. In folgenden Audiobeispielen durchfahre ich jeden Effekt einmal komplett. Damit deutlich wird, wie der Effekt arbeitet, habe ich stets dasselbe Sample als Grundlage gewählt.

Audio Samples
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Random Strings; Color Random Strings; Mutate Random Strings; Drive Random Strings; Mono to StereO Random Strings; Phaser

Abspann und finale Kontrolle: die Mastersektion 

Die Mastersektion bietet ein paar grundlegende und abschließende Einstellungsmöglichkeiten und gut klingende Mastereffekte, als da wären EQ, Saturation und Kompressor. Auch hier sind die Parameter, an denen sich herumschrauben lässt, nicht eben detailliert, sodass ich hier sicher externe Effekte bevorzugen würde.
Daneben gibt es die XY-MIDI-Controller, an denen sich die CC-Zuweisung für die Achsen per MIDI-Learn vornehmen lässt, außerdem Auswahlmöglichkeiten zum Antwortverhalten der Y-Achse. Ob sie, linear, hart oder weich reagiert, lässt sich hier regeln.

Fazit

Ich würde sechs Sterne geben, wenn ich könnte. „Thrill“ – der Name ist Programm. Ich kenne keine Library, mit der sich so schnell und überzeugend so gute Ergebnisse erzielen lassen. Das liegt zu einem guten Teil daran, dass sich die Library ein klares, eng umrissenes Ziel gesteckt hat: Thrill ist das Gefühl, das es zu erzeugen gilt und sonst nichts. Die umfangreichen, teils neuartigen Mittel zur Erreichung dieses Ziels, die Kombination aus erstklassigem Klang, intuitiver Bedienmöglichkeit und detaillierten Eingriffsmöglichkeiten machen „Thrill“ dabei zu einem herausragenden Wurf. Wer auf der Suche nach einer Library für orchestral-cineastische Horror- und Thrillersounds ist, dem sei „Thrill“ dringend empfohlen. Ich wüsste keinen Weg, schneller und besser zu ähnlich guten Ergebnissen zu kommen. Entsprechend halte ich den Preis von 299 Euro auch für mehr als angemessen.

PRO
  • Klang
  • intuitives Bedienkonzept
  • umfangreiche Eingriffsmöglichkeiten
  • Menge und Variabilität der Patches
  • sehr gut sortierter Browser
  • schnelle Arbeitsergebnisse
CONTRA
  • kein Contra
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FEATURES
  • umfangreiche Möglichkeiten zur Klangbearbeitung jedes einzelnen Sounds
  • detaillierte Clusterbearbeitung
  • Hybride und orchestrale Samples
  • 5 Modulationseffekte
  • 500 Thrill-Presets
  • 963 Klangquellen
  • 75 Cluster-Presets
  • Systemanforderungen: kostenloser Kontakt 5 Player oder Kontakt 5 (Version 5.6.8 oder höher), 4 GB RAM , zum Installieren, Aktivieren und Aktualisieren ist eine Internetverbindung erforderlich, nur als Download erhältlich
Preis
  • EUR 299,-
Unser Fazit:
5 / 5
Pro
  • Klang
  • intuitives Bedienkonzept
  • umfangreiche Eingriffsmöglichkeiten
  • Menge und Variabilität der Patches
  • sehr gut sortierter Browser
  • schnelle Arbeitsergebnisse
Contra
  • kein Contra
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