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Hiwatt SSD212 Custom 50 Combo Test

Praxis

Nach der Anlieferung habe ich den Combo sofort ausgepackt und im Wohnzimmer angeschlossen. Jeder, der schon einmal einen klassischen 50- oder 100-Watt-Marshall in den eigenen vier Wänden gespielt hat, der weiß, dass es im Grunde genommen unmöglich ist, ein solches Röhrenmonster in einer Wohnung zu spielen. Auch unser Testkandidat macht da keine Ausnahme. Deshalb habe ich den Amp am nächsten Tag eingepackt und bin zu einem befreundeten Studio in der Nähe von Lüttich gefahren, um den Combo dort auf Herz und Nieren testen zu können. Dort hatte ich dann auch die Möglichkeit, den Verstärker problemlos in die Sättigung zu fahren, ohne gleich der gesamten Nachbarschaft einen Tinnitus zu verpassen. 

Wer glaubt, der Amp sei mit 50 Watt irgendwo in der Nähe von "leise", der täuscht sich gewaltig: Das ist ein Hiwatt!
Wer glaubt, der Amp sei mit 50 Watt irgendwo in der Nähe von “leise”, der täuscht sich gewaltig: Das ist ein Hiwatt!

Normalerweise nehme ich die Audios in meinem Studio auf, aber in diesem Fall war mein Freund und Produzent Dany Huppermans ebenfalls heiß darauf, den Gilmour Signature Amp zu testen. Klar, dass nach getaner Testarbeit auch die Gelegenheit zu einem heimischen Bier und leckeren belgische Fritten genutzt wurde. Aber weiter im Test. Beim ersten Anspielen im Aufnahmeraum fiel mir sofort der mächtige und stählerne Ton auf, der sehr lange clean bleibt. Hier erinnert der Amp an eine Marshall/Fender-Mischform, wobei der Ton besonders in den Mitten feiner auflöst. Das berühmte Mittenloch sucht man vergebens, weshalb der Amp nicht so fett erscheint wie meine alten Marshalls. Ebenso fehlen hier, Gott sie dank, auch die Eierschneider-Höhen, die man von vielen Fender Twins her kennt. Als Mikrofone kamen ein SM 57 gemischt mit einem Sennheiser MD 421 zum Einsatz. Unverzerrt wirkt der Amp noch klarer, als man es von einem gut abgehangenen AC 30 her kennt, obwohl auch hier der Ton immer auch einen gewissen Anteil an „Schmutz“ hat. Mit der Strat kommen die glockigen Mitten sehr gut zur Geltung, trotzdem ist der Ton leicht rotzig, ohne erkennbares Zerren.

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Clean

Mit der P90 Les Paul wird es schon etwas böser, wobei der Amp sehr feinfühlig auf die verwendete Gitarre und den Anschlag reagiert. Hier geht die leichte Sättigung mit dem Halspickup eine gelungene Symbiose ein. Das Mastervolumen im folgenden Audiobeispiel steht übrigens fast auf Halbgas. Was man hier nicht hören kann, ist der enorme Schallpegel des Amps, denn je nach Beschaffenheit rieselt jetzt schon leicht der Putz von den Wänden. Die Klangregelung muss man übrigens mit Vorsicht genießen, denn besonders die Treble- und Presence-Regler haben es in sich. Über die 12-Uhr-Position muss kein Mensch, sonst wird es schnell zu hart. Der Bassregler hingegen macht den Ton zwar fett, aber nie mulmig. Beim folgenden Audiobeispiel steht der Bass auf 15 und der Mittenregler auf 13Uhr.

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Dirty

Mit der Humbucker Les Paul bekommt man auch bei geringeren Lautstärken einen sehr amtlichen Crunchsound, der sich bestens für Blues und auch bedingt für AC/DC-artige Riffs empfiehlt. Der Amp wirkt weniger mächtig als ein vergleichbarer Marshall, was aber täuscht. Das typische Marshall-Mittenloch fehlt, wodurch der Bassbereich vergleichsweise schwächer wirkt. Wegen der ausgeprägten, aber sehr harmonisch abgestimmten Mittenstruktur im Bereich von 500 kHz bis 1 kHz setzt sich der Amp gut durch, ohne jedoch nasal oder nervig zu klingen. 

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Crunched

Mit den beiden Volume-Reglern in Maximalstellung generiert man einen Verzerrungsgrad und eine Authentizität, die mich am ehesten an einen gut abgehangenen JCM 800 mit einem klanglichen AC 30 Touch erinnert. Am Pult muss man hier im Grunde nichts nachregeln, obwohl man es bei einer Produktion je nach Arrangement und Stilistik natürlich doch machen wird. Der Sound ist ungeheuer druckvoll und direkt und von einer Qualität, wie man sie als Tester wirklich selten erlebt. Der letzte Amp, der mich ähnlich umhaute, war der Chandler GAV 19 T. Wer einen Verstärker sucht, der ohne Pedal einen schmatzigen klassischen Rocksound bringt, der ohne viel Schrauberei einfach so klingt, wie man es von unzähligen Platten her kennt, der muss ihn einfach einmal gespielt haben. Auch beim Hiwatt habe ich das Mastervolumen relativ weit aufgerissen und man hört die Endstufe leicht pumpen, was mir persönlich sehr gut gefällt. Was im Studio kein Problem ist, wird auf 99 % aller Bühnen viel zu laut sein. Will man aber auch live in den Genuss einer leichten Endstufensättigung kommen, würde ich einen Power Attenuator empfehlen. Allerdings sollte es ein qualitativ hochwertiges Gerät sein, wie beispielsweise der Silencer vom Tube Amp Doctor. Dabei sollte man darauf achten, nur bis -8 dB zu dämpfen, denn höhere Werte machen die Dynamik schnell zunichte. 

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Maximum Gain

Zum Schluss gibt es noch ein Soundbeispiel mit meinem alten Big Muff. Das muss einfach sein, denn auch Gilmour benutzt diverse Modelle und auch speziell modifizierte Big Muff Versionen von Peter Cornish. In diesem Falle habe ich ein 70er-Jahre-Pedal und meine Strat verwendet, die ich schon vor einigen Jahren mit EMG DG 20 David Gilmour Pickups bestückt habe. Der Amp ist hier in etwa so eingestellt, wie bei dem P90 Soundbeispiel, wobei die Vorstufe schon eine leichte Zerrung bringt, die mit dem Big Muff sehr gut harmoniert. 

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Big Muff
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