Audio Ollie Scoring Synths Test

Audio Ollie nennt sich ein neuer Hersteller von Sound Libraries aus den USA, dessen erstes Produkt, die Kontakt Library Scoring Synths, dieser Tage erschienen ist. Dass das Debüt ausschließlich auf Samples der beiden Moog Synthesizer Minimoog Model D und Sub 37 basiert, erscheint zunächst vielleicht ein wenig unspektakulär, allerdings hat man sich ein besonderes Konzept einfallen lassen.

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Wie man es von hochwertigen Orchester Libraries bereits kennt, liegen alle Moog Samples zusätzlich zum trockenen Signal in sämtlichen Stereomikrofonierungen vor, die man auch bei der Aufnahme von Orchestern verwendet. Die Wahl des Aufnahmeraums fiel auf keinen Geringeren als das Ocean Ways Studio A. Das Ergebnis – so viel vorweg – ist eine „etwas andere“ Synthesizer Library, die primär dem Scoring dienen soll, musikalisch aber vielseitig einsetzbar ist. Was die Library genau kann und für wen sie sich empfiehlt, haben wir in diesem Test zusammengefasst.

Details

Download und Installation

Nach dem Kauf von Scoring Synths, der ausschließlich über die Homepage erfolgt, erhält man per E-Mail den Download-Code für die Library sowie einen Link zum Herunterladen des eigenen Installers für PC und Mac (nur 64 Bit OSX). Der komplette Sound Content umfasst mächtige 75 GB, wofür man je nach Internetverbindung eine entsprechend zähe Zeitspanne (mein Download erfolgte über Nacht bis in den frühen Nachmittag) einkalkulieren sollte. Dafür verlief die Installation problemlos, inklusive des automatischen Entpackens der RAR-Dateien. Da Scoring Synths nicht zu den Libraries zählt, die im Library-Fenster von Kontakt erscheinen und Instrumente über den Files-Browser geladen werden müssen, sollte man lediglich darauf achten, dass sich die geladenen Inhalte in einem geeigneten Verzeichnis auf der Festplatte befinden. Wichtiges Detail: Scoring Synths ist ausschließlich mit der Vollversion von Native Instruments Kontakt 5 nutzbar!

Die Library hat einen eigenen Installer.
Die Library hat einen eigenen Installer.

Sound Content

Scoring Synths beinhaltet insgesamt 126 Instruments, die in den Kategorien Bass, Synth, Pads, Percussion und FX unterteilt sind. Die Instruments sind als Multisample, überwiegend mit einer Key Range von 1 bis 2 Halbtönen je Samples angelegt und verfügen über sinnvolle Velocity Zonen, beispielsweise mit höherem Noise-Anteil bei stärkerem Anschlag. Wie bereits erwähnt, wurden die Samples mit hohem Aufwand und unter Verwendung erstklassiger Hardware aufgenommen. So besteht jedes Instrument aus trockenen Samples (DI) und diversen Mikrofonierungen, die beim Abspielen des Synthesizers über den ATC Monitor 150 ASL Pro im Aufnahmeraum (Ocean Way Studio A) recordet wurden. Im Detail sehen die Mikrofonierungen eines jeden Instruments folgendermaßen aus:

  • CL (Closed/mono): Neumann U67
  • MR (Mid Room): MKH 100
  • CC + DC (Decca Tree): Neumann M50
  • WD (Wides): B & K 4006
  • SR (Surrounds): DPA 4006A
  • RS (Rear Surrounds): MKH 100

Alle Mikrofonaufnahmen lassen sich zusätzlich oder optional zum trockenen DI-Signal in Lautstärke und Panorama mischen, wodurch die Library erst ihren Wert offenbart. In den zunächst unspektakulären Presets ist nur das trockene Signal aktiv, sodass man unmittelbar Hand anlegen sollte, um eigene Sounds zu kreieren.

Klangformung

Die exklusiven Mikrofonierungen sind eindeutig das Gimmick von Scoring Synths, dessen weitere Ausstattung eher rudimentärer Natur ist. So verzichtet man beispielsweise auf zusätzliche Effekte auf Instrumenten-Ebene, was meiner Meinung nach aber vollkommen okay ist, weil es aus tontechnischer Sicht meistens sinnvoller ist, externe Plug-ins oder Effektgeräte zur weiteren klanglichen Gestaltung zu verwenden. Auch weitere Synthese-Funktionen haben keine hohe Priorität, lediglich zwei ADSR-Hüllkurven (Amp + Filter) werden im GUI zur Verfügung gestellt und auf einen direkten Regler für das Filter wurde sogar ganz verzichtet, was tatsächlich etwas ungewöhnlich ist. Allerdings ist das Modulation Wheel (#CC01) bei allen Instruments fest auf die Filterfrequenz des Low Pass Filters gemappt, der im Verborgenen (Edit Menü) seinen Dienst verrichtet. Durch die Anzeige von Kontakts Keyboard-Fenster mit seinem virtuellen Mod Wheel hat man aber auch ohne Masterkeyboard einen direkten Zugriff auf das Filter. Für detailliertere Klangbearbeitungen und Parameter, die nicht direkt im GUI erscheinen, muss man bei Bedarf in Kontakts Edit Menüs abtauchen.

Fotostrecke: 3 Bilder Das puristische GUI von Scoring Synths

Arpeggiator/Poly Step

Diese beiden Kreativ-Tools sind im GUI verfügbar und bieten sich zum Einsatz auf perkussiven Instruments der Library an. Der Arpeggiator bietet insgesamt 17 Pattern mit bis zu 16 Steps und einer ansonsten gewöhnlichen Parametrisierung (siehe Abbildung). Poly Step ist ein polyphoner Step Sequencer mit bis zu 16 Schritten und einem Transponierungsbereich von +/-12 Halbtonschritten. In beiden Tools lässt sich jedem Step ein eigener Velocity-Wert zuweisen.

Fotostrecke: 2 Bilder Die weißen Balken zeigen die Velocity der jeweiligen Steps im Arpeggiator an.

Sonstiges

Audio Ollies Debüt-Library glänzt durch die völlige Abwesenheit einer Dokumentation bzw. Bedienungsanleitung. So riesig ist der Funktionsumfang zwar nicht, dennoch ist es unpraktisch, sich die Bedeutung der vielen Kürzel im GUI per Selbstversuch oder Fließtext-Studium verschiedener Seiten der Homepage erarbeiten zu müssen. Zwar werden auf der Homepage diverse Videos angeboten, die sind aber größtenteils frei von sinnvollen Informationen zum Erlernen des Funktionsumfangs von Scoring Synth.

Praxis

GUI

Die Bedienoberfläche von Scoring Synths ist einerseits sehr übersichtlich, auf der anderen Seite sind viele Regler ziemlich winzig und haben dementsprechend minimale Regelwege. Auch wenn es sich hierbei um keine schlachtentscheidenden Parameter handelt, ist eine derartige Gestaltung des GUI nicht das Optimum des Machbaren. Lediglich die Bedienung der Hüllkurven bietet keinen Anlass zur Kritik.

Blau: Panorama; Rot: Blend zwischen DI und Raummikrofonen; Gelb: Phase Allign; Grün: Fine Tune, Transpose, Velocity Intensität, Pan-Koppelung an MIDI Key
Blau: Panorama; Rot: Blend zwischen DI und Raummikrofonen; Gelb: Phase Allign; Grün: Fine Tune, Transpose, Velocity Intensität, Pan-Koppelung an MIDI Key

Klang

Genug gemeckert, wie klingen die „Scoring Synths“ denn nun? Sound ist großartig und Dank der exklusiven Auswahl an Mikrofonierungen ist der erste Schritt zur gelungenen Tiefenstaffelung bereits vollzogen. Gemäß Marketing – und das ist absolut nachvollziehbar – erfüllt die Library zwei unterschiedliche Aufgaben. Das ist zum einen die namensgebende Kreation synthetischer Klanglandschaften, zum anderen eignen sich die Sounds zum Mischen, Andicken und Stützen von Orchesteraufnahmen und auch sonstigen Instrumentenspuren. Das subtile und für den Zuhörer teilweise nicht erkennbare Doppeln von Orchesterinstrumenten mit druckvollen und warmen Sounds synthetischen Ursprungs ist keine ungewöhnliche Vorgehensweise. Dass diese Klangfarben bereits mit einer Auswahl typischer Rauminformationen vorliegen, ist ein absoluter Vorteil während einer Produktion. Im Folgenden hören wir als erstes Audiobeispiel ein kleines MIDI-Arrangement mit insgesamt 18 Instruments von Scoring Synths, das überwiegend (5 Spuren mit externem Hall oder Delay) ohne zusätzliche Effekte entstanden ist. 

Audio Samples
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Audio_Ollie_Scoring_Synths_A01_Arrangement.wav

Im folgenden Video des identischen Arrangements sieht man noch einmal konkret, auf welchen Spuren die externen, insertierten Effekte (Logic ChromaVerb + Stereo Delay) zum Einsatz kommen und welche Spuren trocken und pur der Library entnommen sind.

Der bereits ohne EQs oder sonstige Mix-Tricks auffallend warme und druckvolle Grundsound findet sich auch in den einzelnen Instrumenten-Kategorien wieder. Die folgenden Audiobeispiele sind allesamt ohne zusätzliche Effekte entstanden, sofern dies nicht ausdrücklich im Namen des Audio Files erwähnt wird. Die unterschiedlichen Raumeindrücke wurden ausschließlich durch die Verwendung und den Mix der vorhandenen Mikrofonierungen erzeugt.

Scoring Synths – unscheinbares GUI mit mächtigem Druck unter der Haube!
Scoring Synths – unscheinbares GUI mit mächtigem Druck unter der Haube!
Audio Samples
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Synths + Logic Stereo Delay Pads (No FX) Percussion (No FX) Sound Effects (NO FX) Bass Synth – DI & alle Mikrofonierungen (No FX)

Sonstiges

Zu guter Letzt ist anzumerken, dass alle Samples ohne Loop auskommen (müssen), wobei die großzügige Länge, die bei Flächensounds fast 30 Sekunden beträgt, in vielen Fällen ausreicht. Sollte dies mal nicht der Fall sein, kann man seinen Workflow anpassen und ausklingende Töne mit einem anderen Instrument oder gebounctem Material auffangen. Dies ist kein Drama, dennoch gab es beim Erstellen der Audiobeispiele Situationen, in denen ich mir eine optionale „Loop-Version“ des Instruments gewünscht hätte.

Fazit

Scoring Synth von Audio Ollie ist eine etwas andersartige Library für (Film-)Musikschaffende, die keine „1-Finger-Instant-Klanglandschaften“ anbietet, sondern musikalisch gut einsetzbare und absolut erstklassige Grundfarben zur Gestaltung eigener Soundkreationen. Auch wenn die Sounds vordergründig auf der aktuellen Welle von Scores wie „Stranger Things“ und „Blade Runner“ zu schwimmen scheinen, sind die Klänge durchaus zeitlos und eignen sich aufgrund ihres beeindruckenden Fundaments zum Veredeln von Musikproduktionen jeglicher Stilistik. Aufgrund der unterschiedlichen Raummikrofonierungen ist das Einbetten in bestehende Arrangements aus tontechnischer Sicht kein Hexenwerk. Obwohl alle Samples auf den Moog Synthesizern Model D und Sub 37 basieren, ist Scoring Synths keinesfalls einfach nur eine weitere „Moog Library“, sondern ein polyphon spielbarer und beeindruckend atmosphärischer Leckerbissen für DAW-Musiker.

PRO
  • individuelles Konzept
  • überzeugende, druckvoll-warme Klangqualität
  • organischer, räumlicher Sound der Samples
  • unmittelbarer Zugriff auf alle Raummikrofone
  • zeitlose Ästhetik
  • hoher Nutzwert zur Aufwertung anderer Instrumentenspuren als Dopplung
CONTRA
  • mangelhafte Dokumentation
  • GUI mit kleinen Macken
  • keine Loops
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FEATURES
  • Sample Library für Kontakt
  • ca. 75 GB Content
  • 126 Instruments
  • Moog Model D / Subs 37 als Soundquelle
  • 48 kHz/24 Bit
  • alle Samples als DI und 7 mischbare Raummikrofonierungen (Ocean Way Studios) verfügbar
  • Arpeggiator
  • polyphoner Step Sequenzer
  • ADSR Envelope (Amp + Filter)
Systemvoraussetzungen
  • Native Instruments Kontakt 5 (Vollversion)
  • 2 GB RAM
  • 75 GB freier Festplattenspeicher
Preis
  • 279,- USD per Download
Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • individuelles Konzept
  • überzeugende, druckvoll-warme Klangqualität
  • organischer, räumlicher Sound der Samples
  • unmittelbarer Zugriff auf alle Raummikrofone
  • zeitlose Ästhetik
  • hoher Nutzwert zur Aufwertung anderer Instrumentenspuren als Dopplung
Contra
  • mangelhafte Dokumentation
  • GUI mit kleinen Macken
  • keine Loops
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Audio Ollie Scoring Synths Test
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