Interview Sandra Nasic

Sandra Nasic ist gerade aus dem Urlaub zurückgekommen – Österreich, Slowenien, Südtirol. Nicht gerade Länder, die man von einem Rockstar erwartet. Auch nicht den Rückzug „zum Garteln“ in ein ruhiges Landhaus. Trotzdem steht die Ex-Sängerin von den Guano Apes unter Dampf. Sie arbeitet nicht nur an ihrem nächsten Soloalbum, sondern werkelt in ihrem eigenen Studio ständig mit den unterschiedlichsten Musikern an neuen Sounds. Offensichtlich fühlt sie sich nur noch sich selbst und ihrer Musik verpflichtet. Ein erstrebenswerter Zustand für einen Künstler. Trotzdem war Zeit für ein Interview mit bonedo.de!

Bonedo: Was hat den Ausschlag dafür gegeben, dass du vor mehr als vier Jahren von Göttingen nach Berlin gezogen bist?
Zunächst einmal war es die Liebe (lacht)! Ich habe mich pünktlich zur Bandverabschiedung verliebt. Aber Berlin bietet natürlich auch wahnsinnig viel für Musiker. Nach Göttingen zurückzugehen, könnte ich mir nicht vorstellen. Klar hab ich da Familie und auch ein Häuschen, aber arbeiten tu ich viel lieber in Berlin. Da habe ich Leute, Musiker, Kollegen mit denen ich immer was machen kann. Da hab ich auch mein kleines Studio. In Berlin passiert so viel, deshalb ist es ideal für einen Künstler.
B: Hast du dort eine feste Band, vielleicht sogar mit festen Probezeiten?
Meine aktuelle Band, mit der ich auch Konzerte machen werde, ist in Hamburg ansässig, weshalb ich immer hin und her fahre. Allerdings habe ich in Berlin auch viele Musiker um mich herum. Ich finde es wichtig, dass ein Austausch stattfindet. Wahrscheinlich werde ich nicht immer die gleichen Leute mit mir auf der Bühne haben.
B: Auch wenn es „nur“ die Liebe war, die dich letztendlich nach Berlin gebracht hat, ist die Stadt trotzdem eine besondere Inspiration für dich als Künstlerin?
Klar, das denke ich geht jedem Künstler so, der in der Stadt ist. Es kommen ja deshalb auch Musiker aus der ganzen Welt hierher. Die New Yorker, die Kanadier, die ich kenne, die meinen, dass die Stadt dem New York der 70er sehr nahe kommt. Damals war New York noch günstiger und es passierte künstlerisch dort sehr viel. Und genau das tut es im Moment auch in Berlin. Wenn man unterwegs ist, trifft man so viele verschiedene Leute-  nicht nur Touristen (lacht), sondern Künstler, die sich gegenseitig inspirieren und hier Kreativität finden. Es macht Spaß in solch einer Umgebung zu leben und zu arbeiten. Aber es gibt auch Momente, wo ich mich bewusst aus Berlin zurückziehe. Mein Freund und ich haben einen ganz kleinen Landsitz an einem See, eine Stunde von hier. Und da gärtnere ich dann und wir suchen bewusst die komplette Ruhe des Waldes. Es ist schön, wenn man beides machen kann. Ich denke Berlin pur ist auf Dauer ganz schön anstrengend. Aber das Interessante bei allem im Leben ist ja das Wechselspiel.
B: An was arbeitest du momentan? Eine Solosache oder wieder zusammen mit anderen bekannten Musikern?
An beidem! Zum einen entstehen Sachen für mein nächstes Soloalbum und zum anderen arbeite ich zum Beispiel wieder mit T. Raumschmiere zusammen. Der ist ja eigentlich Schlagzeuger und Punker, mit dem arbeite ich sehr gerne an neuen Sachen. Allerdings möchte ich da nicht zuviel machen, denn die Konzentration gilt schon meiner nächsten CD. Und im November werde ich mit meiner Band ein Konzert in Portugal spielen. Da laufen auch die Vorbereitungen, da wir mit dem neuen Line-Up bisher noch nicht live gespielt haben.
B: Das heißt, du hast auch für deine erste Solo-CD „The Signal“ keine Konzerte gespielt?
Nein, das wollte ich irgendwie nicht. Wir waren mit der damaligen Band auch nicht so weit, um die Songs auf die Bühne zu bringen. Außerdem wollte ich noch mehr Material sammeln, um ein richtig langes Konzert spielen zu können. Ich hatte einfach nicht das Gefühl, dass die Zeit damals schon reif war. Das ist vielleicht nicht im Sinne der Vermarktung einer erfolgreichen Scheibe, aber so ist es halt (lacht).
B: Aber die Plattenfirma hat dich deshalb nicht rausgeschmissen?
(lacht) Nein.
B: Hattest du bestimmte Vorgaben im Kopf, die du mit „The Signal“ erfüllen wolltest? Welches Signal wolltest du geben?
Zunächst wollte ich musikalisch komplett etwas anderes machen. Selber im eigenen Sud immer zu baden macht auf Dauer keinen Spaß und bringt dich nicht weiter. Insoweit denke ich war es ein ganz normaler Prozess, den jeder Künstler mal durchmacht, durchmachen muss – durchmachen darf! Bei den Guano Apes hatten wir ja jahrelang die gleiche Instrumentierung. Klar, wir hatten unseren eigenen Sound und das ist ja auch schon selten genug, das hat auch nicht jeder. Aber auf Dauer ist es für mich langweilig, immer mit der gleichen Instrumentierung zu arbeiten. Der Drang mit neuen Sounds, Instrumenten und Techniken zu arbeiten, Computer auszuprobieren, war sehr groß bei mir. Und dann habe ich mich halt komplett ausgetobt und alles wild ausprobiert. Auch mit neuen Leuten gearbeitet, um einen kompletten Querschlag zu machen. 
B: Beat Of Life“ mit DJ Tomek und Ice-T war ja damals auch schon wilder Crossover…
…ja, aber das habe ich eigentlich nur gemacht, weil ich mit Ice-T zusammen arbeiten wollte (lacht). Tomek remixte damals gerade Songs der Guano Apes und wollte, dass ich im Gegenzug bei ihm auf der Scheibe mitmache. Das war ein Grund für „Beat of life“ – Bedingung war aber, dass ich unbedingt einen Song zusammen mit Ice-T machen wollte.
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B: „Fever“ von „The Signal“ durchlief ja einige Stadien der Entwicklung, bis er schließlich als Rocksong endete. Setzt du dir Stil-/Soundtechnisch überhaupt keine Grenzen?
Nö. Wenn man selbst die Freiheit hat sich Grenzen zu setzen oder nicht, dann sollte man sich keine setzen. Zumindest musikalisch (lacht). Das ist ja das Schöne, dass ich mich austoben konnte, das ist mir sehr wichtig. Ich war vorher an einem Punkt angelangt, wo es langweilig wurde für mich und wo mir das nichts mehr gegeben hat. Was „Fever“ betrifft, denke ich, dass der Song in der veröffentlichten Version überproduziert und zu sehr auf Single getrimmt wurde.
B: Von dem Titel wurden mehrere Videos gedreht. Ein Unveröffentlichtes in Los Angeles…
Ja, das war wahnsinnig teuer und ich bin froh, dass wir diese Version nicht genommen haben. Ich war sehr unglücklich mit dem Ergebnis, das war nicht cool. Die Idee an sich war gut, aber die Umsetzung nicht. Ich will auch nicht mehr in den Staaten drehen. Dort herrscht eine ganz anderen Arbeitsmoral. Die haben ihre Gewerkschaften und sobald du eine Minute über Drehschluss aufnimmst, egal was noch nicht stimmt, dann wird das richtig teuer. Das ist zwar gut für die ganzen Arbeiter dort, aber für einen Künstler kann das den Tod bedeuten. In Deutschland, wo ich normalerweise drehe, da wird halt noch mal zwei, drei Stunden gearbeitet, wenn etwas nicht stimmt. Da schaut keiner auf die Uhr. Da herrscht ein eigener, hoher Anspruch und dem wird versucht gerecht zu werden. Deshalb kann ich mir nicht mehr vorstellen für ein Video in die Staaten zu fliegen, das war totaler Nonsens. Deshalb wurde es auch eingestampft.
B: Eingestampft heißt, dass es dieses Video auch nie als Bonus auf einer DVD zu sehen geben wird?
Nein. Nein. Nein. Das hätte die Plattenfirma gerne gehabt, aber ich habe mich erfolgreich dagegen gewehrt (lacht). Aber wir haben alle daraus gelernt. Wenn man plötzlich die Freiheit hat, muss man schon wissen, in welche Richtung es visuell gehen soll.
B: Du hast auch das Glück, dass keine dieser Videoversionen bei youtube kursiert?
Ja, bis jetzt habe ich das Glück. Und ich wüsste auch, woher es kommt (lacht).
B: Als Künstlerin kennst du also keine Stilgrenzen. Wie sieht es im Musikkonsum aus, was hörst du?
Ich höre total unterschiedliche Sachen. Sowohl härtere Musik, als auch poppige. Es gibt keine Grenzen. Wichtig ist, dass es mir gefällt. Ich glaube, je älter man wird, desto offener wird man gegenüber anderen Musikrichtungen. Was ich im Gegensatz zu meinem Teeniealter nicht mehr höre, sind die ganz harten Sachen, wo nicht mehr gesungen, sondern mehr gegrunzt wird. Früher habe ich das zum Teil gehört, aber als Melodiefreak, der ich bin, habe ich diese Musik komplett abgeschüttelt von mir. Andererseits gibt es auch Musik, die ich zum Beispiel als Kind grausam fand und wo ich jetzt merke, wie genial das ist.
B: Du hast ja schon zu Guano Apes-Zeiten mit anderen gearbeitet. Zum Beispielt bei „Path“ mit Apocalyptica. Gab es da große Unterschiede in den Arbeitsweisen?
Es war komplett anders. Und im Falle von Apocalyptica auch einfacher, denn die haben mir einfach mal ein paar Instrumentals zugeschickt und ich durfte dann auf das Lied, das mir am besten gefiel, meine Lyrics und die Melodie schreiben. Das ist natürlich viel einfacher, als wenn du dir mit einer Band alles mühsam erarbeitest. Die Bänder wurden mir damals nach Hannover geschickt und ich habe mich dann zwei Tage lang darauf ausgetobt. Das war sehr angenehm. Wie auch die Jungs von der Band.  Das sind alles Riesen, aber unheimlich lieb und ich schätze sie sehr als Musiker.
  
B: Was bei der Durchsicht deine Homepage auffällt: Warum hast du einen Rechtsanwalt als Management?
Das hat sich so ergeben, auch weil er in Berlin wohnt. Der war sowieso ständig mein Ansprechpartner und in Amerika ist es schon gang und gäbe, dass die Anwälte auch die Manager sind.
B: Manche Musiker verklagen ja irgendwann ihr Management. Das heißt in so einem Fall müsstest du gegen deinen Rechtsanwalt klagen…
(lacht) Da wollen wir mal hoffen, dass das nicht eintritt. Ich glaube nicht, dass ich in diese Situation kommen, denn die Verträge, die ich heute abschließe, sind andere als früher. Die sind viel lockerer und leichter und gehen nicht auf Jahrzehnte hinaus.
B: In einem Interview hast du dich selbst als „Singer-/Songwriterin“ bezeichnet. Heißt das, dass du ständig am Schreiben bist?
Nun, ständig nicht, aber ich habe ja, wie gesagt, mein eigenes kleines Studio, und da schreib ich schon immer Lieder für meinen Verlag, die Sony, wenn irgendwelche Ausschreibungen für Songwriter bestehen. Und natürlich auch für mich selbst. Ich kann mittlerweile sehr gut mit Computern und Instrumenten umgehen. Für meine Platte war es mir auch wichtig, dass ich sehr viel selbst mache, denn das ist ein Lernprozess und das wollte ich deshalb unbedingt. Ich wollte tiefer in die Materie und auch in mich hineinhorchen, welche Musik ich in mir habe.
B: Gerade wenn du auch für den Verlag schreibst, wie muss man sich die Arbeitsweise vorstellen. Gehst du ins Studio und saugst dir was aus den Fingern, bzw. entstehen Songs in einem Arbeitsprozess oder ist es so, dass dich plötzlich die Muse küsst und dir die Ideen zufliegen?
Schön wärs (lacht)! Nein, ich gehöre leider zu der Kategorie Musiker, die sich ins Studio setzen muss, so gegen Mittag, und sich dann an die Songs herantastet. Manchmal geht’s einfach, dann sprudeln die Ideen, manchmal ist es wirklich richtig harte Arbeit. Da muss man sich dann schon richtig motivieren. Ich sitze nicht in einem Kaffee oder laufe mit Leuten rum und habe plötzlich Ideen. Wenn überhaupt, dann nachts, wenn ich gerade einschlafe, dann träume ich Musik. Das Problem ist, dass man das immer wieder vergisst, wenn man morgens aufwacht. Aber ich habe schon gnadenlos viele Hits geträumt (lacht).
Style: “Sandra Nasic”
Style: “Sandra Nasic”
B: Was denkst du über Communities wie myspace. Ist das inzwischen wichtig für einen Musiker, um sich zu präsentieren und Kontakt mit den Fans zu halten oder ist das mehr Spielerei?
Das ist eine gute Frage, die ich mir auch immer wieder stelle. Ich kann es nicht sagen. Einerseits ist es schon wichtig, um bei den Leuten präsent zu sein. Andererseits bin ich auch nicht immer im Netz, um darauf zu achten, dass alles aktuell ist.
B: Gab es einen Moment als Kind, wo du realisiert hast, dass du eine außergewöhnliche Stimme hast?
Nein, gerade als Kind kann man sich ja nicht von außen betrachten. Aber ich denke, dass ich die Musikalität von meinem Vater geerbt habe. Er hatte früher auch eine Rockband, allerdings nur Hobby mäßig, und spielt auch gut Gitarre. Ich war vor kurzem bei meiner Familie zu Besuch und wir haben im Wald ein Lamm gegrillt. Mein Vater hat dann die Gitarre ausgepackt und ich habe gestaunt, wie gut und wie fit er noch als Musiker ist. Für mich war der Einstieg in das Musikuniversum so in der siebten, achten Klasse mit Nirvana oder Soundgarden. Dann war es ein Drang, ich wusste, ich musste jetzt Musik machen.
B: Die Karriere von den Guano Apes ging ja ab einem gewissen Punkt sehr schnell. Kannst du dich noch daran erinnern, wie es war, plötzlich auf den großen Bühnen zu stehen, bei den großen Festivals zu spielen? Oder ist man da plötzlich in einem Sog, den man gar nicht richtig realisiert?
Ja, man ist in einem Sog, vor allem wenn man so jung ist, ich hatte ja gerade die Schule mehr oder weniger beendet. Das ist dann schon so, wie ein Schulausflug, der nicht mehr enden will. Man macht es dann einfach nur, weil man ja auch wahnsinnig Bock hat. Aber leider kann ich mich nicht an alles erinnern. Das ist schade, weil man ja soviel erlebt. Aber ich lebe immer mehr für den Moment und vergesse deshalb viel. Frage mich, was morgen sein wird, dann kann ich dir Auskunft geben.
B: Das heißt, wenn ich dir eine e-mail schreibe und mich für das Interview bedanke, wirst du dich fragen, welches Interview?
(lacht) Nein, ich werde ja auch älter und ich arbeite an meinem Gedächtnis!
  
B: 2006 ist ja mit „The Lost (T)Apes“ noch ein Guano Apes Nachschlag mit Demos erschienen. Macht so was aus deinen Augen Sinn?
Für mich selbst war es toll zu hören, wie wir damals angefangen haben, wie wir anfangs klangen. Es war spannend für mich die Sachen zu hören. Und wen unser ganze Werdegang interessiert, für den ist solche eine CD sehr sinnvoll. Da kann man hören, wie wir als Schülerband angefangen haben.
B: Oft sind ja Demos besser, als das was letztendlich dann veröffentlicht wird…
Ja, das ist der Demoeffekt, mit dem kämpfe ich immer noch (lacht). Ich habe bestimmt drei Songs, die auf der CD nicht so gut klingen, wie auf dem Demo. Es fehlt einfach der magische Moment. Das Beste wäre beim Schreiben gleich zu produzieren, dann kann man die Magie am ursprünglichsten einfangen. Wenn man es immer und immer wieder spielt, dann schwächelt es einfach, ist nur die Kopie einer Kopie. Das verliert an Magie.
B: Letzte Frage, auch wenn du die wahrscheinlich nicht mehr hören kannst: Wird es jemals eine Wiedervereinigung der Guano Apes geben?
Im Moment kommt das für mich nicht in Frage. Ich weiß nicht, was in zehn Jahren oder so ist, aber momentan ist das überhaupt nicht denkbar. Ich bin froh, dass ich tun und machen kann, was ich will.
Style: “Sandra Nasic”
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