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Anytune Pro+ App Test

Praxis

Beim Öffnen der App wird die iTunes-Bibliothek angezeigt, aus der der gewünschte Song innerhalb weniger Sekunden direkt importiert werden kann und danach als Wellenform angezeigt wird. Das Tempo wird dabei automatisch erkannt, sofern es nicht bereits in iTunes gespeichert wurde. Das Format des iPad mini erweist sich in der Praxis als sehr angenehm und bietet genug Platz für die zahlreichen Buttons. Während das obere Fenster einen Ausschnitt im Detail sieht, zeigt der untere Bereich den kompletten Song. Beide Wellenformen können mit dem Cursor durchfahren werden(„Scrub“-Funktion). Dabei entsteht ein ähnlicher Effekt wie beim Vor- und Zurückdrehen einer Schallplatte, und bestimmte Songparts können so sehr schnell gefunden werden. Eine Zoom-Funktion ist nicht vorhanden.

Bei drastischen Tempoänderungen wird der Unterschied zwischen Pro und HQ besonders deutlich

Zum stufenweisen Ändern des Tempos und der Tonhöhe werden einfach die entsprechenden Tasten mehrfach angetippt oder der Bereich dazwischen per Wischbewegung auf den gewünschten genauen Wert eingestellt. Ein Doppelklick führt zurück zum Originaltempo. Während der Tempobereich beim Profi-Paket von 30 bis 250% reicht und in 5%-Schritten einstellbar ist, lauten in der Studio-Variante die Grenzen 5 und 400 Prozent bei 1%-Abstufungen. Bekanntlich kann die Audioqualität bei größeren Tempoänderungen erheblich leiden, daher bin ich gespannt, wie sich Anytune in dieser Disziplin schlägt. Im Folgenden hört ihr einen Drumbeat zunächst im Original, dann um 40 Prozent verlangsamt zum Vergleich jeweils einmal in der „Pro“- und einmal in der „HQ“-Audioqualität.

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Drumloop Original Drumloop verlangsamt Pro Drumloop verlangsamt HQ

Während das Ergebnis selbst in der Pro-Variante noch akzeptabel klingt, wirkt die HQ-Version im Vergleich dennoch wesentlich natürlicher, was vor allem bei den Snare-Schlägen deutlich wird.
Nun hören wir uns an, wie sich Tonhöhenveränderungen auf den Sound auswirken. Hier bietet die Pro-Variante einen Umfang von +/- 12 Halbtönen, während es bei der HQ-Version jeweils 24,9 sind (der „krumme“ Wert ergibt sich aus der Möglichkeit, im Studio-Paket die Tonhöhe in Cent-Schritten zu verändern). Als Basismaterial dient ein Backingtrack mit voller Instrumentierung. Die Tonhöhe des Tracks wird jeweils in vier Halbtonschritten nach oben und nach unten verschoben. Am Anfang hört ihr immer den Originalzustand ohne Pitch Shifting. Auch hier wieder zum Vergleich in den beiden Versionen Pro und HQ.

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Backingtrack Pitch Up Pro Backingtrack Pitch Up HQ Backingtrack Pitch Down Pro Backingtrack Pitch Down HQ

Der klangliche Unterschied zwischen Pro und HQ ist hier nicht so deutlich wie bei der Tempoveränderung, aber das Gesamtbild klingt bei extremen Verschiebungen im HQ Modus etwas wärmer. Die hohen Frequenzen knallen nicht so stark durch. Durch die Möglichkeit, beim Studio Paket die Tonhöhe nur leicht zu verändern, kann man Aufnahmen, bei denen nicht nach 440 Hz gestimmt wurde oder das Band beim Mix/Master in anderer Geschwindigkeit lief, leicht auf Standard-Tuning pimpen.

Loops können extrem flexibel gehandhabt werden

Zum Erstellen eines Loops „on the fly“ wird einfach am Loop-Anfang die A-Taste und am Ende B gedrückt. Während der Loop abgespielt wird, ist es möglich, Anfang und Ende über die +/- Tasten in kleinen Schritten von sechs Millisekunden einzustellen, wodurch sich das Fehlen der Zoom-Funktion verschmerzen lässt. Für gröbere Einstellungen empfiehlt es sich, die A- und B-Marker direkt zu greifen und an die gewünschte Stelle zu bewegen. Sehr praktisch ist die Möglichkeit, per Tastendruck den Loop so zu verschieben, dass er direkt am ursprünglichen Endpunkt beginnt. So kann man sich systematisch durch einen Song arbeiten. Auch ein schrittweises Verdoppeln der Loop-Länge ist möglich, so dass die Übungspassage allmählich verlängert werden kann. Ab dem Profi-Paket aufwärts gibt es die Möglichkeit, den Loop jeweils mit einer zeitlichen Verzögerung zu starten, die man beispielsweise exakt der Länge des Loops angleichen kann. So kann man beim Üben Leertakte einfügen, die zudem das Timing trainieren. A propos trainieren: Der Tempo-Loop-Trainer, ebenfalls ab der Profi-Variante erhältlich, dient dazu, in einer frei wählbaren Anzahl von Durchgängen das Tempo oder die Tonhöhe jeweils schrittweise zu erhöhen bzw. zu verringern.

Sogar spontane Live-Arrangements können umgesetzt werden

Zum Speichern des Loops bzw. Setzen von Looptags genügt ein Tastendruck. Nun können die A/B-Markierungen gelöscht, und beim Erstellen des nächsten Loops kann in gleicher Weise verfahren werden. Alle Looptags, also Zeitmarken, werden in der Audiotags-Liste angezeigt. Dort können die verschiedenen Loops per Tastendruck direkt angewählt oder über „Play Next“ (nur im Studio-Paket enthalten) in beliebiger Reihenfolge nacheinander abgespielt werden, so dass beispielsweise im Live-Einsatz die völlige Kontrolle über das Arrangement gewährleistet ist. Der nächste Loop startet dabei immer automatisch, nachdem der vorherige komplett abgespielt wurde. Ein „Info“-Button neben dem jeweiligen Looptag ermöglicht die Benennung des Loops sowie unter „ReTune“ auch weitere Einstellungen wie beispielsweise Tempo- und Tonhöhenänderungen, die dann nur für den jeweiligen Loop gespeichert werden.
Das Erstellen von einfachen Audio-Markern zum Kennzeichnen verschiedener Songteile funktioniert im Prinzip genau so wie das Setzen von Loopmarks. Bei Bedarf können die Bereiche zwischen den Audiotags auch automatisch geloopt werden, wodurch eine Alternative zur vorher beschriebenen Loop-Erstellung gegeben ist. 

Der Fine Touch EQ ist vielseitig, aber nicht perfekt

Die Veränderung des Audiomaterials über 9-Band-Equalizer und Filter ist ausschließlich mit dem Studio-Paket möglich. Hier gibt es zahlreiche Voreinstellungen wie Hochpass, Tiefpass oder Bandpass, jeweils mit regelbarer Frequenz, Bandbreite, Resonanz und Verstärkung, die in den meisten Fällen für das Isolieren einzelner Instrumente vorgesehen sind. 
Hier kommt der Versuch, aus dem Backingtrack die Gitarre herauszufiltern, in zwei unterschiedlichen Varianten. Einmal mit einer simplen Absenkung des Mittenbereiches und dann mit einem Preset. Ihr hört abwechselnd zwei Takte ohne EQ, dann mit dem Equalizer.

Fotostrecke: 2 Bilder Die manuelle Mittenabsenkung
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Mittenabsenkung manuell Preset „Rhythmusgitarre unterdrücken“

Jetzt der Versuch, die Gitarre aus dem Backingtrack zu separieren, um sie besser zum Transkribieren heraushören zu können.

Das Preset „Gitarre isolieren“
Das Preset „Gitarre isolieren“
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Preset „Gitarre isolieren“

Der Fine Touch EQ wirkt durchaus effektiv, aber man sollte nicht der Illusion erliegen, dass hier wirklich einzelne Instrumentenstimmen komplett isoliert werden können. Dies ist nur annäherungsweise möglich. Je breitbandiger der Mittenbereich bearbeitet wird, desto stärker wird natürlich der Gesamtklang verbogen. Aber die Funktion erfüllt auf jeden Fall ihren Zweck als Werkzeug zum Transkribieren und Heraushören von Parts.

Kleine, aber feine hilfreiche Funktionen…

Drei weitere Funktionen, die ab dem Profi-Paket verfügbar sind, erweisen sich in der Praxis als äußerst hilfreich: Im Transkribier-Modus springt der Cursor bei jedem neuen Betätigen der Start-Taste auf dieselbe, zuvor markierte Position, was eine große Hilfe beim Herausschreiben von Noten darstellt. Auch die Möglichkeit, das Audiofile mit einer zeitlichen Verzögerung zu starten, ist eine schöne Sache, wenn man noch ein paar Sekunden Vorbereitung bis zum Losspielen braucht. Der Balance- bzw. Panoramaregler kann deutlich mehr als man ihm zutraut. Neben seiner bekannten Funktion ist er in der Lage, jeweils einen der beiden Stereokanäle als Monosignal in der Mitte zu platzieren. Ihren ganzen Reiz kann diese Funktion bei vielen Aufnahmen aus den Sechzigerjahren ausspielen, bei denen häufig einzelne Instrumente jeweils nur auf einem Kanal zu hören sind. Zu guter Letzt soll noch der Live Mix Modus erwähnt werden, verfügbar nur im Studio-Paket. Er bietet die Möglichkeit, das vorhandene Audiomaterial mit einem extern über ein Audio-Interface oder das eingebaute Mikrofon des Gerätes zugespielten Signal bezüglich Lautstärke und Panorama zu mischen. Dabei fällt auf, dass das Mikrofonsignal des iPad mini nur auf einem Kanal zu hören ist – obwohl der Sound beim Importieren des Mikrosignals auf beiden Seiten zu hören ist. Mit angeschlossenem iRig Interface funktioniert die direkte Kommunikation zwischen Anytunes und dem Interface für den Live Mix Einsatz leider nicht. Es klappt aber, wenn man die Gitarre über das iRig Interface verbindet und Amplitube im Hintergrund laufen lässt (Background Audio ON bei Amplitube). Diese Konstellation hat auch den Vorteil, dass man mit einer Amp-Simulation spielen kann. So hört man die Amp-Simulation und Effekte von Amplitube und kann im Vordergrund den Track von Anytunes laufen lassen und dazu spielen. So klingt das Ganze…

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Solo Jam

Der Akkuverbrauch hält sich übrigens beim iPad mini absolut in Grenzen. Die Anzeige des voll geladenen Akkus steht nach 30 Minuten intensiver Editierung noch bei 99 Prozent.

Kommentieren
Profilbild von Jeffrey Briggs

Jeffrey Briggs sagt:

#1 - 21.03.2016 um 16:24 Uhr

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Die beste Musiker App überhaupt...ohne Anytune geht bei mir gar nichts mehr! Gruß, JB

Profilbild von Ralph Kendlbacher

Ralph Kendlbacher sagt:

#2 - 14.01.2017 um 02:23 Uhr

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Das macOS-Programm ist zu empfehlen, die App-Variante nicht. Das Importieren von Titeln aus iTunes gestaltet sich mit der App wegen Apple-Patenten schwierig und ist nur über Umwege möglich.Die In-App-Käufe sind wenig transparent. Es fehlt grundsätzlich an Anleitungen zum Hardware-Setup. So schön die Interaktion der App mit dem Footswitcher Airturn ist, der als In-App-Kauf aktiviert werden kann, wenn nicht erklärt wird wie das Ganze aufgebaut werden muss, was dazu an zusätzlicher Hardware nötig ist, bleibt die App sinnlos. Der überwiegende Teil der Fragen im Forum beschäftigt sich mit eben jenem Problem.Somit krankt die Software wie viele ihrer Art an einer vernachlässigten Dokumentation. Die Entwickler geben sich sichtlich Mühe auf Fragen einzugehen, sehen sich aber außerstande - wie viele andere Hersteller auch – Basics der Hardware-Einbindung grundständig anzugehen. Dies wiegt schwer, da mit den sich ändernden Anschlüssen gerade bei Apple (32-Pol-Buchse, Lightning, Kopfhörerbuchse beim iPhone 7 weg) ständige neue Anforderungen ergeben.Somit bleibt diese App Musikern in der praktischen Anwendung vorbehalten, die mit den entsprechenden Kultutechniken von Kabeln und Interfaces vertraut sind. Für andere ist es ein unnötiges Stück Software mit der Option "Ich würde wenn ich könnt".

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