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Line 6 Amplifi TT Test

Mit dem Amplifi TT in unserem heutigen bonedo-Test zielt Line 6 eher auf die Kundschaft, die ihrem Hobby nicht in bierdunstgeschwängerten Kellern, dunklen Spelunken oder Stadien nachgeht, sondern sich nach einem harten Arbeitstag ganz gepflegt in den heimischen vier Wänden die tägliche Portion Rock´n´Roll gönnt. Das Ganze soll deshalb flexibel und bei Bedarf in angenehmer Lautstärke vonstatten gehen, damit die Kinder nicht aufwachen und auch sonst niemand über Gebühr gestört wird. Und wenn es schon das Wohnzimmer ist (oder das Büro für´s Abreagieren nach dem anstrengenden Meeting mit der Geschäftsleitung), dann muss sich ein solcher elektronischer Spiel- und Übepartner auch optisch in das vorhandene Ambiente einpassen.

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Unser Testgerät, der Amplifi TT von Line 6, hat all das im Gepäck, und noch viel mehr. Obwohl sein Name etwas an das Produkt eines deutschen Autoherstellers erinnert, geht es hier weniger um Geschwindigkeit und Pferdestärken – uns interessieren vielmehr Funktionalität, Klang und der Spaßfaktor beim Rocken im Wohnzimmer.

Details

Gehäuse/Optik

Der Amplifi TT kommt in einem sehr unauffälligen Design, dessen optische Vorbilder eindeutig in der HiFi-Branche angesiedelt sind. Klar, eine Nierenschale wie der alte POD macht sich nicht so hübsch auf dem Schreibtisch der Anwaltskanzlei, da hat der Amplifi TT schon eine wesentlich bessere Ausgangsposition. Er zeigt sich geradlinig im schwarz-rot lackierten Kunststoffgehäuse, das sich mit vier breiten Gummifüßen einen sicheren Halt auf Mobiliar mit glatter Oberfläche verschafft. An der Frontseite finden wir die Bedien- und Regelmöglichkeiten in Form der drei Mini-Schalter Tone, Tap und Bluetooth, und den sechs Reglern Drive, Bass, Middle, Treble, Reverb und Blend. Außerdem sind die Klinkenanschlüsse für Gitarre und Kopfhörer (6,3 mm stereo) ebenfalls vorderseitig angebracht.

Gradliniges Design: Im wahrsten Sinne des Wortes
Gradliniges Design: Im wahrsten Sinne des Wortes

Rückseite/Anschlüsse

Auf der Rückseite warten die restlichen Anschlüsse. Zum Beispiel einen Amp Out, der den Amplifi TT bei Bedarf mit einem Gitarrenverstärker verbindet. An die HiFi-Anlage oder andere Gerätschaften mit linearen Lautsprechern führen die Main Outs, und zwar in Stereo einmal per 6,3 mm Klinke oder Cinch. Außerdem gibt es die Signalausgabe in digitaler Form über einen optischen Ausgang. Zur Verbindung mit einem Computer steht der USB-Anschluss bereit; über diesen lässt sich der Amplifi TT als Audio Interface zu Aufnahmezwecken nutzen. Auch Firmware Updates können über diese Schnittstelle in das Gerät übertragen werden. Daneben findet sich ein Anschluss mit der Bezeichnung FBV, in den Line 6 Floorboards wie das FBV Express oder das FBV Shortboard MkII eingesteckt werden, wenn man das Gerät per Fuß bedienen möchte.

Fotostrecke: 3 Bilder Auf der Rückseite ist eine ganze Menge los

Bedienung (Stand Alone)

Die Bedienung ohne Computer oder Mobilgerät ist sehr übersichtlich und klar strukturiert, allerdings auch etwas limitiert. Mit dem Tone-Taster wird zwischen vier unterschiedlichen Basis-Sounds gewechselt, die bei Bedarf mit den Reglern verändert und abgespeichert werden. Der Blend-Regler dient dabei als Master-Volume.

Fotostrecke: 5 Bilder Zur Stand-Alone Bedienung stehen einige Regler bereit

Amplifi App

Die gute Nachricht vorab: Die Amplifi App gibt es mittlerweile nicht mehr nur Apple-exklusiv, die Beschwerden vieler User sind erhört worden und die Steuerung der Amplifi-Geräte steht jetzt auch Nutzern von Tablets und Smartphones mit Android-Betriebssystem offen. Die Entwickler haben offensichtlich ein paar Sonderschichten draufgelegt, damit die Amplifi-App in Verbindung mit den dazugehörigen Geräten auch ohne lange Installations-Aktionen läuft. Ich habe das Ganze mit einem iPad 2 getestet und hatte keinerlei Probleme: Amplifi-App im App Store runterladen, das Gerät mit dem iPad über Bluetooth verbinden, und schon kann die entspannte Sound-Editierung am Tablet losgehen. Danke dafür, denn das war vor einem halben Jahr beim Amplifi FX noch ganz anders. Das Einstellen des Sounds über einen Tablet-Bildschirm ist natürlich sehr komfortabel, man kann “Regler” quasi anfassen, das typische Amp-Bedien-Feeling ist auf jeden Fall vorhanden und greifbarer als das Editieren am Computerbildschirm oder am Multieffektgerät. Auch die Bedienoberfläche ist sehr gut gestaltet, in der oberen Reihe findet man die Signalkette, beim Drücken auf eines der Symbole öffnet sich das Edit-Menü des entsprechenden Effekts oder Amps und man hat die Parameter untereinander aufgelistet. Über die großen Balken werden dann die Werte verändert.
Ein weiteres Special ist die Möglichkeit, in der App auf die Musik-Library des Tablets/Smartphones zugreifen zu können. Man geht auf Library, wählt seinen Jam-Song und die App schlägt sofort ein paar Sounds vor, die zu dem Titel passen könnten. Und das funktioniert ausgezeichnet, allerdings muss man dafür online sein und einen kostenlosen Account bei Line 6 eingerichtet haben, denn die Sound-Einstellungen werden über das Internet geladen. Der Song wird anschließend über Bluetooth an den Amplifi TT übertragen und entweder über Kopfhörer oder die angeschlossenen Lautsprecher abgespielt. Das Mischungsverhältnis zwischen Playback und Gitarrensignal bestimmt der Blend-Regler.

Fotostrecke: 5 Bilder Der Editor für die Amp-Simulationen
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Praxis

Wer tatsächlich die komplette Bandbreite des Amplifi TT nutzen möchte, der sollte auf jeden Fall ein Tablet oder Smartphone sein eigen nennen, denn die Amplifi App macht das Ganze erst richtig komplett. Es stehen ab Werk 25 Bänke mit je vier vorgefertigten Sounds zur Verfügung, und alles ist sinnvoll organisiert. Zu Beginn ein kleiner Auszug aus den Sounds zu Song-Klassikern (Bank 2-10).

Audio Samples
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Soundbeispiel 1 zum Song “Iron Man – Black Sabbath” Soundbeispiel 2 zum Song “The wind cries Mary – Jimi Hendrix” Soundbeispiel 3 zum Song “Day tripper – The Beatles”

Auch auf die Klangqualität hat man noch eine Schippe draufgelegt, es klingt besser als vor einem halben Jahr beim Amplifi FX. Allerdings bewegt sich das Ganze immer noch im Mittelklasse-Bereich, für professionelle Einsatzbereiche oder Klanggourmets wird es nicht reichen, aber der Spaßfaktor ist auf jeden Fall da. Man sollte auch in dieser Disziplin von einem Hardware-Gerät für weniger als 200 Euro keine Weltwunder erwarten. Für das Spielen zu Hause und das schnelle Aufnehmen einer Layout-Spur für den nächsten Welthit ist der Amplifi TT auf jeden Fall in Ordnung. Vor allem durch die gute Struktur der Presets findet man sehr schnell die Sounds, die man möchte. Die vorgefertigten Einstellungen sind ebenfalls sehr praxisnah und nicht überladen, obwohl die Ausstattung mit Effekten schon einiges möglich macht. Für Soundtüftler ist jede Menge an Bord, hier zum Beispiel ist ein Wave Synth, der dem Gitarrensignal beigemischt wird.

Audio Samples
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Les Paul mit beigemischtem Wave Synth

Die Bibliothek ist nach Songnamen oder Einsatzbereich (Rock Rhythm, Metal Lead, etc.) sinnvoll geordnet und führt schnell ans Ziel. Wer an den Sounds schrauben will, der sucht sich einen aus und kann dann nach Lust und Laune verändern. Dazu stehen eine Menge Amps in vier Kategorien mit unterschiedlichen Boxen zur Verfügung. Bei den Effekten ist das ähnlich, die Auswahl ist auch hier sehr groß. Die Signalkette hat zehn Einheiten:
1. Gate – Noise Gate direkt hinter der Gitarre
2. Wah – Wah-Effekt (steuerbar über FBV Express oder FBV Shortboard MkII)
3. Stomp – Hier stehen 16 unterschiedliche Overdrive/Distortion/Compressor-Typen zur Verfügung
4. Amp/Cab – Das virtuelle Verstärkerlager ist voll bis unters Dach: 9 Clean Amps, 25 American, 18 British und 26 High Gain Amps.
5. Comp – Compressor
6. EQ – 4 Band Semi-Parametric Equalizer
7. Vol – Volume-Pedal Position (steuerbar über FBV Express oder FBV Shortboard MkII)
8. Mod – Modulations-Effekte (23 verschiedene Typen)
9. Delay – Delay Effekte (14 verschiedene Typen)
10. Reverb – Hall (15 verschiedene Typen)

Bedienkonzept top - die Sounds sind eher Mittelmaß
Bedienkonzept top – die Sounds sind eher Mittelmaß

Die dynamische Ansprache hat sich beim Amplifi TT verbessert, hier hört ihr einen gemodelten Marshall Plexi, bei dem ich zuerst leicht mit den Fingern und dann hart mit dem Pick angeschlagen habe. Beim Fingeranschlag geht der Zerrgrad angenehm zurück, aber wenn man die Verzerrung mit hartem Anschlag ausfährt, dann klingt es beim genaueren Hinhören schon etwas digital und künstlich.

Audio Samples
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SG-Gitarre Dynamischer Sound – Marshall Plexi Modeling

Crunch Sounds klingen auf den tiefen Saiten etwas undefiniert.

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Strat Crunchsound mit Bassman Modeling

Clean Sounds sind da noch am unkompliziertesten.

Audio Samples
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Les Paul Clean Sound

Hier kommt zum Abschluss eine Kostprobe für die harte Abteilung.

Audio Samples
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Les Paul mit Metal Sound
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Fazit

Die Konzeption ist super und die Kombination Tablet/Smartphone in Verbindung mit einem Klangprozessor wird bald mit Sicherheit das Editieren an kleinen Effektgerät-Displays ablösen. Die Amplifi App ist ausgezeichnet gestaltet und ermöglicht das Einstellen der Gitarrensounds mit angenehmer Haptik; man hat schon fast das Gefühl, man dreht die Regler am Amp bzw. Effektpedal. Vor allem auf einem Tablet-Display ist die Bedienung erstklassig. Besonderen Spaß macht das Jammen zu Tracks aus der eigenen Musik-Library des Tablets/Smartphones, die sehr gut in die Amplifi App eingebunden ist – und für das schnelle Eingreifen hat der Amplifi TT die wichtigsten Elemente auch noch an Bord. Optisch passt er auf jeden Fall in die gute Stube, und bis zu diesem Punkt gibt es absolut nichts zu kritteln. Leider ist der Sound nur in der Mittelklasse angesiedelt, obwohl er sich im Vergleich zum Amplifi FX seit August 2014 verbessert hat. Trotzdem sollte man keine zu hohe Ansprüche an die Klangqualität stellen. Besonders die Zerrsounds klingen etwas klinisch und harsch in den oberen Frequenzbereichen. Klar, bei einem Gerät für 189 Euro darf man keine Wunder erwarten, aber meiner Meinung nach hätte man besser in der Masse abgespeckt und bei der Klangqualität aufgerüstet – der Amplifi TT hat sage und schreibe 78 verschiedene Ampsimulationen an Bord! Aber vielleicht klappt das ja noch – Know-how und Technologie sind im Hause Line 6 ja vorhanden.

Unser Fazit:
3,5 / 5
Pro
  • Amplifi App
  • Bedienbarkeit über Tablet/Smartphone
  • Integration der Musik-Library in die Amplifi App
  • Tone Matching
Contra
  • Klangqualität der Ampsimulationen
Artikelbild
Line 6 Amplifi TT Test
Für 98,00€ bei
Das Konzept überzeugt, die Ampsounds leider nicht.
Das Konzept überzeugt, die Ampsounds leider nicht.
Technische Spezifikationen
  • Hersteller: Line 6
  • Modell: Amplifi TT
  • Typ: Gitarren Preamp & Audio Interface
  • Regler: Drive, Bass, Mid, Treble, Reverb, Blend
  • Anschlüsse: Guitar In, Phones, Amp Out, Main Out (2x Klinke, 2x Cinch)
  • Maße: 446 x 224 x 127 mm (B x T x H)
  • Gewicht: 2,9 kg
  • Preis: 189,- Euro (UVP)
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Profilbild von Robert G

Robert G sagt:

#1 - 09.03.2015 um 11:27 Uhr

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Ich finde die Idee von dem Teil eigentlich ganz witzig.
Was bei mir bei der ganzen Amplifi Reihe eine ungutes Gefühl hinterlässt ist das man ein Smartphone oder Tablet braucht um die Sounds einzustellen.
Das mag heute kein Problem sein. Aber in 10 Jahren könnte das Ding Schrott sein weil es die Software/App nicht mehr gibt, es sei denn man hebt sein altes Smartphone gemeinsam mit dem Teil auf damit man es später noch bedienen kann.

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