Audient EVO 4 Test

Das Audient EVO 4 ist ein wirklich kleines USB-Interface mit zwei Kanälen. Audient hat der kleinen Box den Slogan “Work smarter not harder” mitgegeben. Was hat es damit auf sich? Wie schlägt sich das Miniatur-Interface im Producer-Alltag?

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Gerade erst auf der NAMM 2020 vorgestellt, ist das Audient EVO 4 Interface bereits jetzt erhältlich. Der Slogan und das viel beworbene Smart-Gain-Feature lassen aufhorchen: Hält das Hype-Thema Künstliche Intelligenz jetzt Einzug in die Welt der Audio-Interfaces? Und wie gut kann ein so kleines Interface überhaupt sein?

Details

Verarbeitung

Beim Auspacken fällt zunächst auf, wie kompakt das EVO 4 wirklich ist: 14 cm Breite und 6,7 cm Höhe und Tiefe. Außerdem wiegt es gerade mal 360 Gramm. Hier stimmt es also wirklich: Wenn man es drauf anlegt, passt das EVO 4 in die Hosentasche, zumindest aber ohne Probleme in Gigbag oder Rucksack. Auch im Zubehörfach meines Gitarrenkoffers findet es bequem Platz. Das Gehäuse ist komplett aus Kunststoff hergestellt, ohne jedoch einen minderwertigen Eindruck zu machen. Nichts klappert, die Ecken sind abgerundet und die Oberfläche ist in einem hochwertig anmutenden Mattschwarz gehalten. Das EVO 4 steht stabil auf zwei großen, gummierten Füßen.
Das zentrale Bedienelement ist ein großer Drehknopf. Mit diesem lassen sich wahlweise der Gain für die Preamps, die Lautstärke für die Monitorausgänge oder das Mischungsverhältnis des Direct Monitorings einstellen. Der Knopf ist ein Endlos-Drehgeber und leicht gerastert. Er dreht sehr gut, was auch daran liegt, dass die Kappe von Innen mit Metall beschwert ist. Unter der Kappe kommt jedoch auch zum Vorschein, dass der Drehregler nicht mit dem Gehäuse verschraubt ist, sondern komplett auf der Platine lastet. Etwas unvorsichtige Bedienung oder Transport kann hier schnell zu Schäden an der Lötverbindung führen. Ansehnlich hingegen ist der LED-Kranz um das Poti. Die 19 weißen LEDs zeigen im Normalzustand den Pegel des Signals am ausgewählten Kanal an. Wird ein Level verstellt zeigt der Kranz das neue Level an. Weiterhin gibt es auf der Oberseite die Knöpfe, mit denen gewählt wird, ob der Drehknopf jetzt einen der beiden Preamps, die Monitore oder das Direct-Monitoring steuern soll, sowie 48V-Phantomspeisung und den markanten, grünen Smart-Gain-Knopf. Alle Schalter leuchten, wenn sie aktiviert sind und sind aus jedem Winkel gut zu erkennen. Die Schalter für Preamp 1, Preamp 2 und die Monitore haben Sekundärfunktionen: Hält man die Knöpfe jeweils gedrückt, wird der zugehörige Kanal stummgeschaltet. Beide Preamp-Knöpfe gleichzeitig gehalten verlinken die beiden Kanäle für Stereoaufnahmen.

Fotostrecke: 2 Bilder Das Kunststoffgehäuse des EVO 4 wirkt solide und modern.

Anschlüsse

Die beiden Eingangskanäle des Audient EVO 4 sind als XLR-Klinke-Kombibuchsen der Marke Amphenol ausgeführt und machen einen stabilen Eindruck. Auf der Rückseite des Interfaces nehmen sie ein Mikrofon- oder Line-Signal entgegen, wobei vorne auch noch ein Instrumenteneingang untergebracht wurde, der zum ersten Kanal gehört. Steckt man hier eine Klinke ein, wird der hintere Eingang automatisch abgeschaltet. Ebenfalls rückseitig zu finden sind die beiden symmetrischen Klinkenausgänge für die Monitorlautsprecher und die USB-C-Buchse. Per USB-2.0 wird das Interface mit dem Computer verbunden und mit Strom versorgt. Ein externes Netzteil ist nicht nötig.
Der Kopfhörerausgang ist vorne rechts untergebracht und sehr gut zu erreichen. Allerdings gibt es keinen eigenen Levelregler für die Kopfhörer, aber den gibt es bei anderen Mini-Interfaces dieser Preisklasse auch nicht. Was mich hingegen wirklich stört, ist etwas anderes: Wenn ein Kopfhörer in die Buchse eingesteckt wird, werden die Monitorausgänge stummgeschaltet. Das heißt man muss den Kopfhörer rausziehen, um wieder die Boxen hören zu können. Der Prozess einen Song auf den Boxen zu mischen und zwischendurch mal schnell auf Kopfhörern den Bass abzuschätzen wird erheblich verlangsamt. Außerdem muss man dadurch den Pegel der Boxen grob an die Kopfhörer anpassen, damit beim Rausziehen der Kopfhörer die Lautsprecher nicht furchtbar laut loslegen. Das soll einem wohl den Zwischenschritt sparen, die Lautsprecher per Hand zu muten, aber die Möglichkeit, das Feature auch abzuschalten wäre hier sehr angenehm.
Ein Stereo-Kanal, der keinen Anschluss außen am Gehäuse hat, ist der Loopback-Kanal. Über diesen können Systemsounds als eigener Kanal in die DAW aufgenommen werden. Das ist besonders praktisch für Streaming-Anwendungen in denen zum Beispiel der Sound eines laufenden Spiels mit übertragen werden soll.

Fotostrecke: 3 Bilder Zwei rein, zwei raus. Die Kombi-Buchsen des EVO 4 nehmen Mikrofon- und Line-Signale entgegen.

Zubehör

Im Lieferumfang des Audient EVO 4 bekommt man nur das zugehörige USB-Kabel, sowie ein Einführungsblatt, das erklärt, wo der Treiber herunterzuladen ist und wie das Smart-Gain funktioniert. Online gibt es dann Zugang zu einem schönen Softwarepaket. Dieses beinhaltet ein Samplepaket von Loopmasters, ein paar Synthesizer-Plugins von Waldorf, Cubase 10 LE inklusive Retrologue 2 und das Torpedo Wall of Sound Plugin von Two Notes Engineering. Außerdem gibt es Credits für Landr, welche man gegen Online-Mastering und Distribution-Services eintauschen kann.

Praxis

Anschließen und loslegen

Um das kleine 2-Kanal USB-Interface anzuschließen braucht es lediglich das mitgelieferte USB-Kabel, welches das Audient EVO 4 auch mit Strom versorgt. Den Treiber gibt es auf der EVO-Website. Unter macOS funktioniert das EVO 4 auch ohne den Herstellertreiber, aber der Originaltreiber senkt die Latenz ein wenig. Nach kurzer Eingewöhnungszeit gefällt mir die Bedienung des EVO 4 sehr gut. Die Steuerung mittels eines zentralen Drehknopfes erinnert etwas an die Bedienung eines UAD Apollo Twin. Erfreulich ist, dass sich Gain- und Lautstärkepegel für Preamps und Monitore auch digital steuern lassen. In DAWs, die dieses Feature unterstützen, kann das Preamp Gain direkt in der DAW gesteuert werden. Mit Logic Pro X hat das im Test bestens funktioniert. Ebenso lässt sich der Ausgangspegel der Lautsprecherausgänge ohne Probleme unter macOS direkt mit den Lautstärketasten auf der Tastatur regeln – ein Feature, das ich sonst sehr an RME-Interfaces schätze.

Das kleine Interface während des Tests
Das kleine Interface während des Tests

Auf das Smart-Gain-Feature möchte ich natürlich auch eingehen: Ehrlich gesagt dachte ich bei der Vorstellung des EVO 4 eher an eine Art Assistentenfunktion, die das Gain kontinuierlich nachregelt, wenn das Signal zu clippen droht, ähnlich wie bei RME XTC Preamps. Tatsächlich stellt die Smart-Gain-Funktion die Vorverstärkung einmal statisch ein. Dazu drückt man den Smart-Gain-Schalter, dann den jeweiligen Preamp-Schalter, um zu wählen, welcher Kanal eingestellt werden soll und dann noch einmal den Smart-Gain-Schalter, um den Listening-Modus zu aktivieren. Nun hört einem das Smart-Gain ganze 12 Sekunden beim Spielen zu, um das Level einzuschätzen und stellt dann das Gain entsprechend ein. Zugegebenermaßen funktioniert das sehr gut und das EVO 4 wählt immer einen passenden Pegel. Aber ich würde mal unterstellen, dass die meisten Leser das Gain deutlich schneller und unkomplizierter händisch einstellen können.
Bei 32 Samples Buffer-Größe und einer Samplerate von 44.1 kHz ergibt sich in Ableton eine Gesamtlatenz von 7,55 ms, was für ein günstiges USB-Interface ganz gut ist. Arbeiten ohne Knackser ist allerdings erst ab 64 Samples Buffer möglich. Hier steigt die Latenz auf knapp über 8 ms.

Der Smart-Gain-Modus stellt automatisch ein passendes Level für ein einkommendes Signal ein.
Der Smart-Gain-Modus stellt automatisch ein passendes Level für ein einkommendes Signal ein.

Wie klingt das Audient EVO 4?

Laut Herstellerdaten liefern die Preamps des EVO 4 eine maximale Verstärkung von 58 dB, was in dieser Preisklasse schon recht ansehnlich ist. Für den Line-Eingang wird die gleiche Gain-Range mit 10 dB-Pad angegeben, was den Verdacht nahelegt, dass auch die Line-Signale den Preamp komplett passieren und vorher um 10 dB gedrosselt werden. Die AD- und DA-Wandler von AKM weisen einen Dynamikumfang von 113 dB auf, was ebenfalls viele Geräte dieser Preisklasse übertrifft.
Im Test klingen die Preamps ausgesprochen nüchtern und offen. Dass man in diesem Preisbereich keine aufregende Färbung zu erwarten hat, sollte klar sein, stattdessen besinnen sich die Preamps des Audient EVO 4 darauf, das Signal so originalgetreu wie möglich zu übertragen. Sie agieren angenehm rauscharm. Beim Aktivieren der Phantomspeisung wird das Signal des jeweiligen Kanals kurz stummgeschaltet, um ein Knacken zu unterdrücken. Sehr schön. Auch der Instrumenteneingang schlägt sich gut und bildet im Test Gitarre und Bass gut ab, ohne bei Transienten in die Knie zu gehen. Beim Abhören machen die DA-Wandler eine gute Figur. Die Kopfhörerausgänge sind stark genug für die meisten Kopfhörer. Wer eher laut auf Kopfhörern abhört oder sehr hochohmige Kopfhörer nutzt, wird sich aber eher am oberen Ende der Levelskala wiederfinden. In meinem Test habe ich das Audient EVO 4 in verschiedenen Situationen mit Gitarre und Bass aufgenommen. Als Vergleichsgerät dient ein UAD Apollo Twin.

Audio Samples
0:00
E-Gitarre mit Amp und Neumann TLM 107 über EVO 4 E-Gitarre mit Amp und Neumann TLM 107 über Apollo Twin E-Bass D.I. in EVO 4 E-Bass D.I. in Apollo Twin E-Gitarre D.I. in EVO 4 mit Ampsimulation E-Gitarre D.I. in Apollo Twin mit Ampsimulation E-Gitarre D.I. in EVO 4 trocken E-Gitarre D.I. in Apollo Twin trocken

Fazit

Das Audient EVO 4 ist ein wirklich modern anmutendes Interface. Die Bedienung gefällt mir sehr und die inneren Werte stimmen auch. Der Klang ist besser, als Größe und Preis vermuten lassen würden. Der einzig negative Punkt ist für mich die Kopfhörer/Lautsprecher-Umschaltung. Da muss jeder selbst wissen, ob das in den individuellen Workflow passt. Ansonsten ist das EVO 4 ein wirklich gutes Einsteiger-Interface oder auch ein prima Zweit-Interface für den Unterwegs-Einsatz.

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • gute Preamps
  • gut klingende Wandler
  • starker Kopfhörerausgang
  • modernes Design
  • Bedienung
  • extrem kompakt
  • geringe Latenz
  • Direct Monitoring
Contra
  • gegenseitige Stummschaltung von Kopfhörer und Lautsprecher
Artikelbild
Audient EVO 4 Test
Für 114,00€ bei
8_Audient_Evo4_Front
Features und Spezifikationen
  • zwei Mikrofonpreamps
  • DI-Input
  • 2 Line-Eingänge
  • Phantomspeisung
  • Direct-Monitoring
  • Dynamikumfang 113 dB
  • Wandlung mit bis zu 24bit / 96kHz
  • Preis: € 119,– (Straßenpreis am 20.3.2020)
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Profilbild von joe

joe sagt:

#1 - 01.08.2020 um 08:24 Uhr

0

habs am ipad pro 2017 mit garageband - besser geht nicht. Optimales Gerät.
Camera Connection Adapter notwendig für Strom und USB<>Lightning.
Obs am ipad pro 2020 (usb c) ohne stromzufuhr auch tut test ich bei gelegenheit. mein altes audient ID4 läuft auch ohne ext Stromversorgung wenn man keine phantompower braucht.

Profilbild von Acy

Acy sagt:

#2 - 11.07.2023 um 15:42 Uhr

0

Und dir ist nicht aufgefallen, dass die Gain Settings schon bei medium Output PAF Humbucker nicht ausreichen, dass bei Gain auf Null schon das Signal rot wird, und Smartgain hier gar nicht erfolgreich eingesetzt werden kann, weil es am Ende des Vorgangs rot bleibt, und eben nicht grün wird. Was sind das für Tests, denn ich gehe davon aus, dass das bei deinem Gerät eben auch schon so war, wie bei meinem neuen Gerät, mit der aktuellsten Firmware.

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